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Prähistorische Textilkunst in Mitteleuropa Geschichte des Handwerkes und Kleidung vor den Römern Karina Grömer mit Beiträgen von Regina Hofmann-de Keijzer zum Thema Färben und Helga Rösel-Mautendorfer zum Thema Nähen Karina Grömer Naturhistorisches Museum Wien Prähistorische Abteilung Burgring 7, 1010 Wien, Österreich e-mail: karina.groemer@nhm-wien.ac.at Regina Hofmann-de Keijzer Universität für angewandte Kunst Wien Institut für Kunst und Technologie / Archäometrie Salzgries 14/1, 1013 Wien, Österreich e-mail: regina.hofmann@uni-ak.ac.at Helga Rösel-Mautendorfer Naturhistorisches Museum Wien Prähistorische Abteilung; Forschungsprojekt: “Creativity and Craft Production in Middle and Late Bronze Age Europe” (CinBA) Burgring 7, 1010 Wien, Österreich e-mail: helgo@roesel.at Eigentümer, Herausgeber und Verleger: © 2010 Naturhistorisches Museum Wien Alle Rechte vorbehalten. Für den Inhalt sind die Autoren verantwortlich. Redaktion: Andreas Kroh Naturhistorisches Museum Wien Burgring 7, 1010 Wien, Österreich (Austria) Tel.: +43 (1) 521 77 / 576 Fax: +43 (1) 521 77 / 459 e-mail: andreas.kroh@nhm-wien.ac.at Umschlagentwurf: Andreas Kroh Layout: Kristina Kugler Druck: xxxx Herzlichen Dank an die Lektoren Walpurga Antl-Weiser, Katrin Kania, Andrea Kourgli, Anton Kroh und Anne Reichert. ISSN 2077-393 ISBN 978-3-902421-50-0 Titelbild: xxxx Prähistorische Textilkunst in Mitteleuropa Geschichte des Handwerkes und Kleidung vor den Römern 7 11 12 15 20 25 30 32 34 35 37 38 39 40 40 41 43 45 49 60 68 69 71 77 79 82 86 90 Vorwort Einführung Mitteleuropa vor den Römern Steinzeit Bronzezeit Eisenzeit Erhaltungsmöglichkeiten von Textilien Erhaltung durch Metallkorrosion Konservierung durch Salz Feuchtbodensiedlungen Eis Moore Baumsargfunde Verkohlung Abdrücke auf Keramik Die Deinition eines Textils Handwerkstechniken – von der Faser zum Stoff Rohmaterialien Planzliche Fasern Tierische Fasern Vorbereitungsarbeiten Vorbereitung von Flachs Vorbereitung von Wolle Archäologische Gerätefunde zur Faseraufbereitung Fadenherstellung – Spinnen Verschiedene Spinntechniken mit der Handspindel Archäologische Funde von Spinngeräten Spinnwirtelgewichte und erzielbare Fadenqualitäten 3 97 99 102 107 112 123 127 128 130 Webtechniken Bandgewebe: Ripsbänder Breite Bänder in verschiedenen Bindungen Brettchenweberei Flächige Gewebe am Gewichtswebstuhl Anfertigen der Gewebeanfangskante Seitenkanten Gewebeabschlüsse Einschäftiger Gewichtswebstuhl für Leinwandbindung und Varianten 133 140 143 143 146 149 157 162 164 166 166 171 172 178 181 181 183 184 186 Mehrschäftiger Gewichtswebstuhl für Köpervarianten Andere Webstuhltypen Färben (Regina Hofmann-de Keijzer) Menschen der Frühzeit entdecken Farbmittel und Färbeverfahren Naturwissenschaftliche Untersuchungen von Textilfärbungen Archäologische Nachweise von organischen Farbmitteln Textilfärberei der Bronzezeit und Eisenzeit Veredelung von Stoffen: Verzierungstechniken Verzierungstechniken beim Weben: Muster mit Struktur, Spinnrichtungsmuster Verzierungstechniken beim Weben: Farbmuster Flächige Gewebe Ripsbänder: Verzierung mit farbiger Kette Gemusterte Brettchenwebereien Flottierende Fäden in Kette oder Schuss Einarbeitung von Elementen Technik „Fliegender Faden“ Einarbeiten von Fransen und Wolllocken Einarbeiten von Metallen Einarbeiten von organischen Elementen: organische Perlen und Samen 187 188 190 193 196 197 200 4 Musterung mit Nadel und Faden Angenähte Dekorelemente (Applikationen) Stickerei und Ziernähte Bemalen von Stoffen Ausrüsten von Stoffen Ausrüsten von Wollgeweben Ausrüsten von Leinengeweben 201 202 203 208 212 216 219 Nähen und Schneiderei (Helga Rösel-Mautendorfer) Werkzeuge Stichtypen in der Urgeschichte Naht- und Saumarten in der Urgeschichte Beispiele von Schnittführung an Originalgewändern Prähistorische Abbildungen von Nähten und Säumen Flickungen und Reparaturen 221 Das textile Handwerk in der Urgeschichte 223 227 228 232 235 240 243 245 252 258 265 267 270 272 276 278 281 286 Produktionsniveau: Haushandwerk, Spezialistentum, Massen­ produktion Haushandwerk Heimindustrie Spezialisierung Massenproduktion Soziologie des Textilhandwerkes Die Nutzer von Textilien („Konsumenten“) Personen im Textilhandwerk („Produzenten“) Organisation des Textilhandwerkes – Arbeitsteilung? Produktionsorte Schlussfolgerung Von Kleidung bis Heimtextil: Verwendung von Geweben in der Urgeschichte 289 Kleidung Textilien im Grabbrauch Heimtextil: Wandbehänge, Kissen und Ähnliches Säcke und Beutel für den Transport „Recycling“: Bindematerial, Verbandszeug, Verpackungsmaterial Technische Nutzung: Schwertscheiden, Gürtelfütterung, Zwischenfutter Schlussfolgerung 291 Kleidung in der mitteleuropäischen Urgeschichte 293 293 296 299 301 305 Quellen zur vorrömischen Kleidungsgeschichte Vollständige Gewänder Textilfunde in Gräbern Trachtbestandteile und Schmuck aus Gräbern Bildquellen Schriftquellen 5 306 307 309 313 324 326 326 332 341 345 346 347 353 367 372 384 389 397 398 402 404 409 413 417 420 423 424 429 435 436 464 6 Kleidung durch die Zeiten Jungsteinzeit Die ersten Bauernkulturen im Früh- und Mittelneolithikum Spätneolithikum – Kupferzeit Schlussfolgerung zur jungsteinzeitlichen Kleidung Bronzezeit Gewänder der Nordischen Bronzezeit Quellen zur bronzezeitlichen Bekleidung in Mitteleuropa Kostümkundliche Deutung des bronzezeitlichen Quellenmaterials Kopfbedeckungen und Schuhe Eisenzeit Vollständige eisenzeitliche Gewänder aus Nordeuropa Quellen zur hallstattzeitlichen Bekleidung in Mitteleuropa Kleidung auf der Situlenkunst Quellen zur latènezeitlichen Bekleidung in Mitteleuropa Eisenzeitliche Schuhe Kostümkundliche Deutung des eisenzeitlichen Quellenmaterials Zur Bedeutung von Kleidung und Schmuck Schutz und Scham Kleidung für Mann und Frau Soziale Funktion der Kleidung Vom Wert der Kleidung Schlussbetrachtungen zur vorrömischen Kleidungsgeschichte Zusammenfassung Summary Anhang Glossar zu archäologischen und textilkundlichen Begriffen Abbildungsnachweise Quellen Literatur Register Vorwort Dieses Buch „Prähistorische Textilkunst in Mitteleuropa – Geschichte des Handwerkes und der Kleidung vor den Römern“ wendet sich gleichermaßen an Historiker, Kostümgeschichtler, Archäologen und an handwerksgeschichtlich Interessierte. Es wurde vom Standpunkt der Archäologie aus geschrieben, um die schriftlose Epoche der mitteleuropäischen Urgeschichte zu beleuchten. Für eine gute Lesbarkeit für das breite, wissenschaftlich interessierte Publikum werden Grundbegriffe der prähistorischen Archäologie und ihrer Methoden kurz erläutert, wenn sie für die Inhalte dieses Buches relevant sind. Ein fachspeziisches Glossar (archäologische und textilkundliche Begriffe) soll ebenfalls den Zugang zur Materie erleichtern. Da dieses Werk im Zuge eines Forschungsprojektes am Naturhistorischen Museum Wien verfasst wird, liegt der Fokus auf Österreich und seinen angrenzenden Nachbarländern. Das internationale Textilforschungsprojekt „DressID – Clothing and Identities. New Perspectives on Textiles in the Roman Empire“, inanziert durch das EU-Culture Programme wird unter der Leitung der Curt-Engelhorn-Stiftung der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim 2007 bis 2012 durchgeführt und es werden – ausgehend vom römischen Reich mit seinen archäologischen, bildnerischen und literarischen Quellen – kulturelle Identitäten und ihre Widerspiegelung in den Textilien und Kleidungsformen erforscht. Das Naturhistorische Museum als Projektpartner hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch die Erforschung der vorrömischen Textilien, der bildlichen Darstellungen, der Textilgeräte und ihres Kontextes Grundlegendes zum Verständnis des Handwerkes und der Kleidungsgeschichte im prähistorischen Mitteleuropa beizutragen, da diese die Basis für die technischen und kostümkundlichen Entwicklungen in den betroffenen Gebieten des Imperium Romanum bilden. In der klassischen Antike war das Textilhandwerk, besonders das Spinnen und Weben, mythologisch verbrämt. Die Schicksalsgöttinnen (im antiken Rom die Parzen, in Griechenland die Moiren), drei weise Frauen, spannen den Lebensfaden und schnitten 7 ihn ab – ihnen oblag mit dieser rituellen Handlung symbolisch die Kontrolle über die menschlichen Lebenszeit. Diese Wertschätzung gegenüber dem textilen Handwerk, die durch sprachliche und mythologische Symbolik zum Ausdruck kam, ist in der modernen Welt der Massenproduktion und globalen Wirtschaft nicht mehr spürbar. Interessanterweise hat jedoch das Textilhandwerk, allem voran die Weberei, vieles zur allgemeinen Technikentwicklung beigetragen. Webstühle, in der Jungsteinzeit entwickelt, stellen durch ihre mechanisierte Funktionsweise die ersten Maschinen der Menschheitsgeschichte dar. Es wurde etwa auch die Automatisierung mittels Lochkarten – die als frühe Anwendung der Digitaltechnik die Entwicklung des modernen Computers überhaupt möglich machte – für die Weberei entwickelt. JosephMarie Jaquard1 (1752 bis 1834) baute in den Österreichischen Musterwebstuhl Lochstreifen ein, die Informationen über das zu webende Muster enthielten. Diese wurden von Nadeln abgetastet, wobei ein Loch Fadenhebung, kein Loch Fadensenkung bedeutete. Durch die Lochkarten – modern ausgedrückt ein mechanisches Speichermedium für Daten – wurde der sogenannte Jaquard-Webstuhl zur ersten „programmierbaren“ Maschine, die nach Bedarf für endlose Muster von beliebiger Komplexität umgerüstet werden konnte. Die Wurzeln unserer Geschichte – auch der Geschichte des textilen Handwerks – liegen weit vor den Römern im „Dunkel“ der Schriftlosigkeit. Bereits in der Stein- und Bronzezeit wurden die wesentlichen Techniken entwickelt, die uns in der Textilkunde bis heute begleiten. Der prähistorischen Archäologie gelingt es, durch die Kombination verschiedenster, teils unscheinbarer Quellen in einem detektivischen Puzzlespiel ein plastisches Bild der textilen Handwerksgeschichte zu entwerfen. Beginnend mit der Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte des Textilhandwerks und ihrer archäologisch fassbaren Hinterlassenschaften, wird komplexen Fragestellungen zur Soziologie des Handwerks und zu den dahinter stehenden Personen 1 8 A. Bohnsack 1993: Jacquards Webstuhl. Deutsches Museum, München 1993. ebenso nachgegangen, wie zu den Produktionsorten. Es wird auch thematisiert, ob das Handwerk rein als Haushandwerk betrieben wurde oder ob wir bereits in vorrömischer Zeit in Mitteleuropa mit organisierten Produktionsformen (Spezialistentum, Massenproduktion) rechnen können. Das Buch schließt mit einem Kapitel über die Geschichte der Kleidung vor den Römern ab. Kleidung ist eines der wesentlichen Merkmale jeder Kultur. Hier wird versucht, sowohl die verschiedenen Bildquellen, die Funde aus den Gräbern als auch die zeitgenössischen Textilreste heranzuziehen, um dem Phänomen Kleidung nachzugehen. Der Zeitraum von der Stein- zur Eisenzeit ist sehr lang; die Quellenlage macht es unmöglich, ein vollständiges Bild der „prähistorischen Kostümgeschichte“ zu entwerfen. Einzelne Gewandformen können jedoch auch für diese frühe Zeit bereits erschlossen werden. Viele Aspekte prähistorischer Bekleidung können anhand des überlieferten Materials aufgezeigt werden, auch weiterführende Interpretationen, etwa zur sozialen Funktion der Kleidung, sind möglich. Hier schließt sich wieder der Kreis zum Forschungsprojekt „DressID – Kleidung und Identität“, dem die Möglichkeit zur Recherchearbeit für dieses Werk zu verdanken ist. Karina Grömer, im Juni 2010 9 Einführung Die textile Handwerks- und Kleidungsgeschichte muss immer im Kontext der Urgeschichtsforschung betrachtet werden. Zum Überblick wird in der Einführung eine kurze Übersicht zur Stein- Bronze- und Eisenzeit gegeben, bei denen nicht nur technische und kulturelle Errungenschaften, sondern auch soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte erwähnt werden. Mitteleuropa vor den Römern Die prähistorische Archäologie2 widmet sich der Erforschung der schriftlosen Epoche vom Beginn der Menschheitsgeschichte bis zur Verbreitung der Schrift. So endet in Ägypten die Urgeschichte im 4. Jahrtausend v. Chr., während in Mitteleuropa nördlich der Alpen erst mit den Expansionen der Römer um Christi Geburt die Schriftgeschichte Einzug hält. Die Aufgabe des Prähistorikers ist es, aus den oft nur spärlichen Quellen der archäologischen Bodenfunde die Lebenswelt unserer Vorfahren zu erforschen – das alltägliche Leben, die Wirtschaftsweisen und Handwerkstechniken sowie die gesellschaftlichen und religiösen Vorstellungen, soweit sie sich z. B. in den Gräbern widerspiegeln. Es sind auch die bei archäologischen Ausgrabungen entdeckten Siedlungen mit all ihren Strukturen wie Häusern, Herdstellen, Befestigungsgräben oder Vorratsgruben eine unerschöpliche Quelle des Wissens. Archäologie ist ein beliebtes Thema in Filmen wie in populärer Belletristik. Doch nicht die Jagd nach spektakulären Goldfunden – wie durch die bekannte Filmigur des Indiana Jones suggeriert – steht im Zentrum des Interesses der Prähistoriker, sondern die gesamte Hinterlassenschaft der menschlichen Kultur: Gefäße, Steingeräte, Tierknochen, Metallartefakte, Werkzeuge, Schmuck, bis hin zur unscheinbaren Tonscherbe. Bei all dem ist die Betrachtung der Begleitumstände wichtig. Wird beispielsweise ein Schwert entdeckt, so verrät uns erst der Kontext Näheres dazu: Wurde es etwa in einem Grab aufgefunden, so diente es wahrscheinlich als Grabbeigabe, um den verstorbenen Krieger zu ehren. Ein Einzelfund in einer zerstörten Siedlung könnte auf ein Kampfgeschehen hindeuten, bei dem es verloren ging. Ein vergrabenes Schwert an einem heiligen Platz (etwa einer Quelle) ist eher als Weihefund für eine Gottheit zu interpretieren. Daher sind auch Funde, die von Raubgräbern ohne Rücksicht auf den Befund mit Metallsuchsonden aus dem Boden geholt werden, wissenschaftlich weitgehend wertlos, sei es auch ein noch so schönes Schmuckstück oder ein prachtvolles Schwert. 2 12 Allgemein zur Einführung in die Archäologie z. B.: Eggers 1959. – Eggert 2001. Abb. 1: Zeittabelle. 13 Wie auch immer Forscher die archäologischen Hinterlassenschaften deuten, es muss stets bewusst sein, dass der Großteil der Materialien, mit denen der Mensch der Urzeit sich umgab und mit denen er arbeitete, leider verloren ist. In unseren Breiten vergehen organische Materialien üblicherweise, sobald sie in den Boden gelangen – also alles, was aus Holz, Leder, Gras oder Wolle besteht, alle Arten von Nahrungsmitteln oder Kleidung. Das macht auch das Thema Textilhandwerk und Kleidungsgeschichte sehr schwierig. Es bestehen in Europa nur wenige Gegebenheiten, unter denen derartige Materialien erhalten blieben (siehe Seite 30 ff.). Die Urgeschichte wird seit den Forschungen des Dänen Christian Thomsen aus dem Jahre 1836 nach den jeweils innovativen Werkstoffen in die Epochen Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit unterteilt. Da in der schriftlosen Zeit (vor allem bis zu den Kelten um 400 v. Chr.) die Namen der Stämme, Völker und Herrscher unbekannt sind, werden sogenannte „archäologische Kulturen“ voneinander abgegrenzt und zeitlich eingeordnet. Diese Kulturen werden von den Wissenschaftlern aufgrund typischer Werkzeuge, Gefäßformen und Verzierungen, durch einheitlichen Grabbrauch oder Hausbau deiniert. Die „archäologischen Kulturen“ und Zeitabschnitte sind nach einem diese Kultur bestimmenden Merkmal benannt, etwa Formen (z. B. Linearbandkeramik, Glockenbecherkultur) oder nach Befundgruppen (z. B. Hügelgräberkultur, Urnenfelderkultur). Schließlich sind es auch besondere Fundorte wie z. B. Hallstatt, die einer Kultur oder einer Epoche ihren Namen gegeben haben. Es ist dabei aber nicht immer zu entscheiden, ob diese archäologischen Kulturen mit ehemaligen Stämmen, Völkern oder Sprachgruppen übereinstimmen. Im vorliegenden Buch liegt der Hauptschwerpunkt auf den sesshaften Kulturen ab der Jungsteinzeit, da hier die Weberei und somit auch gewobene Kleidung aufkommt – jene Errungenschaften, mit denen wir uns im Folgenden näher beschäftigen wollen. Vorerst sei als Orientierungshilfe ein kurzer Überblick 14 über die Urgeschichte Mitteleuropas gegeben3. In Nordeuropa beginnen die einzelnen Epochen zeitlich etwas verschoben zu Mitteleuropa. Steinzeit Die Epoche Altsteinzeit ist jene, die die Menschheitsgeschichte am längsten geprägt hat. Seit der Mensch vor 4 Millionen Jahren den aufrechten Gang erlernte, lebten die Menschen bis zum Ende der letzten Eiszeit um 10.000 v. Chr. nomadisierend in Jäger- und Sammlerkulturen. Mit dem Auftauchen des anatomisch modernen Menschen in Mitteleuropa in der jüngeren Altsteinzeit um 40.000 v. Chr. erscheinen auch die ersten künstlerischen Äußerungen, die mit der Venus von Willendorf oder den ausdrucksstarken Höhlenzeichnungen von Lascaux und Altamira ihre berühmtesten Spuren hinterlassen haben. Die Jungsteinzeit, das Neolithikum, ist nach dem Ende der letzten Eiszeit mit den Umweltveränderungen am Beginn des Holozäns im Vorderen Orient fassbar, die auch Umbildungen in der Tier- und Planzenwelt mit sich brachten. Die eiszeitliche Tierwelt mit den Großsäugern wie Mammut, Wollnashorn und Ren verschwand, statt der eiszeitlichen Steppenlandschaft breitete sich ein Eichenmischwald im Großteil Mitteleuropas aus. Die Jungsteinzeit ist gekennzeichnet durch bäuerliche Kulturen mit Ackerbau und Viehzucht. Diese Errungenschaften erreichen Mitteleuropa vom Südosten her. Im Fruchtbaren Halbmond, dem Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, Israel bis zur Halbinsel Sinai, wurden die Menschen im 9. Jahrtausend v. Chr. sesshaft. Die in diesem Gebiet vorkommenden Urformen des Getreides und der Haustiere begünstigten diesen Prozess. Es wurde Einkorn und Emmer angebaut, Schaf, Ziege, Rind und Schwein domestiziert. Die Landwirtschaft führte zur Bildung von dauerhaften Ansiedlungen: erste Häuser, Dorf- und Siedlungsgemeinschaften entstanden, was unter anderem auch zum Schutz der 3 Siehe als Überblick etwa Urban 2000. – Cunliffe 1996. – Von Freeden & von Schnurbein 2002. – Oder die Reihe: Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter. Basel 1993, 1995, 1998, 1999. 15 Rohstoffe und der Ernte notwendig geworden war. Durch den Ackerbau war jedoch auch eine Abhängigkeit vom Boden und vom Klima gegeben, wodurch sich Weltbild und Religion veränderten. Bereits in der Jungsteinzeit führte der Mensch Eingriffe in die Umwelt durch, um mittels Rodungen Land zu gewinnen. Es war nun möglich, an einem Platz von Ernte zu Ernte zu leben, gemeinsam mit den Haustieren als lebendem Fleischvorrat. Diese gesicherten Lebensumstände führten zu einem Anwachsen der Bevölkerung. Die Bauern suchten neues Land, und so verbreitete sich nach einer der vielen Theorien Getreideanbau und Viehzucht. Über Kleinasien mit einer der ältesten Stadtkulturen in Çatal Hüyük verbreitete sich diese neue Lebensweise und erreichte im 7. Jahrtausend Griechenland, um über das Karpatenbecken im 6. Jahrtausend nach Mitteleuropa zu gelangen. Um 5.500 v. Chr. ist hier eine große bäuerliche Kultur zu fassen, die aufgrund der charakteristischen Tongefäße die Bezeichnung „Linearbandkeramik“ trägt. Neben der Herstellung von Gefäßen aus Keramik gab es nun weitere neue Handwerkstechniken. So wurden aus zähen Gesteinen wie dem Serpentin Felssteingeräte geschliffen, gesägt oder gebohrt, um diese dann als Werkzeuge für Rodungen und zur Bearbeitung von Hölzern und Hausbau zu nutzen. Ein weiteres Merkmal war nun die Herstellung von gewobenen Textilien. Flechtereien verschiedener Arten, ebenso wie Knüpfen, Netztechniken, Zwirnen und Ähnliches sind bereits aus dem Ende der Alt- und in der Mittelsteinzeit bekannt, die Weberei ist ein Novum. Die Jungsteinzeit in Mitteleuropa umfasst den Zeitraum zwischen 5.600 und 2.300 v. Chr. Das Frühneolithikum ist durch eine europaweite Kultur, die Linearbandkeramik, charakterisiert, die zu den besterforschten Kulturen des prähistorischen Europas zählt. Die ersten Bauern bevorzugten als Siedlungsplatz fruchtbare Lössböden in Wassernähe – vor allem der Donauraum bot einen Siedlungsanreiz. Es wurden Dörfer mit einigen Häusern angelegt, die Felder lagen in der Nähe (Abb. 2). Zum ersten Mal inden sich Gräberfelder, teils mit hunderten Bestatteten, die Aufschluss über die religiösen Vorstellungen der Menschen geben. Kleidungsbestandteile und Schmuck aus Knochen und Muscheln lassen uns das Aussehen der Kleidung erahnen – ebenso wie die kleinen Idoligürchen. Sicheln mit Feuersteinklingen dienten als Erntegerät, verschiedene Beile 16 aus Grünstein wurden für Holzarbeiten eingesetzt. Erstmals in der europäischen Geschichte gab es nun Tongefäße zum Kochen und Aufbewahren der Nahrungsmittel. Dennoch – das Zusammenleben war weit davon entfernt, ein paradiesisch-friedliches Bild abzugeben. Dies macht das „Massaker“ von Asparn-Schletz in Österreich auf grausame Weise deutlich. Hier wurde um 5.000 v. Chr. eine Befestigungsanlage errichtet, in deren Graben die Archäologen hunderte Skelette fanden. Die gesamte Bevölkerung war dahingemetzelt worden, nur die jungen Frauen fehlen in der Statistik – sie wurden wahrscheinlich verschleppt. Man kennt die Ursache dafür nicht genau, die an den Knochen festgestellten Spuren von Mangelernährung könnten jedoch einen Hinweis darauf geben, dass Missernten und Hungersnöte für diese erste geschichtlich dokumentierte kriegerische Handlung auf europäischem Boden verantwortlich sein könnten. Abb. 2: Lebensbild zu frühbäuerlichen Gemeinschaften in Mitteleuropa. Ab 4.900 v. Chr., im Mittelneolithikum, ist eine Ausweitung des Siedlungsraumes feststellbar, auch ehemalige Waldlandschaften etwa im Voralpenland oder in gebirgigen Zonen wurden gerodet und landwirtschaftlich genutzt. Gleichzeitig gliedern sich die Kulturen in Mitteleuropa immer mehr auf. Im mittleren Donauraum war etwa die Lengyelkultur verbreitet, nach der bevorzugten Keramikverzierung auch Bemaltkeramik genannt. In Deutschland hingegen indet sich die Rössener Kultur, die völlig andere Keramikformen und Verzierungen hervorbrachte, aber auch andere Haus- und Bestattungsformen. Das Siedlungsbild war nun stärker gegliedert. Es gab größere Dorfanlagen mit Befestigung als Zentrum für mehrere kleine Dörfer. Ein Charakteristikum dieser Zeit im Donauraum sind Kreisgrabenanlagen mit Durchmessern bis zu 160 m. Diese setzten sich aus bis zu drei ringförmig verlaufenden Gräben und dazwischen liegenden Erdbrücken zusammen, denen im Inneren öfters eine Palisade folgte. Die Anlagen dürften eine besondere rechtliche, politische und kultische Bedeutung gehabt haben – eventuell als Versammlungsplatz, Fluchtplatz oder Kultplatz. Im Bereich des Kultes inden sich nun kleine weibliche Idoliguren, die uns bei der Betrachtung der Quellen für die Kleidungsgeschichte interessieren werden. Allgemein herrschte am Beginn des Neolithikums feuchtwarmes Klima vor, ab 3.800 v. Chr., dem Spätneolithikum (Kupfer­ zeit), gab es eine Klimaänderung mit einer etwas kühleren Übergangszeit. Waren es in den Jahrtausenden vorher rein bäuerlich orientierte Kulturen, so setzen nun wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen ein. Es begannen sich verschiedene soziale Gruppen herauszubilden, die dann archäologisch in den Gräberfeldern fassbar sind. Unterschiedliche Werkzeug- und Waffenbeigaben lassen etwa den Schluss zu, dass es sich um Krieger und Handwerker gehandelt hat, die sich nun als neue Gesellschaftsschichten herausgebildet haben. In diese Zeit fallen die ersten Anfänge der Kupfermetallurgie, wobei vorerst vor allem Schmuck, später auch Werkzeuge aus diesem Metall hergestellt wurden; Gold wurde ebenfalls bereits verarbeitet. In der als Kupferzeit benannten Epoche bedeutete dieser neue begehrte 18 Rohstoff einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung für Landschaften mit Kupfer- und Goldlagerstätten, besonders für den Karpatenraum. Es wurden auch alpine Gebiete besiedelt. Erstmals in der mitteleuropäischen Geschichte ist nun der vierrädrige Wagen nachgewiesen, es gibt Radfunde aus der Schweiz und Slowenien und Hinweise auf das domestizierte Pferd. Durch die Benutzung von Wagen und Pferd nahm die Mobilität des Menschen, der sich bisher über die Jahrtausende nur zu Fuß fortbewegen konnte, unvorstellbar zu. Rad und Wagen waren vor allem auch für die Entwicklung der Landwirtschaft von Bedeutung mit der Möglichkeit nun größere Flächen zu bearbeiten. Eine der technischen Voraussetzungen für die Entwicklung des Rades ist die Kenntnis des Prinzips der Rotation um eine Achse – wie nicht zuletzt auch durch die Verwendung von Spindeln in der Jungsteinzeit geläuig. Im Gegensatz zur großen europäischen Kultur der Linearbandkeramik im Frühneolithikum ist im Spätneolithikum eine Aufgliederung in viele verschiedene regionale Kulturgruppen zu beobachten, die aber Kontakte zu den Nachbarräumen haben. Für die Textilforschung sind vor allem die Kulturen an den Seen rund um die Alpen interessant, da sich hier in den Feuchtbodensiedlungen organische Materialien und somit auch Textilien erhalten haben. So sind in der Schweiz im Spätneolithikum die Pfyner und Horgener Kultur beheimatet, in Österreich die Chamer Gruppe und Jevišovice-Kultur. Es würde in diesem Rahmen zu weit führen, die einzelnen Kulturerscheinungen näher zu charakterisieren. Hier bieten sie uns vor allem die Bezeichnungen des zeitlichen Nacheinanders verschiedener Regionalkulturen. Von besonderem Interesse ist die 1991 in der Nähe eines alten Passüberganges der Ötztaler Alpen gefundene Mumie mit Kleidung und Ausrüstungsgegenständen, die sich 5.300 Jahre im Gletschereis erhalten hat. Nach den Forschungen der Sprachwissenschaftler bildete sich während der Kupferzeit die indogermanische Sprachfamilie heraus – archäologisch belegbar ist eine derartige Einheit jedoch nicht. Die Jungsteinzeit endet, wie sie begonnen hat – mit einer gesamteuropäischen Kultur, der Schnurkeramik­Glockenbecherkultur, 19 benannt nach den hervorragend gearbeiteten glockenförmigen Bechern mit Stempeleindrücken. Das Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. ist auch durch große Wanderungsbewegungen in Westund Mitteleuropa gekennzeichnet. Es ist jene Zeit, in der im Ägypten der 4. Dynastie (2.639 bis 2.504 v. Chr.) unter den Pharaonen Cheops, Chefren und Mykerinos die großen Pyramiden entstehen. Bronzezeit Der mittlere Abschnitt des klassischen Dreiperiodensystems, die Bronzezeit, beginnt in Mitteleuropa um 2.300­2.200 v. Chr und endet zur Zeit der ersten Olympiade in Griechenland um 800 v. Chr. Dazwischen liegt die Zeit des ägyptischen Staates des Mittleren und (Beginn des) Neuen Reiches, die Zeit des hethitischen Großreiches und der mykenischen Kultur in der ägäischen Welt. Die Bronzezeit ist charakterisiert durch einen neuen Werkstoff, die Bronze, eine Legierung aus neun Teilen Kupfer zu einem Teil Zinn. Verwendung von Metall war im Vorderen Orient bereits um 5.000 v. Chr. bekannt. Die Entdeckungen und das Wissen um die Verarbeitung von Metall führten in Mitteleuropa zu einer technologische Umwälzung, die schließlich eine Umgestaltung aller gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche nach sich zog. Bronze und später Eisen ermöglichten die Produktion von besseren Geräten und Waffen, weil beide Werkstoffe sehr stabil sind und sich gut formen lassen. Dies bewirkte wiederum vermehrte Arbeitsteilung und weitere politische und soziale Schichtendifferenzierung. Neue Berufe entstanden: Berg- und Hüttenleute, Holzfäller, Zimmerleute, Köhler, Träger, Schmelzer, Gießer, Grob- und Feinschmied, Blech- und Waffenschmied, Binnen- und Fernhändler… Der Handel war sehr wichtig und prägte die Zeit. Das in Mitteleuropa verarbeitete Zinn stammte meist aus England, Kupferlagerstätten sind auch im Zentrum des Kontinents vorhanden, etwa in den Alpen. Die Handelskontakte durch Metalle, auch durch Luxuswaren wie Bernstein von der Nordsee oder mit Lebensnotwendigem wie Salz von den alpinen Salzlagerstätten lassen sich quer über den Kontinent verfolgen. Durch den Handel lernten die Völker Mitteleuropas 20 den Reichtum der Mittelmeerländer kennen. Das führte in den folgenden Jahrhunderten immer wieder zu kriegerischen Einfällen und Wanderungen in den klimatisch begünstigten Süden (z. B. „dorische Wanderung“ um 1.100 v. Chr.). Durch das Metall konnte ein Mehrprodukt erwirtschaftet und Reichtum angesammelt werden. Dies erforderte einen besseren Schutz der Siedlungen, ein Schutz, der von der herrschenden Oberschicht und den Kriegern gewährleistet wurde. Reich ausgestattete Fürstengräber und einfache Gräber belegen die soziale Gliederung und die Arbeitsteilung. Die bronzezeitliche Oberschicht hatte die Kontrolle über die Handelswege und die bedeutenden Erzlagerstätten. Sie sorgte für den Bau von Befestigungsanlagen. Abb. 3: Bronzedepotfund von Sipbachzell in Oberösterreich. 21 Es sind zwei Burgenbau-Horizonte unterscheidbar, einer in der frühen und der andere in der späten Bronzezeit. Während dieser Zeiten boten die Burgen Schutz und dienten der Selbstdarstellung der Oberschicht. In der Mittelbronzezeit sind die Höhensitze weniger bedeutend, nun dienen monumentale Grabbauten dem Ausdruck der Repräsentation. Der Wohlstand breiter Bevölkerungskreise spiegelt sich in den Gräberfeldern dieser Zeit wider. In der Frühbronzezeit zwischen 2.300 und 1.600 v. Chr. wurden mächtige Befestigungen mit Wall und Graben errichtet, wobei stets die Lage auf einem Geländesporn bevorzugt wurde. Als Wohnhäuser wurden rechteckige Pfostenbauten mit Flechtwerkwänden verwendet. In der Frühbronzezeit wurden große Gräberfelder angelegt, die Menschen in gehockter Lage bestattet. Durch die Gräber haben wir ein gutes Bild vom Aussehen der damaligen Bevölkerung. Es ist durch die anthropologische Analyse des Gräberfeldes Gemeinlebarn etwa sehr auffällig, dass jene Personen, die mit reichen Grabausstattungen beerdigt wurden, mit durchschnittlich 1,70 m (Männer) auch einen höheren Körperwuchs hatten. Die ärmere Bevölkerung misst im Schnitt nur 1,66 m (Männer). Frauen sind bei beiden Gruppen im Mittel je 10 cm kleiner. Dieser Körperwuchsunterschied zwischen Arm und Reich wird dadurch erklärt, dass die bessere Ernährung der reichen Schichten, gemeinsam mit guten Lebensbedingungen, etwa dem Fehlen schwerer Arbeit im Kindesalter, das Wachstum begünstigt. Diese Gräber sind für unser Thema sehr wesentlich, da die darin erhaltenen metallenen Schmuckund Kleidungselemente Hinweise zum Gewand bieten. Außerdem sind durch Metallkorrosion teilweise Textilreste erhalten. Die Frühbronzezeit war eine Umbruchszeit, in der viele kleinregionale Traditionen gebildet wurden, wie wir an den archäologischen Funden, vor allem der Keramik, ablesen können. Bronzeschmuck (Schmucknadeln, Arm- und Beinringe), Waffen sowie die Werkzeuge wie Beile werden dagegen überregional verhandelt und gelangen durch Wanderkontakte auch in abgelegene Gebiete. Eine der größeren Kultureinheiten der Frühbronzezeit ist die Aunjetitzer Kultur, benannt nach einem Fundort bei Prag. Der Metallreichtum dieser Region schlägt sich in vielen Depotfunden und zahlreichen Schmuckbeigaben in Gräbern nieder. 22 In Bezug auf die Textilfunde ist wesentlich, dass es in der Frühbronzezeit nach wie vor im zirkumalpinen Raum Seeufersiedlungen gab. Den bedeutendsten Bestand an Geweben kennen wir aus Norditalien. In der Mittelbronzezeit zwischen 1.600 und 1.250 v. Chr. sind nicht so viele regionale Splittergruppen feststellbar. Der Hintergrund dafür, dass es nun wieder größere Kultureinheiten gibt, ist unklar. Die Menschen lassen sich in mächtigen Grabhügeln bestatten, was der Epoche die Bezeichnung Hügelgräberbronzezeit eingebracht hat. Für Personen der Oberschicht wurde eine beachtliche Arbeitsleistung erbracht, indem Grabhügel mit einem Durchmesser bis zu 15 m aufgeschüttet wurden. Oft sind mehrere Bestattungen in einem Grab vorzuinden. Wie bereits in der Frühbronzezeit ist zu beobachten, dass Personen mit reichen Beigaben größer gewachsen sind – ein Hinweis darauf, dass die Familien der Oberschicht einen deutlich besseren Lebensstandard hatten als die schwer körperlich arbeitende Unterschicht. Die Kriegerschicht kannte auch eigene Statussymbole – reich verzierte Streitäxte. In der Mittelbronzezeit entwickelte sich langsam die Waffentechnik. Waren vorher nur Dolche in Gebrauch, so inden wir jetzt die ersten Schwertformen – eine Nahkampfwaffe für den Kampf Mann gegen Mann, die den Menschen noch bis weit ins Mittelalter begleitet. Die Frauen der Oberschicht schmücken sich mit reichem und schwerem Bronzeschmuck, der teils übertriebene Formen aufweisen kann: lange Gewandnadeln, wuchtige Diademe, breite Metallgürtel, großer Brustschmuck – es herrscht eine regelrechte „Prunkwelle“. Ab der Mittelbronzezeit wurde in Hallstatt Salz bergmännisch abgebaut – für die Textilforschung ein Glücksfall, da sich im „Betriebsabfall“ dieses Bergwerkes alle organischen Materialien erhalten haben und uns dies einen guten Einblick über die verwendeten Textilien gewährt. In der Spätbronzezeit zwischen 1.250 und 800 v. Chr. änderte sich die Bestattungssitte. Die Toten werden nun verbrannt und in Urnen beigesetzt. Neben der Urne kamen auch Schüsseln mit Fleischbeigabe sowie teilweise Schmuckstücke und Waffen ins Grab. Die religiösen Hintergründe für die Änderung von Körper- zu Brandbestattung sind bisher nicht schlüssig enträtselt. 23 In der so genannten Urnenfelderzeit werden wiederum auf Anhöhen große Befestigungsanlagen errichtet, wie z. B. in Stillfried an der March. Sie sind teils bis zu 50 ha groß und von mächtigen Gräben und Erdwällen mit Palisaden umgeben. Im Inneren der Wälle der Wallanlagen inden sich Wohnhäuser, Speicherbauten und Werkstätten; die Befestigungsanlagen waren Herrschaftszentren mit Wohnplatz, Wirtschafts- und Produktionszentren in einem. Daneben gibt es im Flachland dorfähnliche Siedlungen mit bäuerlichem Charakter. In der Landwirtschaft vollzog sich bis zum Ende der Bronzezeit eine Intensivierung, die in der Dreiteilung Wald-Feld-Wiese gipfelte, die im Wesentlichen bis in das Mittelalter beibehalten wurde. Offene Wiesen, wie wir sie heute kennen, entstanden ebenfalls während der Bronzezeit. Es mehren sich im Laufe der Bronzezeit die Anzeichen, dass Spezialisten für die verschiedenen Handwerkszweige zuständig wurden (neben Metallurgie in Töpferei, Handel, aber auch in Kultausübung und Kriegswesen). In dieser Zeit sind die ersten historischen Wanderungsbewegungen überliefert. Vor allem im Südosten Europas kommt es zu ausgedehnten Bevölkerungsverschiebungen. Die erste Welle der Wanderungen, der so genannte Seevölker-Sturm, brachte Unruhe in den ostmediterranen Raum. In dessen Verlauf wurde um 1.200 v. Chr. das Hethiterreich in Kleinasien zerstört. Die Dorerwanderung in Griechenland um 1.100 v. Chr. hatte das Ende der mykenischen Kultur zur Folge. In Mittelitalien wurde die Protovillanovakultur begründet, die Wurzeln für die Kultur der Etrusker im 9. Jahrhundert. Vom archäologischen Gesichtspunkt sind derartige Wanderungen schwer beweisbar. Kommen etwa Waffen, Keramik und Schmuck in „fremden“ Gebieten vor, so könnte dies sowohl auf Handel als auch auf die physische Anwesenheit von unterschiedlichen Personengruppen oder Stämmen hindeuten. Was aber die archäologische Evidenz klar macht, ist, dass es sich um eine sehr kriegerische Zeit gehandelt hat. Schon alleine der Aufwand, der mit dem Bau von Befestigungsanlagen betrieben wurde, spricht dafür – auch die Waffentechnologie unterliegt einer immer rasanteren Entwicklung. Neben der Verbesserung der Schwerter werden nun auch Schutzpanzerungen und Helme entwickelt. Typisch für diese Zeit sind Horte, also Verstecke von 24 Bronzegegenständen. Man hatte demnach das Bedürfnis Wertgegenstände sicher zu verwahren. Eisenzeit Am Ende des 8. vorchristlichen Jahrhunderts hatte sich die politische und kulturelle Situation Mitteleuropas nach den Wirren der Urnenfelderzeit einigermaßen stabilisiert. Während sich auf der Apenninhalbinsel die etruskische Kultur durchsetzte, dehnte Griechenland seinen Einlussbereich durch die Gründung von Kolonien an der nordwestlichen Mittelmeerküste aus. Auf dem Balkan hatten sich neben den Thrakern und Makedoniern auch Illyrer und Skythen etabliert. Wiederum war es der innovative Rohstoff, diesmal das Eisen, das einer Epoche den Namen gab. Das Wissen von der Schmiedekunst stammte aus dem östlichen Mittelmeerraum und verbreitete sich während des 9. und 8. Jahrhunderts bis Mitteleuropa. Eisen wurde zuerst nur als Schmuck verwendet, später für Waffen und Werkzeuge. Eisenlagerstätten inden sich auch in Mitteleuropa. Zur Produktion musste also nicht wie bei der Bronzeherstellung erst teures Zinn aus weit entfernten Gebieten herbeigeschafft werden. Eisengewinnung wurde schließlich billiger als Bronzeerzeugung, bei Verlust waren Eisengegenstände leichter zu ersetzen als solche aus Bronze. Das Eisen wurde vor allem zur Herstellung von Waffen und Werkzeugen verwendet (Abb. 4). Dieser Rohstoff war für die Entwicklung von handwerklichen und bäuerlichen Gerätschaften wichtig, die oft kaum verändert bis in die vorindustrielle Zeit verwendet wurden: Plugscharen, Zangen, Ketten, Radreifen, Trensen etc. In der Älteren Eisenzeit zwischen 800 und 400 v. Chr. wächst der Einluss antiker Stadtkulturen auf die Zone nördlich der Alpen. Im 6. vorchristlichen Jahrhundert ist der Handel mit griechischen Kolonien in Südfrankreich nachgewiesen. Wein, Gewürze, Bronzegeschirr und Luxusgüter waren die Objekte der Begierde, die von der eisenzeitlichen Oberschicht geschätzt wurden. 25 Abb. 4:Spätlatènezeitlicher Eisendepotfund vom Gründberg, Oberösterreich mit Wagenbeschlägen, Gerätschaften und Werkzeug. Ausgrabungen Stadtmuseum Nordico Linz und Universität Wien. 26 Diese eisenzeitliche Oberschicht an der Spitze der Gesellschaft versuchte die mediterrane Lebensweise nachzuahmen, importierte griechische Gebrauchs- und Luxusgüter. Die Macht, auch die Kontrolle über die Bodenschätze, konzentrierte sich auf einige Großfamilien. Feudale Wohnsitze und prunkvolle Bestattung in großen Grabhügeln dienten zur Repräsentation. Die Lebenshaltung auf einer „Burg“ in der Älteren Eisenzeit (vor allem im Westen) ist vergleichbar mit dem historisch bekannten Bild eines mykenischen Fürstenhofes. Dies führen uns auch die szenischen Bilder der Situlenkunst aus dem Südostalpenraum zwischen dem 6. und 4. Jahrhundert lebendig vor Augen: es wurde Musik gespielt, es gab Zweikämpfer, Akrobaten und Tänzer, Wein wurde mit Schöpfkellen in Trinkschalen geschenkt, man genoss Musik mit Harfe und Panlöte. Wagenfahrten und Prozessionen runden das Bild ab. Zentrale Siedlungsplätze sind die bewehrten Höhensiedlungen, sie bilden die schützenden und auch repräsentativen Wohnstätten für den Adel. Die Heuneburg an der oberen Donau in Deutschland ist ein besonders markantes Beispiel. In der Anlage gab es an zentraler Stelle einen großen Platz (einen Markt) mit einem palastartigen Bau für den Burgherrn. Die Heuneburg verfügte auch über eigene Handwerksviertel. Die Mauern waren 3-4 m hoch, in einer Siedlungsphase wurden sogar Bastionen aus Lehmziegeln nach mediterranem Vorbild errichtet – eine Technik, die für mitteleuropäisches Klima denkbar ungünstig ist und bald ersetzt wurde. Die Ältere Eisenzeit trägt ihren Namen auch nach den Funden aus Hallstatt. Die efiziente Ausbeutung der Salzlagerstätten und der ausgedehnte Handel brachten der ansässigen Bevölkerung Reichtum ein, der sich in exquisiten Beigaben des großen Gräberfeldes niederschlug. In Hallstatt gibt es aber nicht erst in der Eisenzeit ein Salzbergwerk. Der bergmännische Abbau von Salz reicht bis in die Mittelbronzezeit zurück. Sowohl in den bronzezeitlichen als auch in den eisenzeitlichen Bereichen des Hallstätter Salzberges wurden Textilreste entdeckt. Die Hallstattkultur reichte von Frankreich über die Alpen bis Westungarn, weiter im Osten siedelte das Reitervolk der Skythen. Die Hallstattkultur wird in einen West- und Ostkreis unterteilt, bei denen unterschiedlich starke Aufnahme von mediterranen Elementen zu beobachten sind. Der Westkreis, in den verstärkt über Massalia griechische Importe gelangten, liegt zwischen Frankreich und Deutschland bis Oberösterreich. Hier inden sich in Sichtweite der Adelssitze große Grabhügel mit Steinkammern, Tote wurden auf vierrädrigen Wagen aufgebahrt. Berühmte Beispiele für derartige Fürstenbestattungen sind die Gräber von Hochdorf oder Hohmichele in Deutschland. Goldene Halsreife wie jener aus Uttendorf in Oberösterreich (Abb. 5) dienten als Abzeichen von hohem sozialem Rang, auch als Attribut von Göttern. Der Ostkreis zwischen Ostösterreich, Slowakei und Ungarn lag für griechische und etruskische Händler etwas abseits. Er zählte eher zur Peripherie, wobei der reiche Westkreis imitiert wurde. So wurden etwa Bronzegefäße aus Ton nachgeformt. Andererseits gab es hier eigene Stilrichtungen vor allem in der Keramik, der sogenannten Kalenderbergkultur am Nordrand der Alpen. 27 Abb. 5: Goldhalsreif aus einem hallstattzeitlichen Grab von Uttendorf, Oberösterreich. Im Ostkreis gibt es in den Gräbern keine Wagen und keine Goldbeigaben wie im Westkreis. Die Vermögenden sind ebenfalls in Grabhügeln bestattet, die einfache Bevölkerung in Flachgräbern. Die Jüngere Eisenzeit ab 400 v. Chr. ist nach dem Fundort La Tène am Neuenburger See in der Schweiz benannt. Die Latènezeit endet in Österreich um 15 v. Chr., als Tiberius (Stiefsohn v. Kaiser Augustus) zur Donau vorstieß und bei Carnuntum ein Winterlager für seine Legionen einrichtete. Somit wurde das Gebiet südlich der Donau Teil des römischen Weltreiches, nördlich der Donau siedeln sich schließlich germanische Stämme wie die Markomannen und Quaden an. Die Latènezeit ist bereits der Übergang zur Schriftgeschichte, da durch historische Überlieferung zumindest auszugsweise historische Ereignisse bekannt sind. Weiheinschriften der Stämme der Räter und Veneter in einem nordetruskischen Alphabet aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. zählen zu den ältesten Schriftquellen des Alpenraumes. Im 5. Jahrhundert v. Chr. erwähnt der griechische Geschichtsschreiber Herodot erstmals den Namen eines Volkes aus dem Gebiet nördlich der Alpen: Keltoi – die Kelten, die er „am Ursprung der Donau“ lokalisierte. Später werden dann die Kelten in Westeuropa von den Römern als Gallier (Gallii) bezeichnet. Livius (um 250 v. Chr.) deutet an, dass es im 6. Jahrhundert einen keltischen König gegeben hat – somit haben wir neben den 28 archäologischen Befunden auch einen schriftlichen Hinweis auf eine Adelsschicht. Die Kelten, die ab 500 v. Chr. ihr Gebiet bis zu den Alpen ausgeweitet hatten, errichteten in Mitteleuropa jedoch nie ein Gesamtreich, sie blieben in Stämme und Stammesbündnisse gegliedert. Die Kelten stießen 387 v. Chr. bis nach Rom vor, 279 v. Chr. donauabwärts bis nach Delphi und schließlich nach Kleinasien, wo sie etwa auch in der Bibel erwähnt werden; als Galater in den Paulusbriefen. In der Latènezeit gibt es große zentrale Höhensiedlungen. Deren Wallsystem mit vernageltem Holzkastensystem mit Steinblendmauern davor bot einen guten Schutz vor Brandpfeilen. Von Julius Cäsar ist die Bezeichnung „murus gallicus“ für diese besondere Befestigungstechnik überliefert. Nach der Annexion durch die Römer wurden die keltischen Höhensiedlungen aufgelassen und am Talboden römische Städte gegründet. Ab 120­100 v. Chr. entstanden in Mittel- und Westeuropa keltische Oppida. Cäsar unterschied in seinen „Commentarii de bello Gallico“ (58-49 v. Chr.) das gallische oppidum (urbs) vom offenen Dorf (vicus) und dem Einzelgehöft (aediicium). Oppida waren stadtartige Siedlungszentren mit Befestigung und dienten als Mittelpunkt eines Stammesgebietes, als „Fluchtburg“ für die Bevölkerung und als Heeresversammlungsplatz. Da sie auch befestigte Adelswohnsitze waren, gab es im oppidum neben Werkstätten auch das Verwaltungszentrum und das Stammesheiligtum. Außerdem wurden in diesen Zentren Münzen geprägt. Münzen als Zahlungsmittel werden von keltischen Söldnern in griechischen und ägyptischen Diensten ab der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. eingeführt, wobei keltische Herrscher zunächst griechische Münzen kopierten. An den Höfen der Aristokratie entsteht nun ein neuer Kunststil, der Latènestil, bei dem planzliche und tierische Motive der mediterranen Kunst als Vorbild dienten: Palmetten, Lotosblüten, auch der skythisch-persische Tierstil aus dem Osten. Sie wurden zu fantasievollen Gebilden mit Symbolgehalt, teils auch zu Menschendarstellungen in diesem Stil, verändert. 29 In der Latènezeit änderten sich die Bestattungssitten, die prunkvollen Hügelgräber wurden von Flachgräberfeldern abgelöst, bei denen quadratische und runde Gräben die einzelnen Gräberareale abgrenzten. Die Betonung der Kriegergräber durch die Beigaben lässt darauf schließen, dass nun eine Kriegerschichte die hallstattzeitliche Aristokratie allmählich ablöste. Die Beigabe von Schmuck und Trachtelementen gibt uns in der Hallstatt- und Latènezeit zahlreiche Hinweise auf das Aussehen der Kleidung. Im Laufe des 2. Jahrhunderts v. Chr. ist nur noch die Brandbestattung in kleinen Grabgruben üblich, wodurch sich unsere Kenntnis zur Kleidung verringert. In technologischer Hinsicht tut sich viel in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende, so kommt erstmals die Herstellung von Tongefäßen mit Hilfe der Töpferscheibe auf. Ein wichtiges Handelsprodukt in der Jüngeren Eisenzeit war nun das im Alpenraum hergestellte hochwertige Eisen ( ferrum noricum), das für Rom als kriegerische Weltmacht bedeutend war. Ebenso wichtig war das Salz, das neben Hallstatt nun vor allem am Dürrnberg bei Hallein abgebaut und von dort aus verhandelt wurde. Erhaltungsmöglichkeiten von Textilien Hat man ein Bild vor Augen, etwa von einem keltischen Haus: Drinnen steht vor der Holzwand ein Webstuhl, an dem gerade eine Frau arbeitet, daneben ein Korb mit Wolle und Spindeln. Das Herdfeuer prasselt, es wird eifrig im Eisenkessel gekocht, die Zutaten für eine Mahlzeit werden mit Eisenmessern geschnitten oder stehen in Tontöpfen bereit. Gemüse, Obst und Getreide lagern in Körben, in Griffweite zur Kochstelle. Eine Person lagert auf einer Bettstatt, die bequem mit Stroh und Fellen gepolstert ist... Was bleibt davon übrig, wenn Wind, Regen und Bodenbakterien ihr Werk vollbracht haben? Von der oben geschilderten Szene inden Archäologen nur noch klägliche Reste. Die Holzwände und Pfosten des Hauses sind vergangen, dokumentierbar sind nur noch die Pfostengruben, in denen die tragenden Steher im Boden eingetieft wurden. Die Feuerstelle mit dem 30 Steinkranz ist gut zu sehen, der durch die Wärme verziegelte Lehm und die Holzkohle überdauern ebenfalls. Die Kochutensilien, der Kessel, die Keramikgefäße und Metallmesser sind bei der Ausgrabung noch vorhanden, die Lebensmittel hingegen vergehen. Vom Webstuhl und dem Spindelkorb bleiben ebenfalls nur traurige Überbleibsel: die Webgewichte, bestenfalls die Standspuren des Rahmengestells und die tönernen Schwunggewichte der Spindeln. Die Erhaltungsbedingungen für organische Materialien, besonders für Textilien sind, wie in diesem Beispiel demonstriert, unter den klimatischen Bedingungen Mitteleuropas alles andere als erfreulich. So ist der Großteil jener Materialien, mit denen der prähistorische Mensch hantierte, mit denen er sich umgab, an herkömmlichen Fundstellen archäologisch nicht fassbar. Erst archäologische Glücksfälle, wie die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Feuchtbodensiedlungen rund um die Alpen, Abb. 6: Keltisches Reenactment im Freilichtmuseum Schwarzenbach, September 2007 31 die Funde aus den Salzbergwerken in Hallstatt und DürrnbergHallein oder auch der jungsteinzeitliche Mann im Eis, besser bekannt als „Ötzi“, zeigen uns die Vielfalt der Rohstoffe, die verwendet wurden. Zudem kann es bei diesen unterschiedlichen Konservierungsbedingungen auch zu einer selektiven Auswahl der organischen Funde kommen. So sind etwa bei manchen Fundorten keine Planzen, anderswo keine tierischen Materialien wie Wolle oder Leder vorhanden. Dies liegt an den unterschiedlichen Milieubedingungen. Eine günstige Bodensituation für die Erhaltung von Faserstoffen, die aus Eiweiß aufgebaut sind (wie Wolle) oder aus Zellulose (wie Planzenfasern), ist ein pH-Wert, der die Fasern nicht angreift und in dem schädigende Bakterien und Pilze nicht überleben können. Tierische Faserstoffe erhalten sich am besten im neutralen Bereich mit einem pH-Wert 7, sie lösen sich im alkalischen Milieu auf. Planzliche Fasern bauen sich in saurer Umgebung ab; tierische und planzliche Materialien sind daher nur in Ausnahmefällen am selben Fundort erhalten. Die Abbaugeschwindigkeit ist dabei von mehreren Faktoren abhängig. Wärme-, Wasser-, Sauerstoff- und Nährstoffmangel entscheiden über die Lebensbedingungen der Bodenorganismen und das Vorhandensein von Gerbstoffen, wie sie etwa in Mooren oder Baumsärgen vorkommen, kann die Zersetzung stark verzögern4. Die unterschiedlichen Erhaltungsumstände (Baumsarg, Feuchtbodensiedlung, an Metalle ankorrodiert) repräsentieren auch verschiedene Deponierungs- und Befundumstände. Es ist also nicht nur eine eher geringe Anzahl an Textilien aus der mitteleuropäischen Urgeschichte erhalten, sondern auch eine stark selektive Auswahl aus verschiedenen Kontexten. Erhaltung durch Metallkorrosion In der Bronze- und Eisenzeit bieten vor allem die zahlreichen in die Gräber mitgegebenen Metalle eine Möglichkeit zur Erhaltung 4 32 vgl. zu den Erhaltungsbedingungen Farke 1986. Abb. 7: Korrodierte Textilien an Metallgegenständen aus dem hallstattzeitlichen Gräberfeld von Uttendorf im Pinzgau. von Textilien. Gelangen Textilien zusammen mit Bronze- und Eisenobjekten in den Boden (etwa bei Kleidungsbestandteilen in Gräbern), so kann es an den Berührungspunkten der zumeist kupfer- oder eisenhaltigen Metalle und der benachbart liegenden Textilien über Metallkorrosion zur Entstehung einer dauerhaften Materialkombination kommen (Abb. 7). Dabei wandern lösliche Metallsalze unter Feuchteinwirkung in den textilen Werkstoff und durchdringen ihn. Während der Lagerung im Boden kommt es dann zu einer chemischen Verbindung der Materialien, wobei die textile Komponente abgebaut wird. Dieser als Mineralisierung bezeichnete Vorgang kann zu einer vollständigen Ersetzung des organischen Materials führen5. Die Übergänge von der Erhaltung des organischen Bestandes durch Metallsalze zu vollständiger Mineralisierung des 5 Nach Mitschke 2001, 29. 33 Gewebes – sodass nur noch die äußere Hülle bzw. Abdrücke vorhanden sind – sind ließend. An den Funden aus Hochdorf konnte Johanna Banck-Burgess6 die Zersetzungsprozesse rekonstruieren, die zu einem veränderten Aussehen der Textilien führen. So kann die Fasersubstanz abgebaut werden, die Fadenstärke dünnt aus, die Oberlächen können „verseifen“, sodass die Gewebestruktur kaum mehr wahrnehmbar ist. In manchen Fällen, wenn die Gewebe vollständig von den Metalloxiden ersetzt wurden, ist die Faserstruktur noch als Abdruck erhalten. Die Metalloxide können im Gegenzug eine Volumenvergrößerung der Fäden bewirken, durch das Aufblühen der Gewebestruktur kann das Textil auch verdichtet und damit unnatürlich kompakt erscheinen. Die in Gräbern durch Metallkorrosion erhaltenen Textilien sind meist mehr als unansehnlich, da bei diesem Vorgang normalerweise auch die ursprüngliche Färbung verloren geht. Zudem sind sie meist kleinstückig, beschränken sich teils nur auf wenige Quadratmillimeter und können bei der Ausgrabung und Restaurierung der Funde nur allzu leicht übersehen werden. Trotz dieser Einschränkung sind durch Metallkorrosion erhaltene Textilreste eine wichtige Quelle für die Forschung. Konservierung durch Salz In den prähistorischen Fundstellen der Salzbergwerke Hallstatt und Dürrnberg­Hallein existieren für die Urgeschichte in Europa einmalige Erhaltungsbedingungen. Salze können zur Erhaltung von Fasern beitragen, da sie auf Mikroorganismen wie Bakterien toxisch wirken. In einem salzigen Milieu trocknen einzellige Bakterien aus und sterben7. So wird die bakterielle Aktivität, also der Zersetzungsprozess organischer Materialien, unterbunden. Der hohe Bergdruck verschließt vom Menschen geschaffene Hohlräume im amorphen, weichen Haselgebirge nach kürzester Zeit wieder, sodass die prähistorischen Überreste, das sogenannte Heidengebirge, luftdicht abgeschlossen werden. 34 6 Banck-Burgess 1999, 93, Taf. 1 und 2. 7 Gengler 2005. – van der Sanden 1996, 12. Abb. 8: Sogenanntes Heidengebirge mit Textil aus dem Salzbergwerk Hallstatt, Ritschnerwerk. Durch diese luftdichte Einbettung im Salzgestein können keine oxidativen Abbauprozesse stattinden und der mikrobiologische Abbau wird gehemmt. Die im Berg vorhandene relativ hohe Luftfeuchtigkeit verhindert ein Austrocknen der Fasern8. Auch die konstant niedrigen Temperaturen im Bergwerk verlangsamen die natürlichen Abbauprozesse. Die Gewebe sind daher in ihrer organischen Substanz vorzüglich erhalten und noch elastisch und geschmeidig. Das Salz konserviert ohne Einschränkung jegliches organische Material, sowohl planzliches als auch tierisches. Es können also in einem Salzbergwerk keine Fundlücken durch erhaltungsbedingte Selektion entstehen – wie sie etwa an den Seeufersiedlungen und bei den nordischen Baumsärgen immer in Betracht gezogen werden müssen. Feuchtbodensiedlungen Im Neolithikum und der Bronzezeit kennt man Feuchtbodensiedlungen mit textilem Material im zirkumalpinen Raum: in der Schweiz, in Deutschland, Italien und Österreich. Die Menschen errichteten ihre Häuser als Seeufersiedlungen am Wasser, teils 8 Siehe dazu Gengler 2005, Kapitel 3.1.3.5 und 3.3.1, S. 28 f. und 37 ff. 35 auch als Pfahlbauten. Wenn organische Materialien ins Wasser gelangten und dort verblieben, bestanden gute Chancen, dass diese dort die Jahrtausende überdauern konnten. Abb. 9: Jungsteinzeitliche Siedlung Arbon Bleiche 3, Schweiz. Fundlage von Holz und Textilien im Feuchtbodenbereich. 9 36 Aufgrund des relativ geringen Sauerstoffes im Wasser wird der Oxidationsprozess von Geweben verlangsamt und zersetzende Bakterien an ihrer Arbeit gehindert. Auf den Grund des Sees gesunkene Textilien wurden von Ablagerungen, v. a. Seekreide, eingeschlossen. Wegen des hier vorherrschenden alkalischen Milieus wurden tierische Fasern allerdings mit der Zeit zerstört9. Das ist der Grund, warum sich in den Feuchtbodensiedlungen großteils nur planzliches Material wie Gewebe aus Flachs, Siebe und Körbe aus verschiedenen Bastarten und Hölzern erhalten hat. vgl. dazu Farke 1986, 56. Eis Seit dem spektakulären Fund des Mannes aus dem Eis, einer jungsteinzeitlichen Mumie, die mit ihren Habseligkeiten im Jahre 1991 aus dem Gletscher ausgeapert ist (Abb. 10)10, rückten auch die Gebirgszonen Mitteleuropas vermehrt in den Fokus des archäologischen Interesses. Seither wurden in den Alpen weitere bedeutende Funde gemacht11. 10 Fleckinger 2003. – Spindler et al. 1993. – Spindler 1995. 11 Siehe etwa bei Wikipedia unter Stichwort: Gletscherarchäologie. Abb. 10: Der Mann aus dem Eis, die jungsteinzeitliche Mumie vom Ötztaler Gletscher, ca. 3.300 v. Chr. 37 Die konservierende Wirkung des Eises beruht auf den tiefen Temperaturen. Die Kombination von Kälte und Trockenheit, die Gefriertrocknung, wird auch in der modernen Forschung eingesetzt, um organische Materialien haltbar zu machen. Moore Besonders bedeutend für die Textil- und Kleiderforschung sind die Moore Nordeuropas. Von berühmten Fundplätzen wie Thorsberg oder Huldremose kennen wir vollständige Gewänder, die bei der Gewinnung von Torf zum Vorschein kamen. Auch in Mitteleuropa gibt es Moore. Da jedoch aufgrund des Waldreichtums in dieser Gegend der Torfabbau zur Brennstoffgewinnung keine große Rolle spielte, wurden sie nicht ausgebeutet; wahrscheinlich schlummert in den mitteleuropäischen Mooren noch so mancher prähistorische (Textil-)Schatz. In Mooren sorgt das Fehlen von Sauerstoff infolge eines Überangebots von Wasser und die Anwesenheit biozid wirkender Säuren dafür, dass oxidative Abbauprozesse und Schädigung durch Mikroorganismen verhindert werden. Bei den Erhaltungsbedingungen muss jedoch zwischen Hoch- und Niedermooren unterschieden werden12. In Hochmooren ist für die Konservierung vor allem das Polysaccharid Sphagnum wesentlich. Dieses Kohlehydrat beindet sich im Torfmoos und wird bei der Zersetzung von Planzenzellwänden freigesetzt. Anschließend wird es in braune Humussäure umgewandelt, die Stickstoff und Kalzium bindet. Aufgrund des sauren pH-Wertes bleiben aber nur tierische Fasern erhalten. Die in diesem Milieu vorhandenen Humussäuren und Gerbstoffe konservieren eiweißhaltige organische Materialien (Wolle, Fell, Leder, Haut, Haare, Nägel, Horn), planzliche Stoffe und Knochen vergehen. In den kalkreicheren Niedermooren werden dagegen Wolltextilien zersetzt und Gewebe aus planzlichen Rohstoffen können sich erhalten. 12 38 vgl. dazu Farke 1986, 55 ff. – van der Sanden 1996, 18, 20 und 120. Für die in Mooren konservierten prähistorischen Stoffe ist relevant, dass sie zumeist aus Hochmooren stammen, also dass im Fundbestand lediglich Wolltextilien vorhanden sind. Baumsargfunde Die berühmten unversehrten Baumsärge in Grabhügeln beinden sich hauptsächlich im Gebiet des norddeutschen Schleswig bis ins mittlere Jütland in Dänemark. Die verstorbene Person wurde in einem ausgehöhlten Baumstamm in ihrer vollständigen Kleidung niedergelegt und mit einer Steinpackung, Erde, Lehm, Sand sowie mit Heidegras- und vermoosten Rasensoden bedeckt. Humussäuren drangen mit dem Regen in das Hügelinnere ein und bildeten in einer Tiefe von 1 bis 1,5 m vom oberen Hügelrand eine gallertartige Masse. Diese entwickelte sich mit dem in der Aufschüttung vorhandenen Kalk und dem Eisen zu einer steinharten Humuseisenrinde und schloss das Innere des Hügels luftdicht ein. Durch diesen Vorgang ruhte der Baumsarg unter Luftabschluss in einer von Humussäuren angereicherten Flüssigkeit. Zusätzlich wirkten auch die Gerbstoffe aus den Baumstämmen von meist frisch gefällten Eichen konservierend. In diesem Milieu erhalten sich besonders Wolltextilien, Leder, Fell oder Horn. Die Knochen der Bestatteten sind infolge der Entkalkung meist in einem sehr schlechten Zustand. Dieses Phänomen der gut erhaltenen Baumsargfunde13 ist vor allem aus der „Nordischen Bronzezeit“, genauer zwischen dem 15. und 13. Jahrhundert v. Chr. bekannt, dadurch besitzen wir vollständige Gewänder aus dieser Zeit. Im südöstlichen Mitteleuropa ist bisher erst ein Fall bekannt geworden, bei dem wohl ähnliche Konservierungsbedingungen zur Erhaltung von Textilien geführt haben. Im frühbronzezeitlichen Hügelgrab von Pustopolje in Bosnien-Herzegowina14 hat man eine perfekt konservierte hölzerne Grabkonstruktion festgestellt, eine aus 13 vgl. etwa bei Hald 1980. – Schlabow 1976, 12. – Diskussion zu verschiedenen Forschungsmeinungen zur Konservierungen in Baumsärgen bei Ehlers 1998, 7–9. 14 vgl. Benac 1986, bes. 109. 39 Ulmenbrettern gefertigte Grabkammer. Der in ein großes Wolltuch gehüllte Tote lag in Hockstellung auf Brettern, die mit einer dünnen Tierhaut überzogen waren. Verkohlung Es mag seltsam erscheinen, doch haben auch verkohlte Textilien eine gewisse Chance, die Zeit zu überdauern. Bei der nicht vollständigen Verbrennung wirken chemische Vorgänge zusammen mit physikalischen Veränderungen. Nach dem Verkohlungsprozess15 erhalten sich die verkohlten, meist geschrumpften Gewebe dann in karbonisierter Form. Es gibt zwar partielle Umformungen, aber die Mikrostruktur der textilen Reste bleibt im Wesentlichen erhalten. Wenn Gewebe unter Luftabschluss starker Hitze ausgesetzt sind, spricht man von Inkohlung. Dabei verringert sich der Anteil der lüchtigen Bestandteile der textilen Faserstoffe immer mehr zugunsten des Kohlenstoffgehaltes. Auch hier bleibt die Mikrostruktur aus planzlichen und tierischen Fasern weitgehend erhalten. Beispiele dafür sind die neolithischen Funde von Spitzes Hoch bei Latdorf sowie Kreienkopp bei Dietfurt16. Abdrücke auf Keramik Informationen über Textilien können sich auch als Abdruck auf Tongefäßen oder Lehmbrocken erhalten. Obwohl sich das organische Material nicht erhält, kann man technische Einzelheiten wie etwa Fadenstärke, Gewebebindung etc. feststellen und unter ausgezeichneten Bedingungen sogar Hinweise zum Fasermaterial herausinden. Diese Abdrücke entstehen meist eher zufällig, indem etwa ein noch nicht getrockneter Tontopf nach dem Formen auf eine Matte oder ein Gewebe gestellt wird. Andererseits wurden in 40 15 Siehe dazu Farke 1986, 57. 16 Schlabow 1959. Abb. 11: Schnurkeramik aus Franzhausen, Niederösterreich, Ende der Jungsteinzeit. verschiedenen prähistorischen Kulturen Abdrücke von textilen Elementen auch bewusst als Zierde verwendet. Die bekannteste dieser Kulturen ist die sogenannte Schnurkeramik (Abb. 11) vom Ende der Jungsteinzeit17. Damals entsprach es der gängigen Ästhetik, die Tongefäße mit Eindrücken von ca. 2-3 mm dikken Schnüren zu dekorieren. Definition eines Textils Was ist nun eigentlich ein Textil? Herkömmlich meint man mit dem Begriff Textil vor allem nur den gewobenen Stoff. Nach dem Großen Textil-Lexikon, Fachlexikon für das gesamte Textilwesen, das von Paul-August Koch und Günther Satlow 1966 herausgegeben wurde, versteht man unter dem Sammelbegriff Textilien „1. die textilen Faserstoffe 2. die Halbfabrikate der 17 vgl. Urban 2000, 131. 41 Textilindustrie, Chemiefaserindustrie und Seilerei 3. die Roh- und Fertigfabrikate der verschiedenen Zweige der Textilindustrie und der Seilerei sowie 4. die aus all diesen hergestellten Fertigwaren“. Die urgeschichtliche und auch völkerkundliche Forschung fasst den Begriff ebenfalls sehr weit. Textile Techniken sind hierbei etwas genauer deiniert als „in erster Linie alle jene Verfahren, die die Bildung von Stoff aus kleinen Einheiten, z. B. aus Faden, Garn, Schnur, Bast, Blättern oder Teilen davon, Ruten, Holzspänen usw. bezwecken. Es gehören dazu aber auch die Gewinnung oder Herstellung jener Ausgangsmaterialien, also z. B. die Anfertigung von Schnur, Garn oder Faden, und andererseits die Verarbeitung fertiger Stoffe (Zuschneiden, Nähen) sowie die Verzierung derselben, z. B. Sticken und Applikationsverfahren“.18 Es werden unter Textilien weiters nicht nur gewobene Stoffe verstanden, sondern sämtliche Produkte, die aus miteinander verbundenen Grundbestandteilen bestehen. Das können Matten in Flechttechnik genauso sein wie Objekte aus Maschenstoffen, Netze oder Gezwirne. Wie weit das Feld der stoffbildenden Techniken geht, zeigt das Durchblättern der völkerkundlichen Systematiken wie der Arbeit von Annemarie SeilerBaldinger19 – oder für die Urgeschichte die Aufarbeitungen des Textilbestandes etwa aus den Schweizer Pfahlbausiedlungen der Jungsteinzeit20. Wie der Blick in das Inhaltsverzeichnis lehrt, stehen im vorliegenden Buch vor allem die Gewebe und alle damit verbundenen Arbeitsschritte im Mittelpunkt. Zudem werden die wesentlichsten Endprodukte, allen voran die Kleidung, näher betrachtet. Das Arbeitsgebiet ist dabei zeitlich und räumlich auf das prähistorische Mitteleuropa fokussiert. 42 18 Bühler-Oppenheim 1948, 84. 19 Seiler-Baldinger 1973. 20 Rast-Eicher 1997, 300–328. Handwerkstechniken von der Faser zum Stoff Die Techniken, die bei der Herstellung prähistorischer Textilien zur Anwendung kamen, erschließen sich uns auf mannigfaltige Weise. Schon die überlieferten Gewebereste selbst lassen Rückschlüsse auf verschiedene Herstellungsprozesse und auf die Verwendung bestimmter Gerätschaften zu. Werkzeuge und Geräte für das Textilhandwerk sind teils reichlich im archäologischen Fundgut vorhanden, vor allem wenn sie aus haltbaren Materialien wie Stein, Ton, Knochen oder Metall gefertigt wurden. Textilgerätschaften inden sich sowohl in Gräbern als auch in Siedlungen, was besonders aufschlussreich ist. Manchmal haben wir den Glücksfall, dass etwa in einem brandzerstörten Haus Werkzeug gefunden wird. Es ist dies eine Momentaufnahme, die im besten Falle darüber Aufschluss gibt, wie mit den entsprechenden Geräten hantiert wurde. Manches mag aus der Sicht des heutigen Betrachters des 21. Jahrhunderts sehr fremd escheinen – der Blick in die Zeit unserer eigenen Groß- und Urgroßelterngeneration hilft das prähistorische Textilhandwerk zu verstehen. Noch vor nicht allzu langer Zeit, um die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts, wurde in ländlichen Gegenden Flachs und Wolle verarbeitet, in den Häusern gesponnen, gewoben und Kleidung genäht. Dies geschah oft von Hand und mit Hilfsmitteln wie Spinnrad, Trittwebstuhl und Nähmaschine. Die europäische Volkskunde, in manchen Fällen auch die außereuropäische Völkerkunde, sind daher reiche Informationsquellen für unser Thema. Es wurde bei der Deinition von Textilien und Textiltechniken (Seite 41 ff.), bereits dargelegt, dass es die verschiedensten Arten von Textilien gibt – Gewebe, Gelechte, Gezwirne, Netze etc. Im Folgenden inden vor allem die archäologischen Hinterlassenschaften der Jungsteinzeit bis zur Eisenzeit, die mit Geweben und deren Herstellung zusammenhängen, Erwähnung. Der Arbeitsablauf beginnt (nach Zucht der Tiere und Kultivierung der Faserplanzen) mit der Gewinnung und Aufbereitung der planzlichen oder tierischen Rohmaterialien, aus denen schließlich die Fäden hergestellt werden. In diesem Buch wird bei der Fadenherstellung nur auf das Spinnen eingegangen, weil gesponnene Fäden das Grundmaterial für Gewebe stellen. Verschiedene prähistorische Webtechniken werden beleuchtet. Färben und Verzierungstechniken dienen der Aufwertung von Textilien und sind bereits mannigfaltig vor der Römerzeit nachgewiesen. Die Nacharbeit, die nach Abnahme eines Gewebes vom Webgerät erfolgt, wird als Ausrüsten bezeichnet. Schließlich folgt Nähen und Schneiderei, ein Arbeitsschritt, der aus der 44 textilen Fläche schließlich ein Kleidungsstück oder einen Gebrauchsgegenstand formt. Die einzelnen nötigen Arbeitsschritte (Abb. 12) sollen nun im Hinblick auf die aus der Urgeschichte nachweisbaren Funde und Befunde betrachtet werden. Jeder Tätigkeitsbereich bedarf eigener Gerätschaften – teils ist es hoch spezialisiertes Werkzeug, teils sind dies Universalwerkzeuge wie Messer, die für viele verschiedene Handwerke oder häusliche Tätigkeiten eingesetzt werden. Auch Ressourcen wie Platzbedarf, Arbeitslächen oder spezialisiertes know how sind für das urgeschichtliche Textilhandwerk in Erwägung zu ziehen. Nächste Doppelseite: Abb. 12: Schema Arbeitsablauf Textiltechniken Rohmaterialien Die Rohstoffe, aus denen in der Urgeschichte Gewebe gefertigt wurden, sind sehr vielfältig. Zu ihrer Erforschung bedient sich die Wissenschaft des Blickes durch das Mikroskop (Abb. 13): Sind prähistorische Textilien noch als organischer Rest erhalten, so kann die Faserstruktur im Lichtmikroskop gut erkannt werden. Planzenfasern und Tierhaare unterscheiden sich klar voneinander21. Die bambusartigen Faserverdickungen der Bastfasern wie Flachs oder Hanf und die Schuppenstruktur der Wolle­Tierhaare sind gut erkennbar. Spezialisten können dabei – entsprechende Erhaltung vorausgesetzt – auch einzelne Tierarten voneinander abgrenzen. Lange Zeit galten in der archäologischen Textilforschung die Fasern mineralisierter Textilien, d.h. etwa in Metallkorrosion konservierte Reste, als unbestimmbar. Im Durchlicht- oder Auflichtmikroskop ist nur eine dunkle Masse sichtbar, Einzelheiten bleiben verborgen. Erst das Rasterelektronenmikroskop22 und seine kommerzielle Nutzung brachte hier neue Erkenntnisse. Beim Rasterelektronenmikroskop wird die Oberläche der untersuchten Fasern zeilenförmig abgetastet und in hoher Vergrößerung bei einer außerordentlichen Tiefenschärfe sichtbar gemacht. Auf diese 21 z. B. Farke 1986. – Rast-Eicher 2008, 23–39. –Wülfert 1999. 22 Mehofer & Kucera 2005 45 Weise können nun auch an schlecht erhaltenen Resten wertvolle Erkenntnisse zu den Fasermaterialien gewonnen werden. In der späten Eisenzeit geben uns auch Schriftquellen antiker Autoren über die verwendeten Fasermaterialien Auskunft. Es sind vor allem Rohstoffe tierischen und planzlichen Ursprungs, die den prähistorischen Menschen zur Verfügung standen, um daraus Gewebe herzustellen. In der Natur kommen auch mineralische Fasern vor, die zu Geweben verarbeitet werden könnten. Bekannt und ob seiner gesundheitlichen Nebenwirkungen heute in der EU verboten ist der Asbest. Abb. 13: Arbeit am Durchlichtmikroskop (links) und am Rasterelektronenmikroskop (rechts) am Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie der ReissEngelhorn-Museen in Mannheim. 23 48 Die Verwendung mineralischer Fasern ist bisher für die Urgeschichte nicht belegt. Es wurden aber Metallfäden (streifen- oder drahtförmig) verwendet, um als Musterelement in Gewebe eingearbeitet zu werden (Details siehe Seite 178 ff.). Chemiefasern wie Viskose, Nylon oder Polyester, die heutzutage die Textilindustrie prägen, wurden erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt und seit den 60 und 70er Jahren in immer größerem Umfang produziert23. vgl. Eberle et al. 1991, 30, 33. Pflanzliche Fasern Im antiken Griechenland hat man Asbest Der Mensch verstand es beversponnen und verwoben, man bewunderte diesen reits im Paläo- und MesoRohstoff vor allem wegen seiner Feuerbeständigkeit. lithikum, planzliche RohSo erfahren wir von Plinius dem Älteren26: „man hat auch Flachs entdeckt, welcher durch Feuer stoffe für die Herstellung nicht verzehrt wird; er heißt der Lebendige, und textiler Flächen wie Matten, ich habe daraus bereitete Tischtücher gesehen, Netze etc. zu nutzen. Viele welche bei Gastmählern auf dem Herde brannten, dieser Produkte basierten auf und nachdem der Schmutz verzehrt war, sauberer gedrehten Fäden, die mittels waren, als das Wasser sie gemacht haben würde [....] Anfangs stand er mit den besten Perlen in gleichem Flecht-, Netz- und ZwirnPreise. Die Griechen nennen ihn seiner Eigenschaft techniken weiterverarbeitet wegen, Asbest [Anm. asbestos – unvergänglich].“ 24 wurden . Die Kenntnis um In Unkenntnis der Gesundheitsgefährdung fertigte die Eigenschaften von Gräman aus Asbestgeweben Handtücher, Tischdecken, sern, Baumbasten und FaserKopftücher und Totenkleidung – wie passend, möge der Zyniker anmerken. planzen, ihre Vorbereitung und ihre Verarbeitung hat also eine lange Tradition – eine Tradition, die dann von den frühen Bauern im Neolithikum um die neue Technik der Weberei erweitert wurde. Von den planzlichen Fasern ist in der mitteleuropäischen Urgeschichte vor allem der Flachs wichtig. Daneben wurden aber noch weitere Planzen wie Hanf oder Brennessel zur Gewebeherstellung verwendet.2526 25 Bei der folgenden Besprechung der Faserplanzen wird immer wieder auf archäobotanische Untersuchungen verwiesen. Die Archäobotanik ist jene Wissenschaft, die sich mit Planzenresten aus archäologischen Ausgrabungen beschäftigt. Sie kann also Hinweise darauf geben, wann welche Kulturplanzen kultiviert und verwendet wurden sowie wo sie verbreitet waren. Die Kulturpflanze Flachs Der Flachs (Linum usitatissimum) ist eine vielseitige Kulturplanze, was schon die überschwängliche Bezeichnung der Botaniker 24 Rast-Eicher 1997, 2005. 25 Pekridou-Gorecki 1989, 31 f. 26 Plin. nat. 19,4. 49 „usitatissimum – der Allernützlichste“ andeutet. Er liefert sowohl Fasern als auch Öl, das aus den Samen gewonnen wird. Durch Auslese und Züchtung in diese beiden Richtungen sind heutzutage verschiedene Faserleine und Ölleine bekannt. Eine Aufschlüsselung ihrer Typisierung würde hier jedoch zu weit führen und kann bei der Spezialistin für Nutzplanzen, Udelgard Körber-Grohne, nachgelesen werden27. Die Flachsplanzen mit sehr plegeintensivem Anbau sind meist einjährig, es gibt aber auch mehrjährige Sorten, die durchaus in der Jungsteinzeit verwendet worden sein könnten28. Die einzelnen Planzen sind je nach Sorte und Gegend im Schnitt ca. 60 bis 90 cm hoch, können auch größer werden. Die Gespinstfasern des Flachses29 sind in die Stängelrinde eingebettet. Dabei sind die Fasern zu Bündeln zusammengefasst, die Einzelfasern des prähistorischen Flachses haben eine Länge von 4 bis 10 cm und eine Stärke von durchschnittlich 14,9 µm. Die Wildform unseres Kulturleines, der schmalblättrige Wildlein (Linum bienne), kommt im Mittelmeergebiet, Nordafrika und Vorderasien vor. Auch die Fasern des Wildleines könnten versponnen werden. Flachs als Kulturplanze gelangte – ähnlich wie viele andere Errungenschaften des Neolithikums – aus dem Süden zu uns. Die ältesten Hinweise auf diese Kulturplanze zur Faserherstellung stammen aus dem Nahen Osten, aus dem Akeramischen Neolithikum um 9.000 v. Chr. Dies sind Planzenreste des kultivierten Flachses aus Jericho sowie Leinengewebe aus der Nahal-Hemar-Höhle in der Nähe des Toten Meeres. Durch seine Widerstandsfähigkeit – er gedeiht auch in den eher ungünstigen Klimata und Böden der Mittelgebirgslagen – konnte sich der Flachs ebenso wie Emmer und Einkorn bei uns durchsetzen. Geschätzt wurde er wegen der Fasern und wegen der Samen zum Ölpressen. Lein wurde in der Urgeschichte auch 50 27 Körber-Grohne 1994, 366–379, auch zur Geschichte des Leins und zu archäologischen Funden von Flachs. 28 Freundlicher Hinweis A. Rast-Eicher. Verweis auf S. Karg, Relexionen über die Kultur- und Anbaugeschichte des Leines (Linum usitatissimum). In: Rast-Eicher und Dietrich (in Druck). 29 Siehe allgemein zum Flachs bei Körber-Grohne 1994, 370 f. gegessen, wie Krusten von verkohlten Leinsamen auf spätneolithischen Topfscherben aus der Schweiz belegen30. Im archäologischen Fundgut aus den prähistorischen Siedlungen in Mitteleuropa begleitet uns der Flachs ab der Jungsteinzeit31. Seit der ältesten Bandkeramik wird diese Planze in Mitteleuropa angebaut. Besonders gut erforscht ist die Nutzungsgeschichte der Kulturplanzen des Neolithikums und der Bronzezeit am Zürichsee in der Schweiz. Hier erreicht der Anbau des Flachses einen Höhepunkt im Spätneolithikum, besonders in der Horgener Kultur im 33. Jahrhundert v. Chr.32 Dies geht Hand in Hand mit zahlreichen Funden von Hechelzähnen zur Flachsaufbereitung und mit Funden von Leinengeweben. Kann nun für eine prähistorische Siedlung der archäobotanische Nachweis für Flachs erbracht werden, so ist also primär nicht klar, ob die dort ansässigen Menschen diese Planze der Faser oder des Öles wegen angebaut haben – wenn auch eine Synergienutzung wahrscheinlich ist. Die Textilarchäologin Antoinette Rast-Eicher bemerkt dazu, dass die gesamte jungsteinzeitliche Textilproduktion auf der Verarbeitung von Planzenmaterialien beruht, was eine Tradition aus der Alt- und Mittelsteinzeit darstellt.33 Lein ist auch in der Bronze- und Eisenzeit durch archäobotanische Hinweise belegt34, ein Beispiel für Österreich ist die latènezeitliche Siedlung mit Heiligtum in Roseldorf in Niederösterreich. Als frühbronzezeitliche Beispiele von Leinengeweben35 mögen die Funde aus den Feuchtbodensiedlungen Norditaliens dienen, wie jene schön gestalteten Leinenbänder vom Lago di Ledro. Aus Hallstatt in Österreich kennen wir mittelbronzezeitliche 30 Jacomet et al. 1990, 81–90. 31 Nach Lüning, Jockenhövel, Bender und Capelle 1997, 58 f. (Neolithikum). – Österreichische Funde in Kohler-Schneider 2007. 32 Rast-Eicher 1997. 33 Rast-Eicher 2005. 34 vgl. Roseldorf: Caneppele, Heiss und Kohler-Schneider 2010. Allgemein Funde zur Bronzeund Eisenzeit: Lüning, Jockenhövel, Bender und Capelle 1997, 163. 35 Beispiele: Lago di Ledro: Bazzanella et al. 2003, 161–171. Bazzanella 2009. – Hallstatt: Grömer 2005 und 2007. – Nové Zamky: Belanová 2005, Abb. 3–4. – Dürrnberg: Stöllner 2005, Abb. 9. – Textilien aus der Schweiz: Rast-Eicher 2008. 51 Leinengewebe. Wenn in der Hallstattzeit in Mitteleuropa die Wollgewebe überwiegen, so verwenden die Menschen der späten Eisenzeit (Latènezeit) auch Textilien aus Flachs. Namhafte Funde dazu wären das berühmte bestickte Leinen aus Nové Zamky in der Slowakei oder die Leinengewebe vom Dürrnberg bei Hallein in Österreich. Auch Mischgewebe wurden bereits hergestellt. Bei einem frühbronzezeitlichen Gewebe aus Unterteutschenthal, Deutschland, bestand ein Fadensystem (Kette?) aus Leinen, das andere (Schuss?) aus dicken Fäden von Schafwolle36. Hier schätzte man offensichtlich die Festigkeit des Flachses und verstand es, durch die Kombination mit voluminösem Wollgarn auch die wärmenden Eigenschaften des Tierhaares auszunützen. Flachsfäden als Nähmaterial für Wolltextilien sind etwa bei der Hose der um 1900 entdeckten Moorleiche von Damendorf aus der römischen Kaiserzeit bekannt37. Die Verwendung von Flachs als Nähfaden ist durch die Stabilität und Reißfestigkeit des Materials erklärbar. Als Abbildung einer Flachsplanze wird hier ein über 200 Jahre alter Herbarbeleg (Abb. 14) verwendet, wie sie als Archiv der Planzenkunde millionenfach in der Botanischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien aufbewahrt werden. Informationen über Planzen, deren Aussehen und Nutzung werden seit dem Beginn der Neuzeit durch Kupferstiche und Aquarelle festgehalten. Seit etwa 500 Jahren werden auch Herbarien angelegt. Planzen werden sorgfältig getrocknet und gepresst und dann auf dünnen Kartons oder lose in Papier-Briefchen aufbewahrt. Etiketten über Herkunft, Sammler und Funddatum ermöglichen dem Wissenschaftler einen Blick in die Vergangenheit und geben mitunter Aufschluss über Veränderungen in der Umwelt. 52 36 Schlabow 1976, Abb. 3. 37 Van der Sanden 1996, 127, Abb. 176. Flachsfasern sind gut zu glatten, glänzenden Fäden zu verspinnen, was wiederum verwoben einen festen, robusten Stoff ergibt. Flachs wirkt durch die hohe Wärmeleitfähigkeit der Fasern kühlend. Die blassgrauen bis hellbraunen Fasern lassen sich gut zu einem hellen bis weißen Farbton bleichen, das Einfärben des Materials bereitet hingegen Schwierigkeiten. Abb. 14: Herbarbeleg einer Flachsplanze (Linum usitatissimum), Portenschlag, um 1800. Die ursprünglich blauen Blüten der Flachsplanze sind vergilbt. 53 Abb. 15: Weibliche und männliche Hanfplanze (Cannabis sativa): Kolorierter Kupferstich aus Miller 1782. 54 Die Faserpflanze Hanf Hanf (Cannabis sativa L.) (Abb. 15) taucht selten als Rohmaterial archäologischer Textilien auf. Vor allem im mineralisierten Zustand ist Hanf selbst im Rasterelektronenmikroskop (Abb. 16b) schwer von Flachs zu unterscheiden. Die üblichen Materialbestimmungstests an rezentem Material wie Brennprobe, Anfärbereaktion etc. können an archäologischen Textilresten nicht durchgeführt werden. Daher wird in den letzten Jahrzehnten bei der Analyse archäologischer Textilien meist eher die neutrale Bezeichnung „Bastfaser“ angegeben – wenn nicht klar ist, ob es sich bei einer Faser um Flachs, Hanf, Brennessel oder ähnlichem handelt. Es ist durchaus möglich, dass sich hinter so manchem alt publizierten „Flachstextil“ eigentlich ein Gewebe aus Hanf verbirgt. Bei organischer Erhaltung eines Textils können gewisse Tests im Durchlichtmikroskop mehr Klarheit bringen38. Die einjährige Hanfplanze39 bildet nur einen dicken Stängel aus, der je nach Sorte und Gegend 1,2 bis 3 (5) m hoch werden kann. Hanf ist heutzutage vor allem als Rauschplanze zur Herstellung der Droge Marihuana ein Begriff – wobei der Indische Hanf (Cannabis indica) die meisten halluzinogenen Wirkstoffe hat. Moderne Züchtungen von Nutzhanf mit nur geringen Spuren des psychoaktiven Wirkstoffs Tetrahydrocannabionol werden seit einigen Jahren auch wieder in Mitteleuropa als Faserplanzen kultiviert, während der Anbau des „Rauschhanfes“, wegen der Gefahr des Drogenmissbrauchs, weitgehend verboten ist. Die Gespinstfasern des Hanfes unterscheiden sich nach ihrer Position in der Planze. Der untere Teil des Stängels bildet mehrere Bastfaserringe aus, der obere weniger. Im äußeren Ring sind die Fasern mit ca. 50 bis 70 µm Durchmesser gröber als im inneren Ring mit 12 bis 30 µm. Diese sind im Mittel sogar feiner als 38 Der „Herzog-Test“ kann beispielsweise dazu eingesetzt werden, Bastfasern wie Flachs und Hanf voneinander zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist möglich, da die Zelluloseibrillen bei diesen Fasern in der Zelluloseschicht Sekundärwand 1 unterschiedlich angeordnet sind. Daher ist im polarisierten Licht eine unterschiedliche Abfolge der Interferenzfarbe Rot und Blau bei Drehung der Fasern in Orthogonalstellung zwischen gekreuzten Polarisatoren und eingeschaltetem Lambdablättchen zu sehen. Nach Wülfert 1999, Polarisationsmikroskopie 283–293, zum Herzog-Test bes. 290–293. 39 Allgemein zum Hanf und seiner Geschichte bei Körber-Grohne 1994, 379–391. 55 Abb. 16: Proben von Planzenfasern im Rasterelektronenmikroskop: a Flachs, b Hanf, c Brennessel, d Lindenbast. Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie der ReissEngelhorn-Museen in Mannheim. 40 56 Flachsfasern und man kann mit ihnen feine Textilien herstellen. Aus den gröberen, sehr widerstandsfähigen und scheuerfesten Fasern des äußeren Ringes fertigte man Seile und gröbere, feste Stoffe an. In geschichtlicher Zeit wurden diese groben Stoffe wegen ihrer besonderen Haltbarkeit zu Segeltuch, Zelten, Feuerwehrschläuchen und Postsäcken verarbeitet. Sichere Nachweise für Hanf stammen aus dem frühkeltischen Fürstengrab von Hochdorf um 500 v. Chr.40 Der Tote war in seiner Grabkammer auf einer Bronzeliege (Kline) niedergelegt worden. Auf dieser wurden mehrere Gewebe aus Hanfbast entdeckt, die als Aulage und Polsterung dienten. Der Hanfbast aus Hochdorf wurde nach den Untersuchungen von Udelgard Körber-Grohne nicht aus reinen Fasern hergestellt, sondern die Stängelrinde wurde in schmalen Streifen abgezogen, versponnen Banck-Burgess 1999, 82–84, 100 f. Zu den Hanfbastgeweben und ihrer Funktion in der Grablege. und verwoben. Dabei erreichte man Fadenstärken zwischen 0,2 bis 0,7 mm. Zuunterst lagen ein als Schussrips gewobenes sowie ein gestreiftes Hanfbastgewebe. Darauf fand sich eine Matratze mit einem aus Hanfbastgewebe gefertigtem Bezug und als Füllung eine Polstermasse aus Dachshaar und Planzenteilen. Ebenso konnten in Hochdorf Brettchengewebe gefunden werden, für deren Fertigung man Hanfbaststreifen und feine Wollfäden verwendete. Johanna Banck-Burgess41 recherchierte aufgrund der außergewöhlichen Gewebe aus Hochdorf und konnte weitere Hanfgewebe aus der jüngeren Hallstattzeit und beginnenden Latènezeit ausindig machen: so in Frankreich, Chavéria oder Saint-Colombe oder in Tschechien, aus Prag-Záběhlice oder Stehelčeves. Udelgard Körber-Grohne42 berichtet auch von einem Seil aus Hanfbast, das im Salzbergwerk Dürrnberg bei Hallein gefunden wurde. Für die indogermanischen Stämme im Balkanraum inden sich zu dieser Nutzplanze auch schriftliche Nachrichten aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. So berichtet Herodot (490­480 bis 424 v. Chr.) in seinen Historien, dass die Thrakerinnen es verstanden, aus Hanf Kleider von ähnlicher Qualität wie Leinen zu weben43. Brennessel Auch die Brennessel (Urtica dioica)44 wurde versponnen und zu Geweben aufbereitet. Was in heutigen Ohren eher befremdlich klingt, war noch vor gar nicht allzu langer Zeit durchaus gebräuchlich. So wurde etwa während des Zweiten Weltkrieges die Brennessel in Deutschland und Österreich in großem Stil angebaut. Aus den Brennesselstoffen fertigte man Kleidung und vor allem auch strapazierbare Uniformen für das Heer an. Da jedoch die Brennessel nicht sehr ertragreich ist, wurde dieses Material im Zuge der Industrialisierung verdrängt – außer in wirtschaftlichen 41 Banck-Burgess 1999, 83 zu Vergleichsfunden. 42 Körber-Grohne 1994, 385. 43 Hdt. 4,74. 44 Allgemeine Angaben zur Brennessel nach Bredemann 1959. 57 Notzeiten. Wildplanzen haben einen Faseranteil im Stängel von nur 5 %, hochgezüchtete Sorten erreichen 15 %. Im Vergleich dazu hat Hanf einen Faseranteil zwischen 10 % bei Wildsorten und bis zu 40 % bei hochgezüchtetem Faserhanf. Im Mittelalter hat man aus Brennessel vor allem Segel und Fischernetze hergestellt. Die Brennessel wächst auf sehr nährstoffreichen Böden z. B. in Auwäldern. Sie begleitet den Menschen seit den frühen Ackerbauern, da sie als Siedlungsfolger an Abhängen, in Siedlungen auftaucht, überall dort, wo der Mensch durch seine Aktivität freie Flächen schuf. Schon in bandkeramischen Siedlungen sind von Archäobotanikern Brennesselplanzen45 gefunden worden, etwa in Mold in Niederösterreich. Besonders viele Planzen (über 200 Stück) wurden bei der mittelneolithischen Kreisgrabenanlage Kamegg in Niederösterreich gefunden. Prinzipiell gilt auch hier, dass allein das Vorhandensein dieser Planze noch nicht als Beleg für die Nutzung als Faserlieferant bürgt. Da die Methode, aus Stängeln von Flachs und Hanf Fasern zu gewinnen, ab der Jungsteinzeit bekannt war, wurde wahrscheinlich diese Technik der Aufbereitung auch auf die Brennnessel angewandt. Ein echtes Gewebe aus Brennesselfasern ist aus Voldtofte46 in Dänemark überliefert. Es ist ein dichtes, feines leinwandbindiges Gewebe und datiert in die Periode V der Nordischen Bronzezeit (ca. 900 bis 750 v. Chr.), was in Mitteleuropa schon in den Beginn der Eisenzeit fällt. Baumbast Baumbaste wie von Linde (Tilia) (Abb. 16d und 17) oder Eiche (Quercus) wurden vor allem im Neolithikum für verschiedenste textile Techniken, besonders in der Seilerei, für Netze oder Zwirnbindung eingesetzt. Diese Fasern wurden meist direkt mit den Händen verarbeitet, also verdreht und verzwirnt. In Arbon Bleiche 3, Schweiz,47 konnte jedoch vom 58 45 vgl. Kohler-Schneider 2007 zu verschiedenen österreichischen Fundstellen sowie zu Kamegg. – Zu Mold: Kohler-Schneider, Caneppele und Geihofer 2008, 113 ff. 46 Hald 1980, Abb. 117. 47 Leuzinger 2002, 119, Abb. 147/3. Archäologen Urs Leuzinger ein besonderer Fund getätigt werden: In der Kulturschicht von Haus 3 der Feuchtbodensiedlung, dendrochronologisch datiert zwischen 3.384 bis 3.370 v. Chr. (Übergangszeit zwischen der Pfyner und Horgener Kultur), fand man eine komplett erhaltene Spindel (Abb. 33). Der Spindelstab war aus Hasel geschnitzt, der tönerne Wirtel noch aufgesteckt sowie das Spinngut aufgewickelt. Die Analyse ergab, dass es sich bei Letzterem um Lindenbast handelte. Die erstaunliche Erkenntnis: man verstand es in der Jungsteinzeit auch, Baumbaste (hier Linde) so gut aufzubereiten, dass daraus ein feiner Faden von 0,7 mm Durchmesser gesponnen werden konnte. Gewebe aus Baumbasten wurden in der mitteleuropäischen Urgeschichte erst selten entdeckt. So vermeldet die Schweizer Textilarchäologin Antoinette Rast-Eicher ein Gewebe aus Lindenbast aus Zürich-Mythenquai, das in die Zeit der Schnurkeramik am Ende der Jungsteinzeit datiert48. Aus Norditalien, Valle delle Paiole, sind 23 Fragmente eines leinwandbindigen Gewebes aus der Früh-­Mittelbronzezeit bekannt, das aus 48 Abb. 17: Lindenbast: Nach vier- bis sechswöchigem Rotten in Wasser lassen sich die inneren Bastschichten ablösen, die äußeren brauchen länger. Rast-Eicher 1997, 315. 59 Fäden in Wolle und Baumbast gefertigt sein soll.49 Manchmal geht die Forschung auch Irrwege. Als am Beginn der 1960er Jahre die Textilreste aus dem hallstattzeitlichen Fürstengrab von Hohmichele, Kreis Biberach in Deutschland, untersucht wurden, ielen feine Fadenreste auf, die als „Stickerei“ ein komplexes Muster aus Winkeln, Haken, Mäandern und Dreiecken auf einem Wollgewebe in Ripsbindung bildeten. Diese Musterfäden waren fein, gepaart mit heller, papierartig verseifter Oberläche. Daher wurden sie vom Verfasser der textilkundlichen Berichte HansJürgen Hundt für Seide gehalten, obwohl damalige naturwissenschaftliche Analysen einer Botanikerin die Fäden eher als planzlich ansahen52. Hundt stellte auch an gemusterten Geweben aus dem Fürstengrab Hochdorf Fäden mit ähnlicher heller, papierartig verseifter Oberläche fest, was er ebenfalls als Seide interpretierte. Weitreichende Theorien (etwa über Handel auf der Seidenstrasse bis Mitteleuropa) wurden auf dieser Erkenntnis aufgebaut. In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden diese Faserreste von Karlheinz Mann aus dem Max-PlanckInstitut für Biochemie, Martinsried bei München, abermals mit modernen Mitteln untersucht.53 Man wollte mittels Aminosäurenanalyse das tierische Eiweiß nachweisen, das dieses Produkt einer Seidenraupe ja haben müsste. Aufgrund dieser Tests ist aber auszuschließen, dass es sich um Seide handelt. Es dürften vielmehr fein aufbereitete planzliche Fasern sein. Nach derzeitigem Forschungsstand gibt es also keine Hinweise dafür, dass in der Späthallstatt/ Frühlatènezeit kultivierte Seide nach Mitteleuropa, in das Gebiet nördlich der Alpen eingeführt wurde. Man sieht, Textilarchäologie kann so spannend sein wie die beliebten amerikanischen Fernseh-Serien zur Forensik. 60 Es wurden aus Lindenbast teils sehr feine lächige Stoffe in Zwirntechnik hergestellt, die in ihrer Feinheit gewobenen Stoffen in nichts nachstehen. Als Beispiel sei ebenso wieder auf die spätneolithischen Siedlungen am Zürichsee in der Schweiz verwiesen.50 Das Verspinnen und Verweben von Lindenbast zu Kleidungszwecken ist auch durch volkskundliche Überlieferung aus Lettland bekannt. Es wurden so Männerarbeitskleidung, Schürzen und Frauenröcke hergestellt51.5253 Tierische Fasern Der prähistorische Mensch bewies größte Kreativität im Einsatz verschiedenster tierischer Haare für Textilarbeit. Es eignen sich viele Tierhaare, die eine gewisse Stapellänge aufweisen, für eine 49 Nach Bazzanella et al. 2003, 198. Z-Zwirne. 50 Rast-Eicher 1997, 317 ff. 51 vgl. dazu Bielenstein 1935, 19–27. 52 Hundt 1962, 206–208, mit Gutachten von A. Küntzel, M. Hopf und V. Thron. S. 213 ff. Interpretation der Seidenfunde. 53 In: Banck-Burgess 1999, 234–237, auch zur Forschungsgeschichte dieser Funde. Verarbeitung mittels Spinnen und­oder Weben – allen voran die Wolle des Schafes. Schafwolle Mit den ersten Bauern in der Jungsteinzeit kamen auch Haustiere wie das Schaf nach Mitteleuropa, deren Domestikation in den vorderasiatischen Bergländern im Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds erfolgte. Knochen von Schaf und Ziege sind ab der Linearbandkeramik, ab den frühesten Bauernkulturen, bis in die Eisenzeit regelmäßig in den Siedlungen zu inden. Ihr Anteil gegenüber anderen Haustieren schwankt durch die Zeiten. Anhand der Knochen lassen sich die verschiedenen Phasen der Domestikation und die Einfuhr neuer Rassen nachvollziehen.54 Das Schaf war in der Urgeschichte ein viel genutztes Haus- und Wirtschaftstier, sein Fleisch und die Milch dienten als Nahrung. Die Wolle wurde versponnen und verwoben, Leder sowie Fell waren und sind begehrt. Selbst aus Knochen und Sehnen wurden noch Geräte gefertigt. Doch war das Schaf von Anfang an vor allem als Wolllieferant gefragt? Beim Knochenmaterial aus Siedlungen lässt sich von der Archäozoologie in gewissem Maße bestimmen, zu welchem Zweck die Tiere gehalten wurden. Wurden sie in sehr jungem Alter geschlachtet, so stand sicher die Fleischproduktion im Vordergrund. Woll- und Milchnutzung ist hingegen wahrscheinlich, wenn ein großes Quantum älterer weiblicher Tiere im Fundspektrum auftaucht. Die frühesten Schafrassen hatten noch ein sehr kurzes Haarkleid, wie wir es auch von Wildtieren (Hirsch, Reh) kennen. Das Wollschaf erreichte Mitteleuropa wahrscheinlich erst im Spätneolithikum. Eine kleine Figur eines Widders aus dem Namen gebenden Fundort der Jordansmühler Kultur in Polen um 54 Allgemein zur Geschichte des Schafes als Haustier: Benecke 1994, 228–238. – Lüning, Jockenhövel et al. 1997, 69, 84 ff, 165 ff. 61 4.300 bis 3.900 v. Chr., zeigt ein männliches Schaf mit längeren Haaren55. Osteologisch ist zu beobachten, dass im Spätneolithikum offenbar eine großwüchsige Schafrasse (Wollschafe?) aus Vorderasien oder den osteuropäischen Steppengebieten nach Mitteleuropa eingeführt wurde56, wenn sich auch in manchen Gegenden noch länger kleinwüchsige Populationen von Haarschafen hielten, so beispielsweise in der spätneolithischen Mondseekultur in Oberösterreich.57 Das Vlies des Schafes unterlag einem langen Prozess züchterischer Entwicklung. Haarschafrassen (wie das heutige Muflon in Sardinien, das eine verwilderte Form des frühen domestizierten Schafes ist), haben etwa 6 cm lange, gröbere Oberhaare. Wie bei Wildtieren verdecken diese die kürzere, feinere Unterwolle des Haarkleides. Die feine Wolle war aber das Objekt der Begierde, da sie sich im Gegensatz zu den steiferen Oberhaaren gut verspinnen lässt. Eines der züchterischen Bestrebungen des Menschen war es also, die Länge jener feinen Unterwolle zu beeinlussen. Außerdem sollte sich durch Zucht die Anzahl der groben Haare reduzieren. Die daraus resultierende Mischung des Vlieses aus groben und feinen Haaren ermöglicht es, Wolltypen Abb. 18: Soay-Schafe, eine urtümliche Schafrasse. 62 55 Müller-Karpe 1974, Taf. 458/B3. 56 Lüning, Jockenhövel et al. 1997, 69, 85. 57 Pucher und Engl 1997, 22–27, 76 ff. und auch Schafrassen voneinander zu unterscheiden. Für diese komplexen Fragen sei auf die Arbeiten von Michael Ryder und vor allem auf die Neuinterpretation von Antoinette Rast-Eicher verwiesen58, die mittels Wollfeinheitsmessungen den Faserqualitäten der urtümlichen Schafrassen auf der Spur sind. Was erzählen uns die Textilreste selbst? Die Gewebe der Jungsteinzeit sind fast ausschließlich aus planzlichem Material hergestellt worden. Es ist dabei allerdings zu bedenken, dass dies an den Erhaltungsbedingungen liegen mag: Der Großteil der fraglichen Textilien stammt aus Feuchtbodensiedlungen, in denen tierisches Material nicht überdauern kann. Die frühesten überlieferten Wolltextilien sind ein verkohltes Wollgewebe aus Clairvaux-les-Lacs in der Schweiz (um 2.900 v. Chr.) sowie die Wollfäden an einem Feuersteindolch aus Wiepenkathen in Deutschland (um 2.400 v. Chr.).59 Selbst in der Frühbronzezeit ist der Anteil an Leinengeweben noch sehr hoch, ab dem 16. Jahrhundert v. Chr. sind dann vermehrt Wolltextilien fassbar60. So ist etwa der Großteil der mittelbronzezeitlichen Gewebe aus dem Salzbergwerk Hallstatt oder vom Kupferbergbau Mitterberg, beide in Österreich, aus Wolle. Der Blick nach Nordeuropa zeigt, dass die berühmten vollständigen Gewänder aus den Baumsärgen in Dänemark aus der Zeit zwischen dem 14. und 12. Jahrhundert v. Chr. aus Wolle gefertigt wurden. In der Hallstattzeit sind Textilien aus Schafwolle sehr beliebt – verwiesen sei hier nur auf die Funde aus dem Salzbergwerk Hallstatt oder die zahlreichen eisenzeitlichen Gewebefunde aus der Schweiz, die Antoinette Rast-Eicher (2008) kürzlich vorgelegt hat. Auch in den Siedlungen sind regelmäßig Schafknochen zu inden, so in der hallstattzeitlichen Siedlung von Göttlesbrunn 58 Rast-Eicher 2008. – Ryder 1982, 1997. 59 Wiepenkathen: nach Ehlers 1998, 229. – Clairvaux-les-Lacs: H.-J. Hundt 1986: Tissus et sparteries in P. Petrequin (Hrsg): Les Sites Littoraux Néolitiques de Clairvaux-Les-Lacs (Jura), I, Problematique générale. L’example de la station III, Paris 1986. 60 Baumsargfunde: Hald 1980. – Mitterberg und Hallstatt: Grömer 2006b. 63 in Niederösterreich61. Im Laufe der Latènezeit sind dann wieder Leinengewebe häuiger. Sonstige Haare von Haustieren Die Ziege gehört zusammen mit dem Schaf zu den ältesten Haustieren des Menschen. Auch bei der Ziege bietet das Haarkleid die Möglichkeit, in Form von Fell oder Wolle zu Bekleidung und Gebrauchsgegenständen verarbeitet zu werden. Römische Schriftquellen geben ebenfalls über Ziegenhaltung Auskunft, so bei Columella62. Hier erfährt man, dass Ziegen auch geschoren wurden und Wert auf ein langes, dichtes Haarkleid gelegt wurde. Ziegenhaar verarbeitete man besonders zu Stricken und Seilen. In urgeschichtlicher Zeit lässt sich in Europa umfangreiche Ziegenhaltung, vor allem in den Gebirgsregionen Südwest- und Südosteuropas und im Alpengebiet belegen63. Ziegenhaar (Abb. 19b) wurde bisher erst selten bei archäologischen Textilien identiiziert. Wie schon bei der Unterscheidung von Lein und Hanf angesprochen, so ist auch die feine Wolle von Ziege und Schaf schwer auseinander zu halten. Möglicherweise verbergen sich unter manchen (Schaf-)wolltextilien eigentlich solche aus feinem Ziegenhaar. Besonders spektakuläre Textilien aus Ziegenhaar sind die auf dem Rieserfernergletscher64 gefundenen eisenzeitlichen Beinlinge aus dem Zeitraum zwischen dem 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. Die Ziegenwolle in beigebrauner, beigegrauer bis dunkelbrauner Naturfärbung wurde dabei zu mittelfeinen Fäden versponnen, in Leinwand- und Köperbindung verwoben und zu Beinbekleidung verarbeitet. Weiters konnte Antoinette Rast-Eicher im Gräberfeld von Solduno, Schweiz65, aus einem 64 61 Pucher 2004, 309 ff. 62 vgl. Columella 7,6. 63 Benecke 1994, 238 ff., bes. 244. 64 Bazzanella et al. 2005. 65 Rast-Eicher 2008, Abb. 27, Grab D20. mittellatènezeitlichen Grab ein leinwandbindiges Textil aus Ziegenhaar identiizieren. Erst kürzlich gelang der Nachweis für Textilien aus der feinen Wolle der Kaschmir-Ziege. Es handelt sich um Textilfragmente von einem etruskischen Fundort in Lattes, Frankreich, datiert um 470 bis 460 v. Chr66. Das Pferd, als Haustier in Mitteleuropa67 in seiner domestizierten Form spätestens um 4.000 v. Chr. verwendet, zeichnet sich durch seine langen Schweifhaare aus. Diese sind zwar zu steif, um sie gut verspinnen zu können, sie eignen sich aber aufgrund ihrer Länge und Stabilität vorzüglich dazu, direkt verarbeitet zu 66 Landes 2003, 137–138, Nr. 10–6.2. 67 Benecke 1994, 294 f. Abb. 19: Proben von Tierhaaren im Rasterelektronenmikroskop: a Schafwolle, b Ziegenhaar, c Pferdehaar, d Dachshaar. Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. 65 werden. Pferdehaare des Schweifes (Abb. 19c) wurden etwa als Schussfäden bei einigen Bändern aus dem ältereisenzeitlichen Hallstatt verwendet68. Hier wusste man die besonderen Qualitäten dieses Materials gezielt einzusetzen: Die Bänder – sowohl Brettchenwebborten als auch ein kettgemusterter Gürtel in Rips – sollten zwar in ihrer Längsrichtung lexibel sein, jedoch stabil und fest in ihrer Breite (Abb. 20). Wer jemals ein weiches Stoffband als Gürtel getragen hat und sich darüber ärgerte, dass es sich in der Breite einrollt, weiß um die Problematik. Die steifen Pferdehaare konnten sicherstellen, dass die Form des Bandes in seiner Breite stets gewahrt blieb. Zeitgleiche Funde von Geweben, bei denen in einem Fadensystem Rosshaar verwendet wurde, konnten von Archäologen im Gräberfeld Uttendorf im Pinzgau (HaC)69 entdeckt werden. Ebenso wurde in einem hallstattzeitlichen Grab aus Hirschaid in Bayern70 an einem leinwandbindigen Gewebe an einer eisernen Klinge ein „Durchschuss von Rosshaaren“ festgestellt. Ein interessanter Befund für die Verwendung der Schweifhaare von Pferden stammt aus dem Moorfund von Damendorf 1934, datierend in die späte Bronzezeit, Montelius Periode V. Hierbei handelt es sich um einen Lederbehälter, der mit gelochtenen und gezwirnten Pferdehaaren verziert ist71. Ebenso indet sich im Baumsargfund von Skrydstrup ein aus Pferdehaar gelochtenes Haarnetz 72. Bei den bisherigen Funden von Textilien mit Pferdehaaren wurden jeweils dunkle, stark pigmentierte Schweifhaare verwendet. Haare von Wildtieren Eher wie eine kuriose Randnotiz erscheint der Nachweis von eisenzeitlichen Geweben aus Dachshaar (Abb. 19d), doch dies 66 68 Grömer 2007, 170. 69 Moosleitner 1977, 115 ff. – Moosleitner 1992, 27. Rosshaar wurde bei einem Gewebe für die Kette verwendet. 70 Analyse von Hundt in Pescheck 1972, 268 f. 71 Van der Sanden 1996, 95, Abb. 123. 72 Broholm und Hald 1940. – Hald 1980. zeigt, dass der prähistorische Mensch jedes geeignete Material für seine Zwecke einzusetzen wusste. Im Fürstengrab von Hochdorf wurden nach den Analysen von Johanna Banck-Burgess73 Gewebe gefunden, die aus Dachshaar bestehen74. Das Dachshaargarn wurde mittels verschiedener Webtechniken verarbeitet. Unter den Polsterschichten auf der prunkvollen Bronzeliege (Kline), auf der der Bestattete zur letzten Ruhe niedergelegt worden war, fand sich ein feines, leinwandbindiges Dachshaargewebe. Hierzu wurde die feine Grundwolle dieses Wildtieres zu 0,3 mm feinen Fäden versponnen und verzwirnt. Auch gemusterte Brettchengewebe wurden aus der feinen Grundwolle des Dachsfells hergestellt und zusätzlich mit Hanfbast verziert. Im selben Grab wurden auch gröbere Dachshaare entdeckt, also die vor dem Spinnen aussortierten Deckhaare. Diese Fasern wurden im Fürstengrab offenbar als Kissen- und Matratzenfüllung verwendet. Dieser Befund verdeutlicht sowohl die sorgfältige Aufbereitung dieses für uns eher ungewöhnlichen Materials wie auch den kreativen und sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen. 73 Banck-Burgess 1999. Dachshaargewebe S. 102 f. 74 Anmerkung zu Funden von Dachshaar in Gräbern bei Rast-Eicher 2008, 50. Abb. 20: Band mit Pferdehaar aus dem Salzbergwerk Hallstatt. 67 Ein Bestimmungsfehler der frühen archäologischen Textilforschung begleitet vor allem die populärwissenschaftliche Literatur teilweise bis heute. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts erste Mikroskopaufnahmen von Fasern der Wolltextilien aus der Nordischen Bronze- und Eisenzeit (von Baumsärgen und Mooren) gemacht wurden, stellte man Abweichungen zu den in der Neuzeit üblichen Wollmaterialien fest: die Fäden bestanden neben den bekannten feinen Wollhaaren auch aus sehr dicken Fasern. Man bedachte nicht, dass diese dicken Haare zum natürlichen Haarkleid der primitiven Schafrassen der Urgeschichte gehören könnten. Man schloss aus diesem Faserbild, dass es sich hierbei um Beimischungen von Reh- und Hirschhaaren handeln müsste75. Diese These ist seit den späten 30er Jahren wissenschaftlich widerlegt76, und man weiß also in der heutigen Forschung, dass das Vlies des Schafes nicht mit anderen Haaren vermengt wurde. Vorbereitungsarbeiten Der Arbeitsschritt vom Rohmaterial zum verspinnbaren Fasergut ist ein wesentlicher Punkt des Herstellungsprozesses, da durch die Aufbereitungsarbeiten ein wichtiger Grundstock zur Qualität des Endproduktes gelegt wird. Die Sorgfalt und der Zeitaufwand der Durchführung sowie die Anwendung bzw. Weglassung einzelner Handgriffe führen zu gröberen, unregelmäßigeren Fäden oder zu feinem, gleichmäßigem bis glänzendem Garnmaterial, aus dem wiederum Spitzenprodukte herstellbar sind. Von den Endprodukten, den Textilien der mitteleuropäischen Stein- bis Eisenzeit, kennen wir die gesamte Bandbreite verschiedener Qualitäten. Zu den Vorgängen der Faseraufbereitung sind archäologisch nur wenige Gerätschaften belegt. Daneben sind weitere Ressourcen nötig: So sind dies etwa Weiden für die Zucht der Tiere und Anbaulächen zur Kultivierung des Flachses. Man benötigt Arbeitslächen, auf denen der Flachs ausgebreitet und gerottet, getrocknet wird sowie Flächen für das Brechen und Kämmen. Platz zum Lagern und 68 75 Beispielsweise von Stokar 1938, 103–134. 76 Dazu Schlabow 1976, 31–33. Aufbewahren des Rohmaterials und des verspinnbaren aufbereiteten Faserguts muss ebenfalls vorhanden sein. Bei der Erforschung von prähistorischen Siedlungen sind all diese nötigen Freilächen nur schwer bestimmten Tätigkeiten zuweisbar. Die Arbeitsvorgänge bei der Faseraufbereitung sollen jetzt anhand der beiden gebräuchlichsten planzlichen und tierischen Fasermaterialien – Flachs und Schafwolle – erläutert werden. Zum Verständnis des Arbeitsablaufes wird auch die Volkskunde herangezogen. Vorbereitung von Flachs Die arbeitsintensiven und langwierigen Vorgänge bei der Aufbereitung des Flachses waren noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts Teil des bäuerlichen Arbeitsprozesses. Heute werden diese Tätigkeiten nur noch in volkskundlichen Freilichtmuseen weitergeführt und wieder erlebbar gemacht77. Die diversen bäuerlichen Gerätschaften, die dabei Anwendung inden, waren natürlich in dieser Form für die Urgeschichte nicht belegt. Generell sind im archäologischen Fundgut nur sehr wenige Gerätschaften vorhanden, die mit Flachsaufbereitung in Verbindung gebracht werden können (siehe Seite 77 ff.). Der Arbeitsvorgang (Abb. 21)78 selbst folgt nach den volkskundlichen Berichten gewissen Regeln, die für die Urgeschichte wohl ähnlich waren, es wurden bisher nur wenige Abweichungen festgestellt. Bei der Ernte wird die Flachsplanze üblicherweise mit der Hand ausgerauft, um die Länge der zu gewinnenden Fasern nicht durch Abtrennen der unteren Planzenpartien zu verkürzen. Im Neolithikum wurden die Planzen möglicherweise auch geschnitten79. Die Samenkapseln werden durch Riffeln entfernt und separat als Öllieferant weiterverarbeitet. Wie in volkskundlichen Museen dargestellt, werden bei diesem Arbeitsschritt die 77 Beispielsweise im Freilichtmuseum Stübing in der Steiermark: http: //www.freilichtmuseum.at/index.php (Abrufdatum: 12.11.2009). 78 vgl. dazu auch Körber-Grohne 1994, 370 f. 79 Freundlicher Hinweis A. Rast-Eicher. Verweis auf S. Karg, Relexionen über die Kultur- und Anbaugeschichte des Leines (Linum usitatissimum). In: Rast-Eicher und Dietrich (in Druck). 69 Flachsbündel über große eiserne Kämme gezogen. In der Urgeschichte mag dies rein mit den Händen geschehen sein oder eventuell mit gröberen „Hechelzinken“ (Abb. 26), die aber auch genauso zum Riffeln dienen könnten. Abb. 21: Flachsaufbereitung nach einem historischen Stich im Heimathaus Gallneukirchen, Oberösterreich. 70 Um das Fasermaterial in den Stängeln aufzuschließen, müssen sie gerottet („geröstet“) werden. Dazu werden die Planzen ca. zwei Wochen in Wasser eingelegt oder bei der „Tauröste“ auf einer Wiese ausgebreitet und ca. 3 bis 5 Wochen dem Regen und Tau ausgesetzt. Bei diesem Vorgang vergären die Mittelteile der Zellwände in der Rindenschicht, sodass sich die Faserbündel von den Holzteilen im Stängel und von der Außenhaut gut lösen lassen. Nach dem Trocknen ist nun wieder mechanische Kraftanwendung nötig, um die Fasern von den holzigen Teilen zu trennen. Noch bis ins 20. Jahrhundert wurde im bäuerlichen Bereich der Flachs auf der „Brechelbank“ gebrochen, mit einem stumpfen Reibeisen gerieben sowie geschwungen und geschlagen, womit man die letzten störenden Holzanteile beseitigte. In prähistorischer Zeit wird man diese Arbeitsschritte wohl mit der Hand, mit Steinen oder Holzkeulen bewerkstelligt haben. Das anschließende Auskämmen, das Hecheln, fasert den Flachs der Länge nach fein auf. Dabei wurde das Material durch die Zinken des Hechelbretts gezogen – so lange, bis die feinen spinnfähigen Fasern vom Werg (den Kurzfasern und verunreinigten, gröberen Faserteilen) getrennt waren. Die Flachshecheln aus der europäischen Volkskunde sind wie Bürsten aufgebaut – Bretter mit vielen Reihen von Metallzinken. Dank der guten Erforschung der Pfahlbausiedlungen aus der Schweiz kennen wir verschiedene Typen von Geräten, die als Flachshecheln gedient haben könnten (Seite 77 ff.). Vorbereitung von Wolle Das Fellkleid des Schafes besteht wie auch bei anderen Tieren aus verschiedenen Haarformen. Dies sind einerseits die dickeren, kräftigeren Leit- und Grannenhaare mit einem Durchmesser zwischen ca. 50 bis 100 µm und einem im Mikroskop sichtbaren dicken Markkanal. Die Grannenhaare bilden die Felloberläche und dienen der Ableitung von Nässe. Die feineren Wollhaare andererseits bilden das Unterhaar und sind durch eine zarte wellige Struktur gekennzeichnet. Sie haben ihre primäre Funktion in der Wärmeisolation des Tieres. Die Länge und Dicke von Schafhaaren ist von Schafrasse, Jahreszeit und Klima abhängig. Wollhaare von mittlerer Qualität haben eine Stärke von ca. 30 bis 60 µm, feinere Qualitäten weisen Durchmesser unter 30 µm auf, teils bis zu 6 µm80. Grundlegende Schritte zur Aufbereitung von Wolle Die Schafwolle erschließt sich in ihrer Aufbereitung dem Handwerkenden viel leichter als Flachs, viel direkter. Primitive Schafrassen unterliegen wie viele Wildtiere einem jahreszeitlich bedingten natürlichen Haarwechsel. Zupft man so lockenweise Wollvlies ab, dann kann man die Flocken im Prinzip sofort – ohne Zwischenschritt – mit den Fingern verdrehen oder auch mit einer Spindel verspinnen. Durch gezielte Aufbereitung der 80 Ryder 1973. 71 Abb. 22: Vorbereitung von Wolle: Links Wolle schlagen mit einem Bogen. Türkei, Region Kusadasi, August 1995. Rechts Kardieren mit Handkarden. Tunesien, Matmata, Juli 2008. Wolle lässt sich aber eine wesentliche Qualitätssteigerung des Fadenmaterials erreichen. Zumindest das Auffasern des Vliesmaterials durch Zupfen per Hand, das Reinigen (mechanisch oder waschen in Wasser) von gröberem und feinerem Schmutz sind auch schon in frühester Zeit vorauszusetzen. Völkerkundliche Hinweise zeigen, dass Wolle auch mit einem Bogen geschlagen wurde, um das Vlies aufzufasern (Abb. 22 links). Ebenfalls aus der Volks- und Völkerkunde gut bekannt ist das Kardieren (Abb. 22 rechts), das mittels zweier mit Häkchen besetzter Bretter geschieht. Das Wollvlies wird eingelegt, die Karden gegeneinandergezogen, sodass das Vlies watteartig aufgelockert wird. Ist die Wolle nicht stark verschmutzt, dann ist sie auch vor dem Waschen zu einem Faden verspinnbar, wobei das Wollfett, das Lanolin, dem Spinnprozess sehr zuträglich ist. Der Blick durch das Mikroskop (Abb. 23) auf mittelbronzezeitliche Fäden aus Hallstatt zeigt klar, dass hier feine und grobe 72 Fasern vermischt vorliegen. Man hat also zu dieser Zeit die Wolle des primitiven Hausschafes noch nicht gezielt nach Feinheit sortiert. Mikroskopische Analysen von Fäden aus der Eisenzeit geben Auskunft über die Verbesserungen in der Aufbereitungstechnik seit der Bronzezeit – aber auch über die Entwicklung des Haarkleides der Schafe. Die Fasern in den eisenzeitlichen Fäden sind viel homogener, grobe Grannenhaare sind nur noch selten zu inden. Man wird für die prähistorische Zeit annehmen dürfen, dass die Haare per Hand vor dem „Haaren“ ausgerauft wurden, um Verluste zu vermeiden. Auch bei heutigen Schafrassen, die primitiven nahe stehen, geschieht dies. Dabei löst sich die Unterwolle früher als die Grannenhaare und kann so von diesen selektiert werden, wie dies auch von Karl Schlabow aufgezeichnet wurde81: „Folgende Beobachtungen konnten in Nordfriesland bei der Herstellung von besonders glatten Fäden gemacht werden. Die Wolle wird nicht, wie sonst üblich, geschoren. Ist die Wolle reif, so werden zunächst die Schafe gewaschen. Nach dem Trocknen wird dann nur die lange Rückenwolle mit der Hand in Faserrichtung zu einem kammzugähnlichen Band ruckweise aus der Haut gezogen, indem sich gewissermaßen dachziegelartig ein lockeres Haarbündel an das andere fügt. Es ist verständlich, dass man von einem so vorbereiteten, aus glatten und langen Haaren bestehenden Spinnband bei entsprechendem Geschick einen sehr feinen und gleichmäßigen Faden spinnen kann.“ 81 Abb. 23: HallstattTuschwerk: Bronzezeitliche Wolle mit Grannenhaaren. Schlabow 1974, 173. 73 Wann in der Geschichte des Textilhandwerks man begann Schafe zu scheren, ist nicht ganz klar. Der Wollforscher Michael Ryder82 meint, die Entwicklung des Schafes von Rassen mit natürlichem Haarwechsel zu solchen mit kontinuierlich wachsendem Fell um ca. 1.000 v. Chr. in Anatolien festmachen zu können. Das Abschneiden von Haaren wäre prinzipiell mit jedem Typ von Messern möglich. Messer aus Feuerstein gibt es ab der Steinzeit, verschiedene Typen aus Kupfer, Bronze oder Eisen in späteren Zeiten. Doch ist es gerade die Schere, mit der sich die kontinuierlich wachsende Wolle eines Schafes, bei dem kein natürlicher Haarwechsel mehr stattindet, besonders praktisch und schnell schneiden lässt. Diese Zucht würde dann mit der Erindung von Scheren für die Schafschur Hand in Hand gehen. Die Schere als Werkzeug gibt es in Mitteleuropa ab der Latènezeit, sie taucht in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. auf (Abb. 24)83. Interessanterweise kommen solche Scheren mit teils beachtlicher Länge bis 20 cm oft auch in Männergräbern vor (siehe Seite 245 ff.). Aufbereitungsschritte zur Beeinflussung der Wolleigenschaften Abb. 24: Latènezeitliche Schere aus Mannersdorf, Österreich. 74 Weitere Beobachtungen zur Faserqualität können am archäologischen Originalmaterial gemacht werden. Neben dem unterschiedlichen Anteil an groben und feinen Fasern im Faden ist ein weiteres Phänomen beim direkten Vergleich zwischen bronzeund eisenzeitlichen Textilien aus dem Salzbergwerk Hallstatt zu vermerken: Bei den bronzezeitlichen Geweben aus der Zeit um 1.500 und 1.200 v. Chr. liegen die Fasern innerhalb eines Fadens ganz wirr. Am selben Fundort, fast 800 Jahre später: Es gibt nun in der Eisenzeit Fäden, in denen die Fasern parallel liegen (Abb. 25), wenn wir auch daneben noch die aus der Bronzezeit bekannten „lauschigen“ Fäden inden. Dies erscheint zunächst als unbedeutendes Detail, hat aber weit reichende Konsequenzen. Bei Fäden, in denen die Fasern wirr liegen, wurde das Vlies nur wenig aufbereitet. Man hat es wohl auseinander- 82 Ryder 1997. 83 z. B. Pottenbrunn, Niederösterreich: Ramsl 2002. – Dürrnberg Grab 9, 10/2, 24/2. Penninger 1972. – Für Norditalien siehe Gleba 2008a, 173. gezupft, gereinigt, geschlagen, eventuell auch grob gekämmt. Parallel liegende Fasern erreicht man nur durch einen sehr viel größeren Zeitaufwand, vor allem durch sorgfältiges und mehrmaliges Kämmen. Eine weitere in der Eisenzeit, vor allem im Osthallstattkreis besonders beliebte Rafinesse, ist das sogenannte Spinnrichtungsmuster (Abb. 70). Seine Wirkung beruht darauf, dass s- und z-gedrehte Garne das darauf fallende Licht unterschiedlich relektieren und sich so bei einer gruppenweisen Verwendung im Gewebe ein feines Ton-in-Ton Streifenmuster ergibt. Diese rafinierte Musterungsart geht Hand in Hand mit dem Kämmen der Wolle, da nur glatte Fäden mit parallel liegenden Fasern diesen Effekt optimal unterstützen. Mit „lauschigen“ Fäden würde sich der Aufwand kaum lohnen – die Streifenwirkung der sund z-Fäden wäre nur sehr indifferent. Auch heutzutage kennt man unterschiedliche Methoden, um Wolle vor dem Spinnen vorzubereiten. Die grundlegenden Verfahren sind das Kardieren und das Kämmen, was in den unterschiedlichen Qualitäten des Streichgarnes und Kammgarnes84 resultiert. Ein sogenannter „Kammzug“ wird aus Grundwolle guter Qualität in einem intensiven und langwierigen Kämmvorgang hergestellt, wobei ein schmales Band mit parallel liegen- 84 Abb. 25: Salzbergwerk Hallstatt: verschiedene Wollqualitäten bei eisenzeitlichen Textilien: Fäden mit wirren Fasern (a) und parallelen Fasern (b) (verschiedene Maßstäbe). Eberle et al. 1991, 45–46. 75 den Fasern entsteht. Das daraus gesponnene Kammgarn ist glatt und gleichmäßig, die Kurzfasern sind ausgekämmt und die Fasern liegen parallel im meist scharf gedrehten Garn, wodurch es auch Wasser abstoßend wird. Das mittels Kardieren hergestellte Streichgarn hingegen wird zu einem eher locker gedrehten Faden versponnen. Es hat ein grobes Aussehen mit abstehenden Fasern, es ist saugfähiger und wärmender als Kammgarn, zudem ist es durch die abstehenden Härchen besser verilzbar. Durch die unterschiedliche Aufbereitung verändert man also auch die Eigenschaften der Wolle zwischen weich-lauschig und glatt-glänzend-fest. Diese verschiedenen Charakteristika hat man in der mitteleuropäischen Eisenzeit bereits gekannt und bewusst gewählt. Die vorhin herausgestellten Qualitäten prähistorischer Garne sollen aber nicht komplett mit den heute gebräuchlichen Ausdrücken Kamm- und Streichgarn gleichgesetzt werden, da diese maschinell einen völlig anderen Vorbereitungs- und Spinnvorgang bedingen. Ich möchte in diesem Rahmen nur auf bereits in der Urgeschichte feststellbare Details der Faservorbereitung hinweisen. Auch bei den Untersuchungen zu eisenzeitlichen Textilien von Antoinette Rast-Eicher85 zeigte sich, dass schon in der Hallstattzeit sortierte Wolle zu Textilien verarbeitet wurde. Am Ende der keltischen Epoche, im ausgehenden 1. Jahrhundert v. Chr., wurden deutlich feinerwolligere Schafe gezüchtet als in den früheren Jahrhunderten. Für die Aufbereitung des Fasermaterials kommen verschiedene Gerätschaften in Frage. Zum „Kardieren“ würden sich mit Dornen besteckte Bretter eignen, wie sie im Anschluss beschrieben werden. Jede Art von Kamm kann prinzipiell zum Wollekämmen herangezogen werden – für feine „Kammgarn“-Qualitäten sind sehr feinzinkige Geräte nötig. In der griechischen Antike hatte sich die Vorbereitung des Wollvlieses für das Spinnen zu einem komplexen Arbeitsablauf entwickelt, wie uns auch bildliche Darstellungen, spezialisierte Gerätschaften und Schriftquellen zeigen. Nach Anastasia 85 76 Rast-Eicher 2008. Pekridou-Gorecki86 hat man die Wolle nach dem Waschen und Kämmen auseinander gezogen und etwas gedreht, um die Fasern bzw. Flocken miteinander zu verbinden. Es wurde sogenanntes „Vorgarn“ (ein gleichgerichtetes schmales Wollvliesband ähnlich eines Kammzuges) hergestellt, das dann gut zu feinen Fäden versponnen werden konnte. Es gab dafür drei unterschiedliche Verfahren: so wurde die Wolle entweder nur mit den Händen bearbeitet oder aber auf dem entblössten Bein. Die dritte Möglichkeit ist das Erzeugen des Vorgarnes auf dem tönernen Epinetron, einem Gerät in Form eines Hohlziegels, das auf Knie und Oberschenkel eines Beines gelegt wurde. Archäologische Gerätefunde zur Faseraufbereitung Überblickt man die archäologische Literatur, dann werden immer wieder einige Artefakte genannt, die mit dem Aufbereiten des Fasermaterials in Verbindung gebracht werden87. Aus der neolithischen Feuchtbodensiedlung Egolzwil, Schweiz, beispielsweise kennen wir Bündel von Schwarzdorn. Derartige harte, spitz zulaufende Geräte sind zur Aufbereitung des Flachses praktikabel. Die Schwarzdornzweige sind sehr strapazierfähig und so fein, dass sie das Material gut auffasern können. Möglicherweise waren die zusammengebundenen Rippenspitzen, wie aus Zürich-Mozartstrasse oder die zweizinkigen Knochengeräte aus Attersee in Oberösterreich (Abb. 26) grobe Flachshecheln oder dienten zum Riffeln. Ein weiteres Gerät aus dem Neolithikum ist bereits im Jahre 1937 durch die Pionierarbeit von Emil Vogt über Gelechte und Gewebe der Steinzeit bekannt geworden. Das sogenannte „Hechelbrett“ aus Lattringen88 ist ein Brett, in dem Dornenspitzen von Schwarzdorn eingelassen wurden. Neben diesen spätneolithischen Funden sind ähnliche Geräte auch aus der Spätlatènezeit, aus den Jahrhunderten vor der Zeitenwende, zu nennen. Aus Hallstatt-Damm- Abb. 26: Zweizinkige Knochengeräte aus Attersee, Oberösterreich, Spätneolithikum. 86 Pekridou-Gorecki 1989, 16 ff., Abb. 3–6. – Auch bei Barber 1991, 77, Epinetron auf Abb. 2.45. 87 zu den einzelnen Fundorten: Zürich und Egolzwil: Rast 1990, Abb. 2. – Attersee: Willvonseder 1963–1968. – Lattringen: Vogt 1937. – Diskussion zu Versuchen über ihre Funktion bei RastEicher 1997, 304. 88 Vogt 1937, Abb. 72/6–7. 77 wiese, Österreich, und Liptovska Mara89, Slowakei (Abb. 27), kennen wir schlank-rechteckige Holzbrettchen mit Löchern und Stiel, im Falle von Hallstatt-Dammwiese steckten noch Dornen im Brettchen. Sie würden sich, wie schon für das Lattringer „Hechelbrett“ diskutiert, prinzipiell als Hecheln für Flachs eignen. Möglicherweise hat man diese Geräte in der Eisenzeit auch als Handkarden zum Kardieren von Wolle verwendet. Sie sind funktional den aus dem Bereich der Volkskunde bekannten Handkarden sehr ähnlich. Bei einer Verwendung der Stücke als Handkarden wäre die ältere These nach Elizabeth Barber relativiert, nach der solche erst ab dem Mittelalter verwendet wurden90. Die „Kardendistel“ benannte Distelart (Dipsacus sativus) wurde nicht, wie häuig gedacht, zum Kämmen der Wolle verwendet, sondern zum Aufrauhen (Ausrüsten) des fertigen Gewebes91. Es ist im Falle der „Hechelbretter“ natürlich ebenso denkbar, dass diese als Werkzeuge zum Aufrauhen von Geweben benützt wurden. Kämme verschiedenster Art92 kennen wir seit dem Neolithikum, etwa aus Arbon Bleiche 3. Bekannte Beispiele stammen aus den früh- und mittelbronzezeitlichen Feuchtbodensiedlungen Norditaliens. Diese Multifunktionsgeräte sind sowohl als Toilettegegenstand zum Kämmen und­oder Aufstecken der Haare verwendbar. Ebenso kann damit Wolle vorbereitet werden, auch beim Weben sind Kämme gut einsetzbar zum Anschlagen des Schusses. Feinzinkige Wollkämme aus Eisen sind vor allem aus römischer Zeit bekannt – hier geben uns auch Abbildungen Hinweise auf ihre Verwendung. In Avenches, Schweiz, wurde ein derartiger Wollkamm gefunden sowie ein Silberbecher aus dem 1.­2. Jahrhundert n. Chr., auf dem ein männlicher (!) Wollkämmer dargestellt ist93. 78 89 vgl. dazu Belanová und Grömer 2010. 90 vgl. Barber 1991, 22. 91 Siehe auch Goldmann 1990, 432 f. 92 Arbon Bleiche: Leuzinger 2003, 101. – Norditalien: Bazzanella et al. 2003, 141–142. 93 Nach Rast-Eicher 2008, 161 f., Abb. 228 f. Fadenherstellung – Spinnen Heutzutage ist man sich nicht mehr bewusst, wie zeitaufwändig es ist, Kleidung für den Hausgebrauch selbst herzustellen. Früher waren viele Stunden des täglichen Arbeitspensums mit textiler Arbeit – allem voran Spinnen – ausgefüllt. Jeder kennt es, das „Spinnen“; etwa vom Märchen, wo sich Dornröschen an der Spindel sticht und in einen tiefen Schlaf fällt, bis es vom Prinzen erlöst wird. Auch Sprichworte sind noch immer gebräuchlich, die sich auf das Spinnen beziehen, etwa: „...der Geduldsfaden reißt“ oder „.... man hat den Dreh raus“. Natürlich fällt einem zu diesem Wort auch ein „.... die spinnen“, diese kleine Verrücktheit, aber wieso eigentlich? Abb. 27: „Hechelbretter“ aus HallstattDammwiese in Österreich und Liptovska Mara in der Slowakei, Latènezeit. Spinnen ist eine sehr meditative Tätigkeit, bei der man – ausreichende Beherrschung des Handwerks vorausgesetzt – viel Zeit hat, sich Gedanken zu machen. Zudem ist Spinnen sehr kommunikativ. Noch in der Zeit um den 2. Weltkrieg war es etwa im 79 oberösterreichischen Mühlviertel üblich, dass sich an den Bauernhöfen die Nachbarsfrauen mit ihren Spinnrädern zu einer sogenannten „Rucka-Roas“ getroffen haben – ein Zusammenkunft, bei der gemeinsam gesponnen und Neuigkeiten ausgetauscht, über Probleme und Persönliches gesprochen wurde94. Vielleicht war es gerade dieser weibliche Informationsaustausch, der nicht so gerne gesehen und als „...die spinnen“ negativ bewertet wurde. – Diese Details nur am Rande, sie zeigen jedoch, dass das Spinnen als Tätigkeit zumindest in unserem Sprachgebrauch noch immer tief verankert ist. Assoziationen hat man viele zum Spinnen, aber wie funktioniert es eigentlich? Abb. 28: Fäden: s- und z-Garn, sowie zusammengedreht zu Z- und S-Zwirn. Das Grundprinzip des Spinnens mit der Handspindel ist denkbar einfach: Durch Drehung werden die relativ kurzen Fasern zu einem beliebig langen Faden verbunden. Ob dies ohne Hilfsmittel, mit der Handspindel oder mit dem Spinnrad als technische Weiterentwicklung geschieht, ist dabei nebensächlich. Spätestens ab dem Beginn der Jungsteinzeit (bei uns ab 5.600 v. Chr.) ist archäologisch belegt, dass der menschliche Erindungsgeist diesen mühsamen Vorgang des Spinnens nur mit der Hand durch ein neues Werkzeug, der Spindel, vereinfacht und beschleunigt hat. Ein hölzerner Stab von ca. 20-30 cm Länge und ein am unteren Drittel befestigtes Schwunggewicht, der Spinnwirtel, dienen nun als Hilfsmittel, um einen Faden herzustellen. Der Wirtel stabilisiert die Fadenbildung, indem der Faden in schneller gleichmäßiger Rotation nach unten gezogen wird. Man kann die Spindel rechts oder links herum drehen, dabei entsteht ein rechts- bzw. linksgedrehter Faden (textiltechnisch: s- oder z-Faden, Abb. 28). Die Spindel wird beim Spinnen (Abb. 29) an einem bereits daran befestigten Anfangsfaden in Drehung versetzt. Das Fadenende und das Wollvlies hält man in der linken Hand, während man mit der rechten Hand die Spindel in Schwung bringt. Zupft man während der Rotation der Spindel aus der Wolllocke gleichmäßig loses Fasermaterial heraus, verzwirbelt sich dieses durch die Drehungbewegung sofort zu einem Faden. Dieser wird, wenn er zu lange geworden ist, auf die Spindel aufgewickelt. Nach dem 94 80 Freundliche Mitteilung von † Frau Anna Riener, Altbäuerin am Landlgut z`Oberwinkl, Altenberg bei Linz, Oberösterreich, Jänner 1999. Aufwickeln wird das Fadenende einmal um das untere Spindelende und Spinnwirtel geschlungen und an der Spindelspitze verknotet. Nun hängt die Spindel wieder frei am Anfangsfaden und der Spinnvorgang wird wiederholt: Auseinanderziehen und Ausgleichen des Wollvlieses zur gewünschten Fadenstärke, Verzwirbeln des Fadens durch Drehung der Spindel etc. Ist die Spindel schließlich voll, muss der Faden abgewickelt werden. Abb. 29: Bewegungsablauf beim Spinnen von Wolle mit „hängender“ Spindel (Fallspindel). Soweit die einfache Grundtechnik beim Spinnen eines Fadens aus Schafwolle. Das Spinnrad, besonders das noch bis in die jüngste Vergangenheit im bäuerlichen Handwerk verwendete Flügelspinnrad ist eine technische Fortentwicklung, im Vergleich zur mehr als 7.000 jährigen Geschichte der Handspindel sehr jung, erst 800600 Jahre alt95. Der ursprünglichere Spinnradtyp, das Hand­ spinnrad (um 1300), hat eine horizontal liegende Spindel, die über einen Riemen durch ein großes Antriebsrad bewegt wird (Abb. 30a). Der Wirtel als Schwungmasse wurde überlüssig. Das Antriebsrad wurde mit der Hand in Drehung versetzt. Die andere Hand leitet der Spindel den Faden zu. Die Fadendrehung und das anschließende Aufspulen sind noch getrennte Arbeitsvorgänge. Erst durch das Flügelspinnrad (Abb. 30b), das im 15. Jahrhundert, am Ende des Mittelalters, in Mitteleuropa aufkommt, 95 Allgemeines zum Spinnrad vgl. Sporbeck 1996, 472 ff. 81 Abb. 30: a Handspinnrad aus der Türkei, Region Kusadasi August 1995. – b Flügelspinnrad aus dem Heimatmuseum Gallneukirchen, Oberösterreich. konnte das Spinnen und Aufspulen zu einem Arbeitsgang gekoppelt werden. Auch hier ist die Spindel waagrecht am Spinnrad befestigt und wird über ein Schwungrad per Pedal und Fuß betrieben. Der Faden läuft durch ein Einzugsloch über einen „Flügel“ auf die Spule. Bei straffer Spannung drehen sich Spule und Flügel gleichermaßen, der Faden wird gedreht. Wird das Garn locker gehalten, so dreht sich die Spule schnell, der Flügel jedoch nur sehr langsam, das Garn wird wenig gedreht und aufgespult. Durch die „Automatik“, dass man in einem Arbeitsgang nur durch Variation der Fadenspannung den Faden drehen und aufwickeln kann, ist ein sehr rasches Arbeiten möglich. Bei der Handspindel ist es dagegen nötig, das Spinnen zum Zwecke des Aufwickelns zu unterbrechen. Verschiedene Spinntechniken mit der Handspindel Die grundlegende Funktionsweise der Handspindel wurde bereits erörtert. Es haben sich jedoch unterschiedliche Spinntechniken herauskristallisiert, die in verschiedenen Regionen üblich waren, beziehungsweise gezielt für verschiedene Rohmaterialien eingesetzt wurden. 82 Man kann die Spindel „hängend“ verwenden, sodass die Spindel an dem gerade entstehenden Faden in der Luft hängt (Fallspindel) (Abb. 29). Andererseits ist es auch möglich, die Spindel in einer Tonschale oder auch auf dem Boden laufen zu lassen (Abb. 31a), sodass die Schwerkraft nicht auf sie einwirkt. Diese Technik ist bei manchen nordamerikanischen Indianerstämmen, in Nordafrika oder auch in Tibet ethnographisch belegt.96 Das Spinnen in der Tonschale ist unter prähistorischen Bedingungen sinnvoller als das Gerät am Boden laufen zu lassen, da so das kostbare Fadenmaterial nicht schmutzig wird. Es ist beim Spinnen auch möglich, die Spindel waagrecht in der Hand zu drehen. 96 Abb. 31: Spinnen in unterschiedlichen Techniken: a mit am Boden laufender Spindel, Tunesien, Matmata, Juli 2008. – b Flachs spinnen mit langem Rocken, Keltendorf Mitterkirchen 2008. vgl. Hirschberg und Janata 1986, 131. 83 Die einzelnen Spinntechniken sind einerseits regionale Traditionen, hängen aber auch mit generellen Arbeitsweisen zusammen. Das Spinnen mit der „hängenden“ Handspindel hat unter anderem den Vorteil, dass man nicht wie beim Spinnrad oder beim Spinnen in der Tonschale an einen Ort gebunden ist. Man kann im Sitzen, Stehen und – mit Geschick – auch im Gehen spinnen. Es ist durchaus denkbar, dass in der mitteleuropäischen Urgeschichte die Spindel jederzeit mit sich geführt wurde, damit beispielsweise etwaige zu gehende Wegstrecken auch sinnvoll genutzt werden konnten. Abb. 32: Kurze Spinnrocken aus Mautern und Unterradlberg, römisch. Während bei der Schafwolle das Vlies in der Hand gehalten und sozusagen „aus der Hand gesponnen“ werden kann, muss beim Spinnen mit Flachs oder anderen planzlichen Fasern ein Hilfsmittel, der Spinnrocken, verwendet werden. Auf dem Spinnrocken, einem ausreichend langen Stab, wird der gekämmte Flachs befestigt und beim Spinnen mit beiden Händen heruntergezupft (Abb. 31b). Der Spinnrocken kann unter dem Arm eingeklemmt werden oder auch eigenständig auf einem Ständer stehen. Der übrige Arbeitsvorgang bleibt gleich: Drehen der Spindel, Verziehen der Fasern, Aufwickeln, Weiterspinnen. Doch ist nun die Verwendung eines Spinnrockens ein Zeichen dafür, dass Flachs verarbeitet wurde? Auch bei Schafwolle sind weitere Rafinessen möglich: Wird zum Spinnen das bereits beschriebene besser aufbereitete „Vorgarn­Kammzug“ verwendet, also ein gleichgerichtetes schmales Wollvliesband, so wird dieses ebenfalls auf einem Spinnrocken aufgewickelt. Dieser Arbeitsschritt erleichtert das Feinspinnen. Kurze Spinnrocken, die in der Hand gehalten werden, eignen 84 sich nicht für das Verspinnen von planzlichen Fasern, wohl aber für derart sorgfältig vorbereitetes Vorgarn. Möglicherweise geht dies Hand in Hand mit der Entwicklung zu immer feineren und gleichmäßigeren Fadenqualitäten ab der Eisenzeit, teils auch solche mit parallel liegenden Fasern. Kurze Spinnrocken tauchen archäologisch in metallener Form ab der Eisenzeit auf. In Österreich kennt man kurze Spinnrocken etwa aus einem eisenzeitlichen Grab aus Frög97 sowie aus römischen Gräberfeldern in Unterradlberg und Mautern98 (Abb. 32). Auf antiken griechischen Vasenbildern sind kurze Spinnrocken oft bei textilverarbeitenden Szenen abgebildet99, ebenso spinnt die Frau auf dem eisenzeitlichen Klapperblech von Bologna100 Vorgarn von einem Spinnrocken (Abb. 124). Eine der frühesten bildlichen Darstellungen eines langen Spinnrockens zum Verspinnen von Flachs aus dem erweiterten Bereich um Mitteleuropa führt uns Anastasia Pekridou-Gorecki101 vor Augen, auch wenn sie das Gerät nicht als Rocken benennt. Auf dem Innenbild einer rotigurigen Trinkschale (5. bis 3. Jahrhundert v. Chr.) ist eine spinnende Frau vor einem Gestell abgebildet. Es ist dies ein hoher hölzener Stab auf einem Ständer mit Gestänge im oberen Teil. Um diesen wurden die Flachsfasern gewickelt, die dann mit beiden Händen zum Spinnen herausgezogen werden konnten. Neben dem Spinnen eines Fadens wird die Spindel auch dazu verwendet, zwei oder mehrere Fäden zu verzwirnen, um einen festeren und strapazierfähigeren Faden zu erhalten. Dazu lässt man einfach zwei oder mehr in gleicher Richtung gesponnene Fäden durch eine Hand zusammenlaufen, dreht die Spindel und wickelt nach dem Verzwirnen wie gewohnt auf. Es wird dabei entgegengesetzt zur Fadendrehung der einzelnen Garne 97 Frög Tum. 50, Grab 1. Tomedi 2002, 161 f., Taf. 17. Die zuweilen vorkommende Deutung als Spindel muss hier in Frage gestellt werden. 98 Unterradlberg, Grab Verf. 4018, J.-W. Neugebauer 2001, Abb. 43/7. – Mautern, Gr. 397: Grömer 2003b. 99 Nach Barber 1991, 75. – Pekridou-Gorecki 1989. 100 Eibner 1986. 101 Pekridou-Gorecki 1989, Abb. 14. 85 verzwirnt, wodurch der Faden stabilisiert wird. Wenn die Fäden links herum gesponnen wurden (z-Garn), werden sie also rechts herum verzwirnt; ein S-Zwirn entsteht (Abb. 28). Es soll hier nur kurz erwähnt werden, dass die Verwendung von Garnen unterschiedlicher Drehrichtung ein Indiz für regional verschiedene Herstellungstraditionen sind. Ebenso wird in manchen Gegenden des urgeschichtlichen Europas bevorzugt einfaches Garn verwoben, in anderen eher verzwirnte Fäden, die haltbarer sind und den mechanischen Belastungen beim Weben besser standhalten. In der Hallstattzeit wird etwa im Osthallstattkreis in beiden Fadensystemen Garn benützt, während im Westhallstattkreis in mindestens einem Fadensystem gezwirnte Fäden verwendet werden102. Archäologische Funde von Spinngeräten Funde von vollständigen Spindeln sind höchst selten. Aus den zirkumalpinen Seeufersiedlungen sind solche raren Entdeckungen gemacht worden, etwa der spätneolithische hölzerne Spindelstab mit aufgewickeltem Garn aus Twann103 in der Schweiz oder die bronzezeitlichen Holzspindeln aus Fiavé, Italien104. Der Spindelfund von Arbon Bleiche 3 mit noch erhaltenem Spinngut (Abb. 33) wurde bereits beim Rohmaterial Lindenbast erwähnt. Daneben gibt es vom selben Fundort weitere vollständige Spindeln, Stäbe mit aufgestecktem Wirtel. Wenn holzkundliche Untersuchungen vorliegen, wie etwa von den neolithischen Pfahlbausiedlungen aus der Schweiz105, so wurde als Rohmaterial für die Spindelstäbe meist Hasel (Corylus L.) oder Schneeball (Viburnum L.) festgestellt. Die gefundenen Spindelstäbe sind meist bleistiftdick und haben eine Länge von mindestens 20 cm. 86 102 Siehe dazu Banck-Burgess 1999, 84 f. – Bender-Jøgensen 1992. –Rast-Eicher 2008, bes. 167 ff. 103 Dunning 1992, S. 46, Abb. 6. 104 Bazzanella et al. 2003, 137–138. 105 Rast-Eicher 1997, 304. Im archäologischen Fundgut sind die Schwunggewichte, die Spinnwirtel, relativ häuig, da diese meist aus gebranntem Ton und seltener aus Stein oder Knochen bestehen und so über die Jahrtausende erhalten blieben (Abb. 34). Es kann hier in der Kürze kein vollständiger typologischer Überblick gegeben werden, wie er von den Archäologen bei der Sortierung des Materials gerne gemacht wird. Man kann jedoch bei den Spinnwirteln gut sehen, dass selbst diese Gebrauchsformen, die schon durch ihren Bestimmungszweck als Schwunggewicht keiner allzu drastischen Formgebungsvariation unterliegen können, doch Unterschiede in den verschiedenen Zeiten haben. Sie unterliegen in der Form und besonders in ihrer Verzierung, wie alles andere auch den Modeerscheinungen, die es schon immer gegeben hat und heute noch gibt. Die frühesten Spinnwirtelfunde106 kennen wir in Österreich vom Beginn der Jungsteinzeit, der Zeit der ersten Bauern (sog. Bandkeramischen Kultur um 5.600 bis 4.900 v. Chr.). In Oberösterreich sind aus Leonding bei Linz Spinnwirtel bekannt, die aus zerbrochenen Gefäßen gefertigt wurden. Bei dieser frühen Form des Recyclings hat man einfach Tonscherben auf die gewünschte Größe rund zugeschliffen und in der Mitte gelocht. Besonders große und schwere Spinnwirtel sind aus der späten Jungsteinzeit, der Chamer und Jevišovice Kultur um 3.000 v. Chr. bekannt. Funde gibt es etwa aus Krems-Hundssteig oder aus Pulgarn bei Steyregg. Die Spinnwirtel haben viele verschiedene Formen und Verzierungen. Aus anderen spätneolithischen Kulturen inden sich auch kleinere scheibenförmige bis kugelige Wirtel, wie etwa in der Horgener Kultur in der Schweiz vom Fundort Arbon Bleiche107. Besonders zu Beginn der Bronzezeit sind Spinnwirtel in Österreich108 eher rar, eines der seltenen Beispiele sind jene aus der frühbronzezeitlichen Siedlung von Jetzelsdorf in Niederösterreich. Möglicherweise wurden zu dieser Zeit eher rein hölzerne Abb. 33: Vollständige Spindel aus der Feuchtbodensiedlung Arbon Bleiche 3 in der Schweiz um 3.370 v. Chr. 106 vgl. dazu die Referenzen zu den einzelnen österreichischen Fundorten bei Grömer 2004 (2006). 107 Leuzinger 2002, 115 ff. 108 Referenzen nach Grömer 2004 (2006). 87 Abb. 34: Verschiedene Spinnwirtelformen aus der österreichischen Urgeschichte. Spindeln benutzt. Ganz anders ist das Bild, betrachtet man Spinnwirtel aus der Urnenfelderzeit und Älteren Eisenzeit, wo eine Fülle von Wirtel erhalten ist. Diese sind klein und zierlich und schön ausgestaltet in ihrer Form, wie jene aus Gars­ Thunau und Hallstatt. Auch in der Jüngeren Eisenzeit wurden wieder Scherbenwirtel verwendet, so das latènezeitliche Stück aus Neubau bei Traun. Spinnwirtel kommen im archäologischen Fundgut als Verlustfunde in den Siedlungen vor, sie wurden aber auch den 88 Menschen in Gräbern beigegeben, wobei sie oft in der Armbzw. Handgegend liegen. Besonders in der Älteren Eisenzeit, im Osthallstattkreis, spielen Spinnwirtel eine große Rolle als Grabbeigaben (mehr dazu im nächsten Abschnitt Seite 221 ff.). Neben den Spindeln selbst sind – selten aber doch – in der mitteleuropäischen Urgeschichte auch Abbildungen zum Spinnen belegt. Es sei nur kurz erwähnt, dass diese in den antiken Hochkulturen sehr häuig sind, etwa Darstellungen von Spindeln auf ägyptischen Wandmalereien, Skulpturen und in Hieroglyphen oder Bilder von Spinnerinnen auf griechischer Keramik. In unserem Raum sind besonders die Darstellungen auf der sogenannten „Urne von Sopron“ (ca. 700 v. Chr.) und auf dem villanovazeitlichen Klapperblech aus Bologna (vgl. Kapitel Weben sowie Abb. 123 und 124) interessant. Dargestellt sind neben anderen Personen auch jeweils eine Frau mit einer Spindel und kurzem Spinnrocken. Das gesponnene (oder auch gezwirnte) Fadenmaterial konnte nun aufbewahrt werden, bis es zum Weben oder Nähen benötigt wurde. Dazu hat man den Faden auf einem Stäbchen aufbewahrt oder gleich auf der Spindel belassen. Es gibt auch steinzeitliche Nachweise dafür, dass man die Fäden zu einem Abb. 35: Hallstattzeitliche Spulen und Spinnwirtel aus Bad Fischau in Niederösterreich. 89 Knäuel aufgewickelt hat (siehe unten). Der Funktion als „Fadenvorratsbehälter“ werden aber auch tönerne Spulen gerecht, die von der Jungsteinzeit109 bis zur Eisenzeit immer wieder in den Siedlungen, aber auch in Gräbern anzutreffen sind. Diese bestehen aus ca. 5-7 cm langen Tonzylindern mit aufkragenden Enden (Abb. 35). Spinnwirtelgewichte und erzielbare Fadenqualitäten Das Gewicht der Spindel ist unter anderem abhängig von der Größe des Wirtels, aber auch vom Rohmaterial (ob etwa aus Keramik, Holz, Glas oder Stein gefertigt) sowie von der bereits gesponnenen und aufgewickelten Garnmenge. Das sind vorerst rein physikalische Tatsachen. Interessant ist nun, ob bei den in der Urgeschichte üblichen verschiedenen Formen und Größen ein Unterschied in der Handhabung und im erreichbaren Endprodukt festzustellen ist. Die spätneolithischen Spinnwirtel aus der Schweiz, etwa aus Arbon-Bleiche, haben meist ein Gewicht um 16 bis 40 g110, können aber bis zu 80 g schwer sein. Von den Pfahlbauten am Ledrosee sind neben anderen Textilgeräten auch zahlreiche frühbronzezeitliche Wirtel erhalten. Diese sind kugelig bis scheibenförmig und haben Gewichte zwischen 15 und 50 g, im Mittel um 30 g111. Die über 100 g schweren „bombastischen“ Beispiele aus den spätneolithischen Kulturen Cham und Jevišovice (Abb. 34) sind extreme Formen. Insgesamt ist bei der typologischen Entwicklung der Spinnwirtel ab dem Neolithikum eine Verkleinerung und Verfeinerung dieser Arbeitsgeräte sichtbar, die in der Hallstattzeit bei ca. 5 bis 20 g leichten, teils sorgfältig mit Verzierungen ausgeführten Wirtel gipfelt. Als Beispiel möge hier die befestigte hallstattzeitliche Höhensiedlung Smolenice Molpír in der Slowakei dienen. Hier wurden über 2200 Spinnwirtel (Abb. 131) und ca. 200 Webgewichte aufgefunden, die diesem Platz wohl eine herausragende Bedeutung in der Textilproduktion 90 109 Grömer 2006a, Abb. 5. 110 Leuzinger 2002, 119, Abb. 151. 111 Bazzanella et al. 2003. zuweisen. Die Gewichtsmessungen ergaben bei den meist zwischen 6 und 26 g wiegenden Wirteln ein ermitteltes Durchschnittsgewicht von 15,8 g112. Durch praktische Versuche in der Experimentellen Archäologie113 kann man besser in die Lebenswelt des urgeschichtlichen Menschen eindringen als durch rein theoretische Betrachtung. Das Spinnen als Technik ist relativ leicht zu erlernen, aber um jene Geschicklichkeit zu erlangen, die die prähistorischen Menschen besessen haben, dauert es Jahre. Selten erreicht heute noch jemand beim „Hobbyspinnen“ jene Feinheit eines von Kindheit an lebenslang geübten Handwerkers. Anhand von Spinnleistungsexperimenten114 konnte festgestellt werden, dass sich das Gewicht der Spindel direkt auf den entstehenden Faden auswirkt. Es stellte sich die Frage, ob und in welcher Spinntechnik diese Arbeitsgeräte aufgrund ihrer Form und Größe die erforderlichen Fadenstärken erbringen können. Dazu wurden auch bei eigenen Experimenten technische Reihenversuche zu Drehfrequenz und Laufzeit an neolithischen bis spätantiken Originalspinnwirteln ausgewertet sowie das Spinnen verschiedener Fadenstärken mit einzelnen Originalen getestet. So wurde unter anderem mit Originalspinnwirteln (8-12 g) aus dem Gräberfeld Hallstatt im Vergleich mit großen, über 100 g schweren Wirteln der spätneolithischen Jevišovice-Kultur aus Meidling­Kleiner Anzingerberg Flachs und Wolle probeweise zu unterschiedlich starken Fäden versponnen (Abb. 36). Wird die Spindel „hängend“ verwendet, so ist das Gewicht und somit die Größe des Wirtels von entscheidender Bedeutung. Zu 112 Belanovà und Grömer 2010. 113 Allgemein siehe Coles 1973. – Experimente zum Textilhandwerk siehe Mårtensson 2007, zu den Vorgehensweisen Abb. 2. 114 Grömer 2005b mit Details zu den Experimenten und Ergebnissen der Tests an Originalwirteln. Es wurden Versuche zur Laufzeit (Drehdauer) und Drehfrequenz (Anzahl der Umdrehungen in einem bestimmten Zeitabschnitt) durchgeführt. – Ähnliche Experimente auch bei RastEicher 2004, 273 ff. zu bronzezeitlichen Spindeln. – vgl. auch die Experimente des „Tools and Textiles Research Program“ des Centre for Textile Research Copenhagen: http://ctr.hum.ku.dk/research/tools_and_textiles_/ (Aufruf 3.12.2009). – vgl. auch Spinnexperimente bei Kania 2010. 91 große und schwere Spinnwirtel haben ein starkes Zuggewicht zur Folge, das auf dem Faden lastet, an dem die Spindel hängt. Will man etwa einen dünneren Wollfaden mit etwa 0,4 mm Stärke herstellen, so kann dieser durch ein großes Wirtelgewicht beim Spinnen reißen. Dies geschieht, weil bei den für die Fadenproduktion verwendeten Tierhaaren die einzelnen Fasern eher kurz sind und beim fertigen Faden nur wenig ineinander greifen. Andererseits eignen sich die leichten Wirtel, wie jene aus dem Gräberfeld Hallstatt, vorzüglich für die Anfertigung des in der Hallstattzeit so gebräuchlichen feinsten Wollgarnes. Sie sind aber nicht so gut für stärkere Wollqualitäten brauchbar, wofür ihr geringes Eigengewicht und das geringere Trägkeitsmoment verantwortlich sind. Völlig anders verhält es sich beim Verspinnen von planzlichen Fasern wie Flachs, Hanf oder Brennessel. Es handelt sich beim aufbereiteten Rohmaterial um längere Fasern, die an einem Rocken befestigt werden. Mit einer Hand wird die Spindel gedreht und mit beiden Händen wird der Faden gezogen, was mit etwas Übung viel schneller vor sich geht als bei der Wolle. Die langen Fasern drehen auf größeren Strecken ineinander, sodass die Gefahr des Reißens nicht so stark besteht. Selbst für die Herstellung eines dünnen Fadens ist beim Flachs ein etwas schwererer Spinnwirtel (ca. 30 g) vorteilhafter, da sich durch den vermehrten Schwung bei einem größeren und schwereren Gewicht der Faden schneller verdreht. Zu leichte Spindeln erreichen zwar beim Andrehen eine hohe Drehzahl, bremsen aber nach kürzester Zeit ab, sie können den rasch entstehenden Faden gar nicht so schnell verarbeiten. Es kann also – beim Spinnen mit „hängender“ Spindel – eine Verbindung zwischen der Größe des Spinnwirtels und der im Idealfall zu spinnenden Fadenstärke gesehen werden (Abb. 36). Die Form ist dabei zweitrangig, ob konisch, glocken- oder scheibenförmig, der Spinnwirtel darf nur nicht unwuchtig sein. Lässt man jedoch die Spindel in einer Tonschale oder am Boden laufen, so relativiert sich der Einluss des Gewichtes. Dabei ist in einem bestimmten Rahmen egal, welches Rohmaterial und welche Fadenstärke gesponnen wird. Ein schwererer Wirtel 92 bewirkt lediglich durch den „Kreiseleffekt“, dass die Drehung im Vergleich zu einem leichteren Wirtel länger läuft. Ebenso ist zu beobachten, dass bei den wenigen antiken Darstellungen die Spindel stets „frei hängend“ verwendet wird. Abb. 36: Vergleich der mit unterschiedlich schweren Spinnwirtel erreichbaren Fadenstärken beim Verspinnen von Wolle. An den Originalfunden sind auch die Garnqualitäten zu bestimmen, man kann diese also mit den Ergebnissen der Experimentellen Archäologie in Verbindung bringen. 93 Rechts: Abb. 37: Gegenüberstellung der Fadenstärken von bronze- und hallstattzeitlichen Wolltextilien aus dem Salzbergwerk Hallstatt in Oberösterreich. Aus den Feuchtbodensiedlungen ist steinzeitliches Fadenmaterial115 gefunden worden, einfaches Garn und auch gezwirnte Fäden in nicht verwobenem Zustand. Teilweise sind dies Reste von Spindeln, die noch Teile der hölzernen Spindelstäbe enthalten. Andere Knäuel waren sorgfältig gewickelt worden. Die Fadenstärken dieser Garne sind teils sehr fein, wie bei einem Knäuel aus Leinengarn von Zürich-Kanalisation Seefeld aus der spätneolithischen Horgener Kultur mit nur 0,5 mm Fadenstärke. Besonders interessant ist hier die bereits erwähnte Spindel von Arbon Bleiche 3116: Diese Spindel zeigt eine Momentaufnahme. Es ist ein Arbeitsgerät mit einem Wirtel von 21 g Gewicht und mit aufgewickeltem Lindenbastfaden von 0,7 mm Stärke. Es lässt sich also hier aus dem Befund klar ablesen, dass mit einer ca. 20 g schweren Spindel ein 0,7 mm dicker Faden aus Planzenfasern versponnen werden konnte. Anhand der erhaltenen frühbronzezeitlichen Gewebe der italienischen Seeufersiedlungen ist zu beobachten, dass es sich auch hierbei um feine Fäden aus Flachs handelt, die zudem meist verzwirnt wurden. Die Fadenstärken liegen ebenfalls um 0,5 bis 0,7 mm.117 Nach diesen feinen, relativ dünnen Flachsfäden der Jungsteinund beginnenden Bronzezeit sind dann die doch sehr dicken Wollfäden auffällig, die vor allem ab der Mittelbronzezeit zur Textilherstellung verwendet wurden. Die Gewebequalitäten von Wollstoffen der mittleren Bronzezeit bis zur Hallstattzeit seien am immer wieder zitierten Fundmaterial aus Hallstatt aufgezeigt118 (Abb. 37). Hier spiegeln sich die in ganz Mitteleuropa gängigen Fadenstärken von Wollgeweben wieder. In der Mittelbronzezeit sind vor allem dickere Wollfäden zwischen 1,5 bis 2 mm Garndurchmesser üblich, wenn auch stärkere und – selten – dünnere Fadenqualitäten vorkommen. In der Hallstattzeit sind 94 115 vgl. dazu Rast-Eicher 1997, 315. – Abbildungen verschiedener Garnknäuel bei Vogt 1937, Abb. 73–78. 116 Leuzinger 2002, 119. 117 Bazzanella et al. 2003. – Bazzanella und Mayr 2009. 118 Grömer 2005a. – Grömer 2007, Abb. 72. 95 nun weitaus feinere Qualitäten zu beobachten. Es sind Fadenstärken um 0,3 bis 0,5 mm beliebt. Es konnten also relativ früh, im Neolithikum, mit den langen Flachsfasern dünne Fäden gesponnen werden. Bei der kürzerfaserigen Wolle verfeinerten sich die Aufbereitungsarbeiten, die Spinn- und auch Webtechniken erst mit dem Ende der Bronzezeit so weit, dass man in der Hallstattzeit selbst bis zu 0,1 mm dünne Garne (entspricht heutiger „Nähseide“) herzustellen vermochte. Man war auch im Stande, diese Garne ohne weiteres Verzwirnen zu verweben, eine Kunst, die vor allem in der Osthallstattkultur nachgewiesen ist, wie am Fundort Hallstatt (Abb. 38). In allen Zeiten inden sich jeweils auch Wirtel verschiedener Gewichtsklassen: Möglicherweise spiegeln sich in diesen spezialisierte Werkzeuge zur Herstellung verschiedener Fadenarten wider. Abb. 38: Hallstatt: Eisenzeitliches Gewebe mit 0,1 bis 0,2 mm dünnen Garnen. 96 Auch die Stärke der Verdrillung des Fadens ist wichtig bei der Weiterverarbeitung. Scharf gedrehtes und daher stabiles Garn aus gekämmtem Vlies wird eher für Kettfäden und zum Brettchenweben verwendet. Weich gedrehtes Garn eignet sich gut als Schussfaden oder für saugfähige und warme Textilien. An den Textilien aus dem Salzbergwerk Hallstatt indet sich die ganze Bandbreite dieser Möglichkeiten – die von den eisenzeitlichen Handwerkern gezielt eingesetzt wurden, um Produkte mit bestimmten Eigenschaften herzustellen (siehe auch unter Faseraufbereitung). Webtechniken Weben war in der Antike ein sehr geschätztes Handwerk. Der Symbolismus des Webens wirkte so stark, dass Weben etwa in der griechischen Sprache als Synonym für planendes Handeln überhaupt galt. Dieses Denken fand auch in der Dichtkunst Eingang, etwa in der Komödie Lysistrate von Aristophanes (uraufgeführt 441 v. Chr.). Hier vergleicht die gleichnamige Heldin in einem Gespräch mit einem Ratsherrn die Politik auf humorvolle Weise mit den verschiedenen Phasen der Textilherstellung119. Die Wertschätzung von hochwertigen Webwaren ging so weit, dass in der Antike webkundige Frauen als wichtige Kriegsbeute galten120. Verschiedene Webtechniken standen dem prähistorischen Menschen zur Verfügung. Wie wir aus den archäologischen Funden wissen, setzte man schon in frühester Zeit gewisse Methoden und Werkzeuge beim Weben gezielt ein, um einen Stoff genau für einen bestimmten Zweck anzufertigen. Gerade durch die Gewebefunde aus den Hallstätter und Dürrnberger Salzbergwerken können Textilarchäologen aus einer vollen Fundgrube des Materials schöpfen. Wiederum sind es die prähistorischen Textilien selbst, die uns auch herstellungstechnische Details zum Weben verraten – selbst wenn sie meist nicht vollständig erhalten sind: So inden sich schmale Bandgewebe mit einfachen Seitenkanten. Diese Bänder dienten für verschiedene Zwecke, etwa als Gürtel, Trageriemen, Wickelbänder, als Besatz für größere Textilien etc. Unter den Bändern sind durch 119 Pekridou-Gorecki 1989, 25–26. 120 vgl. dazu Eibner 2005, 31 ff. 97 Bindung und Musterung verschiedene Webtechniken zu unterscheiden. Großlächige Gewebe für Kleidung stellte man in der mitteleuropäischen Urgeschichte wahrscheinlich meist auf dem Gewichtswebstuhl her, wie durch die zahllosen Webgewichtsfunde aus den Siedlungen belegt. Selbst kleine Fragmente von am Gewichtswebstuhl gefertigten Großgeweben verraten sich durch die Gewebeanfangskanten. Beim Vorgang des Webens werden allgemein Fadensysteme miteinander verkreuzt, sodass ein Stoff entsteht. Man könnte nun spitzindig anmerken, dass dies auch beim Flechten der Fall ist. Grundlegend könnte Weben wie Mattenlechten auch erfolgen, indem der Schussfaden per Hand in Schlangenlinien abwechselnd über und unter den Kettfäden geführt wird. Ein derartiger Webvorgang wird auch heutzutage noch gerne in Kindergärten und Volksschulen praktiziert, als Schulung der Fingerfertigkeit. Das echte Weben unterscheidet sich jedoch vom Flechten dadurch, dass das Webgerät an den gespannten Kettfäden eine mechanische Fachbildung ermöglicht121. Es muss also nicht mehr, wie beim Flechten, jedes Element einzeln bewegt werden, der Eintrag per Hand unter bzw. über einzelne Fäden gelegt werden. Die Webvorrichtung (der Litzenstab) macht das Weben efizienter und schneller, weil damit die ganze Reihe der Fäden gleichzeitig bewegt wird. Der Mensch erfand mit dem Webstuhl wahrscheinlich eine der ersten „Maschinen“ der Menschheitsgeschichte – eines der ersten komplexen Geräte, die eine mechanisierte Arbeitsweise zulassen. Entwickelt wurde dieses Prinzip, wie andere Errungenschaften der Jungsteinzeit, im Fruchtbaren Halbmond, irgendwo zwischen der Türkei und dem Nordirak122. 98 121 Flechten und Weben sind technisch nur begrenzt verwandt: Beim Flechten wird mit mindestens 2 aktiven Fadensystemen gearbeitet, beim Weben gibt es ein aktives Fadensystem, die Kette, und ein passives, den Schuss. vgl. die Systematiken bei SeilerBaldinger 1991. 122 vgl. die umfassende Arbeit zu prähistorischen Textilien von Elizabeth Wayland Barber 1991. Bandgewebe: Ripsbänder Schmale Ripsbänder mit einer Breite von ca. 1 bis 2 cm tauchen immer wieder im archäologischen Fundgut auf. Als separat gewobene Bänder, einfärbig oder gemustert, kennen wir sie vom bronzezeitlichen Kupferbergbau in Mitterberg, Österreich, und aus den eisenzeitlichen Fundpunkten des Salzbergwerkes Hallstatt123. Sie wurden sowohl aus einfachen Garnen als auch aus gezwirnten Fäden angefertigt. Letztere Technik macht sie noch reißfester und stabiler. Ripsbänder wurden aber auch als Gewebeanfangskanten gearbeitet. In dieser Funktion sind sie ab dem Neolithikum bekannt (dazu Seite 123 ff.). Bänder sind auch als Verzierungselemente in der bildlichen Kunst identiizierbar. So sind die Säume vieler in der Situlenkunst124 abgebildeten Gewänder mit Bändern geschmückt. Die Borten sind oft gestrichelt dargestellt, was der Struktur nach auf Ripsborten hindeuten könnte. Das für ihre Herstellung benützte Webgerät ist leider vom Aussehen des Bandes nicht exakt bestimmbar. Möglich sind etwa die Verwendung eines Webgitters (Webkammes) oder eines Litzenstabgerätes. Archäologische Nachweise für Webgitter gibt es aus römischer Zeit, aus Mitteleuropa ist etwa der Fund aus Lauriacum, Enns in Oberösterreich (Abb. 39), zu nennen125. Das Gerät besteht aus einem Brettchen mit Schlitzen und zentralen Löchern in den Holzteilen dazwischen. Ein Litzenstabwebgerät hingegen wird rein aus Holzstäbchen und Fäden gefertigt. Diese könnten, abgesehen von den Schwierigkeiten mit der Erhaltung von Holz, nur dann als Webgerät identiiziert werden, wenn sie als In-situ-Befund entdeckt werden. Diese einfachen Geräte wären nur mit noch anhängendem Werkstück als Webhilfsmittel kenntlich, und ein derartiger Fund ist bisher noch nicht gelungen. Abb. 39: Webkamm aus Lauriacum, Römische Kaiserzeit. Die Fertigung dieser Ripsbänder ist denkbar einfach und mit dem Webgitter (Webkamm) besonders anschaulich. Die 123 Mitterberg und Hallstatt in: Grömer 2007. 124 Allgemein zur Situlenkunst: Lucke und Frey 1962. – Turk 2005. 125 Wieser 1999. 99 Kettfäden werden in der gewünschten Länge vorbereitet und abwechselnd durch die Löcher und Schlitze des Webgitters geführt. Ist die Kette gespannt, kann durch Heben und Senken des Gerätes das Webfach gebildet werden (Abb. 40 und 41b). Durch dieses führt man den Schussfaden. Die Ripsstruktur126 entsteht, indem die Kettfäden sehr dicht geführt werden, sodass die Fadendichte in einem Fadensystem mindestens doppelt so groß ist wie im anderen. Teilweise wird bei Bändern der Schuss so fest angeschlagen, dass die Kettfäden ihn beinahe überdecken. Diese Bindung wird vor allem bei schmalen Bändern bevorzugt angewandt, da sie den Webstücken große Festigkeit verleiht. Genau dieselbe textile Struktur eines Ripsbandes kann auch ohne spezialisierten Webkamm hergestellt werden. Die Arbeit mit dem sogenannten Litzenstabgerät (Abb. 41a und 42) ist wohl die ursprünglichere Technik. Bereits beim Schären der Kette bildet man eine obere und untere Lage von Fäden, indem man die Fäden kreisförmig um einen Schärbock führt. Der Abstand zwischen oberer und unterer Kettfädenlage wird mittels Trennstab oder mit einer Schnur ixiert. Nun werden die Fäden der unteren Lage mit Führung durch die obere am Litzenstab befestigt. Ist die Kette straff gespannt, kann mit dem Weben begonnen werden, wobei durch die Bewegung des Litzenstabes das Webfach gebildet wird. Die Befestigung der Webkette beim Arbeiten mit Webkamm oder Litzenstäben ist meist horizontal, angeknotet zwischen zwei Fixpunkten oder auch an einem Fixpunkt und am eigenen Körper. Es ist allerdings auch eine vertikale Aufspannung, mit Gewichten oder an einem Rahmen, möglich. Gerade bei Bandgeräten ist die Aufspannung sehr lexibel und die Handhabung erfolgt nach den Regeln von regionalen Webtraditionen und auch nach individuellen Vorlieben. Von diesem einfachen schmalen Litzenstabgerät lassen sich andere Geräteformen ableiten. Verlängert man den Litzenstab in 126 100 Manche Forscher lehnen den Terminus Rips ab und bevorzugen den Begriff „ripsartige Optik“. die Breite und befestigt eine breitere Webkette an einem stehenden Rahmen, so kann man die Kettfäden mit Webgewichten beschweren und der Gewichtswebstuhl ist entstanden. Verbreitert man jedoch die Kettfäden, den Litzen- und den Trennstab und befestigt die Kette an beiden Enden an Stäben, dann entsteht der Zweibaumwebstuhl, wie er etwa für die ägypische Hochkultur typisch ist127. Dieses Webgerät wird dann in der Waagrechten, lach am Boden entlang bedient, aufgespannt. Auch der Rundwebstuhl128, der stehende Zweibaumwebstuhl, leitet sich von diesem Prinzip ab. Das bedeutet nun nicht, dass hier die These aufgestellt werden soll, dass sich die verschiedenen Webtechniken aus der Bandweberei entwickelt haben. Wahrscheinlich sind unterschiedliche Geräte zeitgleich, in aktivem Austausch entstanden. 127 „horizontal ground loom“. Barber 1991, 83–91 und Abb. 11.1. 128 vgl. Goldmann 1990. – Hald 1980. – Stærmose-Nielsen 1999, 124 f. Abb. 40: Bandweben mit dem Webgitter: Einfädeln der Kette und die beiden Webfächer. Abb. 41: Schema zur Fachbildung mit Litzenstäben (a) und Webkamm (b). 101 Abb. 42: Bandweben mit dem Litzenstabgerät: Anketteln des Litzenstabes und die beiden Webfächer. Breite Bänder in verschiedenen Bindungen Neben den nur um die 2 cm schmalen Ripsbändern inden sich unter den prähistorischen Webwaren auch breitere Bänder. Diese sind neben Rips nun auch in anderen Webstrukturen gefertigt und orientieren sich teils an den Bindungen, die auch an großlächigen Geweben am Gewichtswebstuhl hergestellt werden. Die Bänder sind teilweise auch verziert (vgl. Seite 162 ff.), die Seitenkanten sind meist durch einfaches Wenden des Schussfadens gestaltet. Es kommen an den breiteren Bändern auch Seitenkanten in Rips vor. Aus dem Neolithikum gibt es von den verschiedenen Pfahlbaustationen Bänder mit einer Breite um 10 bis 15 cm – sofern sie mittels zweier Seitenkanten eine gewisse Rekonstruierbarkeit ermöglichen129. In Feldmeilen-Vorderfeld hat man Bandgewebe in Leinwandbindung entdeckt. Diese Bündel lagen verkohlt zwischen den Siedlungsresten der 2. Hälfte des 4. Jahrtausends und waren vor ihrer endgültigen Deponierung aufgerollt worden. Die verschiedenen Bänder von spätneolithischen Fundorten in der Schweiz sind stets aus Flachs mit gezwirnten Fäden hergestellt und haben oft verstärkte Seitenkanten. Die Kanten werden unter dem Kapitel „Gewichtswebstuhl“ näher besprochen. 129 102 vgl. bei Wininger 1995, Abb. 51. Gewebe aus Zürich/Utoquai, Feldmeilen/Vorderfeld oder Montelier/Platzbünden. Auch aus der Bronze- und Eisenzeit sind aus der Fülle des Materials Beispiele zu nennen130: Aus dem frühbronzezeitlichen Unterteutschenthal, Deutschland, indet sich ebenfalls ein Band mit einer Breite von 10 cm. Besonders bekannt sind die zeitgleichen Bänder von den norditalienischen Feuchtbodensiedlungen in Molina di Ledro, Fundstelle Ledro A. Genannt seien hier als Beispiele das 6,8 cm breite prachtvolle Band, das mit ca. 2 m Länge vollständig erhalten ist und an dessen Enden rautenartige Muster angebracht sind (Abb. 43). Ein anderes Band von diesem Fundort mit der gleichen Länge ist 2,2 bis 3 cm breit und hat Fransen an einem Ende. Vom Fundort Hallstatt sind ebenfalls breitere Bänder bekannt. Ein bronzezeitliches Band mit ripsartiger Oberläche ist 17 cm breit, aus der Hallstattzeit gibt es Bänder um 9 cm Breite in Köperbindung sowie ein 4,2 cm breites Ripsband mit Broschiermuster (Abb. 44). Abb. 43: Frühbronzezeitliches Band aus Molina di Ledro mit eingewobenen rautenartigen Mustern. Das verwendete Webgerät ist hier noch schwerer zu rekonstruieren als bei den schmalen Ripsbändern. Die große Anzahl der Kettfäden (bei einem 8,5 cm breiten Köperband mit Kettdichte von 13 Fäden pro cm aus Hallstatt waren das 115 Kettfäden)131 130 Unterteutschenthal: Schlabow 1959. – Ledro: Bazzanella et al. 2003, 161–163. Bazzanella und Mayr 2009. – Hallstatt: Grömer 2007, 212–215. 131 vgl. Hallstatt-Textil 11 (Inv.Nr. 73.336). Hundt 1959, Taf. 11/1. 103 Abb. 44: Verschiedene eisenzeitliche Bandgewebe aus dem Salzbergwerk Hallstatt. 104 spricht eher gegen die Verwendung eines Webkammes, der dann sehr breit sein müsste. Litzenstäbe (Abb. 45) sind sowohl für Abarten der Leinwandbindung als auch für komplexere Bindungen wie Köper gut verwendbar – es variiert dabei nur ihre Anzahl und Bespannung. Ob nun jeweils die Aufspannung horizontal oder vertikal erfolgte, ist für die prähistorische Weberei nicht nachvollziehbar. Ebenso wissen wir nicht, ob die Webarbeit auf einem Rahmen aufgespannt war. Es wäre bei Bändern dieser Breite auch günstig, die Kettfäden an beiden Enden auf Stäbe aufzubringen und in der gewünschten Breite anzuordnen. Würde man bei breiten Bändern den Kettanfang und das Kettende einfach verknoten, so könnte man vor allem am Webbeginn die gewünschte Breite nur schwer erreichen. Als Ketthalter geeignete Stäbe wurden in Vinelz am Bielersee, Schweiz, aus dem 27. Jahrhundert v. Chr. entdeckt132. Sie haben Verdickungen an den Enden, was die Kette vor dem Abrutschen sichern kann. 132 Abb. 45: Modernes Bandwebgerät mit vier Litzenstäben von Ingrid Schierer. Wininger 1995, Abb. 50. Die Stücke sind fragmentiert, möglicherweise sind sie auch anders zu interpretieren, als Enden von Pfeilbögen. 105 Abb. 46: Bandweberei mit nierenförmigen Webgewichten nach Annemarie Feldtkellner. Rekonstruktion Karina Grömer und Ludwig Albustin. Von Annemarie Feldtkellner wurde 2003 eine interessante Rekonstruktion eines Bandwebgerätes vorgeschlagen (Abb. 46), wie es in der Jungsteinzeit verwendet worden sein könnte. Dieses beruht auf den Funden von nieren- oder halbmondförmigen Webgewichten, die aus dem Spätneolithikum auch in Österreich bekannt sind133. Die Breite eines Bandes, die mit einem derartigen Gerät herstellbar ist, korrespondiert gut mit den spätneolithischen Geweberesten aus den Seeufersiedlungen. Nach Abschluss der Webarbeit empiehlt es sich, die Kettfadenenden auf irgendeine Art zu sichern, damit das Band auch an seinen Enden haltbar ist. Nur wenige mitteleuropäische Stücke sind so gut erhalten, dass man sieht, wie der prähistorische Mensch die Bandabschlüsse gestaltet hat. Bei einem Band (Gürtel) von 133 106 Grömer 2006a, Abb. 18. Lago di Ledro134 wurde dieses Problem gelöst, indem man die Kettfäden gelochten und teilweise verknotet hat. Ein Beispiel für die unendliche Kreativität im Bereich der Bandabschlüsse ist der Ripsgürtel von Itzehoe135 aus der Nordischen Bronzezeit, bei dem der Abschluss als Quaste mit 10 cm langen Schnüren gestaltet ist. Diese bestehen aus gelochtenen Kettfadenenden, denen zwecks Vergrößerung der Fülle noch weitere Fäden beigefügt wurden. Brettchenweberei Die Brettchenweberei136 wurde in Mitteleuropa schon in der Urgeschichte ausgeübt, dieses Handwerk fand aber noch bis weit in die Moderne im persischen Raum, in der Türkei, in China, Indien, Burma und Island Anwendung. Die frühesten Hinweise auf diese Technik gibt es in unseren Breiten in Form der typischen quadratischen, an den Ecken gelochten Brettchen137. Ein derartiges Stück wurde in der jungbronzezeitlichen Schicht 6 (14C datiert um 1.400 bis 1.075 v. Chr.) der Fundstelle Abri Mühltal I, Landkreis Göttingen, gefunden. Das quadratische Knochenbrettchen hat eine Kantenlänge von 3,5 bis 3,7 cm und ist 0,4 cm dick. Es ist an den Ecken gelocht und hat auf einer Seite eine Kreisaugenverzierung (Abb. 47­1). Das Webbrettchen war mit anderen Textilgeräten vergesellschaftet: einem Spinnwirtelfragment und einem Glättstein (Saumglätter). Weitere Exemplare sind aus dem Nordischen Raum aus einem eisenzeitlichen Moorfund in Dejbjerg, Dänemark bekannt. Besonders eindrucksvoll ist der Befund aus Grab 200 von El Cigarralejo in Spanien, wo in einem latènezeitlichen Grab Brettchengewebe sowie das zugehörige Werkzeug, 3 cm kleine, viereckige dünne Webbrettchen aus Buchsbaumholz (Abb. 47­2), gefunden wurden. 134 Bazzanella und Mayr 2009, Abb. 18. 135 Ehlers 1998, 37, 43. 136 Grundlegend: Collingwood 1982. 137 Abri Mühltal: Grote 1994, Teil I/1, 149; Teil I/2, Taf. 101/2–3. – Dejbjerg: Collingwood 1982, Pl. 1. – El Cigarralejo: Hundt 1968, Abb. 5. 107 Abb. 47: Archäologische Funde von Webbrettchen: 1 Abri Altmühltal I, Jungbronzezeit. 2 El Cigarralejo, Grab 200, Latènezeit. Die frühesten Gewebefunde138 dieser Webtechnik gibt es schon in der Bronzezeit. Heidemarie Farke untersuchte eine Anfangskante an einem Gewebe aus der mittelbronzezeitlichen Gräbergruppe in Schwarza, Deutschland139, und erkannte, dass diese mit Vierlochbrettchen hergestellt wurde. Durch die zahlreichen gut erhaltenen Textilfunde der Eisenzeit steht in dieser Zeit die Brettchenweberei als voll entwickelte Kunst vor uns. Es werden nun komplizierte Musterungsarten mit verschiedenen Techniken verwendet. Besonders prachtvolle Exemplare wurden im hallstattzeitlichen Fürstengrab von Hochdorf, Deutschland140, entdeckt. Brettchengewobene Borten inden sich auch an den villanovazeitlichen Mänteln und Umhängen von Verucchio, Italien141. Aus Österreich gibt es Brettchenwebereien aus den ältereisenzeitlichen Bereichen des Salzbergwerkes von Hallstatt142. 138 108 Siehe dazu Collingwood 1982, 10 ff. Sowie Überlegungen zu den Funden aus Ägypten, die in älterer Literatur als Brettchengewebe tituliert wurden. Lange Zeit galten der sog. „Ramses-Gürtel“ aus Ägypten, 1.200 v. Chr., und drei Leinenbänder aus der 22. Dynastie (945–745 v. Chr). als die ältesten Nachweise für Brettchenweberei. Dies ist jedoch von Peter Collingwood in seinen fundierten Studien widerlegt worden. – Viereckige, an den Ecken gelochte Keramikbrettchen inden sich auch im Spätneolithikum auf der iberischen Halbinsel (Cardito Rollán 1996, 124 ff.), aber auch im Bereich der Lengyelkultur um 4.900–4.300 v. Chr. in Mitteleuropa (z. B. Urban 2000, Abb. S. 92). Die Verwendung dieser Objekte für die Brettchenweberei ist jedoch mangels zeitgleicher eindeutiger Gewebefunde in dieser Technik nicht gesichert. 139 Hügel C1, Textil 13c: Farke 1993, 111. 140 L. Raeder Knudsen in Banck-Burgess 1999, 80 -82. Weitere Beispiele für eisenzeitliche Brettchengewebe wurden im Zuge dieser Aufarbeitung von Johanna Banck-Burgess zusammengestellt 141 vgl. dazu L. Raeder Knudsen in von Eles 2002, 220–234, Kapitel 4.10. 142 Grömer 2004. Der spektakulärste Fund zur Brettchenweberei stammt aus der Zeit um 800 n. Chr. Beim Grabfund der „Wikingerkönigin“ Asa in Oseberg, Norwegen wurde eine vollständig erhaltene Gerätschaft entdeckt: eine Webvorrichtung mit aufgespannter Brettchenwebkette mit 52 Brettchen und teilweise gewebtem Band. Die Brettchengewebe wurden in der Vergangenheit wegen ihrer großen Belastbarkeit geschätzt. Es wurden vor allem starke schmale und dekorative Bänder angefertigt. Sie sind sehr haltbar und zugfest. Dadurch, dass die Kette aus Strängen von meist vier miteinander verdrehten Fäden besteht, zerfasert das Gewebe selbst dann nicht, wenn einmal ein Kettfaden reißt. Außerdem kann man in Brettchenwebtechnik mit einfachen Mitteln komplizierte und farbenfrohe Muster herstellen. In der Urgeschichte wurden Brettchengewebe aus diesen Gründen als Borten für Gewänder und als Gürtel verwendet. Manchmal wurden die Borten auch direkt am Gewichtswebstuhl mitgewoben. Die Handhabung ist beim Brettchenweben sehr einfach, man benötigt keinen Webstuhl oder Webrahmen, die Brettchen und zwei feste Anhängepunkte genügen. Dennoch können verschiedene Muster und Gewebestrukturen erzeugt werden. Innerhalb eines einzigen Bandes ist eine erstaunliche Vielfalt an Mustervarianten möglich. Die Breite des Gewebes wird von der Anzahl und der Stärke der Kettfäden bestimmt, wie dies auch bei anderen Webarten der Fall ist. Die Anzahl der Brettchen ist dabei beliebig, in der Urund Frühgeschichte wurden bis zu 178 Brettchen verwendet, wie bei den „Prachtmänteln“ von Thorsberg in Deutschland im 3./4. Jahrhundert n. Chr143. Die Webdynamik, also die Technik der Verbindung von Kett- und Schussfäden beruht hierbei nicht auf der Verkreuzung der Fadensysteme durch Heben und Senken etwa mit einem Litzenstab, sondern auf einem völlig anderen Grundprinzip. Das Gewebe entsteht durch Drehen der Brettchen. Dabei werden die durch 143 Schlabow 1976, Abb. 109–118. 109 die Löcher der Brettchen laufenden Fäden zu nebeneinander liegenden Schnüren verdreht, die dann mit dem Schussfaden zu einem Gewebe verbunden werden. Der Schuss ist im Gewebe nicht sichtbar, er taucht nur an den Umkehrstellen auf, wo sich die Drehrichtung der Brettchen ändert. Bevor man die Brettchenweberei aufspannt, müssen die benötigten Kettfäden in der gewünschten Anzahl und Länge zugeschnitten werden. Dann werden die Kettfäden einzeln durch die Löcher der Brettchen gezogen (Abb. 48). Wenn die Kette befestigt und gespannt ist, sodass die Brettchenlächen parallel stehen, kann mit dem Eintrag des Schussfadens begonnen werden. Beim Weben werden die Brettchen an der gespannten Kette um je eine Vierteldrehung gedreht, wodurch das Webfach gebildet wird (Abb. 48 unten). Durch diese Drehungen werden jeweils andere Kettfäden an die Oberseite gebracht. Die Verschnürungsrichtung der Kettfäden – S- oder Z-Verschnürung – wird durch die Einzugsrichtung und Drehrichtung der Brettchen bestimmt. Da durch die Drehungen auch der Kettvorrat verdreht wird, sollte man von Zeit zu Zeit die Drehrichtung ändern. Diese Drehrichtungsänderungen sind es auch, die verschiedene Musterungen erlauben und die charakteristisch für die Brettchenweberei sind. Je nachdem, in welcher Kombination bunte Fäden bei der Kette verwendet werden, sind vielfältige Musterungen möglich, da die Farben und die Anordnung der Fäden, die durch die Löcher laufen, das Muster bestimmen. Die Drehrichtung der Brettchen bietet eine weitere Möglichkeit der Motivgestaltung. Dreht man alle Brettchen abwechselnd vor und zurück, ergeben sich bei entsprechender Bespannung Zickzack- oder Rautenmuster, wie beim vorliegenden Beispiel (Abb. 49). Bei der Umkehr der Drehrichtung wird das Muster in Längsrichtung des Gewebes gespiegelt. Außer dieser einfachen Grundtechnik der Schnurbindung gibt es noch viele weitere Gestaltungsmöglichkeiten. Für kompliziertere Motive (Seite 172 ff.) muss man in einem Arbeitsvorgang einzelne Brettchen nach vorn, andere rückwärts drehen, bevor man den Schussfaden durch das Webfach führt. Auch das 110 Abb. 48: Brettchenweben: Arbeitsschritte vom Aufspannen bis zum Gewebe. Abb. 49: Anleitung zum Brettchenweben mit Musterschrift eines Grundmusters in weißrot-braun. 111 Klappen der Brettchen um die eigene Achse führt zu komplexen Mustern. Ebenso können in ein Band Metallteile, Perlen, Quasten oder Fransen eingewebt werden. Durch Einsatz eines zusätzlichen Schussfadens (Broschierschuss) ist es möglich, komplexe bildhafte Muster zu weben. Diese Technik ist vor allem im Mittelalter beliebt, es wurden dazu sogar Gold- und Silberfäden benützt144. Flächige Gewebe am Gewichtswebstuhl Unter den Webgeräten fasziniert den heutigen Menschen besonders der Gewichtswebstuhl145, vor allem durch sein urtümliches Aussehen – gemessen an der Komplexität heutiger Webmaschinen – aber auch durch seine bestechende Funktionalität. Das Auffallendste sind wohl die Gewichte, die die Kettfäden spannen, und die Position des Gewebes am oberen Ende des Gerätes (Abb. 51 rechts). Für heutige Betrachter mag ein Webstuhl, bei dem man das Webfach nach oben hin anschlägt, seltsam und technisch unausgereift erscheinen. Die Arbeitsweise entspricht aber den Gegebenheiten der Zeit und der Region. Bei der Aufstellung dieses Webstuhltyps bedurfte es keines großen Platzes im Haus (Wohnraum oder Werkstätte), um das Gerät unterzubringen. Der Webstuhl wurde einfach an die Wand gelehnt. Ein waagrecht aufgespannter Zweibaumwebstuhl hingegen benötigt viel mehr Platz, da er „liegend“ den Boden bedeckte. Dieser war in wärmeren Gegenden, etwa im Vorderen Orient oder in Ägypten üblich146, wo man die Arbeit durch das günstige Klima auch nach draußen verlagern konnte. Der Gewichtswebstuhl ist von zahlreichen Abbildungen auf griechischen Vasenbildern147 (Abb. 50) bekannt. Auch in Mittel- 112 144 z. B. Collingwood 1982, Taf. 197 f. – Joliet-van den Berg 1975, Abb. 13–20. 145 Grundlegend zum Gewichtswebstuhl: Hofmann 1964. 146 Barber 1991, 83–91, Abb. 11.1. 147 z. B. Pekridou-Gorecki 1989. – Griechische Vasenbilder werden in fast jeder Arbeit über prähistorische und antike Textilien zitiert und abgebildet. Ausführlichere Zusammenstellung auch in Stærmose-Nielsen 1999, 144 ff. europa inden wir ihn auf wenigen, aber immer wieder zitierten Objekten (Abb. 123 und 124) dargestellt, wie dem Kegelhalsgefäß von Sopron, dem Klapperblech von Bologna oder dem Thronsessel von Verucchio148. All diese Stücke datieren zwischen 500 und 800 v. Chr. Weitaus älter sind die Felsbilder aus der Valcarmonica in den italienischen Südalpen. Neben vielen anderen Motiven sind am Fundplatz „Grande Roccia“ beim Dorf Naquane auch Gewichtswebstühle in den Fels eingepickt (Abb. 50)149. Sie werden in eine Zeit um 1.650 bis 1.400 v. Chr. datiert. Es war von den Personen, die jene prähistorischen Bilder von Webstühlen geschaffen haben, natürlich keine naturalistische Darstellung des Gerätes beabsichtigt. Dennoch erkennt man an ihnen deutlich die technischen Gegebenheiten des Gewichtswebstuhles: das Rahmengestell, die Gewichte, den Trenn- und den Litzenstab. Bei den eisenzeitlichen Bildern (Abb. 124) ist auch schematisiert das aufgespannte Gewebe zu sehen. Besonders bemerkenswert sind die Details beim Kegelhalsgefäß aus Sopron, die uns den Arbeitsvorgang vor Augen halten: das zu einem Knäuel aufgewickelte Schussfadenende und das durch Schraffur gekennzeichnete Gewebe – gibt dies Köperbindung wieder oder ist etwa ein Muster angedeutet? Häuig sind archäologische Nachweise des Gewichtswebstuhles durch Funde von Webgewichten vorhanden, die seit dem Neolithikum bekannt sind und vor allem in Siedlungen vorkommen. Sie belegen, dass schon der jungsteinzeitliche Bauer­ Bäuerin das lächige Weben beherrschte150. Durch die gute Erhaltung der keramischen Gewichte stehen der Archäologie hier viele Informationen zur Verfügung. Ein vollständiger Überblick über die mitteleuropäischen Webgewichtsfunde würde zu weit vom Thema wegführen. Es sollen jedoch einige Details kurz skizziert werden. 148 Van Eles 2002, 235 ff. – Gleba 2008a, Abb. 7. Auch Diskussion zu diesem Fund. 149 Nach Zimmermann 1988. 150 Auf einem Gewichtswebstuhl, dessen Kettfäden mit Webgewichten gespannt sind, könnten neben Geweben auch feine Kettenstoffe in Zwirnbindungstechniken hergestellt worden sein. Siehe auch Rast-Eicher 1997, 2005. 113 Abb. 50: Valcarmonica, Abriebe von Felsbilder aus der frühen Bronzezeit mit Darstellungen von Gewichtswebstühlen. 114 Die gängigen neolithischen und bronzezeitlichen Webgewichtstypen sind sehr groß, schwer und grob, sie sind kugelig bis walzenförmig151. Der älteste in-situ-Befund von Webgewichten (Abb. 51) aus Österreich ist von der befestigten Höhensiedlung KremsHundssteig bekannt (Jevišovice Kultur, um 3.000 v. Chr.)152. Die Gewichte lagen parallel zu einer Hüttenwand des Grubenhauses auf einer Länge von 1,20 m in drei Reihen, die links und rechts davon angetroffenen Steinplatten dürften als Aulager des Rahmengestells gedient haben. 151 z. B. Grömer 2006a, Abb. 5. 152 Pieler 2001, 503 ff, Abb. 59. – Grömer 2006a, vgl. auch zu anderen Funden. Abb. 51: Links KremsHundssteig in Niederösterreich: Walzenförmige Gewichte eines Webstuhles aus dem Spätneolithikum (vor der Schnittkante). Rechts Rekonstruktion eines Gewichtswebstuhles für Leinwandbindung im Archeopark Schnals. 115 Spätbronzezeitliche und hallstattzeitliche Webgewichte sind meist pyramidenstumpfförmig. Sie können auch scheibenförmig sein oder lach-oval mit dezentralem Loch, wie ein Exemplar aus Hallstatt (Abb. 52). Einige Webgewichte aus der Osthallstattkultur haben Zeichen am oberen Ende: etwa Punkte, Kreuze, Striche etc., wie jene vom Burgstallkogel bei Kleinklein in Österreich153. Wir wissen nicht, warum die eisenzeitlichen Menschen ihre Webgewichte markiert haben. Möglicherweise waren es die Zeichen der Hersteller der Gewichte oder auch ihrer Besitzer. Die Zeichen könnten aber auch Markierungen sein, die während des Webens wichtig waren. Beispielsweise wären markierte Webgewichte bei der Musterungstechnik mit liegendem Faden nützlich, um bestimmte Stellen in der Weberei leicht wieder zu inden. Abb. 52: Flachovales eisenzeitliches Webgewicht aus Hallstatt, Österreich. Aus der hallstattzeitlichen Höhensiedlung von Molpír bei Smolenice in der Slowakei154 konnten sehr interessante Webgewichte geborgen werden. Zwei kleine Webgewichte aus Haus 17 trugen außergewöhnliche Darstellungen; geometrische Motive, aber auch annähernd tier- und menschengestaltige (Abb. 53). Die Bearbeiterin Susanne Stegmann-Rajtár interpretierte diese Stücke als „Webgewichtidole” für einen kultischen oder rituellen Gebrauch. Aus der Latènezeit gibt es ebenfalls pyramidenförmige Webgewichte. Es ist aber bemerkenswert, dass die Gesamtzahl der gefundenen Webgewichte gegenüber denen in hallstattzeitlichen Siedlungen nun deutlich geringer ist. Möglicherweise wurde in der Latènezeit ein anderer (neuer) Webstuhltyp eingeführt155. Ist dies der Zweibaumwebstuhl, wie er auch auf der hallstattzeitlichen Urne von Rabensburg abgebildet wird (Abb. 69). Es wurden verschiedene Webgewichtsformen vorgestellt, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet haben. Ergibt sich ein 116 153 Dobiat 1990. Handwerkstechnisches Statement dazu von Walter Slonek. 154 Stegmann-Rajtár 1998, 278–282. 155 vgl. bei Stöllner 2005, 173. Unterschied für das fertige Gewebe daraus, welche Form des Gewichtes verwendet wird? Spätneolithische bis mittelbronzezeitliche Gewichte sind sehr groß, schwer und rundlich. Ab der Urnenfelderkultur und in der Hallstattkultur werden die Webgewichte schmäler und scheiben- bis pyramidenförmig. Es gibt nun verschiedene Gewichtsklassen156, so inden sich Webgewichte mit ähnlichem Gewicht wie im Neolithikum, aber auch bedeutend leichtere. Abb. 53: Smolenice Molpír, Slowakei: Pyramidenförmige Webgewichte, eines mit menschengestaltiger Verzierung, Hallstattzeit. Nach experimentalarchäologischen Versuchen157 benötigt man zum Spannen der Kettfäden am Webstuhl ein bestimmtes Gewicht pro Faden (ca. 30-40 g), um ein optimales, gut ausbalanciertes Gewebe anfertigen zu können. Nun ist es aber so, dass durch die schmälere Form etwa ein 800 g schweres, scheiben- oder pyramidenförmiges Gewicht der Eisenzeit weniger Platz benötigt als ein gleichschweres Gewicht aus dem Neolithikum. So ist beim Weben mit eisenzeitlichen Gewichten eine höhere Fadendichte in der Kette möglich (Abb. 54). Diese theoretischen Überlegungen decken sich voll und ganz mit den Textilfunden: Hallstattzeitliche Stoffe haben im Schnitt viel höhere Gewebedichten als neolithische bis mittelbronzezeitliche. Als Beispiel dient hier eine Aufstellung zu den Gewebequalitäten aus dem Salzbergwerk Hallstatt, aus dem wir hunderte prähistorische Textilien überliefert haben (Abb. 55). Die Stoffe aus der sogenannten Nordgruppe und dem Christian-Tuschwerk 156 Beispielsweise Webgewichte unterschiedlichen Gewichts auf dem großen Webstuhl von Kleinklein. Dobiat 1990. 157 Freundlicher Hinweis Eva Andersson-Strand, Centre for Textile Research Copenhagen. 117 Abb. 54: Fadenabstände im Gewebe und Form der Webgewichte, Unterschiede zwischen Spätneolithikum und Eisenzeit. (ca. 1.500 bis 1.200 v. Chr.). sind jenen der hallstattzeitlichen Ostgruppe (ca. 900 bis 300 v. Chr.) gegenübergestellt158. In der Bronzezeit herrschen unter den Wollgeweben jene gröberen Qualitäten mit einer Gewebedichte unter 5 Fäden pro cm vor. In der Hallstattzeit hingegen gibt es feinere Stoffe mit 11 bis 15 Fäden pro cm. Jene mit feinen Fäden gewobenen Textilien in Panamabindung können sogar Fadendichten bis 40 Fäden pro cm erreichen und das bei Fadenstärken um 0,1 bis 0,2 mm. Das ist, gemessen an der Einfachheit der verwendeten Gerätschaften, 158 118 Grömer 2007, 194 f., Abb. 76. eine bemerkenswerte Leistung der hallstattzeitlichen Handwerker und Handwerkerinnen. Von besonderem Interesse sind Funde von Webgewichten dann, wenn sie noch so liegen, wie sie am Webstuhl während der Arbeit in prähistorischer Zeit angeordnet waren. In den Jahrtausenden zwischen der Einbettung im Boden und der Ausgrabung vergehen die hölzernen Rahmengestelle und das Webgut vollständig. Was aber bleibt, sind die Reihen von Webgewichten in den Häusern und teilweise noch die Standspuren der Pfosten des Rahmengestells. Diese eher seltenen Funde bieten uns dann als Überbleibsel des Webstuhls unschätzbare Informationen über diese Geräte. So kann man an den Webgewichtsreihen bei guter Erhaltung auf die ungefähre Breite des darauf gefertigten Gewebes schließen. Die Analyse von in-situ Befunden eisenzeitlicher Webstühle (Webgewichtsreihen) aus Österreich und der Slowakei159 ergab ein interessantes Bild. Für die Hallstattzeit, aus der bisher die meisten Webstuhlbefunde bekannt sind, gibt es anscheinend drei Standard-Webstuhlgrößen: Einerseits sind Webstühle mit nur 60 bis 90 cm Breite bekannt wie etwa aus Stillfried160. Diese wurden offensichtlich zur Herstellung eines schmäleren Gewebes verwendet. Die deutlich häuiger belegten Webstühle mit 120 bis 160 cm Breite wie aus Michelstetten in Niederösterreich161 oder Webstuhl 2 des Hauses 1­02 von Nové Košariská, Slowakei162 (Abb. 56), waren möglicherweise die „Standardbreite“. Gewebe dieser Breite können noch sehr gut von einer Person hergestellt werden. Daneben gibt es, wiederum seltener, Webstühle mit über 3 m Breite. Bis vor kurzem war als großer Webstuhl nur jener aus Kleinklein in Österreich mit 148 pyramidenförmigen Webgewichten und einer Breite von 3,70 m bekannt. Dieser exzeptionelle Befund in einer Höhensiedlung wurde mit einer speziellen Produktion in Zusammenhang mit der ansässigen Adelsschicht 159 vgl. Belanová-Štolcová und Grömer 2010. 160 Eibner 1974. 161 Lauermann 2000, 19–20, Abb. 18–19. 162 ambal und Gregor 2005, 37. – Siehe auch Belanová-Štolcová und Grömer 2010. 119 Abb. 55: Beispiele für unterschiedliche Gewebedichten bei Wollgeweben aus dem Salzbergwerk Hallstatt in Oberösterreich, Bronze- und Eisenzeit. Ausschnitte der Originaltextilien je 1 cm. 120 gesehen, die in der nahen Nekropole bestattet wurde. In letzter Zeit mehren sich jedoch Hinweise, dass übergroße Webstühle zur Fertigung repräsentativer Gewebe nicht rein an (befestigte) Höhensiedlungen gekoppelt sind, da solche auch in den eisenzeitlichen Flachlandsiedlungen Hafnerbach (Abb. 127)163 und Freundorf164, beide Niederösterreich, ausgegraben worden sind. Der Webstuhl von Hafnerbach hat sogar 4 m Breite. Nach Ingrid Schierer165 indet sich bei vielen Ausgrabungsbefunden neben den Webgewichtslagen ein Tongefäß. Diente dies als Behältnis für die Garne oder war es etwa mit Wasser gefüllt, zum Befeuchten des Garnes? Wird der Schussfaden bei Wolle oder Leinen im feuchten Zustand verwoben, so wird er weicher und nachgiebiger und kann leichter zu einem dichten Gewebe zusammengedrückt werden. Weitere Zusatzgeräte, die beim Weben auf dem Gewichtswebstuhl (aber auch bei anderen Webgeräten) vonnöten sind, sind Werkzeuge, mit denen das Webfach angeschlagen werden kann: Webschwerter und Webkämme. Jedem handwerklich Tätigen ist klar, dass sich die Verwendung von bestimmten Geräten wie auch ihre Handhabung auf das Endprodukt auswirkt. Wird etwa das Webfach rein mit der Hand angeschlagen, so kann nicht viel Druck ausgeübt werden, woraus eine geringere Schussdichte resultiert. Das so entstehende Gewebe ist eher weich und geschmeidig. Wenn hingegen der Schuss mit einem schweren, langen Webschwert hart angeschlagen wird, so ergibt sich ein viel dichteres Webbild. Beim Anschlagen mit einem Webkamm, der nur eine kleine Aulageläche hat, könnte sich im Webbild eine leicht unregelmäßige bis gewellte Schusslinienführung ergeben. Solche Gewebe wurden etwa unter den bronze- und eisenzeitlichen Textilien aus Hallstatt entdeckt166. 163 Preinfalk 2003, Abb. 12. 164 Blesl und Kalser 2005, 88 165 Schierer 1987, 81 f. 166 Etwa Hallstatt-Textil 104 aus dem Kilbwerk oder Hallstatt-Textil 247 und 248 aus dem Grünerwerk. Grömer 2007, 109 f., 200. 121 Abb. 56: Ausgegrabene Ecke des Hauses 1/02 in einer hallstattzeitlichen Siedlung mit zwei Webstühlen (kurz und lang) von Nové Košariská, Slowakei. 122 Hölzerne Webschwerter konnten in den neolithischen und auch bronzezeitlichen Feuchtbodensiedlungen identiiziert werden167. So gibt es etwa einen bereits altbekannten Fund eines 68 cm langen Webschwertes aus dem schweizerischen WetzikonRobenhausen. Kleinere Exemplare mit 13-16 cm Länge sind aus Fiavè im Trentino, Norditalien (15. Jahrhundert v. Chr., Stufe Mittelbronzezeit II) überliefert, ebenso wie Webkämme. Aus Hallstatt-Dammwiese, aus der Spätlatènezeit, kennt man Holzobjekte, die ebenfalls Webschwerter sein könnten168 (Abb. 57). Weitere Webschwerter, darunter auch beinerne, konnten in Österreich etwa unter den Kleinfunden vom Magdalensberg in Kärnten (ca. Mitte 1. Jahrhundert v. Chr. bis Mitte 1. Jahrhundert n. Chr.) 169 identiiziert werden. Anfertigen der Gewebeanfangskante Wie beginnt man nun eine Weberei am Gewichtswebstuhl? Zunächst muss man die Kette Schären, also die Kettfäden vorbereiten, sodass sie am Warenbaum des Webstuhls befestigt werden können. Will man nicht hunderte Fäden einzeln und unregelmäßig an den Webstuhl hängen, so bedient man sich einer wiederum gewebten Anfangskante, wie dies bereits in der Steinzeit zur Perfektion gebracht wurde. Die Anfangskanten waren zwar eine Mehrarbeit, sie erfüllten jedoch einen einleuchtenden technischen Zweck: mit ihnen wurde das Kettfadenmaterial sortiert und gleichmäßige Abstände zwischen den Fäden wurden gewahrt. Zudem verstärkte und schmückte die Anfangskante den Geweberand, an dem das Webstück während des Webens am Warenbaum des Webstuhls befestigt wurde. Anfangskanten haben bereits jungsteinzeitliche Gewebe. Das Stoffstück aus Gachnang­Niederwil-Egelsee170 (Abb. 58) wurde in Leinwandbindung aus feinen Flachszwirnen mit einer Fadenstärke von nur 0,3-0,5 mm gefertigt. Der Stoff hat Abb. 57: „Webschwerter“ aus HallstattDammwiese in Oberösterreich, Spätlatènezeit. 167 Bazzanella et al. 2003, Katalog. Fiavè S. 141, Wetzikon-Robenhausen S. 228 f. 168 Freundlicher Hinweis von Hans Reschreiter, Naturhistorisches Museum Wien. Möglicherweise handelt es sich bei diesen Stücken aber auch um hölzerne Architekturteile. 169 Gosten nik 2000, 18–19, Abb. 1/13. – Gosten nik 2005, 236-245. 170 Hasenfratz und Raemaekers 2006, 67, Abb. 80. 123 eine Gewebedichte von 8-9 Fäden pro cm. Er weist sowohl eine Gewebeanfangskante in Rips wie auch derartige Seitenkanten auf, eine der Kanten ist ca. 1 m lang erhalten. Das Textil stammt aus der jüngeren Pfyner Kultur (um 3650 v. Chr.). Es war zum Fundzeitpunkt eingerollt. Gewebeanfangskanten (Abb. 59) in Rips mit Breiten von 1 bis 1,5 cm inden sich häuig unter den bronze- und eisenzeitlichen Textilien aus dem Salzbergwerk Hallstatt. Bei der Untersuchung der Anfangskanten zeigt sich die Kreativität der Handwerker (Abb. 60): allein in Hallstatt gibt es verschiedene Varianten in Rips, die sich durch unterschiedliche Fadenführung auszeichnen. Ab der Eisenzeit sind vermehrt Anfangskanten in Brettchenweberei üblich, wie in einem späthallstattzeitlichen Grab aus Bescheid in Rheinland-Pfalz, Deutschland171, belegt. Vor allem die sogenannten „Prachtmäntel“ der römischen Kaiserzeit zeichnen sich teils durch sehr breite Brettchenborten aus172. Das Schären der Kette und das Herstellen einer Anfangskante sind uns auch durch bildliche Darstellungen bekannt, es wird auf dem berühmten Klapperblech von Bologna gezeigt. Hier arbeiten nach Elizabeth Wayland Barber173 zwei Frauen zusammen, eine betätigt das Webgitter(?) für die Anfangskante, die andere führt die Fäden (Abb. 124). Ein besonders eindrucksvoller Fund für diesen webtechnischen Arbeitsschritt ist die mittels brettchengewobener Anfangskante vorbereitete und in diesem Stadium in einem Moor deponierte Webkette von Tegle174 in Norwegen aus dem 3. bis 5. Jahrhundert n. Chr. Abb. 58: Leinwandbindiges Bandgewebe aus Gachnang/NiederwilEgelsee mit Anfangskante und Rips-Seitenkanten, Spätneolithikum, um 3.650 v. Chr. 124 Nun zur praktischen Ausführung einer Anfangskante in einfacher Ripsbindung, demonstriert von den Experimentalarchäologinnen Bianca Mattl, Helga Rösel-Mautendorfer und Silvia Schwärzler beim Keltenfest 2005 im Freilichtmuseum Schwarzenbach in Niederösterreich (Abb. 59): Zunächst wird die 171 Banck-Burgess 1999, 66. 172 vgl. etwa Schlabow 1976: Mantel von Hunteburg (Abb. 64–74), Damendorf (Abb. 80–81), Thorsberg (Abb. 109), Vehnemoor (Abb. 126). Teilweise auch mit brettchengewobenen Seitenkanten. 173 Barber 1991, 116, Abb. 3.32. 174 Schlabow 1937, Abb. 43. Kette des Ripsbandes vorbereitet, wobei diese etwas länger als die beabsichtigte Breite des Gewebes am Gewichtswebstuhl sein muss. Diese Kettfäden werden an einem Bandwebgerät, etwa einem Webgitter, aufgespannt. Als Schärbock kann ein Holzgestell verwendet werden, alternativ dienen einfach in den Boden gerammte Holzstäbe als Schärplöcke. Man beginnt nun mit dem Bandwebgerät ein Band zu weben. Dabei dienen als Schussfäden des Ripsbandes die zukünftigen Kettfäden der Gewebes: Die Fäden werden durch das Fach geführt und dann jeweils um die Schärplöcke, um die gewünschte Länge zu erhalten. Das Ripsband wird nach seiner Fertigstellung am Warenbaum des Gewichtswebstuhles angebracht. Die herabhängenden Fäden – im Abb. 59: Anfertigen einer Gewebeanfangskante und Anbringen des Gewebes am Webstuhl. Entstanden 2005 im Freilichtmuseum Schwarzenbach, Niederösterreich. 125 Abb. 60: Schema verschiedener Anfangs- und Seitenkanten aus den eisenzeitlichen Bergwerken von Hallstatt, Oberösterreich. 126 Idealfall während des Bandwebens nach vorderer und hinterer Lage gebündelt, werden vor und hinter dem Trennstab mit den Gewichten beschwert. Die hintere Fadenlage wird am Litzenstab angekettelt – dann kann am Gewichtswebstuhl in einfacher Leinwandbindung gewoben werden. Seitenkanten Die einfachste und grundlegendste Variante einer Seitenkante (Webkante) entsteht, wenn beim Weben nach dem Durchführen des Schussfadens dieser einfach wieder nach abermaliger Fachbildung in das nächste Fach eingelegt wird – also eine schlichte Rückkehr des Schusses in das Gewebe nach Umschlingen des letzten Kettfadens. Ein ebenmäßiges Gewebe am Gewichtswebstuhl zu schaffen, ist allerdings eine Kunst! Im besonderen Maße gilt dies für die Seitenkanten. Selbst bei großer Sorgfalt tendieren die Seitenkanten sehr zur Unregelmäßigkeit und werden dadurch locker. Bereits früh ist am Fundgut das Bestreben zu erkennen, eine möglichst feste Seitenkante herzustellen, was dann auch dem Gebrauch des Webstückes zuträglich ist. Ripsartige Kanten, durch eine dichtere Kettfadenstellung in diesem Bereich, eventuell sogar mit paarigen Fäden, sind die frühesten Lösungen für das Problem und sind seit dem Neolithikum (beispielsweise aus Gachnang) bekannt. Wiederum zeigen die Textilien aus dem Salzbergwerk Hallstatt zahlreiche Beispiele verschiedener Gewebekanten (Abb. 60). Möglich sind auch komplexe Seitenkanten in Rips bei köperbindigen Geweben. Zu den als Anfangskanten beschriebenen Exemplaren, bei denen vom Ripsband Doppelfäden ohne Fadenkreuzung ins Hauptgewebe übergehen, ließe sich kritisch anmerken, dass diese auch komplexe Seitenkanten sein könnten. Zum Repertoire der Seitenkanten gesellt sich ab der Hallstattzeit auch die Schlauchkante (Abb. 60­Textil 31), wie an einem 127 köperbindigen Exemplar aus dem Salzbergwerk Hallstatt175 nachgewiesen ist. Bei dieser wird der Schussfaden durch das Hauptgewebe geführt und an der Seite durch ein zusätzliches Kantenband in Brettchenwebtechnik durch acht Kettfäden der Kante wieder zurück in das Gewebe geführt. Die dabei entstehende hohle Webkante verstärkt den Geweberand. Diese Technik ist ab der späten Nordischen Bronzezeit (Montelius V, 900 bis 740 v. Chr.) belegt176. Auch lache Brettchenborten können als Seitenkanten dienen, wiederum bekannt durch die bereits oft zitierten nordischen Prachtmäntel. Die besondere Webtechnik, bei der die Brettchenwebgeräte seitlich neben den Litzenstäben für das Hauptgewebe am Gewichtswebstuhl hängen, wurde von Karl Schlabow hinlänglich bekannt gemacht177. Andererseits ist es ebenso möglich, nach Fertigstellung eines Gewebes Brettchenborten daran anzuweben.178 Soweit wir den Fundbestand in Mitteleuropa überblicken, wurden Brettchenwebkanten teilweise mitgewoben, andere separat gefertigt und an die entsprechenden Gewebe angenäht.179 Gewebeabschlüsse Ist schließlich das Gewebe so weit fertig, sodass es vom Webgerät abgenommen werden kann, empiehlt es sich, die Kettfadenenden zu versäubern, damit sich das Textil an dieser Stelle nicht aulöst. Dies ist umso wichtiger, wenn das Webstück ohne weitere Zurichtung verwendet wird. Der prähistorische Mensch lieferte auch viele Ideen dazu, das untere Ende eines Gewebes gefällig zu gestalten: am Naheliegendsten erscheinen Fransen – gelochten oder geknüpft. Schon stein- und bronzezeitliche Gewebeabschlüsse sind sorgfältig mit Fransen versehen, wie der Blick auf die berühmten Schweizer und norditalienischen 128 175 Hundt 1960, Taf. 20–21, Abb. 3–5. 176 Broholm und Hald 1940, 249, 314, Abb. 37/2. 177 Schlabow 1952. 178 Raeder Knudsen 1998. 179 z. B. mitgewobene Borte aus Hochdorf: Banck-Burgess 1999, 104. – Angenähte Borten aus Hallstatt: Grömer 2005a und 2007. Funde180 aus Zürich-Mozartstrasse, Wetzikon-Robenhausen und Ledro zeigt. Der kreative Umgang mit dem Material lässt viele Gestaltungsmöglichkeiten zu: Bei den Geweben von Robenhausen wurden die Fransen etwa mit Schlaufen umfasst oder durch Verzwirnen der Kettfäden oder durch Flechten gestaltet. Fransen sind auch in der Eisenzeit181 ein gestalterisches Element, wir kennen damit beispielsweise Funde vom Dürrnberg (Abb. 61). Vor allem die Prachtmäntel der nordischen Eisenzeit sind gerne mit Fransen geschmückt, zu den Paradebeispielen zählen die Mäntel von Thorsberg. Keidungsteile mit Fransen tauchen auch in bildlichen Darstellungen auf. Beispielsweise indet sich dies auf der Situla Arnoaldi in Bologna, wo die mit Speer und Schild bewaffneten Krieger des zweiten Frieses Oberteile mit Fransen tragen oder auf dem Gürtelblech von Vače182. Eine andere Möglichkeit der Gestaltung des Gewebeabschlusses ist es, eine Flechtkante anzubringen. Aus Mitteleuropa ist uns die Technik der Flechtkante aus dem bronzezeitlichen Hallstatt183 geläuig. An einem gröberen Gewebe mit Fadenstärken Abb. 61: Dürrnberg bei Hallein, Österreich: leinwandbindiges Gewebe mit gezwirnten Fransen, Latènezeit. 180 Zürich: Rast-Eicher 1997, 319. – Robenhausen: Vogt 1937, z. B. Abb. 87–89, 90–91, 100. – Ledro: Bazzanella 2003, S. 162. 181 Dürrnberg/Ferro-Schachtricht, Nr. 1357. Stöllner 2002, Taf. 309/1357, Katalog der Textilfunde von K. v. Kurzynski S. 21. – Thorsberg: Schlabow 1976, Abb. 123. 182 Lucke und Frey 1962, besonders gut zu sehen auf den Fotos. Bologna: Taf. 14. 183 Grömer 2007, 96 f. und 225. Hallstatt-Textil 230. 129 von 1,5-2,5 mm indet sich eine Flechtkante erzeugt, indem die Fäden paarig genommen und paarweise miteinander zu einem Diagonalgelecht gelochten wurden (Abb. 62). Da die Fäden einander beim Übergang von Grundgewebe zur Flechterei überkreuzen, könnte es sich auch um eine Flechterei als Gewebeanfangskante handeln. Flechtkanten sind besonders in der Nordischen Bronzezeit bekannt. Sie werden als Endkante oft bei Geweben angewandt, die auf dem Rundwebstuhl gefertigt wurden. Den geschickten prähistorischen Handwerkern gelang es auch, die Kettfadenenden durch Band- und Brettchenwebereien zu versäubern – wiederum seien die spätneolithischen Funde aus der Schweiz, etwa Zürich oder Wetzikon-Robenhausen184 für Bandwebtechniken genannt sowie die nordischen „Prachtmäntel“ für Brettchenwebtechniken. Das Versäubern der Kettfadenenden mit Brettchenwebereien gelang sogar bei rundlich zugeschnittenen Webkanten. Die Rekonstruktion des Mantels von Verucchio185 in Italien aus dem 7.­8. Jahrhundert v. Chr. durch Anna Norgård hat dies eindrucksvoll bewiesen. Dabei werden bei einem halbrund zugeschnittenen Stoffstück die Enden der Schnittkante gezielt ausgefranst und so die freigelegten Gewebefäden als Schussfäden für das Brettchengewebe verwendet. Die Brettchenborte wird dabei in rundlicher Form um die Kanten des Mantels gewoben. Hier haben wir handwerkstechnisches Können höchster Güte vor uns. Einschäftiger Gewichtswebstuhl für Leinwandbindung und Varianten Die grundlegende Arbeit beim Weben am Gewichtswebstuhl wurde bereits erörtert – der menschliche Erindungsgeist hat dabei aber noch weitere Rafinessen entwickelt, nämlich den einund mehrschäftigen Webstuhl. Im Neolithikum und der Bronzezeit wurde meist auf einem Webstuhl mit einem Litzenstab und einem Trennstab gewoben. In einfacher Aufspannung, wobei 130 184 Rast-Eicher 1997, Abb. 312. 185 siehe auch in: von Eles 2002. Schemazeichnungen Abb. 94 und 104. jeder 2. Faden am Litzenstab befestigt wird, entsteht durch Heben und Senken des Stabes, Anschlagen des Webfaches und Durchführen des Schussfadens in rhythmischer Abfolge die Leinwandbindung. Bei dieser ist bei entsprechender Aufspannung die Dichte der Kettfäden und der Schussfäden relativ ausgewogen. Leinwandbindung ist die einfachste, aber zugleich auch die engste Verkreuzung. Wird in einem Fadensystem die Fadenstellung sehr viel dichter, so entsteht ripsartige Leinwandbindung bis hin zum Rips. Bei Letzterem ist ein Fadensystem mindestens doppelt so dicht wie das andere, nicht mehr sichtbare System. Abb. 62: Hallstatt, Oberösterreich Bronzezeitliches Gewebe mit Flechtkante. Weitere gestalterische Möglichkeiten bieten sich bei dieser simplen Aufspannung am einschäftigen Webstuhl dadurch, dass die Fadenzahl verdoppelt wird. Wenn also Doppelfäden in Kette oder Schuss geführt werden und einfache Fäden im anderen System, ergibt dies die sogenannte Halbpanama-Bindung 2:1. Bei Doppelfäden in Kette und Schuss erhält man Panama 2:2. Der Webvorgang selbst bleibt gleich wie der für Leinwandbindung. Die frühesten leinwandbindigen Gewebe sind der Forschung186 aus dem Nordirak, aus Jarmo, und Anatolien, Çatal Hüyük, bekannt und datieren zwischen 7.000 und 6.000 v. Chr. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die kulturelle Errungenschaft der Weberei ihren Ursprung im Fruchtbaren Halbmond hat. Von dort aus verbreitete sich diese Kunst nach Süden und Norden und erreichte im Zuge der Neolithischen Revolution auch Mitteleuropa. 186 vgl. Barber 1991, 126 ff. 131 Abb. 63: Textilien aus Hallstatt in Oberösterreich, ältere Eisenzeit: Beispiele für Leinwandbindung (1-2) und ihren Abwandlungen Rips (34), Panama 2:1 (5) und Panama 2:2 (6). Verschiedene Maßstäbe. 187 132 Textilien in Leinwandbindung187 sind in Mitteleuropa vom Beginn des Neolithikums an bekannt. Verstreut über das große Gebiet der ersten zentraleuropäischen Bauernkultur, der Linearbandkeramik, aus der Zeit um 5.000 v. Chr., inden sich immer wieder kleinlächige Reste leinwandbindiger Stoffe in Form von Abdrücken auf Lehmstücken oder Tonscherben. Beispiele dafür sind Funde aus Luleč in Mähren oder Hessenrode in Deutschland. Wir wissen nur nicht, ob die Gewebe auf den Abdrücken schon auf einem Gewichtswebstuhl gefertigt wurden oder das Produkt eines Bandwebgerätes sind. Vor allem das Spätneolithikum hat uns viele Beispiele zu leinwandbindigen Geweben aus den zirkumalpinen Pfahlbausiedlungen beschert. Es handelt sich ebenfalls meist um kleinere Reste, etwa ein dichtes Flachsgewebe aus Zürich-Mozartstrasse (Cortaillod-Kultur, ca. 3.900 v. Chr.). Vom Neolithikum bis in die Mittelbronzezeit kennen Zitate zu den einzelnen Fundorten: Hessenrode: Lüning 2005, 52. Er gibt als Faserplanze Lein an. – Lule : Kostelnikova 1985, Abb. 1. – Zürich: Rast-Eicher 1997, 322. – Franzhausen und Hallstatt: Grömer 2007. – Dürrnberg: von Kurzynski 1996, 34. – Stöllner 2005, Abb. 6. wir fast ausschließlich Leinwandbindung, seltener ripsartige Varianten wie ein Flachstextil aus Franzhausen in Niederösterreich (Abb. 84). In der Hallstattzeit tritt dann die Leinwandbindung gegenüber komplexeren Köperbindungen zurück. In der späten Eisenzeit wird Leinwandbindung aber wieder allgemein beliebt, vor allem in der Mittel- und Spätlatènezeit. Eine gute Zusammenstellung dazu bietet auch die Bearbeitung der schweizerischen Textilfunde von Antoinette Rast-Eicher (2008). Beim großteils frühlatènezeitlichen Textilmaterial vom Dürrnberg bei Hallein in Österreich zeichnet sich diese allgemeine Entwicklung zurück zur Leinwandbindung schon früher ab, so sind hier mehr als zwei Drittel der Gewebe Leinwandbindung. Den frühesten Nachweis für Panamabindung kennen wir aus Vösendorf188, Österreich, von einem korrodierten Geweberest aus einem spätbronzezeitlichen Urnengrab. Weitere Gewebe in Panamabindung wurden im frühhallstattzeitlichen Gräberfeld Uttendorf im Pinzgau und in Hallstatt entdeckt. Mehrschäftiger Gewichtswebstuhl für Köpervarianten Köper als Struktur für Gelechte kennen wir schon von jungsteinzeitlichen Funden. So zeigt ein Abdruck auf dem Boden eines Gefäßes der späten Lengyelkultur (Mitte des 5. Jahrtausends) aus der Siedlung Michelstetten in Niederösterreich189 eine komplex gelochtene Matte aus Binsen oder Gräsern (Abb. 64). Als Flechtstruktur wurde eine 2:2 und 2:4 Köperstruktur mit diagonalen Graten verwendet. Eine derartige Struktur kann man, lechtend mit den Händen, relativ einfach variieren. Wie gelingt es jedoch, dies dann auch auf einem Webstuhl – sozusagen mechanisiert – herzustellen? Hierzu bedarf es eines ausgefeilten Hebe- und Senkmechanismus für die Kettfäden, der beim Gewichtswebstuhl mit mehreren Schäften (bzw. Litzenstäben) bewältigt wird. 188 Vösendorf: Grömer 2007 und Talaa 1991. – Uttendorf im Pinzgau: von Kurzynski 1996, 26, im Katalog 112, Nr. 84a und c. Auch bei Moosleitner 1992, Abb. 23. 189 Grömer 2006a. 133 Während bei Leinwandbindung jeder zweite Faden auf einen Litzenstab eingezogen wird, müssen bei der einfachsten Köpervariante – dem Köper 2:1 – drei Litzenstäbe verwendet werden, an denen jeweils jeder erste, zweite, respektive dritte Faden befestigt wird. Durch Heben und Senken der verschiedenen Stäbe in bestimmter Abfolge wird das Webfach gebildet, durch das der Schussfaden durchgeführt werden kann, um das Gewebe abzubinden. Für die anderen Köperarten werden meist vier Litzenstäbe verwendet. Nach ethnographischen Belegen beispielsweise aus Island ist für einen vierschäftig zu webenden Köper auch eine Möglichkeit bekannt, diese mittels dreier Litzenstäbe und einem Trennstab herzustellen190. Abb. 64: Abdruck eines Mattengelechtes auf dem Boden eines Tongefäßes aus Michelstetten in Niederösterreich, Mitte 5. Jahrtausend v. Chr. 190 134 Je komplexer die Bindungsart – hier am Gewichtswebstuhl mit vier Litzenstäben demonstriert (Abb. 65) – etwa bei Fischgrätköper oder Rautenköper (Spitzkaroköper), desto komplizierter die Hebe- und Senkabfolge sowie die Zuordnung der einzelnen Fäden zu einzelnen Litzenstäben. So werden beim Köper 2:2 die Kettfäden in gleichmäßiger Abfolge auf die Litzenstäbe eingezogen, beim (Längs-) Fischgrätköper oder waagrechten Spitzgratköper hingegen wechselt die Einzugsreihenfolge, sodass die Gratrichtung in Versetzungen bzw. symmetrischen Spitzen vgl. dazu Broholm und Hald 1940, 305. – Hoffmann 1964, Fig. 91. – Stærmose Nielsen 1999. vom Z- zum S-Grat umbricht und umgekehrt. Spitzköper kann jedoch auch mit demselben Einzug wie einfache Köperbindung gewoben werden (senkrechter Spitzgratköper), dann allerdings werden die Schäfte in einer vom Gleichgratköper abweichenden Weise gehoben. Es können nach einer bestimmten Anzahl von Schussfäden die schrägen Linien des Gleichgratköpers wieder zurück gewoben werden, womit der Spitzköper entsteht. Abb. 65: Graische Rekonstruktion eines mehrschäftigen Gewichtswebstuhles. Für komplexere Bindungen muss man also den Webstuhl mit mehreren Schäften (Litzenstäben) ausbauen, was eine der größten webtechnischen Veränderungen vor der Einführung des Trittwebstuhles bedeutete – und Letztere geschah erst im Mittelalter. Es veränderte sich durch die komplexeren Bindungsarten des Köpers aber nicht nur der Webstuhl selbst, sondern auch seine Bedienung, sowohl bei den Vorbereitungsarbeiten als auch beim Weben. Bei der Beurteilung dieser Webstuhlentwicklung kann uns wiederum die Experimentelle Archäologie behillich sein. Interessanterweise kann auch bei archäologischen Webstuhlbefunden (ausgezeichnete Bedingungen vorausgesetzt) indirekt auf das Weben von Köpergeweben geschlossen werden. Ausgehend vom urnenfelderzeitlichen Webstuhlbefund (Stufe HaB) von 135 Abb. 66: Webstuhlbefund in der spätbronzezeitlichen Siedlung Gars-Thunau, Niederösterreich. Reihen von Webgewichten. Bereich der Hütte von Planum 5 hervorgehoben. 136 Gars-Thunau in Niederösterreich191 (Abb. 66) mit einer charakteristischen Lage der Webgewichte in drei Reihen, parallel zur Wand eines Hauses stehend, machte Ingrid Schierer gezielte Experimente. Sie spannte in unermüdlichem Forschergeist immer wieder einen Webstuhl auf und gestaltete verschiedene Bindungen (Leinwand und Köper) in unterschiedlichen Fachbildungen. Sodann simulierte sie eine Zerstörung des Webstuhles, indem sie die Fäden abschnitt, abbrannte, den Webstuhl umstieß etc. All dies – so die Überlegung dahinter – sind Gegebenheiten, die auch mit den prähistorischen Webstühlen geschehen sein könnten, bevor sie von der Erde überdeckt wurden, die organischen Teile verrottet und Webgewichtsreihen nach Jahrtausenden von den Archäologen wieder ausgegraben wurden. Die Lage der Webgewichte wurde bei den Experimenten mit Akribie aufgezeichnet und ausgewertet. Vor allem die auf dem Webstuhl angefertigte Bindung und die gerade benötigte Fachbildung wirkt sich auf das Lagebild der Webgewichte aus. So ergeben sich etwa bei Leinwandbindung im natürlichen Fach zwei deutliche Reihen von Gewichten, während hingegen beim künstlichen Fach die Gewichte wesentlich enger zusammenliegen. Bei Köperbindung sind mehrere Reihen von Gewichten bzw. eine breite haufenförmige Anordnung sichtbar. Die speziische Fundlage der Webgewichtsreihen von Gars-Thunau deutet demnach darauf hin, dass an eben jenem Webstuhl vor seiner Zerstörung mit hoher Wahrscheinlichkeit Köperbindung gewoben wurde. Dies kann durchaus mit dem Vorkommen zeitgleicher Köperstoffe korreliert werden. Ebenso zeigen uns die Kollegen von der Experimentellen Archäologie, wie viel Zeit in der Herstellung von Geweben lag. Die Webgruppe des Freilichtmuseums Düppel bei Berlin192 schafft es nach jahrzehntelanger Erfahrung, einen 3x2 m großen köperbindigen Stoff auf dem Gewichtswebstuhl in 529 Arbeitsstunden herzustellen. Die reine Spinnarbeit mit der Handspindel für Kett- und Schussfäden beträgt dabei 332 Stunden. 191 Schierer 1987, 44 ff. zu den detaillierten Versuchsanordnungen. 192 Pfarr 2005. 137 Wirft man nun einen Blick auf die bildlichen Darstellungen von Textilgeräten aus der Urgeschichte, so ist zu bemerken, dass schon bei der frühesten Webstuhldarstellung in der Valcarmonica („Grande Roccio“/Naquane) öfter ein mehrschäftiger Gewichtswebstuhl abgebildet ist193 (Abb. 50). Mit einer vermutlichen Datierung im Zeitraum zwischen 1.650 und 1.400 v. Chr (Mittelbronzezeit) trifft sich diese Abbildung mit den Funden von Köperbindung aus den mittelbronzezeitlichen Bereichen des Salzbergwerkes Hallstatt um 1.500 bis 1.200 v. Chr. Zwei Litzenstäbe sind auch beim Gewichtswebstuhl auf dem HaC2zeitlichen Kegelhalsgefäß von Sopron erkennbar (Abb. 124). Die bereits genannten schrägen Schraffuren beim gewobenen Teil könnten hier die Struktur des Gewebes wiedergeben – etwa einen Gleichgratköper. Welche archäologischen Nachweise von Originaltextilien können nun all dies belegen? Köperbindung erscheint in Mitteleuropa in der Mittelbronzezeit mit den frühesten Funden aus Hallstatt-Tuschwerk und Grünerwerk (beide datieren um 1.500 bis 1.200 v. Chr.)194. Vom bronzezeitlichen Hallstatt kennen wir sowohl zwei Fragmente von 2:1 Köperstoffen aus Flachs wie auch ein komplex gestaltetes Stück eines Spitzköpers in Wolle. Dieses ist höchst bemerkenswert, hat es doch überaus feine Fäden (Fadenstärke: 0,3 mm), die paarig verarbeitet wurden, zudem wurde das Gewebe mit Färberwaid blau gefärbt. Zwar erscheint ein Muster in Köperbindung bereits in der Frühbronzezeit an einem kleinen Teilstück auf einem leinwandbindigen Gurt aus Lago di Ledro (Abb. 43). Dies ist aber lediglich eine Verzierung an einem in Leinwandbindung gestalteten Band – kein Beleg für lächendeckende Köperbindung mit einem mehrschäftigen Webstuhl. Ein weiterer bekannter köperbindiger Überrest ist der Abdruck auf einer Tonscherbe vom Malanser in Liechtenstein aus dem Ende des 14. Jahrhunderts v. Chr195. 138 193 Zimmermann 1988, Abb. 2–5. 194 Grömer 2007. 195 Bazzanella et al. 2003, Lago di Ledro: 161. – Malanser: 273. In der Hallstattzeit ist Köperbindung die beliebteste Gewebestruktur196, wobei komplexere Bindungsvarianten unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade wie Spitzköper, Fischgrätköper oder auch Diamantköper Zeugen der Kreativität hallstattzeitlichen Handwerks sind. Diese Stoffe sind üblicherweise aus Wolle hergestellt. Köper zeichnet sich durch eine attraktive Musterung, aber auch durch eine bessere Wärmewirkung als Leinwandbindung aus, da die Fäden länger über die Oberläche des Stoffes lottieren und so teils mehrere Lagen von Fäden übereinander entstehen. Zudem ist Köperstoff geschmeidig und kann schräg zum Fadenlauf verzogen werden, ist also relativ elastisch. Die Vorzüge dieser Bindung kommen vor allem bei Wolle gut zur Geltung. Abb. 67: Textilien aus Hallstatt in Oberösterreich, ältere Eisenzeit: Beispiele für Köpervarianten: Gleichgratköper (1-3), Spitzgratköper (4-5), Diamantköper (6). Verschiedene Maßstäbe. Aus der Fülle des Materials seien zur Demonstration der ältereisenzeitlichen Köpervarianten nur einige wenige Beispiele aus 196 Siehe dazu etwa die zusammenfassenden Arbeiten von Banck-Burgess 1999. – Bender Jørgensen 2005. – Rast-Eicher 2008. 139 dem Salzbergwerk Hallstatt197 herausgegriffen (Abb. 67). Die Köpervarianten aus Hallstatt bezeugen Textilhandwerk auf höchstem Niveau und zeichnen sich meist durch feine Fäden und hohe Gewebedichten aus. Von diesem Fundort sind zwei besondere Zeugen der Kunstfertigkeit hallstattzeitlicher WeberInnen bekannt: man schaffte es auch, während des Webvorganges von Panamabindung in 2:2 Köper überzuwechseln (Abb. 68). Ein größeres rötlichbraunes Textil und ein Bandgewebe zeigen diesen Vorgang. Hierzu ist folgende Fertigungsmöglichkeit denkbar: Die Kette ist in vier verschiedene Litzenstäbe eingezogen (mit den Nummern 1-4 bezeichnet). Will man Panama weben, so hebt man die Stäbe 1 und 2 zusammen, trägt zwei Schussfäden ein und hebt dann Schaft 3 und 4 gemeinsam, um zwei Schussfäden einzutragen. Für den Köperteil (Köper 2:2) müssen die Litzenstäbe schließlich in folgender Reihenfolge gehoben werden: 1+2; 2+3; 3+4; 4+1. Im Laufe der Latènezeit wird Köperbindung immer seltener verwendet. Unter den Textilien aus dem frühlatènezeitlichen Salzbergwerk Dürrnberg198 begegnet uns manchmal Gleichgratköper 2:2, teilweise Köper 2:1. All die kreativen Umsetzungen wie Spitz- oder gar Diamantköper tauchen nicht mehr auf. Auch in der Mittel- und Spätlatènezeit der Schweiz dominiert klar die Leinwandbindung199. Andere Webstuhltypen Wir kennen aus Mitteleuropa eine Abbildung eines Webstuhles, der vom Typus des Gewichtswebstuhles abweicht. Es handelt sich um die Zeichnung auf einem hallstattzeitlichen Kegelhalsgefäß aus Rabensburg in Niederösterreich200 (Abb. 69). Hierbei ist entweder ein Webrahmen oder ein Zweibaum-Gerät mit einer als Schachbrettmuster dargestellten Weberei abgebildet, das gleich den altägyptischen Webgeräten waagrecht aufgespannt 140 197 Grömer 2005a. – Hundt 1960, 1987. 198 Stöllner 2005, Abb. 6. 199 Rast-Eicher 2008, bes. 170 f. 200 Franz 1927. wird. Wir können die Existenz eines derartigen Webgerätes archäologisch nicht beweisen, da es keine Gewichte etc. aufweist, die ja von einem unteren Balken ersetzt sind. Ein Rundwebstuhl (Abb. 70), bei dem die Kette rund geschärt wurde, ist aber durch die dänischen Moorfunde öfter belegt201. Am Textilmaterial ist auf dem Rundwebstuhl gewobener Stoff kenntlich durch die umlaufende Kettfadenführung, wodurch die Kettfäden am Gewebeabschluss jeweils in Schlaufen enden. Besonders eindrucksvoll ist das auf einer entsprechenden Konstruktion rund gewebte Schlauchkleid von Huldremose202 (Abb. 173). Abb. 68: Textil aus Hallstatt, ältere Eisenzeit: mit Übergang von Panama auf Köperbindung. Da wir in Mitteleuropa keine annähernd vollständigen Großgewebe haben, gelang bisher kein Nachweis für ein Rundgewebe. Manche Forscher führen an, dass Flechtkanten charakteristisch für Gewebe vom Rundwebstuhl seien. Würde das dann bedeuten, dass jene bronzezeitlichen Gewebe mit Flechtkante aus Hallstatt am Rundwebstuhl entstanden sind?203 Ein Rahmenwebstuhl (oder Zweibaumwebstuhl) ist jedenfalls in der mediterranen Welt gut bekannt – etwa in Ägypten. Solche 201 Karen-Hanne Stærmose-Nielsen konnte bei einer Untersuchung im Jahre 1979 aus der Nordischen Frühbronzezeit (1400–1100 v. Chr.) aus Dänemark 22 eindeutig am Rundwebstuhl gewobene Stücke feststellen, darunter Mäntel, Oberteile, Blusen, Röcke und Fußbekleidung. Stærmose-Nielsen 1999, 124 f. 202 Hald 1980. 203 vgl. Grömer 2007, 221–224, Abb. 32. 141 Geräte, die stehend oder auch horizontal aufgespannt verwendet werden, inden sich zahlreich in Abbildungen und sogar als liebevoll gestalteten Modelle, die auch ins Grab mitgegeben wurden204. Bei den Römern war nach schriftlicher Überlieferung ebenfalls ein Zweibaumwebstuhl üblich. So erwähnt Seneca im 1. Jahrhundert n. Chr., dass zu seiner Zeit Gewebe nicht mehr auf dem Gewichtswebstuhl hergestellt wurden205. Abb. 69: Kegelhalsgefäß aus Rabensburg in Niederösterreich mit Graphitmalmuster: Personen mit einem Webrahmen. Abb. 70: Schema eines Rundwebstuhles. 142 204 vgl. bei Barber 1991, horizontal ground loom Abb. 3.2–3.6. vertical two beam loom 113 ff., Abb. 3.29, 3.30. 205 Sen., ep. 90,19–20. Färben (Regina Hofmann-de Keijzer) Es scheint ein Grundbedürfnis der Menschen zu sein, den Lebensraum, Gebrauchsgegenstände und Kleidung farbig zu gestalten. Die dazu nötigen Färbemittel fand man in Mineralien, Planzen und Tieren. Wasserunlösliche mineralische Pigmente konnten auf Stein, Holz, Leder und Haut aufgetragen werden und dienten als Malmittel und Schminke zur oberlächlichen Farbgebung. Das Färben von Textilien war dagegen nur mit wasserlöslichen Farbmitteln, so genannten Farbstoffen, möglich. Um dauerhafte Textilfärbungen zu erzeugen, hatten die prähistorischen Menschen zwei Probleme zu lösen. Zunächst galt es, beständige Farbmittel in planzlichen und tierischen Färbematerialien zu inden sowie Färbetechniken zu entwickeln, die ermöglichten, lösliche Farbstoffe unlöslich mit den Fasern zu verbinden und mit unlöslichen organischen Pigmenten zu färben. Organische Farbstoffe konnten einfach aus Färbeplanzen, Färbelechten und Färbe-Insekten (Blutschildläusen) herausgelöst werden, für die Gewinnung der organischen Pigmente Indigotin (aus Indigoplanzen) und Purpurin (aus Meeresschnekken) waren spezielle Fertigkeiten gefragt. Wollte man Färbematerialien für eine spätere Verwendung aufbewahren oder als Handelsware transportieren, musste man sie trocknen. Getrocknete Färbmaterialien werden als Färbedrogen bezeichnet. Menschen der Frühzeit entdecken Farbmittel und Färbeverfahren Farbstoffanalytische Resultate zeigen, dass die ältesten Funde gefärbter Textilien bereits aus einer Zeit stammen, in der die Färberei bereits gut entwickelt war; in Mitteleuropa ist dies die Bronzezeit. Wie kann man sich den Beginn der Färberei vorstellen? Machen wir eine Zeitreise in die Urgeschichte und versuchen nachzuvollziehen, wie die Farbpalette für die Textilfärberei entdeckt worden sein könnte. In ihrer Umgebung nahmen die Menschen zahlreiche Farben wahr, die sie gerne auf ihre Kleidung übertragen wollten. Das 143 Gelb, Blau, Rot und Violett sollte so leuchten wie bestimmte Blumen und Früchte, das Grün wie die Blätter der Bäume. Doch leider konnten weder mit den in Blüten oder Früchten vorkommenden Farbstoffen, den Anthocyanen, noch mit dem Blattgrün, dem Chlorophyll, schöne und dauerhafte Textilfärbungen erzielt werden. Man fand aber heraus, dass Rinden, Kräuter und Gallen206, welche bereits zum Gerben von Leder benutzt wurden, auf Textilien beständige Brauntöne, von Rotbraun bis Gelbbraun, ergaben. Gerbstoffe zählen zu jenen chemischen Verbindungen, die sich ohne weitere Zusätze mit den Textilfasern chemisch verbinden. Damit konnte man die einfachste Färbetechnik, die Direktfärberei, zum Braunfärben anwenden. Zur Direktfärberei eignen sich neben den Gerbstoffen nur wenige Farbstoffe: Orcein aus Orseille (= Produkt aus Färbelechten), Juglon aus den grünen Teilen von Walnussbäumen (Juglans regia L., Juglandaceae) und Crocetin aus den Narbenschenkeln von Safran (Crocus sativus L., Iridaceae). Blaufärben war in Europa erst nach der Entdeckung des FärberWaids (Abb. 71) und der Entwicklung einer speziellen Färbetechnik, der Küpenfärberei, möglich. Dafür musste herausgefunden werden, dass sich aus den grünen Blättern des Färber-Waids ein blaues Farbmittel gewinnen ließ. Das im Waidblau enthaltene wasserunlösliche, organische Pigment (Indigotin) eignete sich zum Bemalen eines Gewebes, aber nicht zum Färben. Als es gelang, das Waidblau in mit Urin versetztem Wasser in eine grünlichgelbe Flüssigkeit (Küpe) zu verwandeln, hatten die Menschen der Urgeschichte eine weitere Färbetechnik, die Küpenfärberei, entdeckt. In diese Küpe konnten Vlies, Garn oder Gewebe eingetaucht werden. Das Staunen war sicherlich groß, als sich das Färbegut nach dem Herausnehmen aus der Küpe von gelb über grün zu blau verfärbte (Abb. 72). Einfach war es vermutlich herauszuinden, dass mit fast allen gelben Blüten und grünen Planzenteilen Textilien gelb gefärbt werden können. Dies ist auf darin vorkommende gelbe Farbstoffe, die Flavonoide, zurückzuführen. Rotfärbungen dagegen waren nur mit wenigen Färbematerialien möglich. Mit den in 206 144 Planzengallen sind Anomalien im Planzenwachstum, die durch Einwirkung tierischer oder planzlicher Parasiten entstehen und oft gerbstoffreich sind. Wurzeln von Rötegewächsen und in weiblichen Blutschildläusen vorkommenden Anthrachinonen hatte man die farbechtesten roten Farbstoffe der Natur entdeckt. Doch diese Gelb- und Rotfärbungen waren zunächst weder kräftig noch dauerhaft. Eine Verbesserung der Färberesultate erzielte man erst mit Zusätzen. Fast alle roten und gelben Farbstoffe sind so genannte Beizenfarbstoffe, die mit Hilfe von metalloder gerbstoffhaltigen Beizmitteln auf den Fasern ixiert werden müssen. Mit diesen Beizenfarbstoffen ließen sich tierische Fasern kräftiger anfärben als planzliche. Durch die Entdeckung der Beizenfärberei konnte die Palette um eine zusätzliche Farbe, das Schwarz, erweitert werden, denn eisenhaltige Mittel ergeben zusammen mit Gerbstoffen Eisen-Gallus-Schwarzfärbungen. Die Zugabe von Beizmitteln kann auch den Farbton beeinlussen. Nur aluminiumhaltige Beizmittel (Bärlappgewächse und Alaun) verändern die Farbe des Farbstoffes nicht. Kupferoder eisenhaltige Beizmittel (Schlamm aus Niedermooren) und Gerbstoffe (Rinden) verursachen ein Abdunkeln der Färbungen. Gelbe Farbstoffe zum Beispiel ergeben mit kupferhaltigen Beizmitteln olivgrüne und mit eisenhaltigen Beizmitteln olivgrüne bis bräunliche Nuancen. Für weitere Farbnuancen war die Kombination von verschiedenen Färbematerialien und Färbetechniken nötig. Ein Grün, wie man es von Blättern und Gräsern kannte, war nur durch eine Kombination von Küpenfärberei mit dem Färber-Waid und Beizenfärberei mit gelben Farbstoffen zu erzielen. Ein dem Saft von Heidelbeeren oder Brombeeren gleichendes Violett erreichte man durch Küpenfärberei mit dem Färber-Waid und Beizenfärberei mit roten Farbstoffen. Abb. 71: Blühender Färber-Waid in der Wachau. Aus den Blättern (der im ersten Jahr gebildeten Blattrosette) wurde seit der Bronzezeit Waidblau für die Textilfärberei gewonnen. 145 Abb. 72: Färbeexperiment zur Küpenfärberei im Labor der Universität für angewandte Kunst Wien: Die Küpe wurde mit Naturindigo und dem Reduktionsmittel Natriumdithionid hergestellt. Wollvlies, Wollgarn und Wollstoff werden in die grünlichgelbe Flüssigkeit gegeben. Nach dem Herausnehmen verfärbt sich das Färbegut von Gelb über Grün zu Blau. 146 Naturwissenschaftliche Untersuchungen von Textilfärbungen Während die Färbungen von historischen Textilien bereits gut erforscht sind, ist dies bei prähistorischen Textilien noch nicht der Fall. In einer Diplomarbeit wurden Textilfunde zusammengefasst, an denen Färbungen oder Farben zu beobachten sind207, doch nur wenige sind bisher farbstoffanalytisch untersucht worden. Ein Problem ist dabei sicherlich die Probengröße. Während für die Faserbestimmung nur wenige Fasern nötig sind, bedarf es für die Farbstoffbestimmung eines Fadens mit einer Länge von ungefähr 0,5 cm. Zudem beschäftigen sich nur wenige Labors mit der Analyse von prähistorischen Textilien. Die Färbungen der bronze- und eisenzeitlichen Gewebe aus Hallstatt werden derzeit im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes208 untersucht, wobei die Farbstoffanalysen am Netherlands Institute for Cultural Heritage in Amsterdam 207 Geimer 2007. 208 Das Projekt „Färbetechniken der prähistorischen Hallstatt-Textilien“ wird 2008–2011 von Regina Hofmann-de Keijzer geleitet und ist eine Kooperation zwischen der Universität für angewandte Kunst Wien (Institut für Kunst und Technologie/ Archäometrie und Institut für Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung/ Textil), der Färbeplanzenexpertin Anna Hartl (Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Ökologischen Landbau), dem Naturhistorischen Museum Wien (Prähistorische Abteilung) und dem Netherlands Institute for Cultural Heritage in Amsterdam. Translational - Research - Program (TRP): Projekt Nummer L 431. Finanziert ist das Forschungsprojekt vom österreichischen FWF-Der Wissenschaftsfonds. durchgeführt werden. Basierend auf den Untersuchungsresultaten werden mit authentischen Materialien und entsprechenden Spinn-, Färbe- und Webtechniken Reproduktionen hergestellt. Ferner soll, inspiriert durch die Hallstatt-Textilien, moderne Textilkunst entstehen. Vor der Farbstoffanalyse werden die Textilproben mit einem Aulichtmikroskop untersucht. Dabei wird beobachtet, ob ein Gewebe oder Faden gleichmäßig oder ungleichmäßig gefärbt ist und ob ein Faden aus gleich- oder verschiedenfarbigen Fasern besteht. Wenn eine ausreichend große Probe vorliegt, ist es sinnvoll, verschiedenfarbige Fasern unter dem Mikroskop zu trennen und diese getrennt farbstoffanalytisch zu untersuchen. Im Rasterelektronenmikroskop werden mit energie-dispersiver Röntgenanalyse (REM-EDX) die in den Textilien vorkommenden Elemente analysiert. Besonders beachtet werden solche, die aus Beizmitteln stammen können (Aluminium, Eisen, Kupfer), und Elemente, die Textilfarben und Textilfärbungen verändern (Eisen, Kupfer). Die beste Methode zur Analyse von Textilfarbstoffen ist heute die Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie mit PhotoDioden-Array-Detektion (HPLC-PDA). Während der Probenvorbereitung wird der Farblack von Beizenfärbungen durch Säurezugabe aufgespalten. Die Farbstoffe werden danach gelöst und dieser Probenextrakt wird im HPLC-PDA-Gerät analysiert (Abb. 73 links). Die HPLC ist eine chromatographische Technik, mit der Farbstoffgemische aufgetrennt werden können. Nachdem der Probenextrakt zusammen mit einem Lösungsmittelgemisch (Laufmittel) in die mit fester Substanz gefüllte HPLC-Säule injiziert worden ist, wandern die Farbstoffe mit dem Laufmittel unterschiedlich rasch durch die Säule und verlassen diese nach einer bestimmten Zeit. Diese so genannte Retentionszeit und die Spektren, welche nach dem Verlassen der Säule mit der PDA-Detektion aufgenommen werden, dienen zur Identiikation der Farbstoffe. Bei fragilen archäologischen Textilien ist die Identiikation von Farbstoffen schwierig, weil das Chromatogramm eine Störung der 147 Basislinie aufweist und die meisten Farbstoffe nur ein geringes Analysesignal geben (Abb. 73 rechts oben). Außerdem gibt es noch keine Referenzdatenbank mit Spektren und Retentionszeiten der in der Urgeschichte verwendeten Farbstoffe und Färbematerialien. Abb. 73: Links: Geräte zur Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie am Netherlands Institute for Cultural Heritage in Amsterdam. Rechts oben: HPLCPDA Chromatogramm einer Probe aus einem Hallstatt-Textil. Indigotin und Indirubin belegen Küpenfärberei mit einer Indigoplanze. Die Basislinie ist nicht gerade sondern weist eine Störung auf, wie sie bei der Analyse von fragilen archäologischen Textilien vorkommt. – Rechts unten: Spektren von Indigotin und Indirubin. 148 Die Resultate der farbstoffanalytischen Untersuchung ermöglichen unterschiedliche Schlussfolgerungen. Dass ein Textil gefärbt wurde, ist gesichert, sobald man in einer Probe einen Farbstoff analysiert, auch wenn dieser nicht identiiziert werden kann. Wenn der Farbstoff einer Farbstoffklasse, zum Beispiel den gelben Flavonoiden oder den roten Anthrachinonen zugeordnet werden kann, wird eine Aussage zur angewandten Färbetechnik und zur Farbechtheit möglich. Es können nur Färbematerialien identiiziert werden, die beim Färben auf Textilien einen charakteristischen chemischen Fingerprint hinterlassen. Dieser Fingerprint besteht aus Hauptund Nebenkomponenten, welche in bestimmten Konzentrationen nachzuweisen sind. Die Identiikation der Färbedrogen in prähistorischen Textilien ist deshalb schwierig, weil über die Fingerprints von in der Bronzeund Eisenzeit benutzten Färbematerialien noch wenig bekannt ist. Da nicht nur lokal wachsende Färbeplanzen in Frage kommen, sondern sowohl Textilien als auch Färbedrogen über weite Strecken gehandelt wurden, kommt eine Vielzahl von Färbemitteln in Betracht. Ferner kann sich der ursprünglich im Textil vorhandene Fingerprint im Laufe der Lagerung verändert haben. Die Abbau- mechanismen von Farbstoffen unter besonderen Lagerungsbedingungen, wie zum Beispiel im Salz, sind bisher nicht erforscht. Sobald ein Färbematerial identiiziert ist und der Fundort des Textils nicht im Verbreitungsgebiet des Färbematerials liegt, kann auf den Import des Färbematerials, des gefärbten Garns oder des Textils geschlossen werden. Archäologische Funde und Nachweise organischer Färbemittel Während die ältesten Funde anorganischer Farbmittel über 20.000 Jahre alt sind, stammen die ältesten Funde organischer Farbmittel aus der Zeit der frühen Hochkulturen. Deren Verwendung ist in Form von Planzenfunden oder durch chemische Nachweise in Färbegeräten und gefärbten Materialien belegt. Im trockenen Wüstenklima Ägyptens, Indiens und Perus, im Salz (Textilfunde aus Hallstatt und Dürrnberg, Österreich) und im Eis (Grabhügel der Skythen)209 blieben gefärbte Textilien erhalten. Aus Moorfunden stammende Textilien sind durch die Einwirkung der Huminsäuren oft einheitlich braun gefärbt. Mit farbstoffanalytischen Methoden können in diesen Geweben aber noch Spuren von Farbstoffen gefunden werden, die Hinweise auf ihre ursprüngliche Farbigkeit geben210. Braunfärbende Materialien Sind aus Rinden, Kräutern oder Gallen stammende Gerbstoffe (Tannine) zum Färben von Textilien benutzt worden, so kann bei den für die Farbstoffanalytik von historischen Textilien entwickelten chromatographischen Techniken nur Ellagsäure detektiert werden. Daher ist die Bestimmung der Gerbstoffplanzenart nicht möglich. 209 Im 5. Kurgan (Grabhügel der Skythen) bei Pazyryk im Altaigebirge wurde der älteste Teppich (ca. 500 v. Chr.) gefunden. 210 Neubearbeitung und Publikation der Moorfunde Dänemarks: Mannering und Gleba (im Druck).– Zu den Farbstoffanalysen der im Internet publizierte Bericht von Ina Vanden Berghe: http: //ctr.hum.ku.dk/upload/application/pdf/f51d6748/DyeReport.pdf (Abruf 9.1.2010). 149 Zu den ältesten Funden von Gerbstoffmaterialien, die zum Braunfärben geeignet sind, zählen Akazienfrüchte (Ägypten ca. 5.000 v. Chr.) und Granatäpfel (seit 1.500 v. Chr.)211. Auf Textilien wurden Gerbstoffe erstmals in bronzezeitlichen Textilien aus Hallstatt nachgewiesen (Abb. 74). Obwohl Braunfärbungen mit Gerbstoffen einfach durchzuführen sind, wurden diese Färbungen bisher in prähistorischen Textilien kaum nachgewiesen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass für Brauntöne auch natürlich braune Schafwolle zur Verfügung stand. In den Proben aus Hallstatt fand man Tannine vor allem in blauen und schwarzen Textilfragmenten212. Die Gerbstoffe könnten daher sowohl die Funktion eines Beizmittels gehabt haben, als braunes Färbemittel zum Nuancieren verwendet worden sein oder zusammen mit eisenhaltigen Materialien schwarze Nuancen geliefert haben. Blaufärbende Materialien Werden in einem Textil das blaue Indigotin alleine oder zusammen mit der roten Nebenkomponente Indirubin nachgewiesen, kann daraus geschlossen werden, dass die Färbung auf eine Indigoplanze zurückzuführen ist (Abb. 73 Chromatogramm und Spektren). Welche Planze benutzt wurde, kann bislang durch chemische Analyse nicht festgestellt werden. Von tropischen und subtropischen Indigofera-Arten gewonnener Indigo wurde nachweislich im Industal (Mohenjo-daro, 2.300 bis 1.700 v. Chr.) und vermutlich auch im Pharaonischen Ägypten213 verwendet. Bei den Römern scheint dessen Verwendung hingegen nur eine geringe Bedeutung gehabt zu haben214. Auch wenn Handel über lange Distanzen nicht ausgeschlossen werden kann, so ist doch die Verwendung von Indigo im prähistorischen Europa äußerst unwahrscheinlich. 150 211 Forbes 1964. – Hegi 1926, 5/2. – Weber 1973. 212 Hofmann-de Keijzer, Van Bommel & Joosten 2005, 61–65. 213 Industal: Böhmer 2002, 217. – Ägypten: Germer 1985, 74–75. 214 Forbes 1964, 111–112. Abb. 74: In europäischen bronze- und eisenzeitlichen Textilien durch farbstoffanalytische Untersuchungen nachgewiesene braun-, blau-, gelb- und rotfärbende Materialien. + sicherer Nachweis, +? nicht völlig sicherer Nachweis. Referenzen: 1 Grömer 2007 2 Hofmann-de Keijzer, Van Bommel & Joosten 2005 3 Walton Rogers in Ryder 2001 4 Stöllner 2005 5 Walton Rogers in Banck-Burgess 1999 6 Banck-Burgess 1999 7 Bender Jørgensen and Walton 1986 8 Walton 1988. 151 Der Färber-Waid (Isatis tinctoria L., Brassicaceae; Abb. 71) kam ursprünglich in den Steppengebieten um den Kaukasus vor, ferner von Inner- und Vorderasien bis Ostsibirien; durch Anbau und Verschleppung wurde er als Kulturplanze bis Indien, Ostasien, Nordafrika und über den größten Teil Europas verbreitet215. Der älteste europäische Fund stammt aus einer neolithischen Höhle in Frankreich (de l‘Adouste bei Joursque, Bouches du Rhône)216. Folgende weitere Funde sind dokumentiert217: Abdrucke von fünf Waidsamen beinden sich an Keramik von der Heuneburg in Süddeutschland (Hallstattkultur, 6.-5. Jahrhundert v. Chr.). Waidfrüchte fand man in einem Topf aus Ginderup in Dänemark (Eisenzeit) und in eisenzeitlichen Ablagerungen an der Nordwestküste Deutschlands (1. bis 2. Jahrhundert n. Chr.) und Teile der Waidplanze sind in Eberdingen-Hochdorf (Frühe Latènekultur) nachgewiesen. Die Entdeckung von Waid im eisenzeitlichen Dragonby (1. Jahrhundert v. Chr. bis 1. Jahrhundert n. Chr.) beweist, dass diese Färbeplanze zur Zeit der Römer bereits bis England verbreitet war218; unabhängig von diesem Fund wusste man durch Caesars Bericht (Caes. b.g. 5,14), dass Waid in Britannien zur Körperbemalung benutzt wurde. Plinius (nat. hist. 22,2-3) erwähnt seine Verwendung in Gallien. In der römischen Epoche ist die Textilfärberei mit dem Färber-Waid gesichert, weil dessen Verarbeitung inklusive anschließender Küpenfärberei im Papyrus Graecus Holmiensis beschrieben wird219. Aus farbstoffanalytischen Untersuchungen an prähistorischen Textilien ist ersichtlich, dass die Küpenfärberei in Europa schon seit der Bronzezeit durchgeführt wurde und in der Eisenzeit die am häuigsten angewandte Färbetechnik ist (siehe Abb. 74). Bei der indigotinhaltige Färbeplanze des bronze- und hallstattzeitlichen Europas kann es sich, wie archäologische Funde immer mehr bestätigen, nur um den Färber-Waid handeln. 152 215 Hegi 1908 ff. 216 Banck-Burgess 1998, 30. – Banck-Burgess 1999, 86. 217 Banck-Burgess 1999, 86. – Bender Jørgensen and Walton 1986, 185. – Hall 1995, 33. – Hall 1996, 638. 218 Van der Veen, Hall and May 1993, 367, 370. 219 Germer und Körbelin 2005; siehe dazu auch P. Holm = Papyrus Graecus Holmiensis, Recepte für Silber, Steine und Purpur, ed. O. Lagercrantz. Uppsala and Leipzig 1913. (Arbeten utgifna med understöd af Vilhelm Ekmans Universitetsfond 13). Beizmittel für Gelb, Rot und Schwarz Die Verwendung von aluminium-, eisen- und kupferhaltigen Beizmitteln ist bei Textilien, die nicht aus Bodenfunden stammen, durch Elementanalyse einfach nachzuweisen. Dies ist bei archäologischen Textilien nicht der Fall, da die Elemente Aluminium, Kupfer und Eisen auch während der Lagerung aus anliegenden Mineralien oder Metallen in die Textilien gelangt sein können. Nur im Fall der schwarzen bronze- und eisenzeitlichen Textilien vom Fundort Hallstatt gibt es einen Hinweis, dass das Element Eisen aus einem Beizmittel stammen könnte. Es wurden Gerbstoffe und Eisen analysiert, welche für Eisen-GallusFärbungen nötig sind220. Die Anwendung von Metallsalzbeizen ist durch Plinius221 belegt. Er beschreibt im 1. Jahrhundert n. Chr. die Kunst der ägyptischen Färber denen es gelang, Kleiderstoffe nach der Vorbehandlung mit verschiedenen Flüssigkeiten in einem aus Krapp bereiteten Färbebad in verschiedenen Farbnuancen zu färben222. Es ist nicht bekannt, ob Alaun bereits in der Urgeschichte aus Alaunschieferlagern gewonnen und in der Textilfärberei eingesetzt wurde. Statt Alaun könnten Bärlappgewächse benutzt worden sein, in denen Aluminiumverbindungen vorkommen. Weiters könnte der in Niedermooren entstehende eisenhaltige Schlamm benutzt wurden sein. Auch Kupfer- und Eisenazetate waren verfügbar, diese entstehen, wenn Kupfer-, Bronze- oder Eisenobjekte mit Essig behandelt werden. Aus Färbeexperimenten weiß man, dass metallisches Kupfer, Bronze und Eisen die für die Beizenfärberei nötigen Metall-Ionen ins Beiz- oder Farbbad abgeben. Dies kann sowohl geschehen, wenn Metalltöpfe zum Färben benutzt werden, als auch wenn ein Metallgegenstand ins Färbebad gegeben wird223. 220 Hofmann-de Keijzer, Van Bommel und Joosten 2005, 59, 61, 64. 221 Plin. nat. hist. 35,150. 222 Germer und Körbelin 2005. 223 Edmonds 2005. – Hundt 1959, 84–85. 153 Gelbfärbende Materialien Zahlreiche Planzen enthalten gelbe Farbstoffe (Flavonoide), die sich zur Textilfärberei eignen. Es ist schwierig, in prähistorischen Textilien den chemischen Fingerprint einer gelbfärbenden Planzenart zu inden, da zahlreiche Planzen als Farbstoffquelle in Frage kommen können. Wird in einem historischen Textil als Hauptfarbstoff das gelbe Luteolin und als Nebenfarbstoff das gelbe Apigenin gefunden, kann man daraus schließen, dass der Färber-Wau (Reseda luteola L., Resedaceae) benutzt wurde. Die im Mittelmeerraum und Westasien heimische Kulturplanze wurde in Mitteleuropa eingebürgert, Samenfunde dieser Planze kennt man in Zentraleuropa seit dem Neolithikum224. Es ist bemerkenswert, dass in prähistorischen Hallstatt-Textilien der Farbstoff Luteolin nicht in viel höherer Konzentration als Apigenin nachgewiesen wurde. Die gelben Farbstoffe kommen entweder in annähernd gleicher Konzentration vor, oder Apigenin ist der Hauptfarbstoff oder sogar der einzige Farbstoff. Was kann die Ursache dafür sein? In Wau-Färbungen könnten Luteolin und Apigenin während der Lagerung im Salzbergwerk unterschiedlich rasch abgebaut worden sein. Vermutlich wurden aber neben Wau auch andere Apigenin- und Luteolinhaltige Planzen alleine oder untereinander vermischt benutzt. In manchen eisenzeitlichen Textilien aus Hallstatt wurde nur das gelbe Apigenin gefunden. Dies spricht eher für die Verwendung einer unbekannten apigeninhaltigen Planze als für Wau-Färbungen, bei denen das Luteolin vollständig abgebaut ist. Das in einigen Hallstatt-Textilien der Eisenzeit analysierte gelbe Quercetin kann nicht für die Identiikation einer bestimmten Planze verwendet werden, da es in 70 % aller Planzen vorkommt. 224 154 Janchen 1956–1960. – Von Kurzynski 1996, 42. Rotfärbende Materialien Die meisten rotfärbenden Materialien sind bei Analysen von Textilien aus jüngeren Epochen anhand ihrer chemischen Fingerprints gut zu identiizieren. Bei archäologischen Textilien ist dies nicht immer der Fall. Durch den Nachweis von Purpurin in bronzezeitlichen Textilien aus Hallstatt (Abb. 75) ist belegt, dass die Wurzeln von Rötegewächsen (Rubiaceae) in der Bronzezeit bereits als Färbematerial genutzt wurden225. Zu den Färbeplanzen mit dem Hauptfarbstoff Purpurin zählen die in Europa heimischen Labkrautarten (Galium sp.) und der im Mittelmeerraum vorkommende Wilde oder Levantinische Krapp (Rubia peregrina L.). Vermutlich wurden eher Labkrautwurzeln benutzt, die auch bei dänischen Textilien der Eisenzeit als Purpurin-Quelle genannt sind226. In der Eisenzeit waren bereits die wichtigsten roten Färbematerialien bekannt: Labkrautwurzeln und Krapp aus der Familie der Rötegewächse, die Färbe-Insekten Kermes und Polnische Cochenille und die aus Flechten gewonnene Orseille (siehe Abb. 74). Die Wurzeln von Krapp (Rubia tinctorum L.) enthalten Alizarin als roten Hauptfarbstoff und Purpurin als roten Nebenfarbstoff. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet dieser alten Kulturplanze liegt in Südosteuropa und Südwestasien. Sie wurde von Ägyptern, Griechen und Römern benutzt und in einigen Gebieten des römischen Reiches angebaut, zum Beispiel in Italien und Gallien227. Aber es scheint, dass der Krappanbau in anderen Teilen Europas nicht vor dem Frühen Mittelalter begann228. Weitere wichtige Färbematerialien zum Rotfärben lieferten weibliche Färbe-Insekten (Blutschildläuse), die von unterschiedlichen Wirtsplanzen gesammelt werden konnten229. Der 225 Grömer 2007, Anhang zur Farbstoffanalyse von Hofmann-de Keijzer, Joosten & Van Bommel. 226 Walton 1988, 155. 227 Bender Jørgensen and Walton 1986, 185. – Walton 1988, 154–155. 228 Hofenk de Graaff 2004, 94. – Ploss 1989, 8. – von Kurzynski 1996, 43. 229 Böhmer 2002, 203–214. – Cardon 2007, 607, 638-639, 647-648 – Hofenk de Graaff 2004, 52–91. 155 Abb. 75: Bronzezeitliches Textil aus Hallstatt, es wurde mit Wurzeln von Rötegewächsen, vermutlich mit Labkrautwurzeln, gefärbt. 230 156 im Papyrus Graecus Holmiensis genannte Kermes besteht aus Kermes-Schildläusen (Kermes vermilio Planchon), welche an den Küsten des Mittelmeeres auf Kermes-Eichen (Abb. 76) (Quercus coccifera L.) vorkommen und den Farbstoff Kermessäure als Hauptfarbstoff enthalten. Die beiden anderen bedeutenden Färbe-Insekten enthalten Karminsäure als Hauptfarbstoff und die Nebenfarbstoffe Kermessäure und Flavokermessäure in unterschiedlichen Konzentrationen. Eine eindeutige Bestimmung der Färbe-Insekten ist erst durch quantitative Analyse der Farbstoffe mittels HPLC möglich230: Die Polnische Cochenille (Porphyrophora polonica L.) lebte in Osteuropa und Asien an Wurzeln von Nelkengewächsen, die Armenische Cochenille Wouters und Verhecken 1989, 393–410. (Porphyrophora hameli Brandt) im Gebiet des Berges Ararat an Wurzeln von Grasarten. Wenn Krappwurzeln oder Kermes-Schildläuse in prähistorischen Textilien aus Mittel- und Nordeuropa als Färbedrogen nachgewiesen werden, kann auf den Handel der Textilien, der gefärbten Garne oder der Färbematerialien geschlossen werden231, denn Krapp wurde zur damaligen Zeit noch nicht nördlich der Alpen angebaut und Kermes konnte nur im Mittelmeergebiet gesammelt werden. Auch die mehrmalige Nutzung von mit wertvollem Kermes gefärbten Garnen wird in Erwägung gezogen. In eisenzeitlichen Textilien von Hochdorf, deren lokale Produktion durch die verwendete Webtechnik bewiesen ist, wurde Kermes identiiziert. Es wird diskutiert, ob das Farbmaterial importiert wurde oder ob es sich um die Wiederverwendung gefärbter Garne aus einem importierten Textil handeln könnte232. Abb. 76: Mediterrane Kermes-Eiche mit weiblichen KermesSchildläusen. Textilfärberei der Bronzezeit und Eisenzeit Neben den naturwissenschaftlichen Untersuchungen von Originaltextilien und dem Quellenstudium dient auch die Experimentelle Archäologie dazu, die Kenntnisse im Bereich der prähistorischen Färbetechniken zu vermehren233. Aufgrund dieser interdisziplinären Forschung wird herausgefunden, auf welche Weise die Farbpalette entstanden ist. Man benutzte Gerbstoffe 231 Bender Jørgensen and Walton 1986, 185. – Stöllner 2005, 169–170. – Walton 1988, 154–155. 232 Banck-Burgess 1996, 63. – Banck-Burgess 1998, 31. – Walton Rogers 1999, 244. 233 vgl. Hartl und Hofmann-de Keijzer 2005. 157 zum Braun- und eventuell auch zum Schwarzfärben, ferner den blaufärbenden Färber-Waid und gelbfärbenden Planzen, wie zum Beispiel den Färber-Wau. Wertvolle Rottöne erhielt man aus Labkrautwurzeln, Krappwurzeln und Kermes. Zum Erzielen bestimmter Nuancen benutzte man zur Bereitung der Färbebäder unterschiedliche Mengen an Färbematerialien und färbte das Färbegut (Vlies, Garn und Gewebe) hintereinander in verschiedenen Farbbädern (Abb. 77 und 78). Das Schwarzfärben in einer Moorgrube kann als eine ursprüngliche Färbetechnik angesehen werden234. Diese Färbetechnik wurde in der Pöltschacher Gegend (Slowenien) zum Schwarzfärben von Leinen angewandt, bis sich um 1850 in der Nähe ein Färber ansiedelte. Wie wurde sie durchgeführt? Im Herbst legte man in einem Moor eine Färbegrube an, in die Wasser, (vermutlich eisenhaltige) Moorerde, Rinde, Späne, Eichenknoppern, frische Walnussschalen und Erlenkätzchen gegeben und gut miteinander vermischt wurden. Man deckte die Grube monatelang zu und rührte die Masse zwischendurch immer wieder um. Den Winter nützten die Frauen zum Flachsaufbereiten, Spinnen, Weben und Nähen der Kleider und Hosen, die sie im Frühjahr und Sommer färbten. Nach mehrmaligem Vorfärben der Kleidungsstücke in Knoppernwasser wurden sie zusammen mit dem Knoppernwasser über Nacht in die Färbegrube gegeben und am Tage mit reinem Knoppernwasser gespült, dazwischen immer wieder getrocknet. Die Vorgänge des Färbens über Nacht und des Spülens am Tag wurden bis zu vier Mal wiederholt, um eine tiefschwarze Farbe zu erhalten. Farbbäder, die nicht erhitzt werden, könnten in der Urgeschichte auch in Tongefäßen bereitet worden sein. Dies trifft vor allem auf die Küpenfärbung zu. Textilien, die mit einer kalten Direktoder Beizenfärbung gefärbt werden, müssen tage- bis wochenlang in den Färbebädern verweilen. Durch Erhitzen könnten sowohl mehr Farbstoffe aus den Färbematerialien gewonnen als auch die Beiz- und Färbevorgänge verkürzt worden sein235. 158 234 Mautner und Geramb 1932. 235 Die größte Farbstoffmenge extrahiert man aus dem Färbematerial, wenn man es zerkleinert oder sogar pulverisiert, danach einen Tag einweicht und dann eine Stunde in Wasser von ca. 80°C erhitzt. Die Direktfärbung und Beizenfärbung kann nach einer Stunde abgeschlossen sein, wenn das Färbebad auf ca. 80°C erhitzt wird. Abb. 77: Experimente zu prähistorischen Färbetechniken bei der „Archäologie am Berg“ in Hallstatt 2003. Die Planung eines bestimmten Farbtones begann bei der Auswahl des Färbegutes. Wollte man wollene Textilien blau, grün oder gelb färben, entschied man sich für weiße Schafwolle236. Mit wenig Färbematerial war ein besonders dunkles Schwarz nur dann zu erzielen, wenn die Wolle von naturschwarzen Schafen stammte. Dieses Vorgehen ist aus der Eisenzeit bekannt. Stark pigmentierte Wolle eines Textiles aus Hallstatt wurde mit dem Färber-Waid, unbekannten roten Farbstoffen, Gerbstoffen und vermutlich einem eisenhaltigen Material zum Erzielen von 236 Abb. 78: Versuchsaufbau zu den Färbeexperimenten: die verschiedenen Färbeplanzen, getrocknet, das Färbebad und die gefärbten Garne. Ryder 2001. 159 Abb. 79: Nachweis einer Garnfärbung in einem eisenzeitlichen Textil aus Hallstatt. Die Waidblau-Färbung konnte nicht bis ins Innere des Wollgarns vordringen. Im Garnzentrum liegende Faserabschnitte blieben ungefärbt. Abb. 80: Nachweis einer Gewebefärbung in einem bronzezeitlichen Textil aus Hallstatt. Durch die anliegenden Fäden des anderen Fadensystems wurde eine gleichmäßige WaidblauFärbung der Fäden0 verhindert. – Rechts: Mikroskopische Aufnahme von Wollfäden aus diesem bronzezeitlichen Textil mit gefärbten und ungefärbten Abschnitten. 160 Eisen-Gallus-Schwarz gefärbt237. In einem schwarzen Gewebe von Altrier (Luxemburg) wurde ebenfalls Indigotin auf natürlich braun gefärbter Wolle nachgewiesen238. In welchem Stadium der Textilherstellung die Färbung durchgeführt wurde, lässt sich bei Waidblaufärbungen im Mikroskop erkennen. Charakteristisch für eine Garnfärbung ist es, wenn die Blaufärbung nicht bis ins Innere vordringen konnte und daher Faserabschnitte ungefärbt blieben (Abb. 79). Eine Gewebefärbung erkennt man daran, , dass von anderen Fäden abgedeckte Fadenbereiche nicht blau gefärbt wurden (Abb. 80). 237 Hofmann-de Keijzer, Van Bommel & Joosten 2005, 64. 238 Von Kurzynski 1996, 41. Abb. 81: Bronzezeitliches Textil aus Hallstatt. Das Schwarz wurde durch Kombination mehrerer Färbematerialien erzielt. Man benutzte den Färber-Waid für blau, gelbe Beizenfarbstoffe und Gerbstoffe für braun oder (vermutlich) zusammen mit einem eisenhaltigen Beizmittel für EisenGallus-Schwarz. Der Nachweis von direkt färbenden Gerbstoffen, dem Küpenfarbstoff Indigotin und gelben Beizenfarbstoffen in bronzezeitlichen Textilien aus Hallstatt239 zeigt, dass die der Textilfärberei zu Grunde liegenden Verfahren bereits in der Bronzezeit bekannt waren. Auch Mehrfachfärbungen wurden bereits durchgeführt. Beim Färben eines schwarzen Hallstatt-Textils benutzte man den Färber-Waid zusammen mit gelben Farb- und Gerbstoffen, die vermutlich mit eisenhaltigen Beizmitteln ein Eisen-GallusSchwarz ergaben (Abb. 81). In der Eisenzeit wurde Schwarz bis Schwarzblau ebenfalls mit Mehrfachfärbungen oder mit Doppelfärbungen (Färber-Waid und Gerbstoffe) erzeugt. Dies ist aus Hallstatt (Österreich)240, Eberdingen-Hochdorf (Deutschland)241, Altrier (Luxemburg)242 und Norwegen243 belegt. Zur Zeit der Hallstattkultur wurden wenige Textilien mit nur einem einzigen Färbeverfahren gefärbt, wie zum Beispiel das gelbe Fragment aus Hallstatt durch Beizenfärberei mit dem Färber-Wau (Abb. 82a). Eine Doppelfärbung für Grün mit dem Färber-Waid und dem FärberWau kennt man aus Hallstatt (Abb. 82b) und vom Dürrnberg 239 Hofmann-de Keijzer und Van Bommel 2008, 113. 240 Hofmann-de Keijzer, Van Bommel & Joosten 2005, 64. 241 Walton Rogers 1999, 243–245. 242 Von Kurzynski 1996, 41. 243 Walton 1988, 153–154. 161 Abb. 82: Gefärbte eisenzeitliche Textilien aus Hallstatt: a) Es wurde mit einer Luteolin- und Apigeninhaltigen Planze (vielleicht dem Färber-Wau) gelb gefärbt. b) Das Grün wurde durch eine Blaufärbung mit dem Färber-Waid und eine Gelbfärbung mit einer Luteolinund Apigeninhaltigen Planze (vielleicht dem Färber-Wau) erzielt. c) In der Waidblaufärbung wurden Gerbstoffen, gelbe Farbstoffe und vermutlich das rote Orcein (aus Orseille) nachgewiesen. (Österreich)244. Besonders viel Zeit und Aufwand widmete man der Herstellung von blauen, grünblauen und schwarzblauen Textilien: In Waidblaufärbungen wurden Gerbstoffe und unbekannte gelbe und rote Farbstoffen nachgewiesen. Bei einer roten Komponente könnte es sich um Orcein (aus dem Flechtenprodukt Orseille) handeln (Abb. 82c). Der große Aufwand der Färbeverfahren bei Blau und Schwarz lässt vermuten, dass diese Farben bei Gewändern sehr beliebt waren, da sie einen geeigneten Kontrast zum blank polierten und glänzenden Bronze- und Eisenschmuck bildeten. Veredelung von Stoffen: Verzierungstechniken Das menschliche Schmuckbedürfnis, das Bedürfnis nach Dekor ist eine Universalie – dies gilt in der Urgeschichte nicht anders als heute. Wir sehen das nicht zuletzt in der Vielgestaltigkeit und Zierfreudigkeit bei den Tongefäßen, die als eine der häuigsten Hinterlassenschaften vorrömischer Zeiten viele Sammlungen, Museen und unzählige Bücher füllen. Dennoch stellt sich der moderne Zeitgenosse die Stoffe (vor allem die Kleidung) der prähistorischen Bevölkerung meist eintönig und schmucklos vor. Dabei wäre man als aufmerksamer fachkundiger Leser bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eines Besseren belehrt worden, als Emil Vogt 1937 mit großer Sorgfalt und Liebe zum Detail die Gelechte und Gewebe der 244 162 Stöllner 2005, 169. Steinzeit aus der Schweiz vorstellte – darunter verzierte Textilien aus Wetzikon-Robenhausen. Auch die bunten, teils karierten Gewebe aus dem eisenzeitlichen Salzbergwerk Hallstatt245 sind schon seit Langem bekannt: Einige von ihnen wurden immerhin bereits 1849 geborgen und sind seit nunmehr über 100 Jahren im Naturhistorischen Museum in Wien ausgestellt. Wie nun die nachfolgende Aufstellung der Ziertechniken zeigen soll, verstand es der prähistorische Mensch seit jeher, Textilien mit verschiedenen Techniken zu schmücken und somit zu veredeln und optisch aufzuwerten. Dazu benutzte man verschiedenfarbiges Fadenmaterial, unterschiedliche Eintragstechniken, man arbeitete Fremdmaterialien wie Perlen oder Metalle mit ein und verwendete auch Anleihen aus der Nähtechnik (Stickerei). Allgemein dominieren in der mitteleuropäischen Urgeschichte Ziertechniken, die gleich während des Webens gestaltet wurden. Auch in der Urgeschichte ist das Design von Textilien an das „Formschaffen“ der Zeit gebunden. So sind textile, durch die Herstellungsmethode bedingte textile Muster auch auf anderen Materialgruppen zu inden. Das geht sogar so weit, dass die These aufgestellt wurde, dass textiles Design – etwa die beim Mattenlechten entstehenden Strukturen – überhaupt zu den frühesten Dekortypen gehören, die alle anderen Bereiche beeinlusst haben. Gottfried Semper, jener begnadete Architekt des 19. Jahrhunderts, der unter anderem auch die Entwürfe für das Naturhistorische Museum in Wien anfertigte, verstand unter der Textilkunst die „Urkunst“ schlechthin. Er schreibt in seinem zwei Bände umfassenden Werk mit dem Titel „Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten“, „daß alle anderen Künste, die Keramik nicht ausgenommen, ihre Typen und Symbole aus der textilen Kunst entlehnten, während sie selbst in dieser Beziehung ganz selbständig erscheint und ihre Typen aus sich heraus bildet oder unmittelbar aus der Natur abborgt.“246 Betrachtet man beispielsweise die „Flechtband-Muster“ und Winkelhaken (Abb. 104) auf den Gefäßen der mittleren Jungsteinzeit (Lengyelkultur, 245 Hundt 1959, 1960 und 1987. – von Kurzynski 1996. – Zu Forschungsgeschichte Grömer 2007. 246 Semper 1860. Drittes Hauptstück. Textile Kunst. A. §4. 163 Mitte des 5. Jahrtausends v. Chr.), so möchte man dem durchaus beiplichten. Gewisse Techniken wie die Stickerei, die Brettchenweberei oder verschiedene Eintragstechniken beim Weben erlauben es auch, Motive nach allgemeinem Zeitgeschmack auf Gewebe zu übertragen, wie sie auch auf Keramik oder Metallobjekten Anwendung fanden. Eine gegenseitige Beeinlussung aller Handwerke mit ihren individuellen Gestaltungsmöglichkeiten ist in der Urgeschichte durchaus gegeben. Verzierungstechniken beim Weben: Muster mit Struktur, Spinnrichtungsmuster Als erstes Gestaltungselement zur Strukturierung der Gewebeoberläche sind primär die verschiedenen Gewebebindungen zu nennen – sie heben sich klar von der glatten, regelmäßigen Oberlächenstruktur einer einfachen Leinwandbindung ab. Als simple Gestaltungsmöglichkeit resultiert etwa Panamabindung in einer würfeligen Struktur, verschiedene Köpervarianten ergeben unterschiedliche Diagonalstrukturen. Diese, ebenso wie Rips und Brettchenweberei, wurden mit ihren archäologischen Nachweisen bei den verschiedenen Webstuhltypen bereits besprochen. Eine besondere, für die Hallstattzeit sehr charakteristische Zierweise von Geweben ist das Spinnrichtungsmuster (Abb. 83). Dieses beruht darauf, dass verschieden gesponnene Garne (soder z-gedrehte) eine gewisse optische Wirkung haben – je nachdem, ob der Lichteinfall parallel oder normal auf die verdrehten Fasern wirkt: sie wirken dann heller oder dunkler. Werden nun abwechselnd Gruppen von s- und z-Garn in einem Gewebe angeordnet, so ergibt sich bei entsprechendem Lichteinfall ein optisches Streifenmuster. Auf die Spitze getrieben wird diese ausgefeilte Ton-in-Ton-Musterung durch eine Verwendung s- und z-gesponnener Garne in beiden Fadensystemen. Dies hat dann ein feines Karomuster zur Folge. Bei der Herstellung von Spinnrichtungsmustern müssen die Fäden besonders vorbereitet werden. Es wird gutes Rohmaterial 164 benötigt, möglichst gekämmt, um sehr glatte Garne spinnen zu können, damit der besondere Effekt auch gut zur Geltung kommt. Weiters muss Garn in verschiedenen Drehrichtungen (s- und z-Garne) hergestellt werden. Auch beim Schären der Kette ist besondere Sorgfalt vonnöten, da hier durch die gruppenweise Anordnung der Fäden das Muster festgelegt wird. Dieser Mehraufwand, den also ein Spinnrichtungsmuster bedeutet, wurde jedoch in Kauf genommen, obwohl diese feine Musterung keine optische Fernwirkung hat, sondern nur von Nahem wahrgenommen wird. Spinnrichtungsmuster zeichnen sich nicht nur durch ihre ausgefeilte ästhetische Wirkung aus, sondern die Verwendung unterschiedlich gedrehter Fäden verstärkt auch den Zusammenhalt des Gewebes. Das Textil wird somit stabilisiert und es wird einem Verzug oder einem Aufrollen des Gewebes entgegengewirkt. Abb. 83: Spinnrichtungsmuster aus Hallstatt, Ältere Eisenzeit. Oben: in einem Fadensystem, unten: in beiden Fadensystemen. 165 Spinnrichtungsmuster wurden mit sehr scharf gedrehten Einzelgarnen hergestellt und sowohl bei Leinwand-, Panama- als auch Köperbindung verwendet. Spinnrichtungsmuster sind in der Älteren Eisenzeit äußerst beliebt247 und inden sich häuig sowohl an korrodierten Textilresten aus Gräbern als auch etwa im Salzbergwerk Hallstatt (Abb. 83). Bereits bevor nun diese Musterungsart in der Hallstattzeit ihre Hochblüte erlebte, wurde schon in der Mittelbronzezeit mit der Strukturierung von Oberlächen durch Verwendung von Garnen unterschiedlicher Spinndrehung experimentiert. Die entsprechenden Funde248 stammen aus Mühlbach-Hochkönig­Mitterberg oder den bronzezeitlichen Bereichen des Salzbergwerkes Hallstatt, beide Österreich. Hier wechseln einander meist nur ein bis zwei s- und z-Garne ab. Verzierungstechniken beim Weben: Farbmuster Flächige Gewebe Die Verzierung von Geweben in der Urgeschichte folgte primär den diesem Handwerk innewohnenden Gesetzen: verschiedene farbige Fäden lassen rasch Streifen entstehen, wenn Kette oder Schuss abwechselnd mit Garnen unterschiedlicher Schattierung bestückt wurden. Dies können sowohl verschiedene Naturfarben etwa von Schafwolle sein wie auch gefärbte Garne. Wendet man dieses Prinzip auf beide Fadensysteme an, so entsteht unweigerlich ein kariertes Muster. Die Wahl der Abfolge und die Anzahl der verschiedenen Fäden bestimmen das Aussehen des Musters. Streifen als Dekorprinzip gibt es ab der späten Jungsteinzeit, diese frühen Streifenmuster werden allerdings mit lottierenden Fäden gestaltet (siehe B 6.3). Streifen, die aus verschiedenfarbigen Garnen bestehen, kennen wir aus der Frühbronzezeit. So ist ein gestreifter Leinenstoff aus einem reichen Frauengrab 166 247 Allgemein dazu siehe Banck-Burgess 1999, 53 (Farb- und Spinnrichtungsmusterung). – Bender Jørgensen 2005. – Zu Hallstatt: Grömer 2005a, etwa Abb. 9. 248 vgl. Grömer 2007. in Franzhausen, Niederösterreich249, geborgen worden (Abb. 166). Die in der sogenannten Hutzierde gefundenen länglichen Stoffreste bilden ein feines, durch die Bronze grünlich verfärbtes Ripsgewebe aus Flachs mit Streifenmuster (Abb. 84). Es wechseln einander in gleichmäßigen Gruppen von je 6 Fäden dunkelbrauner Zwirn mit breiteren Bereichen von hellen, grünlichbraunen Fäden ab. Das Gewebe ist sehr fein mit 0,4 mm S-Zwirnen in beiden Fadensystemen und einer Gewebedichte von 17­7 Fäden pro cm. Abb. 84: Franzhausen, Österreich: Frühbronzezeitliches Flachsgewebe mit Streifen. Sind die neolithischen und bronzezeitlichen Funde von Farbmustern noch eher die Ausnahmen, so wurden in der Hallstattzeit gemusterte Stoffe außerordentlich beliebt. Es sind nun nicht mehr nur Muster mit verschiedenen natürlichen Farbschattierungen, sondern es gibt nun bunt gestreifte und karierte Designs mit gefärbten Garnen, die wirkungsvoll kombiniert wurden. Als Farbstoffe (siehe auch Seite 143 ff.) wurden bei neueren 249 Grömer 2006b, Grab 110. 167 Farbstoffanalysen an den Textilmaterialien von Hochdorf250 und Hallstatt251, unter anderem Färber-Wau für Gelb oder Waid für Blau verwendet sowie ein roter Farbstoff aus Orseille, einer aus Flechten hergestellten Färbedroge. Auch wertvolle, importierte Farbstoffe gehören zu den in der Hallstattzeit verwendeten Farben, wie die im Mittelmeerraum vorkommende rotfärbende Kermesschildlaus. Es wurden auch verschiedene Färbedrogen und Färbetechniken miteinander kombiniert, um bestimmte Nuancen zu erzielen. Vlies und Garne wurden gefärbt, etwa bei den gestreiften oder karierten Stücken. Es wurden auch mit ungefärbten Garnen gewobene Stoffe mit Farbbädern behandelt. Sprichwörtlich sind die Karos in der Eisenzeit – spätestens seit der berühmten Textstelle bei Diodorus Siculus252, einem griechischen Geschichtsschreiber aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., der über die „barbarischen“ Stämme in Mitteleuropa der Jahrhunderte vor der Zeitenwende berichtet: „... Darüber hängen sie sich gestreifte Mäntel mit einer Schulteribel, im Winter lauschige, im Sommer glatte, die mit einem dichten und bunten Würfelmuster verziert sind. ...“ Diese „Würfelmuster“ – Karos – werden heute besonders gerne für die Kelten vereinnahmt – wo sie angeblich in ungebrochener „keltischer“ Tradition bis heute in den schottischen Tartans weiterleben sollten. Karomuster waren aber schon vor der Herausbildung keltischer Stämme und in frühkeltischer Zeit beliebt. Dies wird durch Funde aus den eisenzeitlichen Bereichen des Salzbergwerkes Hallstatt oder die schönen blau-roten Karos auf Köperstoffen aus dem frühkeltischen Fürstengrab Hochdorf farbenfroh demonstriert. Die voretruskischen Völker Italiens wussten Karos ebenfalls zu schätzen, wie aus der villanovazeitlichen Nekropole Sasso di Furbara in Mittelitalien (8. Jahrhundert v. Chr.) 253 bekannt ist. Auch die Stoffe und Kleidungsstücke von den nordeuropäischen Moorfunden der vorrömischen und römischen Eisenzeit zeigen teils Karos254. 168 250 Banck-Burgess 1999, 86–89. – Analysen von P. Walton in Banck-Burgess 1999, 240–246 (Dyes in the Hochdorf Textiles). 251 Hofmann et al. 2005, 69 ff. 252 Diod., 5,30,1. 253 Banck-Burgess 1999, Hochdorf: 54. – Sasso di Furbara: 45, im Katalog 231. 254 Hald 1980. Zurück zu den hallstattzeitlichen Textilien vom namengebenden Fundort dieser Epoche, die uns einen besonders farbenprächtigen Einblick in diese Textilkunst geben. Karos sind hier in unterschiedlichen Varianten und Farben vorhanden (Abb. 85)255. Typisch sind auch Kombinationen von Farb- und Spinnrichtungsmustern sowie Karomuster auf köperbindigen Stoffen. Großzügige Farbkaros entstehen durch garngefärbte Kett- und Schussfäden, gewoben mittels größerer farbgleicher Fadengruppen. Das ergibt etwa ein kontrastreiches zweifarbiges Blockkaro in braun und schwarz (Abb. 85e). Ein anderer karierter Stoff hat einen dunkelbraunen Hintergrund in Diamantköper, darauf helle Dreifachstreifen (Abb. 85f). Wieder ein anderer, olivgrüner Stoff in Spitzgratköper, wird durch ein Karo verziert. Dieses wird mit breiten Doppelstreifen in einem Fadensystem und vier dünnen Streifen im anderen gebildet (Abb. 85h). Auch Pepita- oder Hahnentrittmuster (Abb. 85 i und j) sind keine modernen Erindungen: Sie entstehen durch einen gruppenweisen Farbwechsel in Kette und Schuss von ca. 3-6 hellen und ebenso vielen dunklen Fäden an köperbindigem Stoff. Durch diese Grundbindung erscheinen diese kleinen Blockkaros nicht schachbrettartig, sondern sie haben ein charakteristisches Musterbild durch optische Verlängerung der Karoecken. Aus Hallstatt sind verschiedene Varianten dieser Muster geläuig. Die karierten und gestreiften Stoffe aus Hallstatt sind interessanterweise nur mit je zwei kontrastierenden Farben gestaltet. Die etwas jüngeren Karostoffe vom Dürrnberg256 hingegen sind auch dreifarbig. Zu nennen ist etwa ein Exemplar mit feinem, blau-gelbem Pepitakaro, das zusätzlich mit großzügigen roten Streifen überprägt ist (Abb. 85). Farbig gestreifte eisenzeitliche Gewebe kennen wir aus Hallstatt, und in einer großen Vielzahl aus dem Salzbergwerk Dürrnberg (Abb. 85a-c). Wie bei den wenigen Karos von diesem Fundort sind auch die gestreiften Stoffe vielfärbig – sie wurden mit 255 Eine Aufstellung der Funde bis 1987 bei Hundt 1987, 278. Die karierten Gewebe werden hier „schottisch“ gemusterte Wollstoffe genannt. 256 Stöllner 2002, z. B. Farbtaf. 6. 169 170 kraftvollen Farben gestaltet, besonders in den Kombinationen Gelb (naturfarben), Blau und Rot. Ripsbänder: Verzierung mit farbiger Kette Links: Abb. 85: Ausschnitte von karierten und gestreiften Stoffen aus den Salzbergwerken Hallstatt (d-j) und Dürrnberg (a-c, k-l), Eisenzeit. Dasselbe Dekorprinzip der blockweisen Farbwechsel in der Kette wurde auch angewandt, um mit Fäden unterschiedlicher Farbnuancen Ripsbänder bunt zu gestalten. Die Verwendung verschiedenfarbener Kettfäden ist vom handwerklichen Standpunkt aus nicht kompliziert und Streifen sind bei lächigen Geweben bereits seit dem Neolithikum nachgewiesen. Dennoch sind im archäologischen Fundgut Mitteleuropas farbig gemusterte Ripsbänder erst in der Hallstattzeit bekannt. Die Textilien aus Hallstatt257 führen uns deutlich vor Augen, wie auch bei einfachen Ripsbändern gefällige Muster entstehen können (Abb. 86). Verschieden farbige Kettfäden bestimmen durch ihre Anordnung und Abfolge das Muster. Der Schuss ist jeweils einfarbig und durch die dichte Kettfadenlage auch nicht zu sehen. In Hallstatt kommen farbig gemusterte Ripsborten in verschiedenen Varianten vor: in Quer- und Längsstreifendesign oder mit schachbrettartigen Motiven in polychromer Ausführung. Es inden sich dabei vor allem Gelb-, Grün-, Blauund Brauntöne. Das typische Design dieser Ripsbänder wurde aber auch wieder auf größere Gewebe übertragen. In Grab VI vom Hohmichele258 wurden Fragmente eines wohl großlächigeren Ripsgewebes aus Wolle entdeckt, das jene für die Ripsbänder typische Streifenmusterung zeigt. Ripsbänder sind nicht nur als Textilfunde erhalten, wir entdecken sie auch auf zeitgenössischen Darstellungen. In der Situlenkunst (siehe detailliert Seite 291 ff.) wurden von den Toreuten Menschen in ihrer (Fest-)Kleidung abgebildet. Oftmals sind an den Säumen dieser Gewänder Borten zu sehen, 257 Grömer 2005, Taf. 5–11. 258 Hundt 1962, Abb. 5, Taf. 33 und 34. 171 Abb. 86: Farbig gemusterte Ripsbänder aus dem Salzbergwerk Hallstatt, Ältere Eisenzeit. durch die Strichelung ist möglicherweise Rips angedeutet. Dass farbige Ripsbänder als Besätze für Gewebe dienten, zeigen nicht zuletzt entsprechende Funde aus Hallstatt. Gemusterte Brettchenwebereien Brettchenweben ist eine Jahrtausende alte Kunst, um gemusterte Bänder zu gestalten. Dabei liegt diesem Handwerk eine große Kreativität inne, die sich in vielerlei Möglichkeiten der Mustergestaltung manifestiert. Wesentlich für das Motivdesign sind die Wahl der Kettfadenfarben, aber auch die Bestückung der Brettchen und die Drehrichtung beim Weben. Der kreative Umgang mit dieser Technik erlaubt die Gestaltung verschiedener Ziermotive. Einfache Brettchenwebmuster sind etwa Streifen. Sie entstehen, indem pro Brettchen eine andere Farbe für die Kettfäden verwendet wird. So erscheint bei kontinuierlicher 172 Drehung der Brettchen eine Struktur aus nebeneinanderliegenden farbigen „Schnüren“. Aus Hallstatt kennt man dieses einfache Musterungsprinzip ebenso wie von den Prachtmänteln der Nordischen Eisenzeit259. Ebenso gibt es Muster, die in komplexer Weise eingewebt wurden. Vor allem ab der Eisenzeit wurde mit der Brettchenweberei bereits die Herstellung komplexer Motive beherrscht. Prominente Beispiele260 dafür inden sich im hallstattzeitlichen Fürstengrab von Hochdorf und auch in Hallstatt. Bei den meisten, an anderen Fundstellen erhaltenen Brettchengeweben, so bei den gemusterten Brettchengeweben von Apremont in Frankreich, ist bedauerlicherweise die ursprüngliche Farbigkeit nicht mehr erhalten. Es kann bei diesen Stücken nur noch die Bindungsstruktur eruiert werden. Die auf einem Stück erkennbaren Drehabfolgen waren wahrscheinlich keine einfarbigen Strukturmuster, sondern es kann nach Kenntnis des beim Brettchenweben technisch bedingten Musteraufbaues durch farbige Kettfäden und bestimmte Drehabfolgen ein ehemals farbiges Muster angenommen werden. Die gemusterten Brettchenwebereien aus den eisenzeitlichen Bergbauen von Hallstatt261 (Abb. 87) haben Motive wie Mäander, gefüllte Dreiecke und Rauten mit rapportartigen Wiederholungen. Die Muster kommen bei den Hallstätter Beispielen durch die verwendete gelb-beige Musterfarbe auf dunklem, oft zweifarbigem Hintergrund (grüne und dunkelbraune Farbschattierungen) jeweils ausgezeichnet zur Geltung. Die einfache Technik des Brettchenwebens wurde bereits erläutert (Seite 107 ff.). Für komplexe Motive wie bei den Borten aus Hallstatt verwendet, werden die einzelnen Brettchen separat bewegt (Abb. 88). In einem Arbeitsvorgang muss man bestimmte Brettchen vor oder zurück drehen, bevor der Schussfaden durch 259 Schlabow 1976, z. B. Abb. 119, Thorsberg. 260 Hochdorf & Apremont: Banck-Burgess 1999, 70 sowie Abb. 40 und 41. – Hallstatt: Grömer 2004. 261 Die Brettchenwebereien und ihre Rekonstruktion wurden bereits detailliert beschrieben in Grömer 2004, 146 ff. 173 Abb. 87: Komplexe Brettchengewebe aus Hallstatt mit Rekonstruktionen der Muster, Ältere Eisenzeit. 174 das Webfach geführt wird. Auch durch das Umklappen der Brettchen lassen sich solche Effekte gestalten. Als Beispiel für ein komplexes Muster ist hier der Webbrief zu einer eisenzeitlichen Borte aus Hallstatt abgebildet (Abb. 89). Die Nacharbeitung zeigt, dass das Mäander- und Dreiecksmotiv der vorgestellten Borte weit entfernt ist von der einfachen Grunddrehdynamik beim Brettchenweben. Die Kombination von verschiedenen vor- und rückwärts gedrehten Brettchen bei jedem einzelnen Schuss zeugt vom großen räumlichen Verständnis und der hohen Konzentrationskraft der oder des Ausführenden. Heute ist es bei guter Beherrschung dieser Technik nicht allzu schwierig, ein derartiges Muster nach einer schriftlichen Vorlage nachzuarbeiten. Fehler können anhand der genauen Anleitung gut ausgebessert werden, da man eine genaue Abb. 88: Brettchenweberei: Weben der komplexeren Bänder, Vor- und Zurückdrehen einzelner Brettchen. 175 Anleitung hat. Diese komplexen Drehvorgänge, die für die Musterung notwendig sind (bei der komplexen Borte 123 sind es mehr als 70 verschiedene Drehsequenzen), lassen aber die Frage aufkommen, wie man in der Urgeschichte gearbeitet hat – ohne Webbrief als Gedächtnisstütze. Wie wurden diese komplizierten Muster geplant, wie die Drehabfolgen gemerkt und vielleicht auch weitergegeben? Möglicherweise geschah dies mit Unterstützung von Liedern und Abzählreimen. Eine andere Fragestellung bei den Experimenten behandelte den Arbeitsaufwand und damit auch die Frage, wie viel Zeit benötigt wurde, um die Borten (Abb. 87) herzustellen. Dabei ergab sich die durch reine theoretische Betrachtung der Muster nicht erkennbare Tatsache, dass für das Weben der zuoberst abgebildeten Borte fast 3x soviel Zeit wie für das mittlere Band benötigt wurde und mehr als 6x soviel Zeit wie für die Borte, die zuunterst abgebildet ist. Dies könnte auch wieder ein Schlüssel dafür sein, wie „kostbar“ die einzelnen Borten in der damaligen Zeit waren. Besondere Beispiele für Brettchenwebmuster sind auch die Prunkgewebe aus dem Fürstengrab von Hochdorf262 (Abb. 90). Die Motive dieser Bänder sind stark geometrisch, etwa gegenläuige Diagonalstrukturen, Winkelhaken, Mäander wie Zinnenmäanderrauten, Flechtbänder und Swastiken, meist von einer Raute begrenzt. Die Muster sind üblicherweise in Zonen angeordnet, mit regelmäßigen Abfolgen, teilweise mit randlicher Begrenzung. Einige der Brettchengewebe von Hochdorf wurden mit einer von den Hallstätter Funden abweichenden Technik gefertigt, wie Rekonstruktionen der Brettchenwebspezialistin Lise Raeder Knudsen eindrucksvoll deutlich machen. Es wurden zwar Vierlochbrettchen zu ihrer Herstellung verwendet, bei diesen wurden aber nur jeweils zwei Löcher bestückt und die Brettchen gegenläuig gedreht. 262 176 Banck-Burgess 1999, 125. Rekonstruktion der Webtechnik: Lise Raeder Knudsen, S. 75 ff. Abb. 89: Brettchenweberei aus Hallstatt, Ältere Eisenzeit: Webbrief zu Hallstatt Textil 123 (Inv. Nr. 89.832). Abb. 90: Brettchengewebe aus dem Fürstengrab von Hochdorf, Rekonstruktionen. 177 Flottierende Fäden in Kette oder Schuss Bereits am Ende der Jungsteinzeit wurden einfache leinwandbindige Gewebe mit lottierenden Fadensystemen dekoriert für feine Ton-in-Ton Reliefmuster. Das früheste Gewebe mit relieiertem Streifenmuster kennen wir aus Wetzikon-Robenhausen, Schweiz263 (Abb. 91), aus der späten Jungsteinzeit. Gefertigt wurden die Streifen auf Gewebe 3 und 11 durch zusätzlich eingefügte Schussfäden, die „köperbindig“ über das leinwandbindige Grundgewebe lottieren. Das ergibt den Anschein dichter Querstreifen mit Reliefeffekt im Gewebe. Diese Streifenmuster wurden während des Webvorganges mit der Hand eingetragen. Abb. 91: WetzikonRobenhausen in der Schweiz: Spätneolithisches Gewebe mit Reliefmuster. In Molina di Ledro, Norditalien264, indet sich aus der Frühbronzezeit ein feines, 2,09 m langes und 6,8 cm breites Bandgewebe aus Flachs. Dieses Stoffband aus leinwandbindigem Grundgewebe ist wahrscheinlich ein Gürtel, der an den Enden mit einem Rautenmuster verziert wurde (Abb. 43). Hier wurde das Muster während der Stoffherstellung durch lottierende Fäden gestaltet, die den Schuss zonenweise überspringen. Es wurde nachgewiesen, dass für das Weben der Verzierung Litzen verwendet worden sind. In der Eisenzeit taucht dann in der Buntweberei eine neue Art der Musterung auf – jene mit lottierenden Kettfäden parallel zum Grundgewebe bei fest gespannter Musterkette. Aus den ältereisenzeitlichen Bereichen des Salzbergwerkes Hallstatt stammt ein Gürtelband265, ein festes Gewebe mit ripsartiger Oberläche aus schwarzer Wolle. Der Schussfaden aus Rosshaar verlieh dem Stück eine gewisse 178 263 Vogt 1937, S. 32 f. Gewebe 3; Abb. 84–86, S. 72 f.; Gewebe 11 S. 73, Abb. 108–109. 264 Bazzanella et al. 2003, S. 161 265 Hundt 1959. Formbeständigkeit (Abb. 20). Auf diesem Gürtel wurde mit lottierender Musterkette ein rötliches Schachbrettmuster gestaltet (Abb. 92b). Abb. 92: Bänder mit lottierenden Kettfäden: a Dürrnberg. b Hallstatt. Das Band vom Dürrnberg266, das bei seiner Aufindung im Salzberg behelfsmäßig um einen gebrochenen Werkzeugstiel geknotet war (siehe Seite 267 ff.), ging leider in den Wirren des Zweiten Weltkrieges verloren. Erhalten sind aber detailreiche 266 Klose 1926, 346 ff., Abb. 1 Schema des bunten Gewebes. – Foto des Gewebes im Fundverband mit dem Axtstiel bei Kyrle 1918, Fig. 60–61. 179 Abb. 93: Weben eines Bandes mit lottierender Musterkette. Beschreibungen, Zeichnungen und Fotos. Demnach war das leinwandbindige Grundgewebe ockerfarben, zusätzliche lottierende dunkelbraune und grüne Fäden ergeben ein Schachbrett- und Streifenmuster (Abb. 92a). Als Material wird Wolle angegeben. Bei beiden Bändern wurden zum Grundgewebe weitere Kettfäden in kontrastierenden Farben geführt. Diese wurden Muster bildend mit gewoben, wobei sie zonenweise an Vorderund Rückseite des Gewebes erscheinen. Technisch betrachtet handelt es sich bei diesen eisenzeitlichen Geweben um eine zusammengesetzte Bindung, ein Gewebe mit drei Fadensystemen (Bindekette-Musterkette-Schuss). Die Bindekette kann dabei in verschiedenen Grundbindungen gestaltet sein (Rips, Leinwandbindung etc.). Die eisenzeitlichen Handwerker oder Handwerkerinnen konnten beim Weben durch das zusätzliche Fadensystem der Musterkette die Verzierungen einbringen. Diese Fäden heben sich farbig deutlich vom Grundgewebe ab. Man kann ein derartiges Gewebe mit verschiedenen Techniken herstellen, wie mehrere praktische Erprobungen deutlich machen. In der einfachsten Variante würden die Löcher bzw. Schlitze des Webkammes mit doppelten Fäden bestückt (Musterfäden und Garne des Grundgewebes) und mittels Eintragsstäbchen bewegt (Abb. 93). Bei einer anderen Webmethode für diese Muster bedient man sich eines mehrschäftigen Webgerätes, bei 180 dem die Musterfäden entsprechend an eigene Litzenstäbe angekettelt werden und so in die gewünschte Position gebracht werden können. Wie so oft in der Weberei – viele Wege führen zum Ziel. Obwohl hier das Muster direkt beim Weben entsteht, sieht es beinahe gestickt aus. Einarbeitung von Elementen Es gehört schon zum Schaffensrepertoire der Steinzeit, einer gelochtenen oder in Zwirnbindung hergestellten textilen Fläche auf spielerische Art schmückende Elemente beizufügen, diese einzuknüpfen oder einzulechten. So wurden auch schon sehr früh Methoden entwickelt, beim Weben von Stoffen verschiedene dekorative Elemente mit einzuarbeiten267. Technik „Fliegender Faden“ Eine der vielen möglichen Musterungstechniken, die ebenfalls mit lottierenden Fäden arbeitet, ist das Einbringen von Motiven mittels „liegendem Faden“ während des Webens aufgebracht. Auch diese Muster ähneln einer Stickerei. Bei näherer technischer Betrachtung durch die Textilarchäologin Johanna BanckBurgess268 wurde jedoch ersichtlich, dass hierbei der Musterfaden während des Webens durch Umwickeln der Kettfäden in das Gewebe eingetragen wurde. Prunkvolle Gewebe in dieser Technik stammen vor allem aus späthallstattzeitlichen Fürstengräbern, wie jenem von Hochdorf sowie aus dem Grabhügel VI von Hohmichele269, beim Fürstensitz Heuneburg. Das mittels „liegendem Faden“ gemusterte und mit Brettchenwebkante versehene Ripsgewebe von Hohmichele, Grab VI, war in Zierzonen gestaltet. Es beindet sich am 267 vgl. zu verschiedenen Gelechten und Gezwirnen Vogt 1937 oder Rast-Eicher 1997. 268 Banck-Burgess 1999, Beispiele S. 55–63 und genaue Beschreibung der Technik. 269 Hundt 1962, 206, Taf. 36–39. Hier noch als gesticktes Textil. Detailfotos bei Banck-Burgess 1999, Abb. 19–22. 181 erhaltenen Fragment ein Band von Hakenmäandern sowie ein weiteres Zierband mit hochkant gestelltem Doppelquadrat, in das eine Swastika eingeschrieben ist. In die Zwickel dieses sicher rapportartig wiederholten Motives waren wahrscheinlich wiederum Dreiecke eingeschrieben. In Hochdorf entdeckte man Fragmente von Brettchengeweben an einem roten Grabtuch, auf dem ebenfalls mittels „Fliegendem Faden“ Muster eingebracht wurden. Erkennbar sind Rauten und ein Element in Form des Buchstabens „Z“270 (Abb. 94). Ein besonders bekanntes Gewebe, das auch als Paradebeispiel für die Technik des „liegenden Fadens“ galt, ist das „Kunstgewebe“ von Irgenhausen. Neuere Forschungen haben aber hier erbracht, dass die Verzierung kein „liegender Faden“ ist, sondern als Stickerei gefertigt wurde (siehe Seite 187 ff.). An dieser Abb. 94: Hochdorf: Brettchengewebe aus dem Fürstengrab mit Ziermotiv in Technik „Fliegender Faden“, späte Hallstattzeit. 270 182 Banck-Burgess 1999, Abb. 58. Verwechslung zeigt sich deutlich, wie ähnlich der Eindruck von „liegendem Faden“ und Stickerei ist. Einarbeiten von Fransen und Wollflocken Das Spiel mit zusätzlich eingearbeiteten Fadenstücken war im Spätneolithikum und in der Frühbronzezeit sehr beliebt und wurde in kreativer Vielfalt betrieben. Hierzu sind vor allem die Feuchtbodensiedlungen Norditaliens aufschlussreich271. Angeknüpfte gezwirnte Fransen inden sich an mehreren frühbronzezeitlichen Textilfragmenten von Lucone di Polpenazze. Auch das Einbringen zusätzlicher Wolllocken, die dann als Schlaufen aus dem Gewebe heraushängen und es „zottelig“ aussehen lassen, ist ein gestalterisches Element für Stoffe. Bei einem eisenzeitlichen Fund aus Hallstatt272 (Abb. 95) wurden während des Webens zusätzlich zum Schuss Wolllocken als Schlaufen eingelegt. Diese bilden einen Flor an einer Gewebeseite, während die andere Gewebeseite eine glatte leinwandbindige Oberläche hat. Die zusätzliche Verilzung dieses olivgrünen Gewebes, das mit einem farbigen Ripsband geschmückt ist, sollte wohl die Wärmewirkung noch verstärken. Dieses Einarbeiten von aus dem Gewebe heraushängenden Wolllocken oder -fäden ist ein Gestaltungsprinzip, das wir auch aus der Nordischen Bronzezeit gut kennen. Es diente als sogenannter „Krimmerbesatz“ als Zier für Hüte oder auch Mäntel, wie an einem Männermantel aus Trindhøj, Dänemark273, gut zu sehen ist. Sollten diese herabhängenden Wolllocken und Fäden ein Fell imitieren? War das Bedürfnis nach wärmeren Stoffen der Grund für diesen bedeutenden zusätzlichen Aufwand oder stand das schmückende Element im Vordergrund? Die verschiedenen Techniken der Florbildung gehen weit bis in die Jungsteinzeit zurück. Schon bei verschiedenen Gelechten oder Stoffen in Zwirnbindung wurde den Oberlächen mit 271 Bazzanella et al. 2003, Lucone: 188. Molina di Ledro: 170 f. 272 Grömer 2005, 36, Abb. 8. 273 Broholm und Hald 1940, 27 ff. 183 Abb. 95: Hallstatt, Ältere Eisenzeit: Gewebe mit Schlaufen auf einer Seite und verilzter Oberläche sowie angenähter Ripsborte. Vorder- und Rückseite. eingefügten Fasern ein pelzartiges Aussehen gegeben. Bei einem Lindenbastgewebe aus Zürich-Mythenquai274 (Schnurkeramik, dendrodatiert um 2.680 v. Chr.) indet sich etwa eingefügter Flor. Florbildung bei Baststoffen (gewobene oder zwirnbindige) diente nicht nur dem Kälte- und Windschutz, sondern auch als Nässeschutz. Einarbeiten von Metallen An Prunk nicht mehr zu überbieten sind schließlich Gewebe, bei denen etwa Golddrähte oder -streifen zur Verzierung mit eingebracht wurden. In drei spätbronzezeitlichen Urnengräbern aus Vösendorf275 wurden feine, zarte Golddrähte entdeckt (Abb. 96). Durch die Fundbergung unter widrigen Umständen im Zweiten Weltkrieg gibt es leider keine genauere Befundung dazu. Möglicherweise waren diese Golddrähte einstmals in ein prachtvolles Tuch eingearbeitet, das den Toten beigegeben wurde. 184 274 Rast-Eicher 1992, 56 ff. Schema zum Flor Abb. 17. 275 Grömer und Mehofer 2006. – Goldfäden gibt es aus den Gräbern 10/VII, 11/VIII und 15/XII. Talaa 1991, Abb. 33. Bei Hohmichele, Grab I276, wird im Grabungsbericht ein 11,5 cm breiter Fransengürtel beschrieben, der mit Goldblechstreifen durchwirkt war. Auch in Grafenbühl (Stufe HaD)277 wurden feine, 0,2-0,3 mm breite Goldfadenreste gefunden, wobei Abdruckspuren erkennen lassen, dass ursprünglich ein leinwandbindiges Grundgewebe vorlag. Die an den Streifen erkennbaren scharfen Knickstellen sprechen für eine Verwendung der Goldstreifen in einem sehr dichten, etwas dickeren Gewebe, etwa ein ripsartiges Gewebe. Die Biegungsstellen der Goldstreifen von Grafenbühl deuten auf ihre Verwendung als broschierender (oder lancierender) Musterschuss hin. Wahrscheinlich lottierten die Streifen über mehrere Kettfäden des Grundgewebes, es wurde also ein komplexes Muster erzielt. Abb. 96: Goldfäden aus einem urnenfelderzeitlichen Grab von Vösendorf. Auch das Einarbeiten von Metallringen in Gewebe ist ab der ältereisenzeitlichen Stufe HaC nachgewiesen. Ein bereits alt bekannter Fund stammt aus einem Körpergrab der mährischen Horákov-Kultur von Brno-Židenice278. Dabei wurden Hunderte von Bronzedrahtringen dicht aneinandergereiht und mit einem Kett- und Schussfadensystem aus dünnen Wollzwirnen miteinander zu Mustern verbunden. Der Schuss wurde doppelt geführt, er umschließt die Kette und führt wiederum gemeinsam durch die Ringe (Abb. 97). Auch in HaC-zeitlichen Gräbern von Maiersch in Niederösterreich wurden derartige 276 Hundt 1962, 211, Taf. 1/4. 277 Banck-Burgess 1999, 39, Abb. 10. 278 Hrubý 1959, 33 ff, Taf. 6–7, mit Rekonstruktion und Schemazeichnung. Vilém Hrubý deutet dies als Teile von Ringpanzern, was von Hans-Eckart Joachim eher bezweifelt wird. Siehe dazu Joachim 1991, 117. 185 zu Schmucklächen dicht zusammengeschlossene Ringanordnungen entdeckt279. Für die Frühlatènezeit ist im Zusammenhang mit Ringverzierung das berühmte Fürstengrab von Waldalgesheim zu nennen. Hier inden sich Bronzedrahtringe verschiedener Länge und Stärke, die durch Oxidverkrustungen noch im Originalverband erhalten sind280. Die durch die Ringe laufenden Schnüre konnten als 0,4 mm starke S-Zwirne in schwarzer Wolle bestimmt werden. Die Ringe sind anscheinend in verschiedenen Zierzonen angeordnet, eingewoben und eingelochten. Ein aus schwarzer Wolle gewebter bandförmiger Kettrips hatte in der Mitte eine dichtgestellte Reihe von Spiraldrahtröllchen und an seiner Außenkante waren kurze quergestellte Spiralröllchen eingewoben. Eine andere Musterzone war aus feineren parallelen Drahtröhrchen gefertigt, an die Reihen kreuzförmig angeordneter kleiner Röllchen anschließen, wobei diese ebenfalls mit schwarzem Wollzwirn verbunden waren. Insgesamt wird der Fund als Teil eines Brustschmuckes gedeutet, der aus mehreren Musterzonen oder Teilen besteht. Abb. 97: Brno-Židenice in Mähren: Hallstattzeitliches Gewebe mit Metallringen. Einarbeiten von organischen Elementen: organische Perlen oder Samen Bereits überleitend zu den Applikationen sei hier darauf eingegangen, dass auch organische Elemente, die den Menschen hübsch genug erschienen, in Gewebe mit eingearbeitet wurden. Ein besonderes Beispiel dafür ist ein spätneolithisches Stück aus Murten in der Schweiz281 (Abb. 98); an diesem Textil indet sich eine Kombination verschiedenster Techniken. Obwohl es ein Unikat ist, gibt es in seiner Gestaltungsweise gut die handwerkliche „Denkweise“ und Kreativität steinzeitlicher Menschen wieder. Diese wussten, unbelastet von technischen Normierungen, geschickt die verschiedenen Materialgruppen und Herstellungsmethoden zu kombinieren, um Neues zu schaffen. Es handelt 186 279 F. Berg 1962, Taf. 5/2 (Grab 26), 21/1 (Grab 72) und 27/1 (Grab 86). 280 Hundt 1995, 141 ff., Abb. 104–106. 281 Vogt 1937, Abb. 62–64. sich bei dem Exemplar aus Murten um eine Netzlechterei zwischen zwei Gewebestücken. Das Gewebe ist mit Fruchtkörpern versehen, welche durch schräges Abschneiden der beiden Enden Öffnungen erhielten. Die Samen wurden mit Nadel und Faden aufgenäht, was sich daran zeigt, dass an einer Stelle ein Faden des Gewebes durchstochen ist. An dem Fragment sind zusätzlich neben den beiden Feldern mit der Samenstickerei drei Streifen mit Musterung durch lottierende Fäden sichtbar. Auch aus den Feuchtbodensiedlungen der Schweiz und Norditaliens sind spätneolithische und frühbronzezeitliche Gewebe erhalten, deren leinwandbindige Grundstruktur mit eingefügten organischen Elementen (Planzensamen) aufgepeppt wurde. Der Textilrest von Molina di Ledro, Fundstelle Ledro A282, ist beispielsweise mit Planzensamen geschmückt; leider ist er zu fragmentiert, um ein Muster erkennen zu können. Abb. 98: Spätneolithisches Textil von Murten, Schweiz, Schweizerisches Nationalmuseum (Gewebe mit aufgenähten Fruchtkernen) Links Original (Inv. A-11008, alte Ausst. Nr. 85 (SLM)) Rechts Rekonstruktion (Inv. A-11008 .1, alte Ausst. Nr. 85 (SLM)). Musterung mit Nadel und Faden Die Kreativität mit Nadel und Faden ist schier unendlich. Spätestens ab der Bronzezeit ist die Nähkunst mit verschiedenen 282 Bazzanella et al. 2003, 168. 187 Sticharten bereits voll entwickelt (Seite 201 ff.). Es gibt im Prinzip schon alle Techniken, die in der Handnäherei bis in vorindustrieller Zeit, gar bis heute, üblich sind. Das Zusammennähen von Kleidung ist bis weit in die Altsteinzeit zurückzuverfolgen, wobei dort vor allem Leder und Felle verarbeitet wurden. Was liegt da näher, als auch Dekorelemente aufzunähen oder durch geschickte Fadenführung mit Nadel und Faden auf der ledernen oder gewobenen Fläche Muster zu gestalten – also zu sticken? Angenähte Dekorelemente (Applikationen) Der eindrucksvollste Fund eines Kleidungsstückes mit Applikationen aus sehr früher Zeit ist die ca. 25.000 Jahre alte Bestattung von zwei Kindern aus Sungir in Russland283, ca. 200 km östlich von Moskau. Im Grab fanden sich tausende Knochenperlen, die noch genau ihre einstige schmückende Anbringung an der Kleidung rekonstruieren lassen. Quer durch die Zeiten lassen sich nun in den Gräbern Bein-, Bronze- und manchmal sogar Goldobjekte nachweisen, die als aufgenähte Schmuckelemente, als Applikationen an Kleidung gedient haben können. Eine vollständige Aufzählung ist in diesem Rahmen nicht möglich, als Beispiel sollen hier zwei schöne eisenzeitliche Befunde aus österreichischem Boden, von Hallstatt und Mitterkirchen, dienen. Bei den Ausgrabungen im Hallstätter Gräberfeld kamen bereits sehr früh besonders kostbare Funde zutage, so auch bei den zwischen 1846 und 1863 unternommenen Ausgrabungen von Johann Georg Ramsauer. Sie zeichnen sich durch akribische Beschreibungen und Dokumentation mittels aquarellierter Zeichnungen aus (Abb. 99). Bei der Beschreibung von Grab 360 notierte der Ausgräber: „Ein Skelet 4 Fuß tief in erde und auf festen Schotter gelegen, in einem 7 Fuß langen und 3 Fuß breiten Thonsarg [.......], über den Oberkörper bis Hüften um das ganze Skelet ¼ Zoll grohse Bronzknöpf an die Knochen angeklept waren, muhs die Leiche 283 188 Bader und Lavrushin 1998. in einen gestickten Halbmantel gehüllt gewesen sein, welcher nach den vorhandenen Spuren von Leder oder anderem unbekannten Stoff gewesen sein dürfte...[Anm. es folgt die Aufzählung der einzelnen Schmuckgegenstände] ... dann von der Mantlstickerei bei 3000 Bronzknöpf.“284 Wir haben hier also ein schönes Beispiel vor uns, wie ein Kleidungsstück mit tausenden Bronzeknöpfchen verziert wurde. Bei diesem alten Befund ist leider nicht klar, ob es sich beim Trägermaterial um Stoff oder Leder handelte. Abb. 99: Hallstatt, Grab 360: Aquarell des ältereisenzeitlichen Grabbefundes und Bild der Schmuckelemente (von den ursprünglich 3000 Bronzeknöpfen sind nur noch ca. 150 vorhanden). Ebenfalls in die Hallstattzeit datiert das Fürstengrab X von Mitterkirchen. In Grabkammer 2 wurden bei einer Frauenbestattung im Oberkörper- und Beinbereich tausende Bronzeknöpfchen entdeckt. Diese können ebenfalls als Besatz eines prächtigen Mantels interpretiert werden (Abb. 177). 284 Nach Kromer 1959, 94. 189 Stickerei und Ziernähte In der mitteleuropäischen Urgeschichte sind gestickte Muster allgemein seltener als solche, die direkt beim Weben mit eingearbeitet wurden. Neuere Forschungen fördern jedoch immer mehr Funde zutage: Aus dem Pfahlbau von Molina di Ledro, Norditalien, gibt es mehrere frühbronzezeitliche Fragmente von Flachsgeweben in Leinwandbindung mit eingestickten Schlingen als musterbildendes Element285. Ein altbekanntes Textil aus den Schweizer Pfahlbauten ist das berühmte „Kunstgewebe“ von Pfäfikon-Irgenhausen286 (Abb. 100), das zunächst gemeinsam mit steinzeitlichen Funden aus der Schweiz publiziert wurde. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts gelang es, mittels 14C-Datierung das Alter dieses einzigartigen Stückes zu bestimmen. Mit einem kalibrierten Wert von 1.700-1.440 BC ist es nun in den Übergang Früh- zu Mittelbronzezeit zu stellen. Dieses in mehreren Bruchstücken vorliegende Flachsgewebe wurde in Leinwandbindung mit 0,5 mm feinen Fäden (S-Zwirne) gefertigt. Es ist komplex gemustert, was der Forschung Anlass gab, schon viele Vorschläge zu seiner Herstellungsweise zu machen. Emil Vogt, der das Stück als Erster detailliert beschrieben hat, bezeichnete es 1937 als broschiert mit Dreiecken und Schachbrettmustern. Er gibt auch in Schemazeichnungen die komplexen Fadenführungen wieder – sie lottieren teils in Schussrichtung, teils in Kettrichtung, aber auch schräg. Der Richtungsverlauf ist von den verschiedenen Musterfeldern abhängig, sehr variationsreich und aufwändig. Die Musterung besteht aus großen gefüllten Dreiecken, getrennt durch horizontale Bänder mit schachbrettartigen Mustern, eingefasst von Bändern in Schachbrettmuster. Johanna BanckBurgess zählt dieses Gewebe zu jenen, die in der Technik „liegender Faden“ gefertigt wurden. Nach neuesten Forschungen der Schweizer Textilexpertin Antoinette Rast-Eicher handelt es sich aber um eine Stickerei287. 190 285 Bazzanella et al. 2003, S. 170. „ricamo a festoni“ = Stickerei mit Festonstich. 286 Detaillierte Erstbeschreibung: Vogt 1937, 76–90, Abb. 112–150. Erneute technische Beschreibung: Rast-Eicher in Bazzanella et al 2003, 226 f. – Rast-Eicher 1997, 309. 287 Freundliche Mitteilung Rast-Eicher. Publiziert in: Rast-Eicher & Dietrich (in Vorb.). Ein bereits länger bekanntes Exemplar einer echten Stickerei war an einem Gewebe angebracht, das in einen Fußreifen aus Bronzeblech gestopft worden war (vgl. Seite 267). Es stammt aus einem latènezeitlichen Grab aus Nové Zamky288 in der Slowakei (Abb. 101). Abb. 100: Rekonstruktion des „Kunstgewebes“ von Pfäfikon-Irgenhausen, Bronzezeit. Schweizerisches Nationalmuseum. Das leinwandbindige Gewebe besteht aus Flachs und hat sehr ausgeprägte Einstichlöcher, in denen sich noch teils Stickfäden aus roter Wolle erhalten haben. Entlang der Stichführung sind Verziehungen des Stoffes zu beobachten. Es ergab sich die Frage, ob auch dieses Exemplar als mit „liegendem Faden“ hergestellt zu werten sei. Aufgrund der angeführten Charakteristika ist es 288 Zuletzt bei Belanovà 2005, Abb. 3, 4 und Farbtaf. 20. 191 Abb. 101: Gesticktes Gewebe aus Nové Zamky, Slowakei, Latènezeit. aber sicher, dass es eine Stickerei ist, da die mit „liegenden Fäden“ beim Weben gemusterten Stücke eine glatte Oberläche haben und die Musterfäden keine großen Löcher hinterlassen würden. Das Muster von Nové Zamky wurde als S-Muster bzw. als ineinandergreifende Trompetenmotive beschrieben. Das gestickte Motiv erscheint kurviger als die stark geometrischen eingewobenen Muster. Das Motiv der Stickerei, das Trompetenmuster, ist typisch für den frühlatènezeitlichen Stil. Auch unter den Textilfunden aus dem Salzbergwerk von Dürrnberg­Hallein289 (Abb. 102) ist aus den neueren Grabungen ein derartiges Fragment bekannt. Dieses Gewebe hat ein köperbindiges Grundgewebe und zeigt darauf Muster aus einem Band farbiger s-Haken in grün, weiß und rot, mit einem zentralen Musterfeld aus Zinnenmäandern sowie in den Zwickeln begleitende Dreiecke in Rot und Grün. Die erkennbare Fadenführung 289 192 Von Kurzynski 1998, 566 ff., Abb. 8. des Gewebes lässt hier ebenfalls eher auf Stickerei als auf die Technik des „liegenden Fadens“ schließen. Zu den Stickereien im weitesten Sinne kann die Ziernaht aus Hallstatt gezählt werden290 (Abb. 103). Bei einem größeren Stoffstück wurde ein rechteckiger Teil sorgfältig eingesetzt und die Naht auf der „Schauseite“ mit dichtem Schlingstich abgedeckt, der als Schmuckelement zweifarbig, in Blau und Weiß, ausgeführt wurde. Dasselbe Gewebe trägt an der Rollsaumkante vier Stielstichreihen ebenfalls in Blau und Weiß, also farbig auf die Ziernaht abgestimmt. Abb. 102: Dürrnberg, Österreich: Köperbindiges Gewebefragment aus dem Salzbergwerk mit Muster, Frühlatènezeit. Bemalen von Stoffen In vielen prähistorischen Kulturen spielte die Verwendung von Farbe eine große Rolle. Sie zählt zu den ältesten Schmuckarten überhaupt, so sind erste Farbreste von den Neanderthalern erhalten. Verschiedene mit Malmustern verzierte Gegenstände und vor allem die eindrucksvollen Höhlenmalereien wie in 290 Mautendorfer 2005, 42, Abb. 13 (Ziernaht), Abb. 6 (Stielstich). Naturhistorisches Museum Wien Inv. Nr. 75.955, Gewebe nach Hundt Nr. 64. Siehe auch Farbtaf. 9/2. 193 Abb.103: Hallstatt Salzbergwerk, Gewebe mit Ziernaht aus der Älteren Eisenzeit. Altamira und Lascaux291 erzählen eindrucksvoll von der Bedeutung farbiger Bilder selbst für altsteinzeitliche Menschen. Die häuigste archäologische Hinterlassenschaft zur Farbe sind vor allem bemalte Tongefäße. In unserem Raum hat uns in der mittleren Jungsteinzeit die Lengyelkultur292 oder Bemaltkeramik formschöne Keramik mit ausgefeilter geritzter und bemalter Musterung hinterlassen (Abb. 104). Rot und Gelb von Rötel und Ocker, Weiß von Kalk und Schwarz von Holzkohle wurden dafür verwendet und in geometrischen Motiven aufgetragen. Farbiger Hüttenlehm – der Lehmbewurf von Häusern aus dieser Zeit – deutet sogar an, dass selbst die Behausungen bunt geschmückt wurden. Aus Falkenstein in Niederösterreich gibt es eine Frauenigur, die am Unterleib mit einem Malmuster geschmückt ist (Abb. 151). Was liegt näher, als anzudenken, dass auch Kleidung aus Stoff oder Leder mit aufgemaltem Dekor versehen wurde? Die glatte Fläche eines leinwandbindigen Gewebes ist eigentlich prädestiniert als Untergrund für Malerei. Mangels 194 291 Clottes 2003. 292 Urban 2000, 80–92. Abb. 104: Bemalte Keramik aus Falkenstein in Österreich, Mittlere Jungsteinzeit. zeitgenössischer textiler Funde mit Bemalung lässt sich dies jedoch nicht beweisen. Auch in der Eisenzeit ist beispielsweise die Hallstattkultur stark von Farbe geprägt. Kräftige Kontraste, etwa die Schwarz-RotBemalung der Keramik prägen diese Zeit293. Im textilen Bereich wurde dieses Designprinzip der starken, tiefen Farben wohl gerne mit Behandlung der Stoffe im Farbbad, mit großzügigen Farbmustern in gefärbten Garnen umgesetzt. Ein bemalter Stoff wurde unter den zahlreichen, vorzüglich und farbig erhaltenen Fragmenten aus den österreichischen Salzbergwerken bisher nicht entdeckt. Bei mineralisierten Textilien in Gräbern ist es hingegen einsichtig, dass keine Farbigkeit mehr vorhanden ist. Man mag das Fehlen von bemalten Stoffen auch darauf zurückführen können, dass sich eine eventuell aufgetragene Malfarbe unter feuchten Bedingungen (etwa Feuchtbodensiedlungen, Moore, Salzbergwerk) löst. Dennoch gelang es den Forscherinnen 293 Siehe etwa Kern, Kowarik, Rausch und Reschreiter 2008, z. B. S. 121. 195 des Centre for Textile Research in Copenhagen bei der neuerlichen Analyse der eisenzeitlichen Moorfunde Dänemarks, auch Hinweise auf ein bemaltes Textil zu entdecken294. Es handelt sich bei dem Fund aus Ømark in Dänemark, datierend zwischen 390 bis 200 v. Chr., um ein vollständiges rechteckiges Tuch mit einem aufgemalten Muster aus Wellenlinien. Ist dies nun ein singulärer Fund oder nur der Anzeiger von Fundlücken? – Wir wissen es nicht. Ansonsten sind bemalte Stoffe eher an Textilien aus trockener Erhaltung nachgewiesen, etwa an Geweben aus Ägypten295. Im antiken Griechenland296 sind – wohl bedingt durch den Forschungsstand und die Erhaltungsbedingungen – bemalte Stoffe selten, die wenigen Nachweise stammen von der Krimhalbinsel. Die auf den griechischen Gefäßen als Verzierung von Kleidung abgebildeten Muster in loralem, ornamentalem oder igürlichem Design, konnten neben Malerei auch mit anderen Techniken gestaltet werden. So sind Kelimstechniken (bzw. „Wirken“) durch mehrere gemusterte Gewebe aus reichen Gräbern des 5. bis 4. Jahrhunderts v. Chr. nachgewiesen. Bei diesen werden farbige Schussfäden verwendet, die im Gewebe nur so weit geführt werden, wie es das Muster erfordert. Ausrüsten von Stoffen Die Gewebeausrüstung umfasst jene Arbeitsschritte, die nach Abnahme eines Textils vom Webstuhl stattinden und der Veredelung der Stoffe dienen. Sie tragen entscheidend zur Qualität und zum Aussehen des Fertigproduktes bei. Bei der Ausrüstung werden die Textilien je nach Rohmaterial und intendiertem Verwendungszweck unterschiedlich nachbehandelt. Nach Claus 196 294 Freundlicher Hinweis Ulla Mannering, Projekt „Textile and Costume from Bronze and Early Iron Age in Danish collections“. Kurz erwähnt in Mannering, Possnert, Heinemeier und Gleba 2010, 266. 295 Als kurzer Überblick zur Textilkunst der mediterranen Welt, besonders zu Ägypten siehe Barber 1991. 296 Pekridou-Gorecki 1989, Bemalte Stoffe: 50, Abb. 26. – Kelimstechniken: 42 ff. Siehe dazu die Überlegungen bei Banck-Burgess 1999, 62 ff. Fundorte Kerameikos, Koropoi, Lefkandi und Vergina. Im Katalog S. 227 ff. Tidow297, dem ehemaligen Leiter des Textilmuseums Neumünster in Deutschland sind in vorindustrieller Zeit die wichtigsten Verfahren zur Behandlung von Wollgeweben das Noppen, Waschen, Walken, Trocknen, Rauhen, Scheren und Pressen. Bei Leinengeweben war Bleichen und Glätten üblich. Wie Tidow selbst betont, sind diese Ausrüsteverfahren bis in das Hochmittelalter nur selten durch archäologische Funde, Abbildungen oder Schriftquellen belegt. An archäologischen Textilien ist nur noch schwer zu entscheiden, ob die im jetzt vorliegenden Zustand optisch erkennbaren Merkmale als bewusste Gewebeausrüstung durchgeführt wurden, ob sie im Zuge der Benützung und teilweisen Sekundärverwendung entstanden oder ob sie als ein Ergebnis der Bodenlagerung und der Verrottung zu werten sind. Ausrüsten von Wollgeweben Das Noppen von Stoffen diente nach mittelalterlichen Aufzeichnungen und Bildquellen dazu, Verunreinigungen aus dem Textil zu entfernen und Unregelmäßigkeiten auszugleichen. Dies geschah mit einem pinzettenartigen Noppeneisen. Pinzetten wurden zwar öfter in eisenzeitlichen Gräbern298 gefunden, dieses Allzweckgerät diente aber in diesen Fällen wohl dazu, unerwünschte Haare zu entfernen. Ein direkter Zusammenhang zwischen Textilverarbeitung und Pinzetten gelang für die mitteleuropäische Urgeschichte bisher nicht. Mittels Aufrauhen wurde ein Faserlor auf der Oberläche von Wollgeweben erzeugt. Das dazu benützte Gerät ist entweder die Kardendistel oder eine mit Nadeln besetzte, bürstenartige Kratze, wie auf einem römischen Wandbild aus Pompeji dargestellt299. Die bereits in Kapitel „Vorbereitungsarbeiten“ besprochen „Hechelbretter“ wären ebenfalls einsetzbar. 297 Tidow 2005. 298 beispielsweise Gräber vom Dürrnberg. Pauli 1978, 260–261. 299 vgl. Wild 1970, 180. 197 Gewalkte Wolltextilien zeichnen sich durch eine starke Oberlächenverdichtung und -verilzung aus. Ob diese Oberlächenstruktur durch Walken gezielt herbeigeführt wurde oder durch den Gebrauch, möglicherweise auch durch die Lagerung im Boden entstand, muss bei jedem Einzelstück separat entschieden werden. Unter den bronze- und eisenzeitlichen Geweben vom Salzbergwerk Hallstatt inden sich jedoch einige Stücke, die offenbar gezielt verilzt, also gewalkt, wurden300. Diese sind an den Oberlächen teils so stark verilzt, dass die Gewebestruktur nicht mehr klar sichtbar ist (Abb. 105). Weitere gewalkte Textilien sind aus dem frühbronzezeitlichen Unterteutschenthal in Deutschland belegt301. Das Wollgewebe wird beim Walken302 zunächst unter Zugabe eines Walkmittels wie tonhaltiger Erde oder abgestandenem Urin von Fetten gereinigt und schließlich gestampft und geknetet, um die gewünschte Verdichtung der Gewebefäden untereinander zu erreichen. Die Walkmittelzugabe erleichtert die Verilzung unter anderem durch die Entfernung der enthaltenen Fette. Der Grad der Verilzung kann beim Walken durchaus intentionell gesteuert werden, je nach Intensität des Walkvorganges. Durch das Walken schrumpft das Gewebe, wobei sich der Wollstoff durch das Einlaufen in Kett- und Schussrichtung verdichtet und sich so die Zug- und Scheuerfestigkeit erhöht. Durch Walken wird der Stoff dichter, dicker und somit auch wasserabstoßend und sehr strapazierfähig. Ab römischer Zeit ist Walken auch schriftlich nachgewiesen, da es einen eigenen Berufsstand, den des Walkers (fullo) gibt. Ebenfalls aus römischer Zeit (1. Jahrhundert n. Chr.) stammt ein Grabstein aus Sens, Frankreich303, der plastisch die Tätigkeit eines Walkers zeigt. Dieser stampft mit den Füßen ein Gewebe in einem quadratischen Bottich. Dahinter hängt an einer Stange ein Tuch zum Trocknen. 198 300 Grömer 2007, 244–245. z. B. Hallstatt-Textil 95 oder 223. 301 Schlabow 1959, 118–120. 302 siehe Schlabow 1974, 187. – Tidow 2005, 370 f. 303 Wild 1970, Abb. 73. Echter Filz, der nicht auf dem Walken eines Gewebes basiert, sondern rein auf der Verbindung von Wollfasern, indet sich in der Hallstattkultur Mitteleuropas in der Býčí skála-Höhle, einem Höhlenopferplatz in Mähren304. Abb. 105: Verilztes (gewalktes) Gewebe aus dem Salzbergwerk Hallstatt, Ältere Eisenzeit, mit Detail der Oberläche. Der nächste Arbeitsschritt wäre nun nach Tidow 2005 das Spannen und Trocknen der gewalkten und gewaschenen Tuche, um diese wieder auf eine gleichmäßige Länge und Breite zu bekommen. Dies ist nun – ebenso wie das Pressen – für die Urgeschichte nicht nachweisbar – wohl aber denkbar. Ein Wandbild aus Pompeji zeigt, dass in römischer Zeit die Wollgewebe zwischen erwärmte Eisenplatten gelegt und mit einer Schraubenpresse gepresst wurden. 304 vgl. Rast-Eicher 1995, 168 f. 199 Ausrüsten von Leinengeweben Leinengewebe wurden durch Bleichen und Glätten behandelt. Beim Glätten mittels rundlicher Glättsteine erzielte man eine ebenmäßige, geschlossene Oberläche. Solche Glättsteine aus Glas sind auch im Nordwesten Europas aus der römischen Kaiserzeit nachgewiesen305. Glatt polierte Kieselsteine können ebenso wie Glas verwendet werden. Siedlungsfunde von glatten Kieseln werden aber in der Archäologie meist nicht in diese Richtung interpretiert. Es indet sich in der Literatur bisher lediglich ein Hinweis auf einen Glättstein: Unter einem Abri, einem überhängenden Felsdach im schluchtartig engen Mühltal in Deutschland (Abri Mühltal I)306, wurden Fundstücke entdeckt, die textiles Arbeiten an diesem saisonal genutzten Platz belegen. In der jungbronzezeitlichen Fundschicht 6 fand man ein Webbrettchen, ein Fragment eines keramischen Spinnwirtels sowie einen Glättstein aus einem kleinen Bachgeröll, vermutlich aus Kieselschiefer. Dieser war allseitig zu einer verrundet-kantigen Würfelform glattgeschliffen und poliert worden. Die Fundschicht 6 wird durch 14 C -Proben von Holzkohle in den Zeitraum zwischen 1.400 bis 1.075 v. Chr. datiert. Allgemein ist aber das Glätten, wie auch das nachfolgend beschriebene Bleichen, noch nicht für die Urgeschichte belegt, da es auch an den erhaltenen Originaltextilien nach der langen Bodenlagerung nicht sichtbar ist. Das Bleichen von Leinen mit Naturmitteln ist ein Verfahren, das in Mitteleuropa noch bis in das 20. Jahrhundert praktiziert wurde – wie weit diese Verfahren in der Geschichte zurückgehen, ist aber nicht bekannt. Um dem Leinen ein weißes Aussehen zu geben, wurde das Leinengut in den Sommermonaten auf Wiesen gelegt und mit Wasser besprüht. Dies wird uns auch durch einen volkskundlichen Beleg aus dem oberösterreichischen Mühlviertel vom Beginn des 20. Jahrhunderts vor Augen geführt (Abb. 106). Hier wird auf einer Wiese vor dem Riweinhof in Alberndorf Wäsche gebleicht. 200 305 Tidow 2005. 306 vgl. Grote 1994, Teil I/1, S. 141–149; Teil I/2, Taf. 101,3. Neben diesen speziellen Veredelungsmethoden für Wolle und Leinen wird auch das bereits in Kapitel „Färben“ (Seite 143 ff.) beschriebene Färben zu den Veredelungstechniken gezählt. Abb. 106: Wäschebleiche beim Riweinhof in Alberndorf, Oberösterreich. Bild im Heimathaus Gallneukirchen. Nähen und Schneiderei (Helga Rösel-Mautendorfer) Seit dem Beginn der Kleidung im Paläolithikum werden Stoff-, Leder- oder Fellteile mit Nadel und Faden zusammengenäht. Ganze Gewänder sind sehr selten und die erhaltenen Textilien sind meist sehr klein. Dennoch weisen viele dieser Funde auf unterschiedliche Nähtechniken hin. 201 Das Nähen diente nicht nur dazu, Stoffteile zu verbinden oder zum Versäumen von Kanten, sondern hatte auch eine Verzierungsfunktion (vgl. Seite 162 ff.) wie bei Ziernähten und der Stickerei. Das Annähen von Borten und anderen dekorativen Elementen wie Bronzeknöpfchen und Zierblechen gehört zu den Aufgaben der­des Nähenden. Weiters spielte auch das Ausbessern von Stoffen, das Stopfen und Flicken, eine nicht geringe Rolle im Bereich der Nähtechnik. Werkzeuge Das wichtigste Werkzeug fürs Nähen ist die Nadel. Nadeln kommen im Fundmaterial aus Knochen oder Geweih, aus Bronze und Eisen vor und sind leider eher selten. Die Nähnadel307 als kulturtechnische Errungenschaft begleitet den Menschen schon seit der Altsteinzeit, da man auch ohne Nadel mit Öhr nähen kann. Wahrscheinlich haben schon die Neanderthaler und sicher die Menschen im Jungpaläolithikum genäht. Sie haben zuerst die Löcher vorgestochen und dann einen Faden durchgezogen. Knochennadeln mit Öhr aus Grubgraben bei Kammern oder vom Petersfels im Hegau belegen seit dem Gravettien spätestens um 20.000 vor Christus, dass bereits genähte Leder- und Fellkleidung benützt wurde. In der Steinzeit wurden Nadeln und Ahlen aus Knochen hergestellt, in der Bronzezeit verwendete man daneben auch solche aus Bronze. Funde von spätbronzezeitlichen Bronzenadeln stammen zum Beispiel aus Mörigen. Hallstattzeitliche Bronzenadeln wurden in Hochdorf und Hallstatt entdeckt (Abb. 107). Die Nadeln weisen unterschiedliche Längen und Stärken auf. Eine sehr feine Nadel beispielsweise aus Hochdorf mit nur 1,7 cm Länge wurde wahrscheinlich zum Zusammennähen sehr feiner Stoffe verwendet. Latènezeitliche Nähnadeln sind weiters aus Kundl in Tirol erhalten, eiserne Nähnadeln aus Manching in Deutschland. 307 202 Nadelfunde: Grub-Kranawetberg: Naturhistorisches Museum Wien, Forschungen Walpurga Antl-Weiser. – Petersfels: Stradal und Brommer 1990, 7. – Möringen: Bernatzky-Goetze 1987, Taf. 106. – Kundl: Lang 1998, Taf. 34. – Manching: von Kurzynski 1996, S. 16, Abb. 16. Nachweise für zugeschnittene Kleidungsstücke inden wir bei den bronzezeitlichen Textilien, speziell bei den Blusenfunden aus Jütland (vgl. Seite 291 ff.). Auch bei den Textilien aus Hallstatt indet man ab der Mittelbronzezeit schräg bzw. bogig zum Fadenlauf geschnittene Stoffe. Der Zuschnitt wurde zu dieser Zeit mit Messern oder Klingen durchgeführt. Es eignen sich zum Zuschneiden von Stoff Steinklingen ebenso wie Metallklingen. Der Zuschnitt muss allerdings auf einem harten Untergrund erfolgen, zum Beispiel auf einem Holzbrett oder einem lachen Stein. Ab der Jüngeren Eisenzeit konnte man die neu erfundene Schere zum Zuschneiden von Stoff verwenden. Funde von Eisenscheren inden sich ab der frühen Latènezeit (Abb. 24), etwa in Mannersdorf und Pottenbrunn308. Stichtypen in der Urgeschichte Bereits aus dem Neolithikum stammen einige Textil-, Lederund Fellfunde mit Stichen, Nähten und Säumen. Die wenigen genähten Textilfunde aus dieser Zeit weisen dabei schon unterschiedliche Stichtypen auf309: So beindet sich auf einem Textilfund aus Çatal Hüyük ein mit Vorstichen befestigter Saum. Ein vollständiges Kleidungsstück, datierend etwa 3.000 v. Chr., stammt aus Tarkhan in Ägypten. Bei dem tunikaähnlichen, langärmeligen Oberteil wurden alle Nähte und Säume mit einem Überwindlingsstich oder Saumstich genäht. Abb. 107: Nähnadelfunde aus verschiedenen Gräbern von Hallstatt. Der Überwindlingsstich, der Saumstich und der Vorstich gehören zu den einfachsten Stichen in der Handnäherei. Diese drei 308 Mannersdorf: Freundliche Mitteilung Peter Ramsl. In 7 Männer- und 4 Frauenbestattungen fanden sich insgesamt 12 Scheren. – Pottenbrunn: Ramsl 2002, 86 f. „diese Schneidewerkzeuge treten ab der Phase Lt B1 in Gräbern der nordalpinen Eisenzeit auf.“ 309 Barber 1991, 129 (Çatal Hüyük), 147–148 (Tarkhan). 203 Sticharten kommen auch am häuigsten im Fundmaterial der Urgeschichte vor. Der Überwindlingsstich (auch Überwendlichstich oder Windelstich310) (Abb. 108) und der Saumstich zeigen dasselbe Stichbild und werden auf die gleiche Art ausgeführt, indem man über die Nähgutkante sticht und somit die Stoflagen miteinander befestigt. Die Stiche dienen allerdings einem unterschiedlichen Zweck, der eine zum Zusammennähen von Stofflächen, der andere zum Säumen. Während der Saumstich ganz klar nach seiner Funktion benannt ist, wird der Überwindlingsstich nach Art der Ausführung bezeichnet. In der „Enzyklopädie Nähstiche und Stoffe“ von Lorna Knight werden diese Stiche wie folgt beschrieben311: „Der Überwendlichstich ist ein Handnähstich zum Versäubern von Stoffkanten um das Ausfransen zu verhindern. Er wird auch zum Verbinden von nicht fransenden Stoffstücken benutzt. […] Der einfache Saumstich besteht aus einer Reihe von kleinen, schrägen Stichen, die einen Saum befestigen.“ Beispiele von Überwindlingsstichen sind auf der Lederkleidung des Mannes aus dem Eis zu inden (siehe Seite 212 ff.). Die bronze- und eisenzeitlichen Textilfunde in Mitteleuropa weisen ebenfalls den Saum- und Überwindlingsstich als häuigste Variante auf. Es ist der gängigste Nähstich zum Zusammennähen, Ansäumen und Aufbringen von Borten oder Flicken. Auch bei den nordeuropäischen Kittel- und Hosenfunden der Eisenzeit ist dieser Stich vorrangig. In der Hallstattzeit kommt der Überwindlingsstich mit Zierfunktion ganz dicht gearbeitet vor. Diese Variation wird wegen ihres Aussehens Schnurstich oder Raupenstich genannt. Abwechselnd in blau und weiß gearbeitet, verziert er die Kante eines eingenähten Flickens eines hallstattzeitlichen Stoffes (Abb. 103)312. Bei den Textilien aus Hallstatt ist auch der Vorstich belegt (Abb. 108). Der einfachste aller Stiche entsteht, wenn die Nadel in gleichmäßigen Abständen abwechselnd über und unter dem 204 310 De Dillmont 1863, 9. – Knight 2008, 37. – Rösel-Mautendorfer 2010 (in Vorbereitung). 311 Knight 2008, 37 (Überwendlichstich), 33 (Saumstich). 312 Mautendorfer 2005, 47. Grundstoff durchläuft313. In der „Enzyklopädie Nähstiche und Stoffe“ wird der Stich folgenderweise beschrieben: „Der Vorstich ist eine einfache Reihe von Stichen, bei denen der Faden eine gleichmäßig gepunktete Linie formt. Kurze Stiche bilden eine Naht, längere Stiche dienen als Heftstiche, um Stoffe zeitweise zusammenzuhalten.“314 Anders als beim neolithischen Beispiel aus Çatal Hüyük indet dieser Stichtyp in der Hallstattzeit auch als Zierstich Verwendung. Abb. 108: Sticharten aus der Urgeschichte mit Beispielen aus dem Salzbergwerk Hallstatt. 313 Bridgeman und Drury 1978, 313. – de Dillmont 1863, 5. – Gillow und Sentance 1999, 172. 314 Knight 2008, 28. 205 Ein hallstattzeitlicher Fund zeigt eine Vorstichreihe in einer sich vom Stoff abhebenden Farbe als Zierde parallel zur eigentlichen Naht gearbeitet315 (Abb. 108). Einen nähtechnisch außergewöhnlichen Fund stellt das bestickte latènezeitliche Textil aus Nové Zámky dar. Es zeigt eine rautenähnliche bzw. trompetenförmige Stickerei, die mit unterschiedlich langen Vorstichen erzielt wurde316 (Abb. 101). Ein optisch dem Vorstich ähnlicher Stich ist der Rückstich. Im Gegensatz zur durchbrochenen Vorstichreihe zeigt der Rückstich jedoch eine durchgängige Linie, die durch Rückstechen der Nadel erreicht wird. Ein neolithischer Fund aus Schafis, Schweiz317, zeigt im Gewebe eine solche Rückstichreihe, die allerdings nicht ins fertige Gewebe genäht, sondern während des Webvorganges durch regelmäßiges Umwickeln zweier Webfäden gearbeitet wurde. Nach der Webkante wurden immer zwei Webfäden mit einer Art Rückstich zur Fixierung der Fäden umwickelt, danach wurde der Webvorgang in Leinwandbindung fortgesetzt. Dieses Beispiel zeigt, dass dieser Stich möglicherweise aus der Umwickeltechnik entstanden sein könnte. In der Urgeschichte kommt der Stich allerdings kaum vor. In einigen Fällen ist es schwierig festzustellen, ob man es mit einem Rückstich oder Stielstich zu tun hat, da die Rückseite des Stielstiches immer einen Rückstich zeigt. Aus Hallstatt gibt es einen Textilfund mit mehreren beschädigten Stielstichreihen an der Saumkante318, falls diese Stoffkante mit einem anderen Stoff verbunden war, wäre es durchaus möglich, dass hier Rückstichreihen genäht wurden und erst danach die Kanten angesäumt wurden. Der Stielstich (Abb. 108) kommt bei den bronzezeitlichen sowie bei den hallstattzeitlichen Textilien aus Hallstatt vor. Der Stielstich319 ist ein Linienstich, bei dem der Faden rechts oder links von der Nadel liegt. Der Stich wird leicht schräg gearbeitet, 206 315 Hundt 1960, 139–142. 316 Belanová 2005, 177–179. – Pieta 1992, 52–65. 317 Barber 1991, 135–136. – Vogt 1937, Abb. 92. 318 Katharina von Kurzynski, Unveröffentlichter Katalog der Hallstatt-Textilien im Naturhistorischen Museum Wien 1986–1991. 319 Technisches zum Stich: Bridgeman und Drury 1978, 318. – de Dillmont 1863, 43. – Knight 2008, 102. wobei der nächste Stich immer auf der halben Strecke des letzten Stiches beginnt. In der Hallstattzeit scheinen farbig gestaltete Stielstichreihen ebenfalls ein Verzierungsmotiv für Gewebekanten zu sein. Bei zwei hallstattzeitlichen Textilien kommen solche farbigen Stielstichreihen an Kanten vor320. Stickereien mit Kombinationen aus Stiel-, Rück, Vor- und einer Art Kreuzstich verzieren das berühmte bronzezeitliche „Kunsttextil“ von Irgenhausen (zu diesem Fund vgl. Seite 162 ff.). Der Festonstich (auch Schlingstich, Schlingenstich, Knopflochstich, Languettenstich oder Einfassstich321, Abb. 108) wird entlang der Kante genäht, wobei jeder Stich mit dem vorherigen verschlungen wird. Dazu legt man unter der Nadel eine Schlaufe und zieht die Nadel durch, sodass der Faden entlang der Kante liegen bleibt. Der Festonstich kommt öfter im Hallstätter Salzberg vor322. Einige der Textilreste aus dem bronzezeitlichen Fundpunkt Christian-von-Tusch-Werk haben Säume, die über die gesamte Saumbreite mit Festonstichen befestigt wurden. Bei einem Fund aus der Hallstattzeit aus dem Kilbwerk wurde die Kante mit einer dichten Reihe von Festonstichen oder Knoplochstichen versäubert. Anders als bei den bronzezeitlichen Funden wurde der Faden hier von der anderen Richtung um die Nadel geführt, was eine mit Knötchen verstärkte Kante zur Folge hat, wie sie auch heute noch bei handgenähten Knopflöchern üblich sind. Zur Vollständigkeit soll hier noch der Kettenstich angeführt werden, der in Mitteleuropa zwar erst im frühen Mittelalter öfters auftritt (zum Beispiel auf dem Wandteppich von Bayeux), aber bereits seit etwa dem 14. Jahrhundert v. Chr. in Ägypten vorkommt. Aus dem Grab des Tutenchamun stammen eine ägyptische Tunika und ein weiterer Textilrest aus der 18. Dynastie, die mit Kettenstichen bestickt sind323. Der Kettenstich indet sowohl als Füllstich oder als Linienstich Verwendung. Der Faden wird 320 Von Kurzynski, Unveröffentlichter Katalog 1986–1991. 321 Zu Deinition und Technik des Stiches: Bridgeman und Drury 1978, 315, 317. – de Dillmont 1863, 42. – Knight 2008, 31. – Peter 1926, 57. – Rösel-Mautendorfer 2010. 322 Grömer 2007, 393–424. – Mautendorfer 2005, 43, Abb. 4 (Bronzezeit), Abb. 5 (Hallstattzeit). 323 Barber 1991, 159–162. 207 dabei zunächst in eine Schlinge gelegt, am Anfang der Schlinge wird die Nadel wie beim Vorstich durch den Stoff geführt und ixiert so das Ende der Schlaufe. Der nächste Stich wird am Ende der ersten Schlaufe eingestochen und bildet so eine kettengliedähnliche Form. Die Oberseite der Stichreihe zeigt eine Kette und die Rückseite eine gerade geschlossene Stichlinie324. Naht- und Saumarten in der Urgeschichte Seit dem Neolithikum haben wir Funde von einfachen Nähten, wie zum Beispiel bei der Felljacke des vor über 5.000 Jahren in den Ötztaler Alpen verunglückten Mannes aus dem Eis325. Allein in Hallstatt indet man sieben verschiedene Arten von einfachen Nähten: die einfache Naht an zwei Stücken mit Schnittkanten, die einfache Naht zwischen einem Stück mit Schnittkante und einem Stück mit Saum, die einfache Naht zwischen einem Stück mit Schnittkante und einem Stück mit umgelegter Kante, die einfache Naht zwischen zwei Säumen (Abb. 109), die einfache Naht zwischen zwei Stücken mit umgelegten Kanten, die einfache Naht zwischen einem Stück mit einem Saum und einem Stück mit einer Webkante und die einfache Naht zwischen zwei Stücken mit Webkanten. Bei diesen Nähten wurde zum Zusammenfügen der Gewebelächen der Überwindlingsstich verwendet326. Die bronzezeitlichen Gewänder aus Jütland wurden ebenfalls durch einfache Nähte verbunden. Die Schnittkanten der Gewebe wurden übereinander gelegt und abgenäht327. Neben den einfachen Nähten kommen in Hallstatt auch Kapp­ nähte vor. Bei diesem Nahttyp werden die Schnittkanten umgelegt und ineinander geschlagen befestigt. Durch dieses Verschränken der Schnittkanten kommt es zu einer sauberen und starken Naht328 (Abb. 109). Obwohl zu dieser Zeit Linienstiche, 208 324 Gillow und Sentance 1999, 178. 325 Fleckinger 2003. – Spindler 1993. 326 Rösel-Mautendorfer 2010. 327 Hald 1980, 159. 328 Mautendorfer 2005, 43–44. Abb. 109: Nahtarten an Beispielen aus Hallstatt und Dürrnberg, Eisenzeit sowie die sogenannte Thorsbergnaht. 209 also Vor-, Rück- oder Stielstich, bekannt waren, wurde der Arbeitsvorgang anders als heute gearbeitet. Bei den Kappnähten aus Hallstatt wurden beide Kanten eingeschlagen und ineinander gelegt und an beiden Seiten mit Überwindlingsstichen festgenäht. Kappnähte sind sehr strapazierfähig und werden deshalb heute beispielsweise vor allem für die äußeren Seitennähte von Jeans verwendet. Bei Kappnähten wird heute bei maschineller Verarbeitung so vorgegangen: die zwei Stoflagen werden entsprechend ineinander verschränkt und dann mit zwei parallelen Maschinennähten festgenäht. Eisenzeitliche Funde329 vom Dürrnberg (Abb. 109) und aus Damendorf sind für durchbrochene Verbindungsnähte bekannt, die neben der Zusammenfügung von Stoffelementen auch ein sehr dekoratives Element darstellen. Eine Besonderheit stellt die Thorsbergnaht330 dar. Hier werden nicht – wie üblich – zwei Lagen Stoff miteinander verbunden, sondern es werden auch die umgeschlagenen Kanten mitgenäht. Durch die damit vier verbundenen Stoflagen ist die Naht sehr strapazierfähig. Grundsätzlich indet man zwei Arten von Säumen (Abb. 110): zweimal umgeschlagene Säume und einmal umgeschlagene Säume, wobei eine Kante versäubert wird. In der Urgeschichte wurden nicht nur Schnittkanten eingesäumt, sondern es wurden auch Webkanten umgeschlagen und durch einen Saum verstärkt. Befestigt werden die Säume meistens mit Saumstichen, aber auch Vorstiche und Festonstiche sind üblich. Bei den bronzezeitlichen Textilien aus dem Christian-von-TuschWerk des Salzberges von Hallstatt kommen viele Saumstücke auf relativ festem Material vor. Die Säume sind unterschiedlich gestaltet, die Kante selber ist oft noch verstärkt. Ein Großteil der Säume ist mit einem Festonstich über die ganze Saumbreite befestigt. Manche sind mit Saumstichen angesäumt, andere mit Überwindlingsstichen über die ganze Saumbreite genäht. Einer der mit Saumstichen befestigten Säume hat zur Verstärkung 210 329 Damendorf: Schlabow 1976, Abb. 248. – Dürrnberg: Stöllner 2002, Taf. 373. 330 Kania 2007, 279. an der Saumkante Überwindlingsstiche, die bis zur Mitte der Saumbreite reichen. Bei einem anderen Textilstück wurde eine Schnur zur Verstärkung der Kante aufgenäht331. Bei den hallstattzeitlichen Textilien aus dem Salzberg in Hallstatt wurden die Säume nur mit Saumstichen am Gewebe befestigt, es kommen keine Saumkanten wie bei den bronzezeitlichen Textilfunden vor, die über die gesamte Saumbreite mit Stichen ixiert wurden. Die meisten Saumreste liegen parallel zur Fadenrichtung. Es gibt allerdings auch einen runden Saum, einen Saum schräg zur Fadenrichtung und einen Saum, der eckig gearbeitet ist, von einem fadengeraden Stück über die Ecke zu 331 Abb. 110: Saumarten an Beispielen aus dem Salzbergwerk Hallstatt in Österreich: a) bronzezeitliche Funde b) eisenzeitliche Funde. Grömer 2007, 366–429. 211 einem schrägen Stück verläuft. Diese Details lassen Vermutungen zur Schnitttechnik zu. So muss man in der Hallstattzeit auch mit runden Säumen und vielleicht auch Armausschnitten oder eckigen Abschlüssen rechnen332. Ebenso kennen wir Bortenabschlüsse an Säumen, da es im Fundbestand der Hallstatt-Textilien gleich mehrere angenähte Borten gibt. Eine 22 cm lange, rund zusammengenähte Brettchenborte könnte als Abschluss eines Ärmels gedient haben (Abb. 87 oben). Weitere Hinweise für angenähte Borten sind in der zeitgenössischen Kunst zu inden. So sind beispielsweise bei der Bronzestatue aus Idria (Abb. 190) oder auf den Abbildungen auf Werken der Situlenkunst (Abb. 182) Borten am Ärmel- und Gewandsaum zu erkennen333. Beispiele von Schnittführung an Originalgewändern Hinweise zur Schnitttechnik in der Urgeschichte können uns die wenigen erhaltenen Kleidungsstücke geben. Diese weisen teils beachtliche schnitttechnische Finessen auf. Der kupferzeitliche Fund der Gletschermumie vom Tisenjoch in den Ötztaler Alpen334 (siehe auch Seite 291 ff.) zeigt neben den nähtechnischen auch schnitt- und gestaltungstechnisch interessante Details. Die Oberbekleidung, eine Art Jacke, wurde aus rechteckigen Ziegenfellstücken mit Überwindlingsstichen zusammengesetzt. Auffällig ist das Zusammensetzen der Kleidung mittels Streifen. Die farbliche Auswahl der hellen und dunklen Fellstreifen für das Oberteil macht die Jacke zu einem sehr dekorativen Kleidungsstück. Inwiefern das Zusammennähen der Jacke aus der kleineren Fellstücken auch für die Passform von Vorteil gewesen sein könnte, kann heute nicht mehr festgestellt werden. Einen Hinweis darauf, dass das Zusammenfügen von Streifen auf die Passform Auswirkungen hatte, kann man an dem etwa 1 m langen Durchziehschurz beobachten. Auch dieser 212 332 Mautendorfer 2005, 44–45. 333 Mautendorfer 2005, 47–48. 334 Fleckinger 2003. – Spindler 1993. Schurz besteht aus aneinander gefügten, leicht tailliert geschnittenen Ziegenlederstreifen, wiederum verbunden mit Überwindlingsstichen. Durch diese Näharbeit passt sich der Schurz besser an die Körperform an als ein Schurz, der aus einem ganzen Stück geschnitten ist. Die restlichen Kleidungsstücke, die Beinröhren und die Mütze aus Fell wurden ebenfalls mit Überwindlingsstichen zusammengenäht. Sensationelle Funde aus der Nordischen Frühbronzezeit (15. bis 13. Jahrhundert v. Chr.) stammen aus Muldbjerg, Trindhøj, Borum Eshøj und Egtved in Jütland. Hier wurden aus Eichenholzsärgen vollständige Gewänder geborgen335 (vgl. Seite 291 ff.). Männergewänder sowie Frauengewänder weisen oft mehrere Nähte auf. Während die Männerkittel teils aus mehreren zugeschnittenen Flächen zusammengesetzt sind, besteht das Kernstück der Frauenbluse aus einem einzigen Stück Stoff (Abb. 161162). Näh- und schnitttechnisch ist diese Oberbekleidung sehr aufschlussreich. Die Form hebt sich von den gewickelten und gegürteten Kleidungsstücken, wie zum Beispiel den Männerkitteln aus Trindhøj und Muldbjerg oder den Frauenröcken von Borum Eshøj oder Skrydstrup, deutlich ab. Die Untersuchungen zeigten, dass die bronzezeitlichen Blusen aus Borum Eshøj und Skrydstrup speziell zugeschnitten wurden, um eine bestimmte Passform zu gewährleisten. Der etwa rechteckige Stoff der Frauenbluse wurde im unteren Drittel von beiden Seiten her quer eingeschnitten, zur Mitte gefaltet und zusammengenäht, der übrige Stoff wurde nach unten gefaltet und mit dem unteren Stoffschlauch zusammengenäht. Manche dieser Blusen sind mit zusätzlichen Stoffstreifen verlängert worden. Der obere Falz wurde für den Halsausschnitt horizontal eingeschnitten (Abb. 161). Die Nähte wurden mit Überwindlingsstichen gearbeitet, wobei die Stoflagen unversäubert übereinander gelegt und abgenäht wurden. Möglicherweise weist diese Verarbeitung darauf hin, dass dieser Kleidungstyp ursprünglich aus Leder, Fell oder Filz hergestellt wurde. Diese Materialien fransen im Gegensatz zu Geweben nicht aus und müssen daher auch nicht versäubert werden. Im Unterschied zu den zusammengenähten Schnittteilen wurden der Halsausschnitt und die Ärmelsäume 335 Hald 1950. – Hald 1980, 67–69 (Männerkittel), 67–69, 95–97 (Frauenröcke), 92 (Bluse). – Nienholdt 1961, 1. 213 versäubert. Bei einer Bluse aus Borum Eshøj wurde dieser Halsausschnitt mit zwei Reihen Festonstichen versäubert, die Ärmelsäume waren ähnlich gearbeitet336. Abb. 111: Rekonstruktion der Thorsberg-Hose von Katrin Kania. Die Hose bietet dem Träger volle Bewegungsfreiheit bei erstaunlicher Enge. Neben den bronzezeitlichen Blusen weisen auch einige eisenzeitliche Kleidungsstücke eine beachtliche Schnittführung auf. Aus dem mitteleuropäischen Raum stammen vom Rieserferner Gletscher in Südtirol337 ein Paar Unterleggins und ein Paar Überleggins, beide aus Wolle (Abb. 175). Während der rechte Legging an der Innenseite mit einer einfachen Naht mit Überwindlingsstichen zusammengenäht wurde, wurde in der Innenseite des linken Legging ein schmales, schräg zum Fadenlauf geschnittenes Band eingesetzt. Ob dieses dünne Band aufgrund des schrägen Fadenverlaufs Auswirkungen auf die Passform hatte, kann in Erwägung gezogen werden, da Gewebe schräg zum Fadenlauf immer dehnbarer sind als solche gerade zum Fadenlauf. Zudem hat auch die Bindung des Stoffes einen Einluss auf die Dehnbarkeit des Materials und somit auf die Passform. Ein eindrucksvolles Beispiel solcher schnitttechnischer Überlegungen ist die Hose mit Füßlingen von Thorsberg338. Die lange, enge Hose mit den angesetzten Füßlingen hat einen recht ungewöhnlichen Schnitt, dieser ist so ausgelegt, dass er die Beinmuskulatur berücksichtigt und sich quasi wie eine zweite Haut über das Bein spannt und sich in der Bewegung mitdehnt (Abb. 111). 214 336 Hald 1980, 69–71, 84–85. 337 Bazzanella et al. 2005, 151–160. 338 Möller-Wiering (im Druck). – Schlabow 1976, 76–77. –Technische Überlegungen zu dieser Hose sowie zur Passform bei Nienholdt 1961, 7–9. – Kania 2007, 277–290. Abb. 112: Vereinfachte Hosenschnittschemata der Eisenzeit, nach Funden aus Thorsberg und Marx-Etzel. Im Gegensatz dazu ist die Kniehose von Marx-Etzel339 eine sehr weite Hose, die am Bund in vielen Falten zusammen gerafft getragen wurde. Die Hose ist schnitttechnisch deshalb interessant, da sie im Hauptstück aus einem einzigen, etwa rechteckigen Stück Stoff besteht. Von unten wurde für den Schritt ein Keil eingeschnitten und nach oben geklappt, seitlich wurde der Stoff in Richtung Mitte geklappt, dann wurden die Teile miteinander vernäht (Abb. 112). Bei den eisenzeitlichen Oberteilen sticht wiederum der Kittel von Thorsberg heraus (Abb. 172). Der langärmelige Kittel hat keine – wie sonst üblich – genähten Seitennähte, sondern an den Seitenkanten Bänder, die zum Verschließen des Kleidungsstückes dienten. Es stellt sich die Frage, ob Überlegungen zur (engen) Passform zu dieser ungewöhnlichen Seitennahtlösung geführt haben. Schnitttechnische Abweichungen zeigt auch der Kittel von Reepsholt340 (Abb. 113). Der weite Kittel hat angeschnittene Ärmel, während die anderen Kittel entweder angenähte Ärmel haben oder ärmellos sind. 339 Schlabow 1976, 79–80. 340 Schlabow 1976, 73–76. 215 Abb. 113: Kittel von Reepsholt, Maße und Grundform. Prähistorische Abbildungen von Nähten und Säumen Weitere Hinweise zur Schneiderei und zum Nähen geben uns prähistorische Abbildungen von Menschen in ihrer Kleidung. Es ist zwar das Nähen nicht immer zwingend notwendig, um aus einem zweidimensionalen Textil ein dreidimensionales Gewand herzustellen – so kommen Schnurröcke, Wickelröcke, Mäntel und Schurze auch ohne Naht aus. Dennoch sind bei den meisten Kleidungsstücken Nähte vorhanden oder erforderlich, um die gewünschte Gewandform zu erhalten. Je nach Abstraktionsgrad können auf den prähistorischen Bildwerken manchmal auch Details wie Nähte, angenähte Borten und Bänder (Abb. 114) ausgemacht werden341. Bei den meisten prähistorischen Menschendarstellungen342 kann man eine große Vielfalt an Kleidungsstücken erkennen, aber nur wenige zeigen Hinweise auf Nähte und Säume. Vor allem in der frühen Eisenzeit werden die Figuren so detailreich ausgearbeitet, dass auch nähtechnische Informationen interpretiert werden können. Die abstrakten und eher geometrisch gestalteten menschlichen Darstellungen aus der frühen Eisenzeit (Abb. 182) 216 341 Mautendorfer 2005, 41–54. 342 Dobiat 1982. – Eibner 1997, 129–132. – Eibner 1980, 63, 65–66. – Nebelsick et al. 1997, 125, Abb. 46. kommen vor allem aus Sopron, Kleinklein, Nové Košariská und aus süddeutschen Fundstellen zum Beispiel Kirchenreinbach, Reichersdorf, Pettenhofen und Dietldorf. Die Figuren mit einer Art dreieckigem Gewand stellen die größte Gruppe dar. Vor allem die Verzierungen und Gestaltungen im Innenbereich der Figuren zeigen wahrscheinlich textile Details auf. Muster, Bindungen, Teilungslinien, Verzierungen mit Kreisen und Strichen könnten Hinweise auf die üblichen Stoffe und deren Verzierungen sein. Vergleiche mit Funden aus Hallstatt zeigen, dass man auch auf den Textilien dieser Zeit solche Muster indet (vgl. Seite 162 ff.). Auch zur Nähtechnik gibt es hier Hinweise. Schrafierte, schmale, parallel begrenzte Bereiche könnten angenähte Borten darstellen, wie sie im Fundmaterial von Hallstatt vorhanden sind343. 343 Abb. 114: Nahtdarstellungen auf bildlichen Quellen der Eisenzeit: Angenähte Borten und Originalborte aus dem Salzbergwerk Hallstatt. Grömer 2005b, 24–25. – Mautendorfer 2005, 47–48. – Mautendorfer 2007, 266–267. 217 Abb. 115: Aufgenähte Knöpfchen auf bildlichen Quellen der Eisenzeit und Grabfund mit Bronzeknöpfchen aus Mitterkirchen, Oberösterreich. Andere Gewänder sind mit Kreisaugen verziert. Möglicherweise werden hier aufgenähte Knöpfchen dargestellt344 (Abb. 115). Aufgenähte Bronzeknöpfchen sind zum Beispiel vom Prachtmantel aus Mitterkirchen in Oberösterreich bekannt, aber auch vom Gräberfeld in Hallstatt345. Andere Figuren haben eine Zeichnung von stark unterteilten Dreiecken, eventuell stellen sie Gewänder dar, die aus mehreren Stoffteilen zusammengesetzt sind (Abb. 116). Auch dazu gibt es Beispiele im Fundmaterial von Hallstatt346. Spätere Bildwerke zeigen ebenfalls Nähte und Borten, so die frühlatènezeitliche Fibel vom Dürrnberg (Abb. 184) und die igürlich verzierte Schwertscheide aus Hallstatt (Abb. 183). 218 344 Mautendorfer 2007, 267–268. 345 Kromer 1959. Pertlwieser 1987, 64. 346 Mautendorfer 2005, 49–50. Flickungen und Reparaturen Ein wichtiger Aufgabenbereich im Zusammenhang mit Nähen ist auch das Ausbessern von Kleidung. Für Flicken und Stopfen gibt es Belege auf den Textilfunden aus Hallstatt. Bei einem hallstattzeitlichen Fund wurde ein rechteckiger Flicken aufgenäht (Abb. 117), wobei versucht wurde, auf das Muster des Ausgangsmaterials Rücksicht zu nehmen. Ein bronzezeitlicher Fund zeigt neben der Naht eine leinwandbindige Stopfung347. Abb. 116: Nahtdarstellungen auf bildlichen Quellen der Eisenzeit: Aus mehreren Teilen zusammengenähte Gewänder in Vergleich mit einem zusammengesetzten Textil aus dem Salzbergwerk Hallstatt. Vor allem bei den nordeuropäischen Moorfunden kommen viele mit Flicken ausgebesserte Kleidungsstücke vor348. So hat der frühmittelalterliche Kittel aus Bernuthsfeld 43 Flicken, wodurch es so scheint, als ob der Großteil der Flicken das Ausgangsmaterial des Kleidungsstückes bildete. Es war also recyceltes Material die Grundlage des Kleidungsstückes. Auch die Mäntel von Damendorf und Dätgen sind mit mehreren Flicken instand gesetzt worden. 347 Mautendorfer 2005, 43, Taf. 10. 348 Schlabow 1976, 72–73, Abb. 149 (Bernuthsfeld), Abb. 76, (Damendorf), Abb. 83 (Dätgen). 219 Bei manchen genähten Textilien aus dem prähistorischen Hallstatt ist eine sekundäre Verwendung zu beobachten. Manche der Nähte scheinen noch bei der ersten Verarbeitung entstanden zu sein, diese Nähte sind mit gleichmäßigen, gleichfarbigen Stichen gearbeitet. Einige Funde zeigen neben diesen feinen Nähten auch grobe und ungleichmäßige, oft in einem stärkeren und andersfarbigen Nähfaden gearbeitet. Hier kann man von sekundären Nähten sprechen. Diese Nähte sind vor allem Zeugnis der Umarbeitung von textilem Material, in welcher Funktion auch immer. Abb. 117: Gelicktes Gewebe aus Hallstatt, Ältere Eisenzeit. 220 Nähtechnik bildet das Verbindungsglied zwischen der textilen Fläche und dem getragenen Kleidungsstück und ist damit ein wesentlicher Bestandteil der Textilverarbeitung. Untersuchungen von Nähten und Säumen führen einerseits zu Erkenntnissen im technischen und handwerklichen Bereich und können uns andererseits auch Rückschlüsse auf die Trageweise und das Aussehen der Gewänder geben. Das textile Handwerk in der Urgeschichte Für den modernen Menschen ist das Textilhandwerk – jenes, das Jahrtausende lang ein wichtiger Teil des täglichen Arbeitspensums war – vollkommen unwichtig geworden. Textilien für Kleidung oder andere Zwecke werden heutzutage nach den Mechanismen der globalen Marktwirtschaft in Billiglohnländern hergestellt. Textilhandwerk wird in unseren Breiten nur noch im hochpreisigen Segment des Kunsthandwerkes betrieben oder von Privatpersonen rein als Hobby ausgeübt. Dabei wird in den seltensten Fällen ein größerer Teil des Arbeitsablaufes von einer Person selbst bewerkstelligt. Es wird aus gekauften Fäden ein Pullover gestrickt, eventuell wird aus Wollvlies kreativ geilzt. Selten gibt es noch Menschen, die selber spinnen, färben oder weben können und dies auch tun, um alltägliche Produkte herzustellen. Typischerweise werden Kleidung und Gebrauchstextilien heutzutage billig eingekauft und schnell wieder entsorgt – möglich durch den enormen Wertverlust, den Textil erfahren hat. Diese Loslösung vom Textilhandwerk ist ein krasser Gegensatz zur Situation in früheren Zeiten. Säule350 verträge351 In den Tiefen der Geschichte wird jedoch schnell deutlich, wie stark das Textilhandwerk früher das Leben der Menschen prägte. Selbst heute noch sind überall Sprichwörter allzu präsent, die sich auf Textiles beziehen – wenn etwa „der Geduldsfaden reißt“, wenn man „den Handlungsfaden einer Geschichte weiterspinnt“ oder wenn man einfach nur „blau macht“ Über die Textilproduktion in römischer Zeit haben mit Färben mittels Fär(hat wir – dank der detailreichen Schriftquellen – einen berwaid zu tun). Gehen wir guten Überblick. Wir wissen, dass bereits en 2.000 Jahre zurück. masse hergestellt wurde, es gab verschiedene spezialisierte Textilberufe wie Walker, Schneider, Weber etc. Produziert wurde neben dem Haushandwerk in Werkstätten, wie Färbereien und Walkereien, der Verkauf erfolgte über Tuchhändler. Über Letzteres gibt auch in eindrucksvoller Weise die Igler Säule350 Auskunft. Wir haben selbst Kenntnis über Lehrlingsverträge351, auch über Löhne und Preise. In der damaligen Version einer „globalen Marktwirtschaft“ wurden teils Textilien in Ägypten gefertigt und für das Militär quer durch das römische Reich nach Judäa oder Zentralanatolien (Kappadokien) geliefert. 222 Für die Jahrhunderte vor der römischen Okkupation sind in Mitteleuropa diese wertvollen Schriftquellen sehr viel spärlicher. Einer der wenigen Hinweise ist, dass der in Ostfrankreich ansässige gallische Stamm der Allobroger das Heer des Hannibal im Zweiten Punischen Krieg (218 bis 350 Beispielsweise Bender Jørgensen 1992, 132 f., Abb. 160–165. 351 Kerstin Dross: Produktion und Handel von Textilien in der römischen Kaiserzeit am Beispiel der Provinz Ägypten. Dissertation an der Universität Marburg. – vgl. Dross (im Druck). 201 v. Chr.) mit warmen Sachen versorgte352, wie der antike Geschichtsschreiber Livius schreibt. Jedoch – wie war es all die Jahrtausende vorher, wie war von der Steinzeit bis zur Eisenzeit das Textilhandwerk in Mitteleuropa organisiert? Gab es nur Haushandwerk oder auch schon Spezialisten, und was wissen wir über die Personen, die im Textilhandwerk tätig waren, über die Orte, an denen sie produzierten und lebten? Produktionsniveau: Haushandwerk, Spezialistentum, Massenproduktion Die Herausbildung von Ackerbau und Viehzucht am Beginn der Jungsteinzeit revolutionierte viele technologische und gesellschaftliche Entwicklungen. In Bezug auf das Textilhandwerk wurden dabei jene technischen und materiellen Grundlagen geschaffen, die im Prinzip bis in unsere Tage Gültigkeit haben. So spielen Wolle und Flachs auch heute noch, nach Erindung der Chemiefasern, eine bedeutende Rolle. Die Spindel und die Mechanik des Webstuhles waren bei aller Einfachheit der Ausführung bereits im Neolithikum in sich so vollkommen, dass die meisten Spinn- und Webmaschinen im Wesentlichen auch heute noch nach deren Grundprinzipien arbeiten. In der Jungsteinzeit haben wir die ersten Hinweise für das Weben auf dem Gewichtswebstuhl. Da dieser ein großes, schweres und vor allem im aufgespannten Zustand ein nicht einfach zu transportierendes Gerät ist, scheint seine Verwendung an die festen Ansiedlungen ab den ersten Bauernkulturen gekoppelt zu sein. Für die nomadisierende Lebensweise der Alt- und Mittelsteinzeit ist der Gewichtswebstuhl ebenso wenig sinnvoll wie die kultivierte Faserplanze Lein, aus der Flachs gewonnen wird. Der Lein ist eine anspruchsvolle und plegeintensive Kulturplanze und setzt bereits einen entwickelten Ackerbau voraus. Prinzipiell hat jedoch die Arbeit mit planzlichen Fasern – vor allem 352 Liv. 21,31,8. Zitiert nach Timpe 1981, 54. 223 mit Gräsern und Baumbasten – ihren Ursprung weit vor dem Neolithikum353. Besonders verschiedene Flecht-, Knüpf-, Zwirnund Netztechniken sind bereits den nomadisierenden Jägern und Sammlern in Mitteleuropa bekannt. Gelang es dann schon im Neolithikum und in der Bronzezeit, Flachs mit seinen langen Fasern zu feinen Geweben verarbeiten, so entwickeln sich die Methoden bei der im Vergleich kürzerfaserigen Wolle erst im Laufe der Bronzezeit so weit, dass vor allem ab der Hallstattzeit sehr feine Garnqualitäten versponnen und weiterverarbeitet werden konnten. Das Weben großlächiger Stoffe auf dem Gewichtswebstuhl umfasste im Neolithikum und der Frühbronzezeit nur die einfache Leinwandbindung und deren Abwandlungen Rips und Panama. Neben dem Webstuhl für großlächige Stoffe inden sich ab dem Neolithikum auch verschiedene Geräte zum Weben von Bändern. Im Gegensatz zur ortsgebundenen Weberei auf dem Gewichtswebstuhl sind dies mobile Techniken, die bei Bedarf an unterschiedlichen Plätzen durchgeführt werden können. Die meisten Bandwebtechniken beruhen mittels Heben und Senken von Fadensystemen auf ähnlichen herstellungstechnischen Prinzipien wie der Gewichtswebstuhl. Ob nun zuerst die Bandweberei entwickelt und dieses System für großlächige Stoffe weiterentwickelt wurde oder umgekehrt, ist nicht bekannt. Mit dem Ende der Bronzezeit taucht in Mitteleuropa die Brettchenweberei auf – eine Technik, mit der komplizierte Muster möglich waren und die in der Hallstattzeit eine erste Hochblüte erlebte. Seit Erindung der Weberei im Neolithikum wurden auch unterschiedliche Methoden eingesetzt, um Stoffe zu dekorieren. Man entwickelte ein kreatives Repertoire von Eintrags- und Applikationsverfahren. Aufnähen von Elementen und erste Dekore mit lottierenden Schussfäden wurden schon im Spätneolithikum und der Bronzezeit angewandt. Eine besondere Vorliebe für gestreifte und karierte Stoffe ist in der Eisenzeit zu beobachten. Auch ausgeklügelte Techniken wie die Spinnrichtungsmusterung waren bei den kreativen hallstattzeitlichen Handwerkern sehr beliebt. Diese, wie auch das Färben und die Köperbindung, 353 224 vgl. dazu Rast-Eicher 2005. haben in Mitteleuropa ihre Wurzeln in der Bronzezeit. Erste Experimente zum Ausbau des Webstuhls mit mehreren Schäften für die Herstellung von Köperbindung sind in unseren Breiten mit den Funden aus dem Salzbergwerk Hallstatt ebenfalls ab der Mittelbronzezeit bekannt. Komplizierte mehrschäftige Webstühle wurden besonders in der Hallstattzeit verwendet, um mit immer feineren Garnen besonders qualitätsvolle Gewebe herzustellen. Am Ende der Eisenzeit sind dann wieder mehr leinwandbindige Textilien festzustellen, gewoben auf einfachen einschäftigen Webstühlen. Gegenüber der Hallstattzeit geht nun die Anzahl der Webgewichte in den Siedlungen etwas zurück, möglicherweise wurde ein anderer Webstuhltyp in Mitteleuropa eingeführt – etwa der „nordische“ Rundwebstuhl. Abb. 118: Generelle Entwicklung der Webund Verzierungstechniken von der Bronzezur Eisenzeit in Mitteleuropa. 225 Hand in Hand mit der Verfeinerung der Webtechniken sind beim Vorbereiten des Spinngutes und beim Spinnen selbst – vor allem bei den erreichten Garnqualitäten – vom Neolithikum zur Eisenzeit stetig Verbesserungen zu bemerken. Wurde etwa das Wollvlies in der Bronzezeit von primitiven Schafen gewonnen und komplett mit den Grannen- sowie Stichelhaaaren verarbeitet, so sind in der Hallstattzeit Garne aus besser vorbereitetem Wollvlies zu beobachten. Die feinen, gut sortierten und gekämmten Fasern liegen dabei wie in einem Kammzug parallel im Faden und verleihen so dem Garn Glanz. Erst mit derart qualitätsvollem Fadenmaterial sind die in der Hallstattzeit bekannten Spinnrichtungsmuster herstellbar. Dieser kurze Überblick zum prähistorischen Textilschaffen (Abb. 118) zeigt, dass wir uns von einer primitivistischen Sichtweise verabschieden müssen. Aber war es nur die einsame Textilhandwerkerin, die in ihrer dunklen Hütte all diese Produkte schuf oder können wir andere Bilder von den handwerklich tätigen Personen entwerfen? Wie war das Textilhandwerk organisiert? Das Produktionsniveau des Textilhandwerkes kann nach einem allgemeinen Theoriemodell von Eva Andersson-Strand vom Centre for Textile Research in Kopenhagen (Abb. 119)354 als eine Entwicklung angesehen werden, die ihre ursprünglichste Form mit einer Produktion im häuslichen Bereich (Haushandwerk) hat und die dann stufenweise verschiedene Spezialisierungsgrade bis hin zur Massenproduktion erreicht. Das Haushandwerk verliert daneben jedoch nie an Bedeutung. Im Nachfolgenden wird überlegt, ob diese Theorie auch für die Urgeschichte in Mitteleuropa Anwendung inden kann. Dazu wird jeweils einleitend die Deinition von Andersson-Strand angeführt und diskutiert, welcher Entwicklungsstand in der Urgeschichte Mitteleuropas als möglich erachtet wird. Ohne Schriftquellen kann nur die Zusammenschau der verschiedenen Quellen, der Befunde aus den Siedlungen und Gräbern 354 226 Zu den Deinitionen von Haushandwerk (household production) und Heimindustrie (household industry) zu Spezialisierung (attached specialist production) bis Werkstätten-Produktion (workshop production for trade) siehe Andersson 2003a, Fig. 1. Mitteleuropas sowie unser Wissen über die gesellschaftliche Gliederung zu einer bestimmten Zeit, Informationen zu diesem Thema liefern. Auch die Textilien selbst geben wichtige Hinweise auf den Entwicklungsstand des Textilhandwerkes. Haushandwerk Das Haushandwerk ist nach der Deinition von Eva AnderssonStrand (Abb. 119) dadurch gekennzeichnet, dass vor allem der Eigenbedarf abgedeckt wird. Auch der Bedarf an Rohmaterial wird durch Eigenproduktion oder nahen Tauschhandel gewährleistet. Beim Haushandwerk ist es außerdem Voraussetzung, dass die für diese Produktion notwendigen Kenntnisse und handwerklichen Fertigkeiten innerhalb der Gemeinschaft weit verbreitet sind. In der Stein- und Bronzezeit Mitteleuropas wurde das Textilhandwerk in den bäuerlichen Dorfgemeinschaften wahrscheinlich allgemein als Haushandwerk betrieben. Textilgeräte tauchen ab der Linearbandkeramik um 5.500 v. Chr. regelmäßig in den Abb. 119: Kennzeichen von Haushandwerk, Heimindustrie, Spezialistentum und Massenproduktion nach Eva Andersson-Strand. 227 Häusern auf. In der Schweiz wurden bronzezeitliche Siedlungen untersucht und dabei die Lage der Textilgerätschaften wie Spinnwirtel, Webgewichte oder Nähnadeln kartiert. In den Dörfern Greifensee-Böschen, Eschenz-Insel Werd und Zug-Sumpf (Spätbronzezeit) konnten dabei in mehreren Häusern Webgewichte entdeckt werden. Die Forscher deuteten dies so, dass es noch keine deutliche Spezialisierung in der Weberei gab355. Auch die eher simplen Textilien der Stein- und Bronzezeit, die großteils in Leinwandbindung angefertigt wurden, sprechen dafür, dass diese grundlegenden Techniken landläuig beherrscht und ausgeübt wurden. Wie andere Dinge des täglichen Bedarfes – Nahrungsbeschaffung, Anfertigen und Reparatur von Werkzeugen etc. – wurden auch Textilien wahrscheinlich großteils von jenen Personen bzw. Hausgemeinschaften hergestellt, die die Produkte selbst benötigten – diese bäuerlichen Haus- und Dorfgemeinschaften waren also in wesentlichen Bereichen autark. Nach der hervorragenden Forschungslage in den Schweizer Pfahlbausiedlungen der Stein- und Bronzezeit konnten sogar Ökonomiemodelle entwickelt werden – wie in diesen Siedlungen der Jahresablauf der Bauern möglicherweise aussah und wie die Selbstversorgung funktionierte356. Haushandwerk im obig deinierten Sinne ist natürlich quer durch die Urgeschichte, auch im Mittelalter und Neuzeit vor allem im ländlichen Bereich weit verbreitet – neben anderen Produktionsformen. Heimindustrie Eine weitere Produktionsstufe ist die Heimindustrie (Abb. 119). Zwar ist diese nach Andersson-Strand noch auf der Ebene eines Haushaltes organisiert, es wird aber eine Mehrleistung produziert, die über den reinen Eigenbedarf hinausgeht. Diese Mehrleistung kann dann für Warenaustausch und Handel verwendet werden. Das Handwerk wird bei dieser Produktionsform aber nicht als Vollzeitarbeit ausgeführt, sondern die Produktion wird dann eingeschoben, wenn sich Zeit erübrigen lässt. 228 355 Nach Rast-Eicher und Reinhard 1998, 286. 356 Siehe dazu Schibler et al. 1997. Wie kann nun dieses Modell auf prähistorische Verhältnisse angewandt werden? Wichtig sind dazu allgemeine wirtschaftliche und gesellschaftliche Daten, die der Forschung für bestimmte prähistorische Gesellschaften bekannt sind: Spätestens ab der Bronzezeit ist in Mitteleuropa der Tauschhandel mit den unterschiedlichsten Gütern belegt. Es gibt verschiedene graduelle Abstufungen von Güteraustausch, von nahem Tauschhandel bis hin zum Fernhandel357. Vor allem in Bezug auf Bronze, ihre Bestandteile Kupfer und Zinn und auch in Bezug auf Produkte aus Metall ist „echter“ Handel denkbar, also der Austausch genormter Waren, der durch in Bronzeguss hergestellte Produkte gewährleistet werden kann. Die frühbronzezeitlichen Ring- und Spangenbarren (Abb. 120) wie jene aus Perschling in Niederösterreich358 werden oft zu Hunderten gefunden. Diese kommen in einheitlichen Formen in ganz Mitteleuropa vor und es konnte bei ihnen sogar eine Art Gewichtsnormierung festgestellt werden. Aus wirtschaftlicher Sicht wird bei den Barren daher von prämonetären Zahlungsmitteln gesprochen. Händler, die mit ihren Waren von Dorf zu Dorf zogen, waren ab der Frühbronzezeit ein bekanntes Bild. Es ist den Archäologen sogar möglich, Handelswege zu rekonstruieren. 357 Siehe dazu die Theorien und Modelle in Lang & Sala 2002. 358 Krenn-Leeb 2006, Abb. 6–7. Abb. 120: Ringbarrendepot aus Perschling, Niederösterreich: Hortfund aus einer frühbronzezeitlichen Siedlung. Die rund 250 Ringbarren aus Bronze wogen insgesamt 51 kg. 229 Die Gesellschaft beginnt ab der Bronzezeit ebenso sich hierarchisch aufzugliedern, und dieser Prozess ist in seinen Wurzeln bis in die Kupferzeit zurückzuverfolgen. Es können ab der Frühbronzezeit in Mitteleuropa eindeutig Handwerker, Bauern und Krieger nachgewiesen werden359, da sich in den Gräbern spezielle Beigaben inden. Die Händler sind durch Handelswaren, wie beispielsweise dem von der Nordsee stammenden Bernstein, indirekt nachgewiesen. Nach diesen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Überlegungen ist es für das bronzezeitliche Textilhandwerk durchaus denkbar, dass naher Tauschhandel mit den in Heimindustrie gefertigten Produkten betrieben wurde. Am deutlichsten kann man das für den Fundort Hallstatt im oberösterreichischen Salzkammergut annehmen. In Hallstatt360 ist spätestens ab dem 15. Jahrhundert v. Chr., also ab der Mittelbronzezeit, der bergmännische Abbau von Salz belegt. Es ist somit das älteste Salzbergwerk der Welt, das zudem bis heute in Betrieb ist. Die intensive Erforschung dieses Bergbaues (siehe auch Seite 267 ff.) erbrachte klar das Ergebnis, dass der gesamte Betrieb straff organisiert war und dass auch eine strenge Arbeitsteilung vorherrschte. So gab es etwa eigene Arbeiter zum Hauen des Salzes wie auch für dessen Beförderung. Es wird beim derzeitigen Forschungsstand davon ausgegangen, dass an diesem Wirtschaftsstandort, dem Salzabbauzentrum Hallstatt, in der Bronze- aber auch in der Eisenzeit wahrscheinlich große Teile der Bevölkerung direkt in den Bergbaubetrieb eingebunden waren und somit Arbeitskapazitäten für die Herstellung von Produkten des Alltags fehlten. Außerdem ist durch die Lage im alpinen Gebiet an einem See, umgeben von steilen Abhängen, der Platz für Arbeits- und Anbaulächen beschränkt (Abb. 121). Daher kann man damit rechnen, dass Lebensmittel und Alltagswaren, die in anderen zeitgleichen Siedlungen von den ansässigen Personen im Haushandwerk fabriziert wurden sowie einige der im Bergbau benötigten Gerätschaften vom Umland im 230 359 Zur sozialen Gliederung in der Bronzezeit sowie zum „Wirtschaftsfaktor Bronze“ siehe die Überlegungen bei Urban 2000, 140 ff. 360 Reschreiter, NHM. Ausgrabungen: Zusammenfassende Darstellung: Kern, Kowarik, Rausch & Reschreiter 2008. – Kowarik 2009. Tauschhandel gegen Salz nach Hallstatt gebracht wurden. Belegt ist das etwa für die hölzernen Pickelstiele aus dem ChristianTuschwerk in einer Zeit zwischen dem 15. und 12. Jahrhundert v. Chr.361. Durch Holzanalyse wurde festgestellt, dass die im Bergbau zahlreich verwendeten Knieholzschäftungen aus Eichenholz aus dem nördlichen Alpenvorland (mit Südgrenze in Höhe des Traun- und Attersee-Nordufers) stammen, also aus einer Entfernung von mindestens 40 km zu Hallstatt. Abb. 121: Hallstatt, topograische Lage der Salzabbaustätten und des Gräberfeldes. Es ist auch durchaus denkbar, dass viele der im Salzbergwerk gefundenen und hervorragend erhaltenen Textilien nicht in Hallstatt selbst hergestellt, sondern importiert wurden. Die Herstellungsorte könnten dabei im oberösterreichischen Alpenvorland liegen. Dort inden sich genügend Wirtschaftsräume wie etwa Weidelächen für Schafe oder auch Anbaulächen für Flachs 361 Barth & Grabner 2003, 85 ff. 231 und Färbeplanzen. Als Produktionsniveau ist vor allem in der Bronzezeit die Form der Heimindustrie wahrscheinlich. Spezialisierung Die nächsthöhere Produktionsebene ist das Spezialistentum, bei dem es verschiedene Ausformungen gibt. Spezialistentum kann prinzipiell einzelne Personen, Personengruppen, Dörfer oder Regionen umfassen. Diese liefern aufgrund besonderer Rohstoffe, örtlicher Gegebenheiten oder handwerklicher Fertigkeiten spezielle Produkte. Spezialistentum kann ganzjährig oder saisoniell ausgeführt werden362. Eva Andersson-Strand deiniert spezialisiertes Handwerk in der Textilproduktion folgendermaßen (Abb. 119): Die Arbeit der Spezialisten ist auf Vollzeitbeschäftigung ausgerichtet, und auch die handwerklichen Fähigkeiten und das know how werden erweitert, um qualitätsvollere Produkte schaffen zu können. Die Personen sind nach Andersson-Strand oft von einem „Mäzen“ abhängig und werden von ihm versorgt. Diese so hergestellten Waren können nun auch als kostbare Geschenke oder für den Güteraustausch dienen. Als ein weiteres Charakteristikum dieser Produktionsebene hat nun der Mäzen die vollständige Kontrolle und Verfügungsgewalt über das handwerkliche Können, das know how und die Produktion der für ihn arbeitenden Spezialisten. Im mediterranen Raum lässt sich durch die vorhandenen Schriftquellen bereits sehr früh eine derartige Spezialisierung feststellen. So wird etwa in Linear B-Texten (Mykenische Kultur Griechenlands, 15. bis 12. Jahrhundert v. Chr.) bereits von einer großzügigen Textilproduktion berichtet, die auf Arbeitsteilung basierte 363. Auch im archaischen Griechenland sind derartige Systeme belegt, wenn etwa in einer Hausgemeinschaft (oikos), der Residenz eines Aristokraten, hochranginge Damen und die ihnen dienenden Frauen (amphipoloi) für die Webarbeiten zuständig 232 362 Zu den theoretischen Grundlagen unterschiedlicher Formen der Spezialisierung siehe Costin 1991, 4–43. 363 vgl. dazu Barber 1991, 272 (v. a. Diskussion in der Fußnote). sind364. Die Textilproduktion einer Hausgemeinschaft erfüllt eine wichtige Funktion in der Repräsentation des Aristokraten, sind doch Kleidungsstücke ein wertvolles Gut für Gastgeschenke, aber auch kostbare Weihegaben an die Götter. Ein derartiges hohes Spezialistentum aus dem Bereich der Villanovakultur und der etruskischen Kultur kann aus verschiedenen Funden und Befunden abgelesen werden. Dazu gehören die Textilien von Verucchio365, die speziellen Beigaben in den entsprechenden Gräbern oder die bildlichen Darstellungen, wie das Klapperblech von Bologna oder der Thron von Verucchio, tomba del trono. Hier sind jeweils Frauen mit hohem gesellschaftlichem Status nachgewiesen, die hoch spezialisiertes Textilhandwerk ausüben (durften)366. Wie war die Situation in Mitteleuropa? Kann man für die vorrömische Zeit bereits eine höhere Produktionsstufe als das reine Haushandwerk oder die Heimindustrie annehmen? Befragt man zunächst das archäologische Fundgut, so sind die Textilien der Älteren Eisenzeit in Mitteleuropa mehr als auffällig. Im Gegensatz zur Bronzezeit werden nun aufwändig produzierte Gewebe gegenüber einfacheren Stoffen bevorzugt. Es sind dies hochqualitative Textilien, die mit großem Zeitaufwand und speziellem Know-how angefertigt wurden. Teilweise sind es sehr komplizierte Stücke, deren Herstellung die Fähigkeiten des Einzelnen überstieg und einen Spezialisten erforderte. Hier sei nur auf die Textilien aus dem Fürstengrab von Hochdorf oder jene aus den ältereisenzeitlichen Teilen des Bergwerkes Hallstatt verwiesen367. Man indet eine unglaubliche Kreativität, die sich in der Verwendung verschiedenster Muster, Gewebebindungen (siehe Seite 43 ff.) und Farben niederschlägt. Wir kennen komplizierte Brettchenwebereien, das Färben mit importierten Farbstoffen oder komplexe Bindungsarten wie Diamantköper. Die 364 Siehe zu den Überlegungen zur Oikos-Wirtschaft im archaischen Griechenland und der Bedeutung von Webarbeiten bei Wagner-Hasel 2000, 105 ff. (zu Stoffen als Erinnerungsgeschenke und Abgaben), 141 ff. (zum Webdienst). – Siehe auch bei Eibner 2005, 31 ff. 365 vgl. dazu von Eles 2002, zu den Textilien bes. 192–234. 366 Zur Spezialisierung im vorrömischen Italien siehe Gleba 2008a, bes. 190 ff. 367 Hochdorf: Banck-Burgess 1999. – Hallstatt: Grömer 2005a. 233 erreichten Feinheiten in Garnstärke und Gewebedichte zeugen von enormem Arbeitsaufwand. Dieses Bild der hallstattzeitlichen Textilien lässt deutlich an eine spezialisierte Form der Produktion denken, denn die Herstellung entsprechender Stücke setzt Personen voraus, die auch Zeit, Muße, handwerkliche Fertigkeiten und know how hatten, um diese repräsentativen Produkte zu schaffen. Es muss also innerhalb der Gemeinschaft die Wertigkeit und Wertschätzung für entsprechend hochstehende Textilien gegeben sein, darüber hinaus müssen aber auch die Ressourcen dafür frei gewesen sein (v.a. ein Mehr an Arbeitszeit, aber auch Aufwendungen für importierte Farbstoffe etc.). Dies ist aber nur im Zusammenhang mit einer komplexen gesellschaftlichen Entwicklung zu sehen, die diese aufwändigeren Arbeiten zur Herstellung von Textilien ermöglichte oder förderte. Für die mitteleuropäische Urgeschichte ist also folgendes Szenario denkbar: Die Ältere Eisenzeit war geprägt durch große gesellschaftliche Veränderungen368, hervorgerufen auch durch den neuen Werkstoff Eisen. Von den Änderungen waren nicht nur die verschiedenen Handwerkstechnologien betroffen, sondern das gesamte gesellschaftliche Gefüge dieser Zeit. Die Gesellschaft gliederte sich noch mehr auf als zuvor. Die an der Spitze der Hierarchie Stehenden sind auch in den „Fürstengräbern“ fassbar und repräsentierten sich durch aufwändige Lebensweise. Dies dürfte die Prachtentfaltung der Textilkunst in der Hallstattkultur begünstigt haben, die doch auch sehr stark im Zusammenhang mit einer zeittypischen Repräsentationskultur zu sehen ist – als Beispiel seien nur die kostbaren Stoffe aus dem Fürstengrab von Hochdorf genannt. Womöglich erfolgte hier in besonderem Maße eine Statusdeinition bzw. eine Sichtbarmachung des Status über Textil und Kleidung. Im zeitgleichen archaischen Griechenland ist durch Epen belegt, dass die visuelle Wirkkraft eines Menschen „charis“ auch an die Kleidung der Person gebunden ist369. Es ist also durchaus möglich, dass wir in der mitteleuropäischen Hallstattzeit die Produkte von Spezialisten erstmals im Textilhandwerk vor uns haben – auch wenn dies nur durch die 234 368 Urban 2000, 227–229. 369 Wagner-Hasel 2000, 152–163. Textilien selbst, nicht aber durch Schriftquellen gestützt ist. Die in der Deinition des Spezialistentums angeführten Mäzene, für die derartige Qualitätsprodukte geschaffen werden, könnten die Angehörigen der hallstattzeitlichen „Adelsschicht“ gewesen sein. Wir können also, besonders für die Oberschicht in der Älteren Eisenzeit, eventuell auch für begüterte Kreise, eine spezialisierte Produktion vermuten370. Inwieweit ein Austausch von Produkten und Arbeitsleistung innerhalb einer Gemeinschaft erfolgte oder ob ein überregionaler Ressourcentausch vorliegt, ist für den textilen Bereich nicht klar fassbar. Auch wissen wir nicht, ob die jeweiligen Spezialisten für ihre Tätigkeit völlig von anderen Plichten innerhalb des Gemeinwesens freigestellt waren. Die aufwändigen Textilprodukte sind jedoch ein klarer Hinweis darauf, dass in der Hallstattkultur eine nicht unbedeutende Ressource an Arbeitszeit, hochspezialisiertem know-how und Können für ihre Produktion bereitgestellt wurde. Es ist leider nicht möglich abzuschätzen, welches Quantum der Produktion das Werk von Spezialisten war und welcher Teil der Textilproduktion in Haushandwerk durchgeführt wurde. Massenproduktion Die letzte Stufe, die für die Urgeschichte noch angedacht werden kann, ist die professionelle Produktion (serielle Massenproduktion), also der Werkstättenbetrieb für den Handel. Bei dieser Produktionsweise werden nach Andersson-Strand (Abb. 119) standardisierte, einfach und in Masse herzustellende Gegenstände angefertigt – also eine schnelle Herstellung von Serien. Grundlage dafür ist eine entwickelte Ökonomie mit festen Abnehmerkreisen. Die Arbeit wird dabei in Vollzeitbeschäftigung durchgeführt. Es wird ein großer Output an produzierten Gütern angestrebt, wobei der Zeitaufwand pro Stück durch efizientes Arbeiten auf ein Minimum reduziert wird. Sicher belegt ist diese Produktionsweise für die Römerzeit371. 370 Siehe auch Rast-Eicher 2008, 190. 371 Siehe dazu unter anderem bei Bender Jørgensen 1992, 130 ff. 235 In Österreich kennen wir um die 600 Textilien aus dem latènezeitlichen Salzbergwerk Dürrnberg bei Hallein372, dazu noch weitere Funde aus Gräbern verschiedener Fundorte. Bei der Untersuchung der Dürrnberger Salzbergwerkstextilien stellte die Textilforscherin Katharina von Kurzynski fest, dass sich die Gewebe stark von jenen aus Hallstatt unterscheiden. Die Dürrnberger Stoffe zeigen nicht mehr jene überbordende Kreativität an Gewebequalitäten, Bindungen und Mustern, die die Textilien von Hallstatt auszeichnen. Nun herrschen einfachere, klarere Formen vor, bei den Mustern vor allem Streifen, bei den Gewebestrukturen großteils Leinwandbindung, selten inden sich Panamabindung oder einfache Köpervarianten373. Auch bei den Fadenstärken und Gewebedichten ist eine Standardisierung zu bemerken. Es sind dies nach wie vor qualitätsvolle Produkte, die allerdings im Vergleich zu den Textilien der Hallstattzeit einfacher und rascher hergestellt werden können. Ein Webstuhl für Leinwandbindung ist rascher eingerichtet als einer für Köperbindung, und auch das Weben geht bei Leinwandbindung schneller vonstatten, da nicht die Hebe- und Senkabfolge der einzelnen Litzenstäbe beachtet werden muss. Ebenso verhält es sich bei den Mustern: Streifen entstehen, wenn sie einmal in den Kettfäden festgelegt sind, beim Weben ohne weiteres Zutun. Beim Anfertigen von Karos muss man hingegen mitzählen und die verschiedenfarbigen Schussfäden abwechseln. Die Unterschiede in den Textilien sind bemerkenswert, da die Funde von Hallstatt und Dürrnberg aus der gleichen Region stammen (55 km Luftlinie voneinander entfernt) und die Siedlungen und Salzbergwerke vom Dürrnberg zeitlich nur ein wenig jünger als jene von Hallstatt sind, sich einander teils auch überschneiden. Zudem sind an beiden Fundorten dieselben Einbettungsbedingungen vorhanden: in den Abraumschichten des Bergbaubetriebes. An beiden Orten haben wir wohlhabende Gemeinschaften vor uns, die stark in den europäischen Handel involviert waren und die in alle Richtungen kulturelle Kontakte plegten. 236 372 Von Kurzynski 1996 und Katalog in Stöllner 2002. Zur Standardisierung von Kurzynski 1996, 35–36. 373 Stöllner 2005, Abb. 6. Es ist durch das Textilmaterial vom Dürrnberg offensichtlich, dass hier eine efiziente Produktion mit einem Maximum an Output angestrebt wurde, wenn auch einige wenige besondere verzierte Stücke darunter sind. Die spezielle Struktur des „Wirtschaftsstandortes“ Dürrnberg374 hat dies wohl begünstigt. Der Dürrnberg besaß neben dem gut organisierten Bergbau auch eigene Handwerksbetriebe für verschiedene Produktgruppen (z. B. Holz- und Bronzeobjekte, Glas- und Eisenwaren, Sapropelitarmreife etc.) in den Siedlungen. Ein ausgedehntes Handesnetz sorgte für die Verteilung der hergestellten Güter. Setzt man nun die Gesamtheit der bisher aufgefundenen Textilien der Jüngeren Eisenzeit in Österreich, Mähren und der Slowakei375 in Beziehung mit diesem am Dürrnberg gewonnenen Bild, so ergibt sich (trotz verschiedenem Zusammenhang und auch unterschiedlicher Verwendung der Einzelstücke) ein geschlossener Gesamteindruck. Diese Entwicklung zu standardisierter Massenware mit wenigen verschiedenen Gewebearten (meist einfache Leinwandbindung, standardisierte Gewebedichten und Fadenstärken) ist auch bei den latènezeitlichen Grabfunden dieses Gebietes zu beobachten. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch an den Textilien aus der Schweiz ab der Mittellatènezeit376. Eine Standardisierung bemerken wir zudem bei den verwendeten Arbeitsgeräten. Ab der Latènezeit gibt es vermehrt Spinnwirtel, die aus zerbrochenen Tongefäßen rundlich zugeschliffen und durchbohrt wurden (vgl. Abb. 34). So ist auch bei der Spindel nicht mehr die individuelle, kreative Formung und Verzierung wichtig, sondern rein die Funktionalität – auch das ist ein Hinweis auf Massenproduktion. Ist dies nun eine zeittypische Erscheinung der Jüngeren Eisenzeit? Hatte sich die Gesellschaft bereits so weit entwickelt, sind die Handwerke so weit aufgegliedert, dass selbst das sehr konservative Textilhandwerk zur Massenherstellung übergegangen 374 Brand 1995. – Stöllner et al. 2003, 123 ff., 152 ff. 375 Belanová 2005 und 2007. – Grömer (im Druck). 376 Rast-Eicher 2008. 237 war?377 Der vollständige Übergang zur Massenproduktion würde auch die Aufgliederung in verschiedene Berufe mit Vollzeitbeschäftigung in dieser Sparte, spezielle Produktionsstätten etc. bedeuten. Noch können die archäologischen Quellen dazu keine absolute Gewissheit geben – es ist aber wahrscheinlich, dass in der Latènezeit in Mitteleuropa neben dem Haushandwerk die ersten Vorformen der werkstättenorientierten Massenproduktion entstehen, was von den Römern in den um die Zeitenwende von ihnen eingegliederten Provinzen stark ausgebaut wird. In der römischen Kaiserzeit gibt es in allen Provinzen Massenprodukte – spezielle Produkte der jeweiligen Regionen für den römischen Markt. Für die im heutigen Österreich gelegene Provinz Noricum ist ein spezielles Wolltuch belegt, beschrieben etwa im Preisedikt des Kaisers Diokletian aus dem Jahre 301 n. Chr.378 Auch bei anderen Materialgruppen bzw. Handwerken sind in der Latènezeit ähnliche Dynamiken zu bemerken. Nimmt man als Beispiel die Töpferei, die wie das Textilhandwerk meist als eher konservativ angesehen wird und ebenfalls ab der Steinzeit in Haushandwerk hergestellt wurde: Bei der archäologischen Keramikanalyse werden generell gezielt verschiedene Elemente wie die Form der Gefäße, die Verzierungsweise und auch die angewandte Herstellungstechnik erforscht. Diese Analysen bilden das gängige „Handwerkszeug“ der Archäologen beim zahlenmäßig bedeutsamsten Fundgut der mitteleuropäischen Urgeschichte. In der Hallstattzeit in Österreich und seinen Nachbarländern kann man eine arbeitsintensive individuelle Produktion feststellen, die sich im Vergleich zur bronzezeitlichen Keramikproduktion sowohl in Form als auch Verzierung als sehr „barock“ überladen und qualitätsvoll darstellt379. Ab der Mitte der Frühlatènezeit380 schwenkt die Produktion von handgefertigter Ware um auf die Herstellung mit der schnelldrehenden Töpferscheibe (Abb. 122). Nun kann in Masse produziert werden, was sich stark auf die Formen und Verzierungen auswirkt. Es werden 238 377 Siehe dazu die Überlegungen bei Rast-Eicher 2008, 188 ff. – Zu Spezialisierung und Massenware im vorrömischen Italien siehe Gleba 2008a, bes. 190–194. 378 Ed. Diokl. 19,47.55.59; 33,24. 379 Kurzer Einblick in die Tonware der Hallstattzeit bei Nebelsick et al. 1997, bes. 65 ff. Zum Prunkgeschirr S. 116–122. – Urban 2000, z. B. 281, Abb. S. 271. 380 vgl. Neugebauer 1992, 94–98. Gefäßformen bevorzugt, die mit der Töpferscheibe rasch und einfach gefertigt – „aufgedreht“ – werden können. Die Verzierungen beschränken sich dabei stark auf Riefen, Linien und Tonwülste, die beim Drehen auf der Scheibe mitgearbeitet wurden. Die Gefäße sind dadurch standardisierter und funktionaler und besonders im Falle der Feinware von ausgezeichneter Qualität. Ähnliches ist auch für die alte Kunst des Holzhandwerkes zu beobachten, da in der Latènezeit das Drechseln aufkommt. Abb. 122: Keramik aus der Hallstattzeit (handgeformt) und der Latènezeit (Drehscheibenware). Wir wissen natürlich nicht, welcher Prozentsatz der benötigten Textilien speziell in der Eisenzeit von Spezialisten oder in Massenproduktion gefertigt wurde. Es soll hier nur angedeutet werden, dass neben dem in der Urgeschichte stets präsenten Haushandwerk auch höhere Produktionsstufen angenommen werden sollten. 239 Soziologie des Textilhandwerkes Nach den allgemeinen Betrachtungen zur Handwerksorganisation kristallisieren sich nun weitere soziologische Fragen heraus: welche Personen produzierten die Textilien, wie war ihr Geschlecht, ihr Alter, in welchem sozialen Kontakt standen die einzelnen Personen zueinander? Interessant ist auch, für wen bestimmte Produkte hergestellt wurden: wer besaß aufwändige und teure Textilien – wer durfte die besitzen? Um moderne Begriflichkeiten zu benutzen, sind also neben den Produzenten auch die Konsumenten der Textilien eine Personengruppe, die näherer Betrachtung bedarf. Wiederum erlaubt uns das Fehlen von Schriftquellen nur ein vages Bild. Die zur Verfügung stehenden archäologischen Quellen müssen in diesem Fall mit besonderer Sorgfalt auf ihre Schlüssigkeit geprüft werden. Im Folgenden beschränken wir unsere Untersuchungen auf die Eisenzeit in Mitteleuropa, da wir hier die am besten auszuwertenden Quellen besitzen – der Fokus liegt wieder auf dem Gebiet des heutigen Österreich. In der Urgeschichte wurden die Toten bei einem Begräbnis mit jenen Dingen ausgestattet, die sie für ein Leben im Jenseits benötigten. So sind Gräber und Gräberfelder eine bedeutende Quelle für verschiedenste Forschungsinhalte. Der soziale Status einer Person innerhalb einer Gemeinschaft kann von den Grabbeigaben und dem Schmuck abgelesen werden. Der Schmuck und die metallenen Bestandteile der Kleidung geben auch darüber Auskunft, was die betreffende Person bei der Bestattung getragen hatte (vgl. Seite 293 ff.) – hier tritt uns also dieser Mensch als Konsument, als Benützer textiler Produkte gegenüber. In Bezug auf das Textilhandwerk inden sich weitere interessante Botschaften in den Gräbern. Es kann studiert werden, ob etwa bestimmte Geräte nur gewissen Personengruppen (Alter, Geschlecht) beigegeben wurden. Werkzeuge für den textilen Bereich wären dabei Spinnwirtel, Nähnadeln, Webgewichte und Spulen, aber auch Scheren und Messer. In verschiedenen Zeitabschnitten von der Urnenfelderzeit zur Latènezeit und in unterschiedlichen Regionen Mitteleuropas scheint es bestimmte Regeln gegeben zu haben, welche und wie viele Werkzeuge den 240 Toten als Grabbeigaben beigelegt wurden. Vor allem für die Osthallstattkultur, aber auch im inneralpinen Bereich, ist ein Spinnwirtel ein typisches Artefakt in Frauengräbern. Was aber bedeuten diese Werkzeuge im Grab381? Zeigt etwa ein Spinnwirtel in einem Grab, dass eben jene Person dieses Handwerk ausübte – und andere nicht? Ist ein Spinnwirtel vielleicht ein Symbol für einen speziischen Status, eine soziale Rolle oder ein Symbol für „die Frau“ generell? Sind Spindeln möglicherweise so sehr ein Symbol für das Weibliche, dass sie sogar eine erotische Bedeutung haben können? Mit Augenzwinkern sei hier auf die späteisenzeitlichen Funde aus Frankreich verwiesen. Was auch immer die Menschen dazu bewogen hat – sie haben Spinnwirtel mit eindeutigen gallischen bzw. galloromanischen Inschriften versehen382. Eine Kostprobe der Sprüche: „moni gnatha gabi buđđutton imon“ – „Komm, Mädchen, nimm mein Küßchen“ auf einem Spinnwirtel aus SaintRévérien oder „geneta vis cara?“ – „Liebes Mädchen, willst du?“ Die Spindel von Autun fordert überdies „nata vimpi curmi da“ – „Schönes Mädchen, gib Bier“. Die Spindel als Liebesgabe also? In römischer Zeit wurde die Spindel bei der Hochzeit als Symbol für die Plichten der Frau überreicht. Selbst in der mitteleuropäischen Volkskunde inden sich ähnliche Gedanken, wenn im Alpenraum bis ins 19. Jahrhundert hinein Spinnrocken mit Liebessymbolen geschmückt oder mit den Initialen der Liebenden beschnitzt wurden383. Dieser launige Auslug zur erotischen Symbolik eines Handwerksgerätes soll aber nicht den Blick auf andere Aspekte verstellen: Bedeutet ein Werkzeug im Grab eine hohe oder niedrige Stellung in der Gesellschaft? Möglicherweise zeigen die Geräte in den Gräbern gar nicht ein Abbild der alltäglichen Realität dessen, was die betreffende Person an ständigem Arbeitspensum zu leisten hatte, sondern haben vielmehr eine religiös-symbolische Bedeutung. Derartiges wird teils auch für die bildlichen Darstellungen von Textilarbeit in Erwägung gezogen (siehe unten). 381 vgl. dazu die Kommentare bei Gleba 2008a, 171–174 oder Eibner 1986. 382 Nach Birkhan 1997, 1091–1092. 383 Vergleiche etwa Grieshofer 2004, 125–129 mit Beispielen aus der Schweiz, Ostfrankreich, Österreich und Italien, auch aus Rumänien und den Gebieten des ehemaligen Jugoslawien. 241 Bei den folgenden Betrachtungen wird nun davon ausgegangen, dass ein Werkzeug in einem Grab auch mit der handwerklichen Tätigkeit des oder der Verstorbenen zu tun hat. Die eisenzeitliche Kunst384 bietet viele mehr oder weniger detaillierte Abbildungen von Menschen und ihrer Kleidung, vor allem auf Werken der Situlenkunst und als Verzierungen auf Tongefäßen, auf Statuen und Statuetten sowie menschengestaltigen Fibeln (Details siehe Seite 291 ff.). Es inden sich auf der Keramik des Osthallstattkreises und bei der Situlenkunst szenische Darstellungen, Bildererzählungen, die uns über die Vorstellungswelt der eisenzeitlichen Menschen (der Oberschicht?) unterrichten. So gibt es Festszenen mit Musik und Tanz, Prozessionen, Umzüge, Trinkszenen, Wagenfahrten, Jagden – und auch Abbildungen von Textilarbeit. Die bekannten Szenen inden sich auf einem Klapperblech aus Bologna und auf einem Kegelhalsgefäß aus Sopron. Interessanterweise werden von den zeitgenössischen Künstlern Mitteleuropas keine anderen Handwerke dargestellt. Es gibt keine Bilder etwa von Bronzeschmieden, von Drechslern, Knochenschnitzern oder von Töpfern – Handwerke, die wie Textilarbeit ebenfalls bedeutende Produkte im alltäglichen Leben hervorbringen. Die nächste Frage ist daher, wer bei den Textilszenen dargestellt ist. Sind hier (weibliche) Handwerksspezialisten abgebildet oder bloß „Hausfrauen“ bei ihrer täglichen Plicht? Soweit das Geschlecht erkennbar ist, sind nämlich nur Frauen dargestellt. Alexandrine Eibner385 befasste sich mit der symbolisch-rituellen Bedeutung des Textilhandwerkes, wobei sie eisenzeitliche Abbildungen aus dem Alpenraum analysierte und mit anderen Funden aus demselben Gebiet in Beziehung setzte. Zur Interpretation zog sie auch Schrift- und Bildquellen aus dem antiken Griechenland heran. In der Antike war Textilarbeit eine der vornehmsten und wichtigsten Plichten von Frauen, wie auch in den homerischen Epen386 beschrieben. Der Symbolismus, den eine Spindel im antiken Griechenland hat, verbindet diese nicht nur mit dem Status der Herrin eines Hauses (die Spindel 242 384 Huth 2003. – Lucke & Frey 1962. – Reichenberger 2000. 385 Eibner 1986, 2000/2001. 386 Hom., Il., 6/490–493. – vgl. dazu auch Wagner-Hasel 2000. ist auch das Symbol der verheirateten Frau), sondern die Spindel ist auch das Attribut von weiblichen Gottheiten. Textilhandwerk hatte also durchaus seinen Platz in der Mythologie. Für unsere Fragestellungen ist hier vor allem von Bedeutung, dass teilweise detaillierte Szenen verschiedener textiler Arbeitsprozesse für uns erkennbar sind: Spinnen, Kette Schären, Weben. Die Schriftquellen, Berichte antiker Autoren387 über späteisenzeitliche Gemeinschaften Mittel- und Nordeuropas, bieten fast keine Ansatzpunkte für unsere Fragestellungen. Technische Beschreibung von Handwerk generell und Textilproduktion im Speziellen war kein Thema, das den antiken Autor oder seine Leser besonders interessiert hätte. So wie auch heute in allgemeinen Berichten in Zeitungen und Zeitschriften werden wohl verschiedene Dinge des Alltags erwähnt, nicht aber die genaue Beschreibung jedes Handgriffes ihrer Handhabung – das wird als bekannt vorausgesetzt. Es wurde von den antiken Geschichtsschreibern eher das beschrieben, was für den Verfasser und seine Leserschaft ungewöhnlich erschien – und eine Person mit Spindel oder am Webstuhl war das sicher nicht, da diese allgegenwärtig waren. Erwähnung inden aber Produkte, die für den Handel bedeutsam waren, für den textilen Bereich etwa Mäntel. Die Nutzer von Textilien („Konsumenten“) Die archäologischen Quellen erlauben uns für unsere speziellen Fragen großteils nur den Blick auf den eher wohlhabenden Teil der eisenzeitlichen Bevölkerung. Textilien erhalten sich in Gräbern in unseren Breiten meist nur, wenn sich bei der Bestattung ausreichend Metalle (Schmuck, große Bronzegegenstände...) inden, an denen sie ankorrodieren konnten (siehe Seite 30 ff.). Wir haben also Textilerhaltung eher in Gräbern der begüterten Mittelschicht und der Reichen erhalten. Besonders prachtvolle und aufwändig gearbeitete Gewebe sind in den metallreichen 387 Zu Berichten antiker Autoren über Handwerk in der Eisenzeit siehe Timpe 1981. Über Textilherstellung und Färben 54 f. 243 Fürstengräbern wie Hohmichele oder Hochdorf überliefert388. So sind wir also über die erlesenen Stoffe der Oberschicht gut informiert. In „armen“ Gräbern ohne Metallbestandteile konnten sich eventuell einstmals vorhandene Stoffe nicht erhalten. Auch auf Werken der eisenzeitlichen Kunst inden sich Abbildungen von Textilprodukten, vor allem von Gewändern und wie sie getragen wurden. Es ist dies also – wenn man so will – ein Bild der Konsumenten. Besonders die Situlenkunst beschert uns reich dekorierte Darstellungen von Männern, Frauen und – selten – Kindern in ihren (Fest-?)Gewändern: Männer mit Kitteln und langen Mänteln und verschiedenen Hüten, frackartigen Wämse und Hosen, Frauen mit langen Kleidern und Schleiern. Doch auch hier ist zu bedenken, dass eher die Oberschicht dargestellt ist – wenn es nicht gar symbolisch-mythologische Szenen sind. Es sind jedenfalls keine Alltagsbilder der breiten Bevölkerung (siehe dazu Seite 301 ff.). Bei den Werken der Situlenkunst fällt die teils sehr detaillierte Darstellung der karierten Textilmuster, der Borten und Bänder auf, mit denen die Kleidung geschmückt ist. Diese lassen sich wiederum mit den exquisiten Stoffen etwa aus den eisenzeitlichen Teiles des Salzbergwerkes Hallstatt389 in Beziehung setzen – sie sind also tatsächlich realitätsnah. Bei den hochwertigen, teils aufwendig gemusterten Stoffen aus dem Salzbergwerk Hallstatt stellt sich dabei die Frage, ob diese Stoffe die Kleidung der breiten Bevölkerung der reichen Bergbausiedlung Hallstatt widerspiegeln. Die Stoffe wurden als Lumpen sekundär in den Berg gebracht, wo sie nach ihrer Erstnutzung als Kleidungsstücke verschiedene Funktionen (Seite 267 ff.) hatten, etwa als Bindematerial. Durch neuere Untersuchungen an den Skelettresten390 des hallstattzeitlichen Gräberfeldes im Hochtal ist bekannt, dass eben die dortige Bevölkerung auch im Salzabbau tätig war. Das Gräberfeld von Hallstatt zeichnet sich im Vergleich mit anderen zeitgleichen Begräbnisstätten vor allem auch durch seinen Reichtum aus. So verwundert es nicht, 244 388 Hochdorf: Banck-Burgess 1999. – Hohmichele: Hundt 1962. 389 Grömer 2005, mit Referenzen zu anderen Forschern wie Hans-Jürgen Hundt und Katharina von Kurzynski. 390 Doris Pany in Kern, Kowarik, Rausch & Reschreiter 2008, 136–141. dass die in Hallstatt gefundenen Gewebe teils sehr exquisit sind. Kann nun also dieser Befund der feinen und gemusterten Stoffe aus den eisenzeitlichen Teilen des Hallstätter Salzbergwerkes dahingehend gedeutet werden, dass diese ebenfalls einer breiteren (und auch im Vergleich zu anderen hallstattzeitlichen Gemeinschaften tendenziell wohlhabenderen) Bevölkerung zur Verfügung standen? Bedauerlicherweise schweigen unsere Quellen großteils zu anderen Siedlungen. Es ist nur feststellbar, dass die begüterten und reichen metallführenden Gräber im gesamten Bereich der Hallstattkultur ebenfalls feine Stoffe besitzen. Von den Mustern sind aufgrund der fehlenden Farbigkeit bei Metallkorrosion nur noch die Spinnrichtungsmuster erkennbar. Als Konsumenten der feinen und aufwändigen Textilien der Hallstattzeit sind also bisher die reicheren Bevölkerungsschichten und die Oberschicht zu identiizieren. Die Stoffe, die von der nicht so begüterten Allgemeinheit benutzt wurden, sind hingegen schwer zu fassen. Personen im Textilhandwerk („Produzenten“) Ein wesentlicher soziologischer Aspekt betrifft schließlich jene Personen, die im Textilhandwerk tätig waren. Wie eingangs bereits erwähnt, haben die eisenzeitlichen Menschen in ihrer Kunst manchmal Textilarbeit abgebildet. Sehr bekannt und in beinahe jedem wissenschaftlichen und auch populären Buch über prähistorischen Textilien zu inden ist die sogenannte „Urne von Sopron“ mit der Spinn- und Webszene. Dieses frühhallstattzeitliche Kegelhalsgefäß wurde in Tumulus 27 des Gräberfeldes Sopron-Burgstall (Várhely)391, Ungarn (Abb. 123), im Grab einer 18 bis 20-jährigen Frau entdeckt. Es handelt sich bei dem Gefäß aber nicht um einen Leichenbrandbehälter, wie der in verschiedenen Publikationen immer wieder verwendete Begriff „Urne“ suggeriert, sondern um einen Trankbehälter. Die junge Frau erhielt viele Beigaben: weitere 391 Eibner 1980, Inventar des Tum. 27: S. 133–141, Taf. 224–236. 245 Abb. 123: SopronBurgstall, Tumulus 27: Kegelhalsgefäß mit der Spinn- und Webszene. Gefäße komplettieren das Speiseservice, als Schmuck- und Trachtgegenstände dienten Glasperlen, ein Bronzehalsreif und eine Harfenibel. Sehr aufschlussreich ist, dass die Frau nicht nur das Kegelhalsgefäß mit einschlägigem Motiv in ihrem Grab hat, sondern auch konkrete Werkzeuge für dieses Handwerk: zwei tönerne Wirtel sind die Überreste ihres Spinnzeuges. Der hölzerne Spindelstab und das Spinngut aus Wolle oder Flachs sind leider vergangen. Die Verzierungen auf dem Kegelhalsgefäß verdienen nun nähere Betrachtung: Am Hals des Gefäßes sind verschiedene Personen eingeritzt (Abb. 123 und 124), beherrschend ist die Szene der Frau am großen Gewichtswebstuhl. Daneben sehen wir eine Frau mit einer Spindel sowie zwei Frauen mit erhobenen Händen – der Andeutung eines Tanzes? Eine fünfte, kleinere Figur (männlich?) ist rechts neben dem Webstuhl situiert und hält eine Leier. Die gesamte Darstellung erzählt neben der charmanten, stimmungsvollen (vielleicht mythologischen) Szene mit Musik und Tanz auch, dass Spinnen und Weben von Frauen durchgeführt wurde. Ebenso bekannt ist das bronzene Klapperblech von Bologna, Arsenale Militare, „Tomba degli Ori“, Italien, 392 das um 630 v. Chr. datiert. Dieses Objekt ist auf beiden Seiten mit Szenen geschmückt, bei denen Frauen Textilarbeit verrichten. Hier inden sich noch mehr Details des Arbeitsablaufes: Auf einer Seite des Klapperbleches bereiten zwei weibliche Personen offensichtlich das Vlies zum Spinnen vor. Im Feld darüber steht eine Frau mit Spindel und Spinnrocken. Auf der anderen Seite des Bleches sind verschiedene Aktivitäten abgebildet, die zum Bereich Weben gehören. Zuunterst sind zwei Frauen damit beschäftigt, gemeinsam die Webkette zu schären, also die Basistätigkeit zur Gewebeherstellung. Darüber sitzt eine Dame auf einem Thron und bedient den Gewichtswebstuhl, wobei eine andere Frau 392 246 Morigi Govi 1971. – Vergleiche auch bei Gleba 2008a, 28–30. ihr ein Gefäß reicht – wohl mit Wolle darin. Wiederum sind alle abgebildeten Personen weiblich. Nicht nur das Spinnen und Weben, sondern auch das Vorbereiten des (Woll)Vlieses und das Kette Schären wurden demnach (auch) von Frauen bewerkstelligt (Abb. 124). Abb. 124: Bildliche Darstellungen zum Textilhandwerk aus der Eisenzeit. Ein weiterer wichtiger Hinweis zum Geschlecht der Textilhandwerker kann aus den Gräbern abgelesen werden – unter der Annahme, dass die Werkzeugbeigabe auch auf einer Tätigkeit im realen Leben beruhte. Als Beispiel möge hier Statzendorf in Niederösterreich393 aus der Zeit um 800 bis 600 v. Chr. dienen. Es ist dies ein typisches Gräberfeld der hallstattzeitlichen Kalenderberggruppe (Osthallstattkreis) und liegt eher in ländlicher Peripherie. Der Friedhof hat 373 Gräber, von denen die meisten (90 %) Brandbestattungen sind. Die Toten wurden üblicherweise mit zahlreichen Gefäßen für das Leben nach dem Tod ausgestattet, diese bildeten Teile eines Trink- und Speisesets. Die in den Gräbern teilweise gemeinsam mit Messern aufgefundenen Tierknochen 393 Rebay 2006. 247 repräsentieren die Überreste der Speisebeigabe. Persönliche Objekte sind Schmuckstücke und Überreste von Kleidungsbestandteilen wie Gewandnadeln, Fibeln, Glasperlen, Blechgürtel oder Armreife. Als Werkzeuge wurden Spinnwirtel, Nähnadeln, Messer und Wetzsteine mitgegeben, Männer erhielten Waffen wie Äxte oder Lanzen. Unter den Gräbern von Statzendorf sind bei 12 % der Bestattungen Textilgeräte zu inden – wenn das Geschlecht bestimmt werden konnte, handelte es sich jeweils um Frauenskelette. Die Archäologin Katharina Rebay, die dieses Gräberfeld analysierte, führte auch Sozialindexberechnungen durch, um den sozialen Rang einer Person besser fassen zu können. Dabei versuchte sie, den Wert der Grabbeigaben (Anzahl und Größe der Gefäße, Anzahl und Art der Metallgegenstände inklusive Metallgewicht etc.) wie auch den Wert der Bestattungssitte des Grabbaues zu eruieren. Für das Textilhandwerk ist dabei interessant, dass Spinnwirtel und Nähnadeln sowohl in „armen“ als auch in sehr „reichen“ Gräbern mit Sozialindex 100 vorkommen. Es kann also bei diesem Gräberfeld nicht belegt werden, dass die Textilgeräte einer bestimmten sozialen Gruppe von Personen vorbehalten waren. Auch die Anzahl der Spinnwirtel hilft hier nicht weiter, weil etwa in Grab A089 mit niedrigem Sozialindex gleich vier Spinnwirtel gefunden wurden (Abb. 125), in reicheren Gräbern teilweise nur einer. Das hallstattzeitliche Brandgräberfeld von Uttendorf im Pinzgau394 datiert in das 8. Jahrhundert v. Chr. Hier sind zehn sehr reiche Frauengräber auffällig, in denen Sets von Webgewichten gefunden wurden – genügend, um einen kleinen Webstuhl zu bestücken. Diese sind teils sehr exquisit hergestellt und verziert, teilweise bestehen sie aus Stein (Serpentin). Schon diese Webgewichte sind also eher zu den Luxusgütern zu zählen und zeichnen diese Frauen aus; in ärmeren Gräbern kommen sie nicht vor. Interessanterweise haben diese Textilgeräte Spuren von Brandeinwirkung. Es ist daher anzunehmen, dass bei der rituellen Verbrennung des Leichnames jeweils ein kompletter Webstuhl gemeinsam mit der toten Frau auf den Scheiterhaufen gelangte. Schließlich wurden die angebrannten Webgewichte als Beigabe neben die Urne in das Grab gelegt. Diese Sitte ist vor allem in der Region südlich der Alpen nachweisbar. 394 248 Moosleitner 1992. Im hallstattzeitlichen Gräberfeld Frög in Kärnten395 wurden in den Gräbern neben Spinnwirtel und Webgewichten auch tönerne Spulen und metallene Spinnrocken gefunden, Letzteres ist im Gebiet östlich und nördlich der Alpen eher selten. Diese Beispiele für die Beigabe von Textilgeräten in Gräbern könnten noch durch viele andere erweitert werden. Fakt ist, dass vor allem in der Älteren Eisenzeit in Frauengräbern die Beigabe von Werkzeugen des Textilhandwerkes durchaus üblich ist, sowohl in Brandgräbern als auch in Gräbern mit Körperbestattung. Am Ende der Eisenzeit werden Textilgeräte in Gräbern allgemein 395 Abb. 125: Statzendorf, Niederösterreich: Hallstattzeitliches Grab A089 mit Spinnwirteln. Das Grab hat einen niedrigen Sozialindex. Tomedi 2002, 159–162. 249 seltener als in der Hallstattzeit. Als latènezeitliche Gräber mit Textilgeräten wie Nadeln, Spinnwirteln, Webgewichten und als Neuerung auch Scheren können die Bestattungen aus Pottenbrunn in Niederösterreich oder Dürrnberg bei Hallein genannt werden396. Wer sind nun die Personen, denen Textilgeräte beigegeben wurden? Interessant ist dabei, dass sich die Spinnwirtel und Webgewichte meist in Frauengräbern beinden. Nur in wenigen Ausnahmefällen erscheint ein derartiges Gerät einmal in einem Männergrab. In Pottenbrunn, Grab 565, ist etwa ein 55 bis 60 Jahre alter Mann bestattet, der neben einem Spinnwirtel als Auffälligkeit auch einen bronzenen und silbernen Fingerring trug. Was bedeutet dies nun? Ist ein Spinnwirtel im Grab eines Mannes eine Auf- oder Abwertung dieser Person oder erzählt das Gerät nur neutral davon, dass eben dieser Mann auch einer spinnenden Tätigkeit nachging? Betont eine derartige Grabbeigabe eventuell auch die Geschicklichkeit des ausgeübten Handwerks und so die Bedeutung für die Gemeinschaft? Weiters ist zu bemerken, dass in den Abbildungen und den Gräbern nur ein bestimmter Teil des Arbeitsablaufes bei der Textilproduktion (vgl. Seite 43 ff., Abb. 12) auftaucht: das Spinnen und Weben ist nach diesen Quellen den Frauen zuzuschreiben. Was ist aber mit anderen Handgriffen wie Scheren der Schafe, Aufbereiten von Flachs, Kämmen von Wolle, Färben sowie Zuschneiden der Stoffe und Nähen? All diese sind in den Bildquellen nicht zu inden. In den Gräbern sind neben Spinn- und Webgeräten nur Nähnadeln und Scheren verschiedener Größen vertreten. Diese Näh- und Schneidewerkzeuge sind aber eher selten, und überdies können sie in den Gräbern von Männern und Frauen vorkommen397. Scheren sind im Textilhandwerk vielseitig einsetzbar. Dies beginnt bei der Schafschur; ein Schneidewerkzeug ist aber auch ein Allzweckgerät beim Weben – immer wenn es gilt, Fäden abzuschneiden, beim Endfertigen des Webstückes, beim Kappen der Aufhängung der Webgewichte und schließlich bei Zuschnitt und Näherei. Außerdem besteht 250 396 Pottenbrunn: Ramsl 2002. – Dürrnberg: Penninger 1972, z. B. Taf. 2, 3, 11, 14. 397 z. B. Pottenbrunn: Ramsl 2002, 87. – Nadel und Nadelbüchse in Männergrab 28/1939 von Hallstatt: Kromer 1959, 198. auch die Möglichkeit, dass Nadel und Schere für andere Arbeiten, etwa für das Lederhandwerk, verwendet wurden. Wir haben daher keinen direkten archäologischen Beleg für das Geschlecht der Personen, die für das Scheren der Schafe, für die Vorbereitung des Rohmaterials Flachs, für das Färben, Schneidern und Nähen zuständig waren. Es ist also nur für das Spinnen und Weben relativ klar, dass dies (großteils?) von Frauen durchgeführt wurde. Die soziale Stellung dieser Frauen ist ebenfalls nicht genau bekannt. So kann es sich wie bei der griechischen Oikos-Wirtschaft um hochrangige Frauen handeln, die gemeinsam mit ihren Dienerinnen hochqualitative Produkte herstellten (etwa jene sehr reichen Frauen aus den Gräbern von Uttendorf im Pinzgau) – gleich Penelope oder Andromache aus den homerischen Epen398. Wer waren aber die Personen der „Durchschnittsbevölkerung“ mit Textilgeräten, wie wir sie in jedem hallstattzeitlichen Gräberfeld inden? Waren es etwa arme Frauen, die zum Erwerb ihres Unterhaltes spinnen mussten oder waren sie „Hausfrauen“, zu deren täglichen Plichten neben Nahrungszubereitung, Versorgung der Kinder und anderen Haushaltstätigkeiten auch Textilarbeit gehörte? Es ist hierbei bedeutend, dass nicht jede Frau ein Textilgerät in das Grab bekam. So zeigt die Beigabe vielleicht doch einen bestimmten Status oder möglicherweise eine „Könnerin“ im Handwerk an399 – vor allem, wenn etwa mehrere Spinnwirtel mitgegeben wurden. Ansonsten sei noch erwähnt, dass das oftmalige Vorkommen von Scheren in Männergräbern ebenfalls soziologisch interpretiert wird. Für Antoinette Rast-Eicher400 deutet die Schere als Grabbeigabe vor allem in Männergräbern ab der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. einen wirtschaftlichen und sozialen Wandel an. Die Erindung der Schere für die Schafschur geht Hand in Hand mit der Zucht von Schafen mit kontinuierlich wachsender Wolle. Diese mischwolligen Schafe ohne natürlichen Haarwechsel konnten in großen Herden gehalten, das Vlies rasch 398 Siehe dazu die Überlegungen bei Eibner 2000/2001, 108 ff. 399 Zum sozialen Status der Frauen im Textilhandwerk siehe Gleba 2008a, 174 f. 400 Rast-Eicher 2008, 156. 251 geschnitten werden. Die Menge und Qualität der Wolle nahmen mit diesen Rassen deutlich zu – ein Rohmaterial, das auch für Verkauf und Handel interessant war. Nach diesen Überlegungen interpretiert Rast-Eicher die Scheren in reichen Gräbern (v. a. Männerbestattungen) als Attribut eines Herdenbesitzers. Der Reichtum, den große Schafherden verkörperten, wird auch bei römischen Autoren deutlich, wenn etwa der antike Geschichtsschreiber und Geograph Strabon401 (ca. 63 v. Chr. bis 18 n. Chr.) erwähnt, dass mit Schafen Zinsen und Tribute bezahlt wurden. Organisation des Textilhandwerkes – Arbeitsteilung? Die Überlegungen zum Geschlecht der im Textilhandwerk Tätigen führt direkt zur Frage nach der Organisation des Handwerks, also nach eventueller Arbeitsteilung. Beim Haushandwerk ist die Textilarbeit nur eine von vielen Tätigkeiten, die wahrscheinlich immer dann eingeschoben wurde, wenn keine anderen Plichten (etwa in der Landwirtschaft, Nahrungsversorgung etc.) drängten. Vor Erindung der Schafschur in der Latènezeit geschah die Gewinnung der Wolle durch Auszupfen im Frühjahr, wenn sich der langhaarige Winterpelz der frühen Schafrassen von selbst löste402. Die einzelnen Arbeitsschritte wurden wahrscheinlich nicht immer nacheinander, sondern auch nebeneinander erledigt, etwa zupfen und sortieren von Wolle, spinnen und weben. Spinnen mit der Handspindel eignet sich auch hervorragend als „Nebenher-Tätigkeit“, etwa beim Gehen größerer Wegstrecken, beim Kinderhüten etc. Können wir noch erschließen, ob alle Schritte des Arbeitsprozesses – von Rohmaterialaufbereitung über Spinnen, Weben bis zum Nähen – in einer Hand lagen (in der von Frauen?) oder ob in der Eisenzeit verschiedene Personen(gruppen) für unterschiedliche Arbeitsbereiche zuständig sind? 252 401 Strab. 11,10. 402 Bohnsack 1981, 54. Generell basiert Textilhandwerk auf verschiedenen, sich immer wiederholenden und auch langwierigen Abläufen. Einige von diesen haben mehr Zeitverbrauch inne als andere. Das Aufbereiten der Fasern zu verspinnbarem Fasergut dauert je nachdem, ob es sich um Wolle oder Flachsplanzen handelt, zwischen Tagen und Wochen. Auch das Spinnen ist sehr zeitintensiv mit einem Aufwand von Wochen und Monaten, während das Weben des Werkstückes aus der erforderlichen Garnmenge schneller vonstatten geht. Aber auch das dauert noch Tage bis Wochen403. Das Zuschneiden und Nähen eines Gewandes als letzter Arbeitsschritt (wenn nicht das Stoffstück nach Abnahme vom Webstuhl direkt verwendet wird), kann dann relativ schnell bewerkstelligt werden im Vergleich mit der für das Spinnen und Weben aufgewendeten Zeit. Es gibt auch innerhalb des Arbeitsablaufes Tätigkeiten, die nach spezialisiertem know how verlangen. So können diverse Verzierungs- und Färbetechniken oder das Brettchenweben mit seinen komplexen Musterungen nicht einfach ohne eine Lernphase bewerkstelligt werden. Andererseits gibt es Tätigkeiten, bei denen selbst kleine Kinder mithelfen können, wie etwa das Reinigen und Zupfen von Wolle. Gibt es aus der Archäologie Quellen die uns sagen, wie viele Personen miteinander arbeiteten oder ob wir spezialisierte Arbeiter für bestimmte Produktionsschritte vor uns haben? Auch hier stoßen wir ohne Schriftquellen auf große Herausforderungen. Wieder einmal können wir die Gräber zu diesem Thema befragen. Interessanterweise inden sich teilweise „Handwerkssets“ – die Beigabe mehrerer Werkzeuge mit funktionalem Zusammenhang: Uttendorf im salzburgischen Pinzgau, Grab 56404, ist durch exquisite Schmuckbeigabe (6 Fibeln, Finger- und Armringe, Gürtelblech, Halsketten...) als sehr reiches Frauengrab ausgewiesen. In diesem Grab wurde ein Handwerksset aus sieben steinernen Webgewichten, einem Spinnwirtel und einem Eisenmesser entdeckt – also Arbeitsmittel zum Herstellen des Fadens, zum Schneiden und zum Weben. Ein anderes Beispiel 403 vgl. Andersson 2003b, 46–48. – Oder Pfarr 2005. 404 Moosleitner 1992, 42. 253 stammt aus Frög405, Tumulus 159, Grab 1, mit einer Spindel und vier Spulen zum Aufwickeln des gesponnenen Garns. Das Gräberfeld von Statzendorf, Niederösterreich, wurde österreichweit am intensivsten in Hinblick auf Handwerkssets untersucht. Meist wurden Spinnwirtel gemeinsam in einem Grab mit dem Allzweckgerät Messer oder mit Nähnadeln gefunden. Besonders beachtenswert ist das reiche Frauengrab A014 (Abb. 126), in dem sechs Spinnwirtel und eine Nadelbüchse neben Abb. 126: Statzendorf, Niederösterreich: Hallstattzeitliches Grab A014 mit hohem Sozialindex. Dargestellt ist nur eine relevante Auswahl der Werkzeuge und Textilgeräte aus dem Grab. 405 254 Tomedi 2002, Taf. 76. den Beinen niedergelegt wurden, ein Messer fand sich neben der rechten Hand. Hier sind es die Geräte zur Garnherstellung, zum Schneiden und Nähen, die von den Angehörigen dieser wohlhabenden Frau als wichtig genug für eine Beigabe im Grab erachtet wurden. Abb. 127: Webstuhlbefund mit 4 m Breite aus der hallstattzeitlichen Siedlung von Hafnerbach in Niederösterreich. Welche Hinweise geben nun diese Handwerkssets in Bezug auf die Organisation des Handwerks? Wir inden teilweise in einem Grab die Werkzeuge für Spinnen, Weben und Nähen. Diese Geräte stammen vom Beginn (Spinnen) bis zum Ende (Nähen) des Produktionsprozesses. Dies bedeutet möglicherweise, dass der gesamte Arbeitsablauf in einer Hand lang – zumindest in diesem Fall. Meist aber gibt es in den Gräbern nur ein Textilgerät. Ist dann davon auszugehen, dass exklusiv nur diese eine Tätigkeit (etwa Spinnen) durchgeführt wurde? Es ist in der Eisenzeit durchaus anzunehmen, dass eine bestimmte Art der Kooperation existiert hat, also dass nicht nur Einzelpersonen alleine alle notwendigen Tätigkeiten durchführten. Der Blick auf die Textilgeräte und die Befunde in den Siedlungen verrät eben dieses. Es inden sich in der Hallstattzeit etliche Webstuhlbefunde: kenntlich durch Reihen von Webgewichten, manchmal noch mit Standspuren der Pfosten des hölzernen 255 Rahmengestells. Teils sind diese Webstühle 3 bis 4 m breit wie jener aus Hafnerbach (Abb. 127) oder Kleinklein406. Man muss sich vorstellen, dass etwa beim 3,70 m breiten Webstuhl von Kleinklein in der Steiermark die Kette mit 107 Webgewichten gespannt wurde. Diese hatten wiederum ein Gesamtgewicht von 118 kg! Beim Weben auf einem derart großen Webstuhl, beim Heben und Senken des Litzenstabes musste also ein Teil dieses Gewichtes bewegt werden – bei zwei Schäften also 60 kg. Heutzutage würde dies einem sehr exzessiven workout in einem Fitnessstudio entsprechen. Das Einhängen dieser schweren Schäfte in ihre jeweilige Webposition ist bei der Breite des Webstuhles sicher durch mindestens zwei Personen erfolgt. Auch das Durchführen des Schussfadens durch das Webfach ist bei einem über 3 m breiten Webstuhl einfacher, wenn mehrere Personen zusammenarbeiten. Dieses Teamwork, das Weben mehrerer Frauen gleichzeitig auf einem Webstuhl, ist auch auf griechischen Vasen407 wiederholt dargestellt. Es können für ein geschultes Auge bei guter Erhaltung auch die Textilien selbst darüber Auskunft geben, ob mehrere Personen zusammenarbeiteten. Margarethe Hald, die Pionierin in der Erforschung der textilen Moorfunde aus Dänemark, analysierte die erhaltenen großlächigen Kleidungsstücke. Dabei iel ihr auf, dass die Schussfäden an manchen Stellen einander überkreuzen408, sie ändern die Reihe irgendwo mitten im Gewebe. Dies ist nur dadurch zu erklären, dass mehrere Spulen mit Schussgarn gleichzeitig verwendet wurden. Mehrere Frauen haben also gleichzeitig gewoben und einander die Schussfadenspulen mitten im Gewebe miteinander getauscht, bevor das Webfach gewechselt wurde. Die Forschungen zur Arbeitsteilung gehen natürlich Hand in Hand mit Überlegungen zum Produktionsniveau – ob Haushandwerk, Spezialistentum oder Massenproduktion. Je weiter fortgeschritten das Produktionsniveau, desto eher ist anzunehmen, dass auch die unterschiedlichen Arbeitsschritte des Produktionsablaufes auf verschiedene Personen verteilt waren. 256 406 Kleinklein: Dobiat 1990, 50–58. – Hafnerbach: Preinfalk 2003. 407 Pekridou-Gorecki 1989, Abb. 2. 408 Hald 1980, 152, Abb. 139–140. Noch kann die Arbeitsorganisation des Textilhandwerks in vorrömischer Zeit nicht zweifelsfrei bestimmt werden, es muss jedoch bereits eine gewisse Form der Kooperation gegeben haben. Es ist auch nicht geklärt, ob das zumindest bei den großen Webstühlen belegbare Teamwork mehrerer Personen sich aus Familienmitgliedern rekrutiert409 oder ob andere Personengruppen zusammenarbeiteten. Auch die konkrete Aufteilung verschiedener Arbeitsschritte auf unterschiedliche Personengruppen ist nach derzeitigem Forschungsstand für das Textilhandwerk noch nicht zu klären. Abb. 128: Römische Bleiplättchen aus Österreich mit Nennung von Textilberufen. Aufgegliederte Textilberufe sind ab der römischen Kaiserzeit für die nordalpinen Provinzen fassbar. So fand man Bleiplättchen410 (Abb. 128) am Magdalensberg oder in Flavia Solva in Österreich, auf denen Berufstitel wie „fullo“ für Walker oder „sutor“ und „excisor“ für verschiedene Angehörige der schneidernden Zunft zu inden sind. Ob bereits eine Aufteilung der Textilarbeit in der Eisenzeit erfolgte, ist nicht sicher, aber durchaus möglich. 409 410 Theoretische Arbeiten dazu etwa bei Costin 1991, family based industries S. 15. Martijnse 1993. 257 Produktionsorte In den Siedlungen aus der Stein- bis Eisenzeit ist das Textilhandwerk archäologisch vor allem durch die Funde von Gerätschaften und Werkzeugen nachgewiesen. Diese wurden im vorigen Abschnitt bereits genannt. Vor allem für die frühen Zeiten wird angenommen, dass Textilhandwerk im häuslichen Bereich stattfand, also verknüpft mit den Wohnhäusern. Da wir ab der Eisenzeit davon ausgehen, dass die Textilproduktion auch schon von Spezialisten oder in Massenproduktion ausgeübt wurde, soll hier der Frage nach den Produktionsorten für Textilien im ersten vorchristlichen Jahrtausend in Mitteleuropa nachgegangen werden. In der Eisenzeit kennen wir in Mitteleuropa vier verschiedene Siedlungstypen: Einzelgehöfte, kleinere Dörfer (Abb. 129), Flachlandsiedlungen in ländlicher Gegend und auch Zentralsiedlungen. Letztere waren meist auf Anhöhen angelegt, mit Befestigungsanlagen wie Gräben, Wällen und Mauern. Dies sind die Sitze der Adelsschicht, die eine gewisse Kontrolle über die lokalen Ressourcen, den Handel und damit über die Bevölkerung ausübte. Besondere Sitze bildeten auch wichtige Verkehrsknotenpunkte im Fernhandel, so die Heuneburg411 an der oberen Donau in Deutschland. Ab der Mittellatènezeit gibt es stadtartige Ansiedlungen, sogenannte Oppida. Man stelle sich eine Alltagsszene in einem eisenzeitlichen Dorf vor – spielende Kinder, Männer und Frauen, die den verschiedenen täglichen Plichten nachgehen: Wasser holen, kochen, Werkzeuge herstellen, eventuell wird auch ein Haus gebaut oder ausgebessert – und natürlich wird auch Textilarbeit verrichtet: Man hantiert mit der Spindel, wo immer sich Zeit erübrigen lässt, da dieser langwierige Prozess viel Zeit beansprucht: beim Zurücklegen längerer Wege, beim Beaufsichtigen der Kinder, beim Wasserholen, Schafehüten und so weiter. Spindel und ein kleiner Vorrat Spinngut lassen sich leicht mitführen; der Spinnvorgang kann auch jederzeit leicht unterbrochen werden. Weben am Gewichtswebstuhl ist im Gegensatz dazu eine Aktivität, die eher an einen bestimmten Ort gebunden ist – meist im Haus. Der Felsbildforscher Emmanuel Anati meint unter den Webstuhldarstellungen von der Valcarmonica412 in Norditalien zwei Gewichtswebstühle erkennen zu können, die von je zwei Personen getragen werden. Ist der Gewichtswebstuhl nun doch ein Gerät, das auch im aufgespannten Zustand nach Belieben von einem Ort zum 258 411 Kimmig 2000. 412 Zimmermann 1988, 31 f, Abb. 5 und 6. Hier auch Diskussion zum Für und Wider des Tragens von Webstühlen und zu den Forschungen von Emmanuel Anati. Anderen gebracht wurde – etwa bei Schönwetter nach draußen, bei Schlechtwetter zurück ins Haus? Dem widerspricht W. Haio Zimmermann, da es sich bei einem Gewichtswebstuhl um eine Konstruktion aus Einzelteilen handle, die mit Kette und Webgewichten aufgespannt, nur durch ihr Eigengewicht schräg an eine Wand gelehnt zusammenhielt. Zum Tragen wäre die Konstruktion im aufgespannten Zustand zu instabil, zu schwer und auch unhandlich. Wir dürfen also das Weben am Gewichtswebstuhl als statische Tätigkeit betrachten. Bandwebgeräte jedenfalls können bei guter Witterung auch leicht ins Freie gebracht werden, ebenso wie Näharbeit. Abb. 129: Rekonstruktion einer eisenzeitlichen Siedlung in Schwarzenbach, Niederösterreich. Planung und Bau: Wolfgang Lobisser VIAS, Vienna Institute for Archaeological Science. – Living History Performance anlässlich der EU-Science Night Oktober 2007. Die archäologische Hinterlassenschaft, die wir inden, spiegelt die beschriebene Dynamik dieser Tätigkeiten wider. Spinnwirtel werden dort gefunden, wo sie aufbewahrt werden oder wo sie beim Hantieren verloren werden können: im Haus aber auch im Freien in der ganzen Siedlung – ja sogar auf Feld und Wiese. Der Webstuhl ist an seinen Platz im oder am Haus gebunden, eventuell steht er auch im Freien unter einem Flugdach statt im geschlossenen Raum. Der Siedlungsabfall, die unnötig gewordenen oder kaputten Objekte; verlorengegangene Artefakte, die beim Aulassen eines Hauses zurückgelassenen Gegenständen, bilden als „Kulturschicht“ die Forschungsgrundlage der Siedlungsarchäologie. Eine Durchsicht der Funde aus verschiedenen eisenzeitlichen Siedlungen auf dem Gebiet des heutigen Österreich erbringt das 259 Bild, dass in jeder Niederlassung, von der größere Teile ausgegraben wurden, auch Textilgeräte wie Spinnwirtel und Webgewichte vorhanden sind. Selbst Nähnadeln und ab der Latènezeit auch Scheren wurden entdeckt. Abb. 130: Göttlesbrunn, Niederösterreich: Überblicksplan der hallstattzeitlichen Siedlung mit eingetragenen Textilgerätfunden in rot. 413 260 Griebl 2004. Die modern ergrabene und erforschte Siedlung von Göttlesbrunn in Niederösterreich (Abb. 130)413 repräsentiert eine der kleineren Flachlandsiedlungen. Das Dorf wurde zwischen dem 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. bewohnt und gehört wie das schon vorgestellte Gräberfeld Statzendorf zur Kalenderberggruppe, einer Lokalgruppe der Hallstattkultur in Niederösterreich und Burgenland. In dieser Siedlung konnten Häuser und Wirtschaftseinheiten identiiziert werden – also jene Gruben, Wirtschaftsbauten etc., die zu einem „Hof“ zusammengehörten. In den meisten dieser Wirtschaftseinheiten wurden Textilgeräte gefunden. Das legt nahe, dass für die Angehörigen der meisten „Hofgemeinschaften“ Textilarbeit nachweisbar ist. Ein zentraler Platz für die Jüngere Eisenzeit in Österreich war der Dürrnberg bei Hallein414, ein Salzhandelszentrum, Marktplatz und auch Werkstättenzentrum mit einer Hauptbesiedlung zwischen dem 6. und 1. Jahrhundert v. Chr. Viele Funde, vor allem auch zahlreiche Textilien aus dem Salzbergwerk, stammen aus der Frühlatènezeit. Vom Dürrnberg sind verschiedene Gräberfelder und Siedlungsareale bekannt, in denen Textilgeräte wie Spinnwirtel, Webgewichte, Nähnadeln und auch Scheren gefunden wurden415. Die Siedlungsareale wurden systematisch von Cordula Brand untersucht. Durch Kartierungen von verschiedenen Fundgattungen versuchte sie, die räumliche Entwicklung der Ansiedlung zu eruieren sowie die Organisation dieses Platzes durch Hinweise auf Werkstätten- und Produktionsareale. Neben dem Salzbergbau, der die Basis der Wirtschaft auf dem Dürrnberg bildet, inden sich in der Frühlatènezeit Hinweise auf die Produktion von Luxusobjekten wie Sapropelit-Armreife und Metallschmuck. Während der gesamten Besiedlungszeit war die Produktion von Nahrung und Holzarbeit wesentlich für die Bewohner des Dürrnberges, ebenso Metallverarbeitung, Töpferei und Textilarbeit. Der Salzhandel auf lokaler und auch überregionaler Ebene förderte Kontakte nach Bayern und in die Nachbarregionen im Nordwesten, zum südalpinen Gebiet sowie – in späterer Zeit – nach Böhmen und in die germanischen Gebiete. Eine Kartierung ergab für die Siedlung auf dem Dürrnberg verschiedene Werkstätten-Areale, was ein Hinweis auf Spezialisierung oder Werkstätten in diesen Bereichen sein könnte. So wurde Bronzeguss eher auf dem Ramsaukopf, auf einer Anhöhe etwas abseits, nordwestlich der Hauptsiedlung betrieben, während die Endfertigung der Bronze- und Goldobjekte in Werkstätten im südlichen Bereich der Siedlung durchgeführt wurde – ebenso wie die Glasproduktion. Neben diesen speziellen Werkstätten ist es nun auch interessant, was aus der Verteilung der Textilgeräte in der Siedlung herauszulesen ist. Webgewichte, Spinnwirtel (hauptsächlich die latènezeitlichen Scherbenwirtel), Nähnadeln und Scheren konnten überall in den ergrabenen Flächen dokumentiert werden und in nahezu jedem Haus. Als Häuser sind etwa auf dem Ramsaukopf Blockwandbauten nachgewiesen. 414 Stöllner 2005, 2002. 415 Brand 1995, mit weiterer Literatur. Kartierung der Textilgeräte: Abb. 84. 261 Abb. 131: SmoleniceMolpír, Slowakei: Spinnwirtel aus der hallstattzeitlichen Höhensiedlung. 262 Bedeutet nun diese Verteilung wie sie auch in Göttlesbrunn belegt ist, dass Textilhandwerk am Dürrnberg nur als Haushandwerk betrieben wurde? Kann für einen Wirtschaftsstandort wie Dürrnberg überhaupt angenommen werden, dass es keine Textilproduktion für den Handel gab – als Massenproduktion oder zumindest in Heimindustrie? Entsprechende spezielle Werkstätten für Massenproduktion von Geweben konnten jedenfalls noch nicht identiiziert werden. Die Textilien selbst deuten aber darauf hin, dass bereits Weberei in großem Stil betrieben wurde, wie am Anfang dieses Kapitels dargelegt. Möglicherweise umfasste diese Großproduktion eben die ganze Siedlung. Die hallstattzeitliche Höhensiedlung von Smolenice-Molpír in der Slowakei kann hingegen deutlich als Zentrum des textilen Handwerks gesehen werden. Hier sind zahlreiche Webstuhlbefunde überliefert, die Zahl der gefundenen und analysierten Spinnwirtel (Abb. 131) beläuft sich an die tausend416 und ist damit bedeutend höher als in anderen zeitgleichen Siedlungen. Bei der Höhensiedlung ist besonders auffällig, dass die Webgewichte zum Teil besondere Verzierungen tragen (Abb. 53). Es wurden von Tereza Belanová-Štolcová 700 komplette Spinnwirtel analysiert und gewogen. Wie in der Hallstattkultur üblich, gibt es ganz leichte Spinnwirtel mit nur 3 g, das durchschnittliche Gewicht liegt bei 16 g. Nur wenige Wirtel sind schwerer. Ähnliche Verteilungen von Spinnwirtelgewichten können auch für verschiedene hallstattzeitliche Siedlungen in Österreich geltend gemacht werden. Die feinen Garne, die mit diesen Geräten produziert werden können (0,1 bis 0,7 mm), inden sich in ihrer Spannbreite in den zeitgleichen Textilqualitäten wieder. Die Textilfunde aus dem Hallstätter Salzberg, Ostgruppe, geben davon ein Zeugnis417. Gibt es nun neben der Sonderstellung der slowakischen Höhensiedlung Smolenice Molpír auch andere Hinweise darauf, dass die Produktion in den einzelnen Siedlungstypen unterschiedlich war – wurden also in den Zentralsiedlungen andere textile Produkte angefertigt als in den ländlichen Flachlandsiedlungen? Eine eigene Wissenschaftsrichtung, die sich mit solchen Fragen beschäftigt, ist die Soziologie. Sie nähert sich dem generellen menschlichen Verhalten sowie allen Aspekten des sozialen Zusammenlebens der Menschen. Nach den Theorien des Soziologen Immanuel Wallerstein418 gibt es Unterschiede zwischen den Zentren einer Gemeinschaft und den Peripherien – salopp ausgedrückt zwischen Stadt und Land. In der Eisenzeit sind die Zentren die (befestigten) Höhensiedlungen, die ländlichen Dörfer stellen die Peripherie dar. Wallerstein überlegt, dass in der Peripherie Produkte des täglichen Bedarfs hergestellt werden, im Zentrum lukrative Produkte für den Handel, für deren 416 Belanová 2007, 41–43. 417 Grömer 2005b und 2005a, Abb. 14. 418 Wallerstein 1974, 301 ff. 263 Produktion Rohstoffe und Güter des täglichen Bedarfs aus den Peripherien eingeführt werden müssen. Kann das nun auch auf die Textilproduktion in der Eisenzeit angewandt werden? Als markantes Untersuchungsobjekt wurden für diese Frage die Befunde der Webgewichte gewählt. Teilweise inden sich auch Webgewichte als Reihen auf dem Fußboden, die zeigen, wie der Webstuhl beim Verlassen oder bei der Zerstörung eines Hauses zurückgelassen wurde. Wie bereits betont, gibt es in der Hallstattzeit Webstühle mit bis zu 90 cm Breite, daneben Webstühle mit 1,20 bis 1,90 m Breite sowie solche mit 3 bis 4 m Breite (siehe Seite 112 ff.). Gibt es nun einen Unterschied zwischen den Webstuhlbreiten von kleineren Siedlungen und Zentralsiedlungen? Als der 3,70 m breite Webstuhl auf der Höhensiedlung von Kleinklein in der Steiermark419 entdeckt wurde, war es der erste Befund dieser Art. Ein derart großer Webstuhl diente sicher zur Schaffung eines sehr repräsentativen Gewebes. Die Forscher hatten die Vermutung, dass ein derart aufwändiges Gerät und der darauf hergestellte besondere Stoff wohl mit speziellen Aufgaben zu tun haben müssten (eventuell im kultischen Bereich). War dieses Textil für die auf diesem Fürstensitz ansässige Adelsfamilie bestimmt, die ringsum in riesigen Hügelgräbern bestattet worden war? Hier ist das Bild der griechischen Vasenbilder nicht weit – hochrangige Frauen, die gemeinsam an übergroßen Webstühlen arbeiten. Neuere Forschungen haben aber gezeigt, dass nicht nur in Zentralsiedlungen derartig übergroße Webstühle zur Fertigung sehr breiter, repräsentativer Gewebe gestanden haben420, sondern auch in kleineren Flachlandsiedlungen wie etwa in Hafnerbach in Niederösterreich. Der dort gefundene Webstuhl hat sogar eine Breite von über 4 m. Es kann also bisher kein signiikanter Unterschied zwischen den Textilgeräten und Webstuhlbefunden aus kleineren Flachlandsiedlungen und Höhensiedlungen ausgemacht werden. Die Funde der Textilgeräte belegen, dass in der Eisenzeit in Mitteleuropa Textilien überall produziert wurden, im Haushandwerk 264 419 Dobiat 1990. 420 Preinfalk 2003. Weitere Beispiele in Belanová und Grömer 2010. oder einer höheren Produktionsform. Einzelne Siedlungen wie Smolenice Molpír, an denen ein Vielfaches der in einer „normalen“ Siedlung üblichen Textilgeräte gefunden wurde, dürften Zentren der Textilproduktion dieser Zeit gewesen sein. Möglicherweise war hier eine Produktionsstätte der hallstattzeitlichen Spezialisten angesiedelt. Schlussfolgerung Nach der Einzelbeschreibung der verschiedenen Techniken im vorigen Abschnitt, die vom Rohmaterial zum fertigen Werkstück führen, wurden nun – quasi auch als Zusammenfassung des Vorherigen – weiterführende Überlegungen angestellt zum Produktionsniveau, zur Soziologie des Handwerkes, zur Organisation und auch zu den Produktionsorten. Wiederum kann manches nur beispielhaft angerissen werden. Es gibt dabei keine lineare, kontinuierliche Entwicklung vom Einfachen zum Komplizierten, ebenso verschwindet das vorgeblich „Einfachere“ nicht einfach. Die verschiedenen vorgeschlagenen Produktionsniveaus – Haushandwerk, Heimindustrie, Spezialisierung und Massenproduktion – können durchaus nebeneinander bestehen. Manche Produkte und Gegebenheiten der Hallstattzeit sprechen dafür, dass sie in Spezialistentum hergestellt wurden, während wiederum für die Latènezeit schon eine im größeren Stil betriebene Weberei (beginnende Massenproduktion) angedacht werden kann. In der Eisenzeit und auch in späteren Zeiten muss neben diesen immer auch mit Haushandwerk gerechnet werden, das gerade beim Textilhandwerk selbst in industrieller Zeit nie ganz verschwindet. Wann auch immer wir uns den Menschen, den Handwerkenden hinter den archäologisch überlieferten Gegenständen nähern wollen, stoßen wir schnell auf Grenzen: Handwerk generell und Textilhandwerk im Speziellen war für die antike Geschichtsschreibung nicht von großem Interesse. Fast nur die archäologischen Funde der Jungstein- bis Eisenzeit geben Aufschluss über die Organisation des Textilhandwerks, über die in diesem 265 Bereich tätigen Menschen, wo sie lebten und arbeiteten. Besonders zahlreich sind unsere Quellen am Ende der Urgeschichte, in der Eisenzeit. Die Frau mit der Spindel ist in der Eisenzeit, besonders im antiken Griechenland und Rom ein Topos, ein Idealbild. Spinnen und Weben sind dabei nicht nur schlichtes Handwerk, sondern stellen auch symbolhaft das Idealbild weiblicher Tugenden dar.421 Nach den bildlichen Darstellungen und den Funden in den Gräbern scheint es so, dass in der mitteleuropäischen Eisenzeit vor allem Spinnen und Weben von Frauen durchgeführt wurden. Ob auch Schafschur, Färben, Walken, Schneidern und Nähen zu weiblichen Aufgaben gehörten, wissen wir nicht. Ebenso wenig ist bekannt, ob die einzelnen Arbeitsschritte auf verschiedene Personen oder Personengruppen aufgeteilt waren – ja ob es bereits unterschiedliche Textilberufe gab wie später in römischer Zeit. Die Textilarbeit war ein wichtiger Teil des täglichen Arbeitspensums und die nötigen Arbeitsschritte boten einen bekannten Anblick im Alltagsleben jeder prähistorischen Bevölkerung. In jedem Dorf, auch in den größeren Siedlungszentren traf man sicher jemanden an, der gerade mit der Spindel in der Hand Fäden herstellte. Man konnte die Kunstfertigkeit derer bestaunen, die komplizierte Brettchenweberein woben. Der Webstuhl war normales Haushaltsgerät und die farbige Pracht von frisch gefärbten Garnen und Stoffen – zum Trocknen aufgespannt – belebte die Szenerie. 421 266 Eibner 1986, 39 ff. Von Kleidung bis Heimtextil: Verwendung von Geweben in der Urgeschichte Bei einer Publikumsführung im Naturhistorischen Museum Wien zum Thema „Eisenzeitliche Textilien“ stellte sich die Frage, welche Rolle Stoffe wohl im Leben prähistorischer Menschen gespielt haben könnten. Die erste Assoziation, die mit Geweben verbunden wurde, war jene, dass sie wohl für das Anfertigen von Kleidung Verwendung fanden. Auf die eingebrachte Impulsfrage – zu welchem Zweck heutzutage Textilien benützt werden, entbrannte eine Diskussion, ob denn etwa Teppiche, Decken und Putztücher oder gar Vorhänge, Kissenbezüge, Matratzen etc. für „primitive“ vorrömische Gesellschaften überhaupt denkbar seien. Betrachtet man jedoch die überlieferten prähistorischen Textilien Mitteleuropas näher, so sind durchaus vielfältige Verwendungsmöglichkeiten wissenschaftlich belegbar. Vollständige Objekte erzählen bereits durch ihre Formgebung etwas über ihre einstige Funktion, etwa als Kleidungsstück, Transportsack etc. Die meisten archäologisch überlieferten Textilien sind jedoch nicht mehr komplett erhalten, sondern sie sind im besten Falle zerrissen. Teilweise sind von einstigen Gewändern nur noch wenige Quadratzentimeter große, auf Metallgegenständen ankorrodierte Fragmente in Gräbern vorhanden (siehe zur Erhaltung von Textilien in Kapitel „Einführung“). Wesentlich für die Interpretation von fragmentierten Geweben sind neben dem Gesamterscheinungsbild diverse textiltechnische Kriterien sowie der archäologische Befund. Textiltechnische Kriterien sind etwa die Bindung eines Gewebes, die Feinheit, die Dichte oder die Dicke der Fäden. Das Rohmaterial, aus dem das Gewebe gefertigt ist, spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle für seine Verwendung, da jeder Rohstoff ganz speziische Eigenschaften hat422. Diese kannte der prähistorische Mensch durch generationenlange Verwendung und wusste sie sehr wohl auszunutzen. Leinen, aus der Flachsplanze gewonnen, ist etwa sehr strapazierfähig und scheuerfest, wobei die nasse Faser noch reißfester ist als die trockene. Durch die glatte Oberläche der Faser wirkt diese eher kühlend, zudem ist Leinen saugfähig und nimmt Feuchtigkeit schnell auf, gibt sie jedoch ebenso rasch wieder ab. Dies unterstützt die Klimaregelung des Körpers bei heißen Temperaturen. Hingegen hat Wolle temperaturausgleichende Eigenschaften und eignet sich daher auch sehr gut für wärmende Kleidung, vor allem wenn mit voluminösen Garnen ein sehr dicker Stoff hergestellt wird. Wolle ist gut dehnbar und elastisch. Eine weitere Eigenschaft 422 268 Eberle et al. 1991, Eigenschaften des Flachses S. 14 f., der Schafwolle S. 20 f. der Wolle ist die schwere Entlammbarkeit. Ein wesentliches Merkmal der Wolle ist auch ihre Verilzbarkeit. So lassen sich aus Wollvlies ohne Spinnen und Weben lächige (Filz-)stoffe herstellen. Es können auch Gewebe durch Verilzen (Walken) in ihren Eigenschaften verändert werden, die Stoffe werden dabei dicker, dichter, daher wasserabweisender und wärmer. Weitere Rohmaterialien, die der prähistorische Mensch bei der Anfertigung von Geweben benützte, sind andere Tierhaare wie Ziegenhaar oder die Schweifhaare des Pferdes, die vor allem zur Verbesserung der Formbeständigkeit verwendet werden. Neben dem Gesamterscheinungsbild der Gewebe und ihrer textiltechnischen Merkmale ist auch der Kontext ausschlaggebend für eine funktionale Deutung der prähistorischen Textilien. Als archäologischer Befund423 wird üblicherweise der Fundkontext verstanden, also eine bestimmte Grabungsbeobachtung, die beispielsweise den räumlichen Zusammenhang der Funde zueinander dokumentiert. Es wird auch die Lage des Fundes innerhalb eines Objektes beobachtet, etwa eines Grabes, einer Hütte etc. Befunde sind beispielsweise auch Mauerreste, Bodenverfärbungen und Schichtüberschneidungen; ihre Ausdehnung, Dicke, Konsistenz usw. wird durch Maßangaben, Fotos, tachymetrische Aufnahmen, Pläne und Beschreibungen festgehalten. Dieser Fundkontext ist vor allem für die Deutung von nicht mehr vollständigen Textilien wesentlich. So können etwa direkt bei einem Skelett liegende formlose Stofffetzen als Überreste der Kleidung interpretiert werden. Andererseits sind beispielsweise formal ähnliche Gewebereste, die sich in einer Siedlung zwischen den Planken eines Blockbaues inden, wohl aufgrund ihres Kontextes als Abdichtungsmaterial zu erklären. Bei archäologischen Textilfragmenten, die direkt an anderen Objekten anhaften, etwa an Metallgegenstände ankorrodiert sind, o.ä. ist die Methode der Mikrostratigraphie424 heranzuziehen. Diese bestimmt die exakte Lage des Gewebes in Bezug auf den damit verbundenen Fund. So ist etwa ein Gewebefragment, das sich direkt an einer Messerklinge beindet und 423 Eggert 2001 in seiner Einführung in die Konzepte und Methoden der Prähistorischen Archäologie, eine Deinition und Systematik zu den Befunden ab S. 46 ff. 424 Zur Methode: Hägg 1989, 431 ff. 269 Rechts: Abb. 132: Abrollung der Situla von Vace, Slowenien. seinerseits von Holz überdeckt wird, wahrscheinlich als Rest der textilen Innenpolsterung einer hölzernen Messerscheide zu interpretieren. Andererseits sind Textilreste, die sich bei einem Skelett an der Innenseite einer Gürtelschnalle – also an der dem Körper zugewandten Seite – inden, vermutlich Teile des gegürteten Gewandes. Kleidung Ein wesentlicher Teil der in prähistorischen Gesellschaften hergestellten Textilien wurde vermutlich für Kleidungszwecke verwendet. Die Geschichte der Kleidung ist im nächsten Abschnitt (Seite 291 ff.) dargestellt. Verschiedene Quellen werden dabei zu einem möglichen Bild der Kostümentwicklung von der Steinzeit zur Eisenzeit in Mitteleuropa verwoben: überlieferte Kleidungsstücke aus Textil und Leder, die Bildquellen (Abb. 132), für die späte Eisenzeit auch Schriftquellen sowie Schmuckobjekte, metallene Trachtbestandteile und Trachtlagen in Gräbern. Dass Kleidung – neben dem primären Zweck des Schutzes vor Witterungseinlüssen wie Hitze, Regen, Schnee, Wind etc. bereits in prähistorischer Zeit viele andere Funktionen hatte wie Repräsentation oder Darstellung der Gruppenzugehörigkeit, zeigen Beispiele von aufwändig gestalteten prähistorischen Textilien. Besonders zahlreiche Funde von vollständigen bronze- und eisenzeitlichen Kleidungsstücken stammen aus Norddeutschland und Dänemark425, wobei nicht nur bekleidete Moorleichen zum Vorschein kamen, sondern anscheinend auch prachtvolle Gewänder als Opfergaben im Moor versenkt wurden, wie etwa beim berühmten Opferplatz des 1. bis 3. Jahrhunderts n. Chr. in Thorsberg, Deutschland426 Unter den organischen Opfergaben beinden sich auch 24 Wollgewebe, darunter berühmte „Prachtmäntel“. 270 425 vgl. zu den Kleidungsfunden aus Nordeuropa: Broholm & Hald 1940. Alle Gewänder der Moor- und Baumsargfunde aus Dänemark werden derzeit neu analysiert. Projektleitung: Ulla Mannering und Margarita Gleba. Mannering & Gleba (in Druck). 426 Möller-Wiering (in Druck). – Schlabow 1952. – Schlabow 1976, 13. 271 Aus der voretruskischen Villanovakultur gibt es aus Verucchio, Italien, ebenfalls etliche eisenzeitliche Mäntel und Umhänge, die verschiedene Formen aufweisen427. Bedauerlicherweise sind in Mitteleuropa bis auf die „Leggings“ vom Rieserferner, Italien428, keine kompletten eisenzeitlichen Kleidungsstücke erhalten oder auch nur rekonstruierbar, aber aus dem Bestand der erhaltenen Stoffe kann man gut sehen, welche technischen Leistungen erbracht werden konnten. Einige schnitt- und nähtechnische Konstruktionselemente, etwa an Geweben aus dem Salzbergwerk Hallstatt429, sind für Rekonstruktionen nützlich. Aufgefundene Läusenissen in Textilien aus Hallstatt lassen den Schluss zu, dass es sich um getragene Gewandstücke handelt, denn die Kleiderlaus ist in ihrem Lebensraum an den Menschen gebunden. Die Läuse sind zwar kostümhistorisch weiters nicht bedeutsam, geben uns aber einen weiteren Einblick in die Alltagssituation der Menschen. Textilien im Grabbrauch Textilien spielten im Totenkult eine bedeutende Rolle430. Dies umfasst zum einen die Kleidung, die der Tote am Leibe trug. Ebenso können wir teilweise mit Leichentüchern rechnen, mit denen manche Bestattete abgedeckt oder eingewickelt waren. Manchmal wurden in Körpergräbern auch Fibeln oder Nadeln in „ungewöhnlicher“ Lage entdeckt – so eine Fibel zu Füßen des Toten von Grab X in Nebingen, Deutschland. Dies kann so gedeutet werden, dass diese Fibel ein Tuch zusammenhielt, das den Toten umhüllte. Auch bei Brandbestattungen ist manchmal nachgewiesen, dass der Leichenbrand in ein Gewebe eingeschlagen oder die Urne abgedeckt wurde. Dies bringt einen 272 427 Annemarie Stauffer in von Eles 2002,196 ff. Mantel 1 Abb. 64–65, Mantel 2 Abb. 72–73, Umhang Abb. 77–78. 428 Zuletzt detailliert vorgestellt bei Bazzanella et al. 2005. 429 Mautendorfer 2005. Teils Verbindung von Darstellungen und schnitttechnischen Überlegungen an den Fragmenten aus Hallstatt. 430 Siehe dazu die Überlegungen bei Banck-Burgess 1999, Kapitel 1.2.2 Zum Verhüllen und Abdecken von Beigaben, 21 ff. mit vielen Beispielen, bes. 28 f. zu Deutungsversuchen dieser Sitten. – Für die Schweiz Rast-Eicher 2008, bes. 178 ff. sehr sorgsamen Umgang mit den menschlichen Überresten zum Ausdruck. Es ist vor allem für die Eisenzeit eindeutig eine Bestattungssitte zu fassen, bei der Beigaben in Stoffstücke eingewickelt, sozusagen „verpackt“ werden. Speziell Schwerter und andere Waffen wurden in der jüngeren Hallstatt- und frühen Latènezeit oft stark umwickelt (Abb. 133). Wir wissen leider meist nicht, ob jenes Verpackungsmaterial, die Stoffstücke, extra für diesen Zweck hergestellt wurden oder ob es sich auch hier um Alttextilien handelte. Ebenso ist unbekannt, welche Glaubensvorstellungen dazu geführt haben, den Toten und seine Beigaben zu verhüllen. Möglicherweise hat es ein Tabu gegeben, das verbietet, bloßes Metall mit ins Grab zu geben. Es könnten auch praktische Gründe zu dieser Sitte geführt haben, indem man mit Fett und Öl getränkte Tücher um die Eisengegenstände geschlungen hatte, um sie vor Korrosion zu schützen. Abb. 133: Brandgrab aus Hallstatt mit umwikkeltem Schwert. Lage im Grab und Detail. Besonders gut sind wir über die Grabtextilien durch das späthallstattzeitliche Fürstengrab Hochdorf an der Enz, Deutschland431, unterrichtet. Dieses Grab wies aufgrund seiner zahlreichen Metallfunde sehr gute Erhaltungsbedingungen für organische Materialien auf. In dem 6 m hohen Grabhügel mit 60 m im Durchmesser wurde um 550 v. Chr. ein etwa 40-jähriger Mann bestattet, wobei die reichen Beigaben des Grabes und der große Aufwand der Grablegung den Toten als „Fürsten“ der 431 Biel 1985. 273 Hallstattkultur ausweisen. Der Tote hatte prächtige Schmuckelemente wie Goldhalsring und -armband, Bernsteinperlen, etliche Gewandschließen (Fibeln) aus Bronze und Gold und einen goldenen Blechgürtel. Seine Schuhe und der Dolch waren ebenfalls mit goldenen Beschlägen verziert. Ein Hut aus Birkenrinde vervollständigte die Kleidung. Gegenstände des täglichen Gebrauchs (Nagelschneider, Rasiermesser und Kamm) sollten auch nach dem Tode für ein geplegtes Äußeres sorgen. An Bewaffnung war ein Köcher mit Pfeilen beigegeben worden sowie eine Axt, eine Lanze und ein Eisenmesser, die zusammen auf einem mit dekorierten Eisenblechen geschmückten vierrädrigen Wagen niedergelegt wurden. Für das leibliche Wohl des Fürsten war ebenfalls gesorgt worden, das Grab enthielt einen aus der mediterranen Welt importierten, 500 l fassenden Bronzekessel, der ursprünglich zu zwei Drittel mit Honigmet gefüllt war. Ein umfangreiches Speise- und Trinkservice sicherte ein fürstliches Bankett auch nach dem Tode. Es fanden sich neun mittels Goldbändern verzierte Trinkhörner, eine goldene Trink- und Schöpfschale sowie auf dem Wagen aufgestapelt, das Speisegeschirr mit drei Bronzebecken und neun Tellern. Ein besonders spektakulärer Fund ist die 2,75 m lange verzierte Bronzeliege (Kline), auf der der Bestattete ruhte. Die Pracht der Beigaben, die dem Fürsten auch nach dem Tode ein angenehmes Leben ermöglichen sollten, wird durch die textile Ausstattung noch unterstrichen. Obwohl die Gewebe nur noch in geringen Resten vorhanden waren, gelang es der Textilarchäologin Johanna Banck-Burgess432 in mühevoller Kleinarbeit, die Zweckbestimmung der verschiedenen Gewebefragmente zu rekonstruieren. So war das Grab vollständig mit Textilien ausgeschlagen. Auf dem Boden waren Stoffe als Bodenbelag ausgebreitet, an einer Stelle lag auch eine Tierhaut. Die Seitenwände der hölzernen Grabkammer waren mit Wandbehängen in variationsreicher Zusammenstellung dekoriert, über denen die Trinkhörner hingen. Auch kostbare Brettchengewebe zierten die Wandbehänge aus Köperstoffen, die mit Eisenhaken an der Wand befestigt waren. Zur Drapierung der Wandverkleidung dienten zudem Bronzeibeln (Abb. 134). 432 274 Banck-Burgess 1999. Zum Wandbehang: S. 120 f, Bodenbelag: S. 124, Liege mit Polsteraulagen S. 97 f. Siehe zum Gesamtensemble auch die beigelegten Karten. Auf der Kline konnten mehrere organische Lagen entdeckt werden, die ursprünglich wohl zu Matratzen, Kissen und anderen Decken bzw. Dekorstoffen gehörten. Direkt auf der Liege waren als unterste Polsteraulage zwei Hanfbastgewebe zu inden, darunter ein gestreiftes Gewebe, auf dem eine Matratze liegt. Diese besteht aus einem feinen Ripsstoff aus Hanfbast als Matratzenstoff mit einer Füllung aus Dachshaaren und planzlichen Kleinteilen. Eine kleine Matte aus Grashalmen, bezogen mit einem Leinwandtuch aus Dachshaar, diente nach der Lage unter dem Kopf des Toten zu urteilen wohl als Kissen. Auf den Polsterschichten lag in stoffreichen Falten drapiert, ein Wollstoff in Köperbindung sowie mehrere Lagen sehr feinen Gewebes. Abb. 134: Hochdorf an der Enz: Rekonstruktion der Textilien aus dem hallstattzeitlichen „Fürsten“Grab. Weiters waren in diesem Grab die meisten Objekte ursprünglich in Textilien eingepackt, selbst der Wagen und die Räder waren verhüllt. Ebenso war der große Bronzekessel mit vielen kostbaren Stoffen behängt. Diese reiche textile Ausstattung im Grab von Hochdorf gibt uns aber nicht nur Einblick in das Totenbrauchtum, sondern möglicherweise auch in alltägliche Verwendungen von Textilien zu Lebzeiten. 275 Heimtextil: Wandbehänge, Kissen und Ähnliches Abb. 135: Spiegel von Castelvetro, Norditalien: Darstellung eines Bettes mit Matratze. Welche Rolle spielten Gewebe neben ihrer Funktion als Kleidung im täglichen Leben prähistorischer Gesellschaften? Es gibt vor allem in der Eisenzeit mit den Werken der Situlenkunst433 zeitgenössische bildliche Darstellungen, die ausreichend naturalistisch gestaltet sind, um auch Einzelheiten erkennen zu können. Eine interessante Szene zum Thema „Heimtextil“ indet sich auf einem verzierten Bronzespiegel, der in einem Brandgrab des 5. Jahrhunderts v. Chr. in Castelvetro di Modena in Norditalien434 (Abb. 135) entdeckt wurde. Es sind auf der Spiegelrückseite im Kreisrund angeordnet verschiedene Szenen dargestellt, darunter eine Beischlafszene. Das Bett, auf dem das Paar die Freuden der Liebe genießt, ist sehr bequem ausgestattet. Es hat ein Rahmengestell, das in Vogelköpfen endet, und auf diesem beindet sich offensichtlich eine Matratze. Die Überlieferungsbedingungen für Textilien, die zur Innenausstattung von Häusern gehörten, sind in Mitteleuropa mehr als dürftig. Derartige „Heimtextilien“ tauchen jedoch auch teils in den Gräbern auf. Die im bereits beschriebenen hallstattzeitlichen Fürstengrab von Hochdorf (siehe oben) aufgefundenen Wandbehänge, Bodenbeläge, Matratzen und Kissen sind wohl in dieser Zeit nicht nur in Gräbern für die Toten verwendet worden, sondern dürften auch den Lebenden den Alltag angenehmer gestaltet haben, vor allem natürlich in den wohlhabenden Schichten. Bei zeitgleichen Kulturen, etwa bei den Etruskern oder den Griechen 276 433 Lucke und Frey 1962. – Turk 2005. 434 Lucke und Frey 1962, Taf. 21–22. gehörten derartige Wohnaccesoires zur üblichen Ausstattung begüterter Häuser435. Vom keltischen Stamm der Boier im Ostalpenraum und Oberitalien berichtet der griechische Geschichtsschreiber Polybios436 am Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr., dass sie wie auch andere Stämme Strohbetten benützen, auf welche Betttücher und Decken gebreitet wurden437. Generell darf man sich die Inneneinrichtung der Wohn- und Repräsentationsbauten der führenden Gesellschaftsschicht der Eisenzeit also nicht als primitiv vorstellen. Die Situlenkunst zeigt formschön gedrechselte Möbelstücke: Regale, Bänke, Sessel (Throne) und Betten (siehe etwa Abb. 132 oder 149). Ohne diese hölzerne Einrichtung, wie auch ohne textile Produkte sind Lehmhäuser, Blockbauten oder Grubenhütten nur schwer bewohnbar. Matten zur Auskleidung von Böden und sogar als Wandbehänge sind in Mitteleuropa seit der Jungsteinzeit bekannt. Derartige aus Gras, Schilf etc. gelochtenen Matten wurden etwa in den Schweizer Seeufersiedlungen gefunden438. Von besonderem Interesse für die Wohnraumgestaltung dieser sehr frühen Zeit ist das Großsteingrab von Leuna-Göhlitzsch439 aus dem Spätneolithikum um 3.000 v. Chr. Im Inneren des Steingrabes indet sich eine ehemals rot-schwarz bemalte Ritzzeichnung, welche die Innenausstattung eines Hauses darstellen könnte (Abb. 136). Da hängen ein Bogen und ein Köcher mit Pfeilen an der Wand; ebenso ist ein Wandbehang erkennbar, der offenbar aus einer köperbindig gelochtenen Matte besteht. Derartige Strukturen sind etwa von einem mittelneolithischen Mattenabdruck aus Michelstetten in Niederösterreich belegt440 (Abb. 64). 435 Für die Etrusker siehe etwa: Massa 1989, etwa die Darstellungen von Matratzen auf Sarkophagen, z. B. Doppelseite 36–37. 436 Pol. 2,17. 437 Nach Birkhan 1997, 1055. Zu den Bettüchern und Decken siehe auch Strabon 4,4,3. 438 Rast-Eicher 1997. 439 Müller-Karpe 1974, Taf. 499, A1. – Sherrat 1998, Foto S. 118. 440 Grömer 2006, Abb. 13. 277 Abb. 136: Jungsteinzeitliches Großsteingrab von Leuna-Göhlitzsch mit Darstellung eines Wandbehanges. Doch nun von den Gelechten zurück zu den Textilien und deren Funktion in der Urgeschichte. Säcke und Beutel für den Transport Gewebe wurden und werden auch benützt, um daraus Behältnisse herzustellen. Aus der Siedlung Hornstaad­Hörnle I am Bodensee in Deutschland kennen wir aus dem Spätneolithikum um 3.800 v. Chr. ein kleines Beutelchen, das aus einem leinwandbindigen Gewebe aus Flachs hergestellt wurde. Es ist die einfachste Grundform eines Beutels, die aus einem rundlichen Stoffstück besteht, an dessen Rand eine Schnur zum Raffen eingefädelt wird441. Aus dem bronzezeitlichen Salzbergbau Hallstatt442 im oberösterreichischen Salzkammergut (Abb. 121) gibt es interessante Hinweise, wie Wollsäcke im Bergwerk als Transportsäcke für das Salz dienten, also im Arbeitsablauf in der Bergwerksorganisation eine bedeutende Rolle spielten. Salzgewinnung kann in Hallstatt durch Funde von Steinbeilen und Geweihhacken bis in die Jungsteinzeit vor 7.000 Jahren zurückverfolgt werden. 278 441 Müller 1994, Abb. 4. 442 Kern, Kowarik, Rausch und Reschreiter 2008. – Zu den Transportsäcken Grömer 2007. Der bergmännische Abbau ist spätestens ab der Mittelbronzezeit, dem 15. Jahrhundert v. Chr., voll entwickelt fassbar. Den wirtschaftlichen Höhepunkt hatte Hallstatt in der Eisenzeit. Der Handel mit Salz brachte großen Reichtum in diese eher unwirtliche und abgeschiedene Gegend am Fuße des Dachsteines, was sich auch in den reichen Beigaben des weltberühmten Gräberfeldes im Hallstätter Hochtal widerspiegelt. Dieses war auch namengebend für die Hallstattzeit, den älteren Abschnitt der vorrömischen Eisenzeit zwischen 800 und 450 v. Chr. Abb. 137: Bonzezeitlicher Salzbergbau in Hallstatt, Lebensbild von D. Gröbner und H. Reschreiter, NHM. Wie dürfen wir uns den Salzabbau vorstellen, und welche Rolle spielten Textilien dabei? In der Bronzezeit wurden riesige Abbauhallen errichtet (Abb. 137), wobei den Salzzügen bis in eine Tiefe von weit über 120 m unter Tage nachgegangen wurde. Die mit Pickeln von den Wänden und der Decke abgeschlagenen kleinen Salzbrocken (Hauklein) wurden mittels lederner Tragsäcke 279 zu den senkrecht nach oben führenden Schächten gebracht und dort in Wollsäcke umgefüllt. Teilweise führte dieser Weg auch über hölzerne Stiegen, wie jene, die am Fundpunkt Christianvon-Tuschwerk entdeckt wurde. Durch die naturwissenschaftliche Datierungsmethode der Dendrochronologie konnte festgestellt werden, dass die Stiege im Berg um 1.343­1.344 v. Chr. errichtet wurde. Sie ist somit die älteste Stiege Europas. Die mit Salzbrocken gefüllten Säcke wurden schließlich mit dicken Lindenbastseilen durch die Schächte aus dem Bergwerk an die Oberläche gezogen, von wo aus das Salz weiterverhandelt werden konnte. Abb. 138: Hallstatt, bronzezeitlicher Bergbau, Reste der Fördersäcke. 280 Die Wollsäcke, die für den Weitertransport des Salzes durch die Schächte nach oben dienten, wurden in Fragmenten am Füllort entdeckt (Abb. 138). Die Säcke haben einheitliche Charakteristika: Sie bestehen aus sehr dichten, starken Geweben, die in Leinwandbindung aus 1,5 bis 2,5 mm dicken Wollfäden hergestellt wurden. Teils ist die Oberläche verilzt (durch Walken?), was das Gewebe noch widerstandsfähiger macht. Die Ränder der Säcke sind verstärkt, etwa durch stabil gestaltete Webeanfangskanten oder durch starke Rollsäume, umnäht mit Knoplochstich. Vieles spricht dafür, dass die Wollsäcke als Gebrauchstextil extra für diesen Zweck angefertigt wurden. Die Wollsäcke spielten als Transportbehältnis eine wesentliche Rolle in der Arbeitsorganisation des bronzezeitlichen Salzbergbaues von Hallstatt. Interessanterweise ändert sich die Abbaustrategie in der Eisenzeit. Nun werden große Salzplatten abgebaut, das in der Bronzezeit begehrte kleinstückige Salz bleibt im Berg als Abraum zurück. Die Wollsäcke, die Jahrhunderte zuvor in der Salzproduktion ein wichtiges Glied in der Transportkette waren, werden nun nicht mehr verwendet. Dennoch inden sich auch in den eisenzeitlichen Fundpunkten des Salzbergwerkes Hallstatt zahlreiche Textilreste, für die sich jedoch andere Interpretationen anbieten. „Recycling“: Bindematerial, Verbandszeug, Verpackungsmaterial Die Funde aus den eisenzeitlichen Salzbergwerken Österreichs, aus Hallstatt (Ostgruppe, ca. 900 bis 300 v. Chr.) und dem zeitlich etwas jüngeren Dürrnberg443 (spätes 6. bis 3.­2. Jahrhundert v. Chr.) ermöglichen einen Blick auf das Ressourcenmanagement im 1. vorchristlichen Jahrtausend. Textilien sind in ihrer Herstellung sehr aufwändig, vor allem zeitintensiv. Die Hinweise auf gezieltes Recycling von Alttextilien zeigen, dass der Rohstoff Textil sehr geschätzt und bis zum Letzten ausgenutzt wurde. 443 Hallstatt: Reschreiter, Grömer und Totschnig 2009. – Dürrnberg: Stöllner 2002. – Stöllner 2005. 281 Abb. 139: DürrnbergHallein: Fundstelle Hinterseng, gemustertes Band in Sekundärverwendung als Umwicklung eines gebrochenen Werkzeugstieles. 444 282 Die Gewebe aus den eisenzeitlichen Salzbergwerken sind teils sehr fein, hochwertig, qualitätsvoll und schön gemustert. Sie stellen wohl zu einem Gutteil Kleidungsreste dar. Die Kleidungsstücke wurden, zu kleinen Fetzen zerrissen, im Abraum im Berg zurückgelassen. Nun stellte sich bereits bei ihrer Entdeckung (die ersten Textilien wurden im Salzbergwerk Hallstatt im Jahre 1849 aufgefunden) die Frage, ob diese Stoffstücke von der Arbeitskleidung der Bergleute stammen könnten. Es steht jedoch für den eisenzeitlichen Abbau in Hallstatt fest, dass die Bergknappen in großen Abbauhallen arbeiteten, nicht in engen Stollen, sodass die Gefahr des Abreißens von Kleidungsteilen während der Arbeit nicht sehr groß war. Die derzeitige Forschungsmeinung444 geht davon aus, dass Textilien obertägig, also in der Siedlung, gezielt gesammelt und als Verbrauchsmaterial in den Berg gebracht wurden. Interessanterweise gibt es beim Salzbergwerk Hallstatt, in dem auch heute noch – mit modernster Technologie – Salz abgebaut wird die Sitte, dass die Bergleute Alttextilien im Berg verwenden. Diese werden in der sogenannten Grömer 2007, 285.– Reschreiter 2005, 14. – Stöllner 2005, 161, 171. – Von Kurzynski 1996, 33. „Fetzenkiste“ gesammelt: von dort werden die Stoffreste nach Bedarf zur Arbeit unter Tage mitgenommen, um sie etwa zum Reinigen der Werkzeuge zu verwenden. Zurück zu den eisenzeitlichen Textilien aus den Salzbergwerken: Aus Hallstatt und vom Dürrnberg sind außerdem streifenförmig gerissene Gewebeteile bekannt. Manche Stoffstücke tragen Knoten, teils sind zwei Textilien miteinander verknüpft (Abb. 139 und 140), es inden sich auch Knoten mit Bast445. Diese Stoffreste wurden offenbar als behelfsmäßiges Bindematerial verwendet. Ein besonders beeindruckendes Beispiel dazu stammt aus der Fundstelle Hinterseng vom Dürrnberg446. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dort ein aufwändig farbig gemustertes Stoffband entdeckt, das um einen gebrochenen Werkzeugstiel geknotet war (Abb. 139). Der primäre Zweck dieses schön gestalteten Stückes lag wahrscheinlich im Bereich der Kleidung, es wurde schließlich – um einen modernen Ausdruck heranzuziehen – recycelt und für Reparaturarbeiten herangezogen. Abb. 140: Salzbergbau Hallstatt, verknotete Gewebe aus der Älteren Eisenzeit. 445 Stöllner 2002, diverse verknotete Gewebe Abb. 12 und Taf. 4/1375, 5/1674. 446 Kyrle 1918, Abb. 60. Dieser Altfund ist leider seit den Kriegswirren des 2. WK verschollen. Im Salzbergbau Dürrnberg inden sich viele reparierte Werkzeugstiele, etwa im FerroSchachtricht. Stöllner 2002, Taf. 109, 111, 140 oder 178. 283 Als Bindematerial dienten in den Bergwerken Hallstatt und Dürrnberg ansonsten vorrangig Schnüre und Seile aus diversen Baumbasten und Gräsern. Wenn diese gerade nicht zur Hand waren, wurden offenbar auch Stoffstreifen, Lederstreifen oder auch junge elastische Zweige verwendet447. Wahrscheinlich wurden die Stoffreste im Berg auch für diverse hygienische und­oder sanitäre Zwecke benützt, etwa als Putzlappen oder zum Reinigen von Händen und Gesicht, eventuell als eine Art „Toilettenpapier“. Einen schlüssigen Beweis gibt es vor allem für Letzteres bislang noch nicht, obwohl auch menschliche Exkremente in den Salzbergwerken gefunden wurden. Abb. 141: Dürrnberg/ Hallein, Österreich: Wundverband für einen Finger. Es ist bemerkenswert, dass sich aus dem Dürrnberg ein direkter Hinweis auf die Verwendung eines Textils für medizinische Zwecke erhalten hat. An der Fundstelle Ferro-Schachtricht wurde bei den archäologischen Ausgrabungen ein zunächst unscheinbares Stoffbündel entdeckt. Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass dieser weiche, helle Leinenstoff in Form eines Fingers zusammengerollt und in dieser Form mit einem Baststreifen ixiert war (Abb. 141). Es handelt sich wahrscheinlich um einen 11 cm langen „Fingerling“, einen Wundverband für einen Finger, zudem sich in dem Bündel auch noch nicht näher analysierte planzliche Reste fanden, die möglicherweise zur Blutstillung oder Förderung der Wundheilung dienten448. Eine andere Art der Verwendung von Geweben ergab sich bei der Herstellung latènezeitlicher Hohlblechreife. Sie inden sich als Fußreifen in Frauengräbern der mittleren Latènezeit vor allem in Niederösterreich, Mähren und der Slowakei449. Die 284 447 vgl. Kern, Kowarik, Rausch, Reschreiter 2008, 64–65. – Stöllner 2002, z. B. Taf. 9–10. 448 Stöllner 2002, Taf. 200, 354; Nr. 2817; Textilkatalog S. 23. 449 Funde aus Niederösterreich: z. B. Müllauer & Ramsl 2007. – Funde aus Mähren und Slowakei: Belanová 2005. – Pieta 1992. Hohlreife wurden zur Stabilisierung der Form des dünnen Bleches mit Lehm, Sand, Holz oder auch Textil gefüllt (Abb. 142). Dies war während der Herstellung eine absolute Notwendigkeit, die Füllung sollte den Hohlreifen aber auch während des Tragens vor dem Verbeulen schützen. Die verwendeten Textilien sind stets leinwandbindige Fragmente aus Flachs; es liegt nahe, auch hier ein „Recycling“ von Alttextil anzunehmen. Als besonderes Beispiel ist Grab 9 von Nové Zámky450 herauszuheben. In den beiden Hohlreifen an den Fußgelenken der Frauenbestattung wurden mehrere Fragmente eines leinwandbindigen Gewebes entdeckt, die mit roter Wollstickerei geschmückt waren (vgl. Kapitel B2.5). Es wird in der slowakischen Forschung auch darüber diskutiert, ob die in einem Hohlreifen am Körper getragenen Textilien auch symbolische Funktion haben könnten. Ob rein der Gedanke des „Recyclings“ von Stofffetzen wichtig war oder ob vielleicht bei der Füllung von Ringen mit Stoff magisch-rituelle Überlegungen im Vordergrund standen, ist schwer zu beantworten. Auch in prähistorischen Gräbern sind Hinweise auf Textilrecycling zu inden, da nicht jedes Stoffstück aus einem Grab auch automatisch als Kleidungsrest des Toten zu werten ist. 450 Abb. 142: Mannersdorf/ Leithagebirge in Österreich: Fußreife aus dem latènezeitlichen Grab 217 mit textiler Füllung. Pieta 1992. 285 Die Umwicklung von Grabbeigaben (siehe oben) war vor allem in der Eisenzeit Sitte, besonders Waffen wie Schwerter, Dolche oder Messer wurden umhüllt. Die entsprechenden Gewebe sind nur in mineralisiertem Zustand erhalten. So ist es eher schwierig zu entscheiden, ob die entsprechenden verwendeten Stoffstücke extra für diesen Zweck hergestellt wurden oder ob man auch Alttextilien für diese Tätigkeiten heranzog. Im Kupferbergbau der ausgehenden Frühbronzezeit am Mitterberg­Mühlbach am Hochkönig in den österreichischen Alpen wurden ebenso Textilreste entdeckt. Zu einem Altstück sind interessante Hinweise auf seine bronzezeitliche Verwendung dokumentiert. Das Textil wurde nach den alten Aufzeichnungen im bronzezeitlichen Erzabbau bei einer Verdämmung gefunden451. Diese Schutzvorrichtung im bronzezeitlichen Kupferbergwerk sollte das eindringende Tagwasser von dem Teil der Grube abhalten, in dem gerade gearbeitet wurde. Dazu war quer durch die Grube bis zur halben Höhe eine Bretterwand aufgerichtet worden, die durch eine Stein-Sand-Aufschüttung gestützt wurde. Hier diente der Textilrest neben Moos in den lehmverschmierten Fugen zwischen den Brettern als Abdichtungsmaterial. Technische Nutzung: Schwertscheiden, Gürtelfütterung, Zwischenfutter Textilien wurden und werden auch für „technische“ Zwecke eingesetzt, wenn es etwa gilt, etwas auszupolstern oder mit einem Stoff zu überziehen. So ist uns etwa durch einen Fund aus Berg­Attergau452 in Oberösterreich bekannt, dass auch die prunkvollen eisenzeitlichen Bronzeblechgürtel an der Innenseite ausgepolstert und mit Stoff überzogen wurden, um einen guten Tragekomfort zu gewährleisten. Der Fund stellte sich bei der Ausgrabung und der anschließenden Konservierung wie folgt dar (Abb. 143): 286 451 Klose 1916, 35, Abb. 45–46. 452 Trebsche et al. 2007, 65–67, Abb. 101. In einem hallstattzeitlichen Grabhügel fand sich als Beigabe zu einem Brandgrab eines 30- bis 50-jährigen Individuums ein Blechgürtel, an dem noch organische Reste hafteten. Bei der Freilegung in der Restaurierungswerkstätte konnte festgestellt werden, dass der Blechgürtel ein aus mehreren organischen Schichten aufgebautes Innenfutter aufwies, wobei sich direkt unter dem Blech Streifen von dicker Rinde fanden. An der Gürtelinnenseite wurde diese Schicht von einem mehrlagigen feinen köperbindigen Gewebe überzogen. Das Textil wurde um den Rand des Bleches geschlagen, wo es an beiden Rändern von je einem Lederstreifen bedeckt und mittels kleiner Holznägel befestigt wurde. Abb. 143: Berg/Attergau: Originalteile mit Schema des Gürtelaufbaues und Rekonstruktion von Wolfgang Lobisser, VIAS. 287 Andere, den Körper umspannende Bronzeblechgürtel, etwa aus dem Gräberfeld Hallstatt453, weisen ebenfalls Lochungen im Randbereich auf. Diese belegen, dass auch hier die Gürtel auf organischem Material befestigt, bzw. damit gefüttert waren. Denkbar sind dazu Leder oder wie im Fall von Berg­Attergau auch Rinde und­oder Textil. Ein anderes Beispiel für die Verwendung von Geweben zu technischen Zwecken bieten die Funde von Textilien in Zusammenhang mit Waffen: Gewebe, die bei der Konstruktion von Schwertund Dolchscheiden Verwendung fanden, sind ab der Bronzezeit fassbar. Diese wurden sowohl als Außenbezüge verwendet, wie Funde aus Kosel in Schleswig-Holstein belegen, als auch für Innenfutter, wie bei einem Fund aus Friedrichsruhe in Mecklenburg-Vorpommern (beide Periode Montelius III)454. Es inden sich auch hallstattzeitliche Schwertscheiden, so in Gomadingen-Steingebronn455, die aus Holzschalen mit doppelter (wahrscheinlich mit Klebstoff durchtränkter) Stoffumwicklung gefertigt wurden. Eine andere Möglichkeit zeigen die Überreste einer gefütterten Holzscheide eines Latèneschwertes aus Horath, Deutschland456 auf. Dieses bestand aus verschiedenen Schichten von Holz, Eisenblech und einer organischen Polsterung aus Leder, Leinenfasern und Baumbast sowie als innerste Lage Leinengewebe (Abb. 144). Technische Sekundärnutzung kann beim Gewebe aus dem urnenfelderzeitlichen Depot von Sublaines, Frankreich, postuliert werden. Das Textil befand sich in der Tülle eines Bronzebeiles. Hans-Jürgen Hundt457 nimmt an, dass der Stoff die Funktion hatte, den Schaft, die hölzerne Handhabe des Werkzeuges, in der Tülle des Beils zu verkeilen. Textil- und Lederstücke wurden auch beim eisenzeitlichen Bergbau am Dürrnberg verwendet, um die Pickel (Bergeisen) in den hölzernen Schäftungen zu verkeilen458. Dabei wurden ca. 12 x 288 453 Kromer 1959, z. B: Grab 255 (Taf. 36) oder Grab 459 (Taf. 75). 454 Ehlers 1998, 181 f, Mecklenburg-Vorpommern 194 f. 455 Nach Zürn 1987, Abb. 32. 456 Haffner 1976, 230, Abb. 62. 457 Hundt 1988, 261. 458 Stöllner 2002, z. B: Taf. 120 (Textil) oder 190 (Leder). 4 cm große, rechteckige Leder- oder Textilstreifen in die gegabelte Schäftung eingelegt, um auf diesem Zwischenfutter die metallene Klinge anzubringen. Abb. 144: Horath, Deutschland: Rekonstruktion der mit Textil- und Lederschichten gefütterten latènezeitlichen Schwertscheide. Schlussfolgerung Der archäologische Kontext und die speziischen Eigenschaften prähistorischer Stoffe können vielerlei Hinweise zu ihrer ehemaligen Verwendung geben (Abb. 145). Nicht jeder gewobene Stoff, der in einem prähistorischen Grab oder auch in einem Salzbergwerk gefunden wurde, gehörte einst zu Kleidung. Man kann bei den textilen Funden ebenso zwischen primärer und sekundärer Funktion unterscheiden. Primäre Funktion wäre also die Verwendung von neuen Stoffen für Kleidung, aber auch für Gebrauchstextilien oder für eine technische Nutzung. Hinweise auf Sekundärverwendungen (Recycling, bis zum endgültigen Verschleiß) indet sich vor allem bei den Textilien aus den Salzbergwerken, aber auch in Gräbern, etwa bei latènezeitlichen Armringen. 289 Abb. 145: Verwendung von Textilien in der Urgeschichte nach archäologischen Befunden. 290 Kleidung in der mitteleuropäischen Urgeschichte Die Verwendung von Kleidung ist tief im Menschen verankert, sie gehört auch zu jenen Verhaltensweisen, die uns eindeutig vom Tier unterscheiden. Es ist bisher nicht genau erforscht, was in der Entwicklungsgeschichte des Menschen zum Tragen von Kleidung, zur Bedeckung des Körpers geführt hat. War es rein das Nächstliegende, den Körper aus Schutzbedürfnis gegen Kälte, Hitze oder anderen Einwirkungen zu umhüllen? Das Schamgefühl – wie allegorisch durch die Bibel verklärt – war es sicher nicht. Dieses entsteht ja erst, nachdem die Verhüllung zur tief verwurzelten Gewohnheit geworden ist, und so der Gegensatz zwischen „nackt“ und „verhüllt“ zum Bewusstsein kommt und die Entblössung als unsittlich empfunden wird. Ist etwa die Sitte der Bekleidung aus umgehängten Jagdtrophäen oder zur Tarnung beim Beschleichen des Wildes entstanden? Es ist nicht einmal geklärt, ob die anzunehmende natürliche lächige Körperbehaarung früher Menschenformen – wie bei unseren nächsten Verwandten den Schimpansen – erst nach dem Aufkommen von Kleidung verschwand oder ob die Einführung von Kleidung eine Folge des Verlustes des Haarkleides ist. Der Begriff Kleidung ist zudem mehr als vielschichtig. Er umfasst auch nach heutigem Sprachgebrauch im Prinzip alles, was der Mensch verwendet, um seinen Körper zu bedecken. Im weiteren Sinne zählen auch die Kopfbedeckungen und Schuhe sowie Schmuck und Accessoires dazu, da auch sie die Gesamterscheinung einer Person prägen459. In der prähistorischen Archäologie460 sind es neben den einzelnen Kleidungsstücken, Schuhen und Kopfbedeckungen vor allem auch die Verschlusselemente der Kleidung wie Gürtel oder Fibeln, im weitesten Sinne sogar die Haar- und Barttracht, die unter dem Begriff „Kleidung“ subsumiert werden. Zudem wird oft der Begriff „Tracht“ gebraucht, um Kleidung zu beschreiben – was auf Sichtweisen des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Der Begriff der Tracht bringt aber auch implizit zum Ausdruck, dass die Kleidung einer bestimmten Gruppe beschrieben wird, wobei sich diese von anderen Gruppen durch speziische Trachtelemente bzw. -merkmale unterscheidet. Diese Unterscheidungen können regionale Ursachen haben, aber auch Alter, Geschlecht und sozialer Status einer Person können sich im Aussehen der Kleidung niederschlagen. Die archäologische Trachtforschung beschäftigt sich im Allgemeinen mit der Auswertung der Schmuckstücke und des erhaltenen Kleidungszubehörs aus Metall (vor allem Gürtelbestandteile, Nadeln und Fibeln). 292 459 Siehe dazu auch Reich 2005. – Für die Völkerkunde siehe Feest & Janata 1989, 161 ff. 460 Deinition Kleidung und Tracht in der Archäologie siehe Banck-Burgess 2000, 603. Will man nun eine Geschichte der Kleidung vor den Römern verfassen, so stößt man allzu schnell auf Grenzen: Einerseits sind nur wenige komplette prähistorische Gewänder überliefert, die jeweils Streilichter auf einzelne Regionen oder bestimmte enge Zeitabschnitte zulassen. Andererseits ist bei den bildlichen Darstellungen zu hinterfragen, ob die Intention der jeweiligen Darstellung überhaupt darin lag, die zeittypische Bekleidung realitätsnah abzubilden. Schriftquellen, die ein erhellendes Licht auf die Benennungen von bestimmten Kleidungsstücken, ihre Herstellung oder auch ihre Funktion und Bedeutung werfen können, sind nur für die späteste Eisenzeit vereinzelt greifbar. Welche Quellen sind nun für die Rekonstruktion prähistorischer Kleidung vorhanden und welche Aspekte der Quellenkritik sind dabei zu beachten? Quellen zur vorrömischen Kleidungsgeschichte Vollständige Gewänder Die kompletten Kleidungsstücke aus der europäischen Urgeschichte werden von kostümkundlichen Büchern461 allzu begeistert aufgegriffen, um anhand dieser wenigen Stücke den Anschein zu erwecken, als könnte man die Gesamtheit der Kleidung prähistorischer Menschen wiedergeben – wenn nicht gleich mittels umgehängter Felle das Vorurteil des vorrömischen „Wilden“ geplegt wird. Gesamt ist hier wesentlich, dass vollständige Gewänder nur sehr selten erhalten sind und diese von unterschiedlichen Zeitabschnitten, Kulturen und Regionen des prähistorischen Europa kommen. Zudem stammen sie aus verschiedenen 461 Etwa bei Lenning 1982. – Besonders bei Bruhn und Tilke 2004, z. B. Taf. 21 Bronzezeit bis römisch. – Leventon 2008, S. 38–39, 43. – Differenzierter mit Referenz zu weiteren Quellen bei Thiel 2000. 293 Befundzusammenhängen, etwa aus Gräbern oder von Opferfunden. Hierbei stellt sich auch die Frage, ob „Alltagskleidung“ geopfert wurde oder besondere Stücke. Selbst bei relativer Vollständigkeit eines Ensembles, die sich in einigen Fällen darstellt, ist immer zu bedenken, dass auch bei diesen durch selektive Erhaltungsbedingungen wesentliche Bereiche fehlen können. Hier sei etwa an die eisenzeitlichen Moorfunde in Nordeuropa verwiesen. In Hochmooren sind unter den organischen Materialien nur tierische Rohstoffe erhalten. So wissen wir über diverse Gewänder aus Leder oder Wollstoffen gut Bescheid, die Kenntnis zu Leinengeweben bleibt aber im Dunkeln. Es ist so durchaus denkbar, dass beispielsweise der nur mit einer Lederhaube und einem Ledergürtel „bekleidete“ Tollund-Mann462, ein erdrosselter, in einem Moor versenkter Mensch aus der Zeit des 3. Jahrhunderts v. Chr., durchaus einen Leinenkittel getragen haben könnte. Die genaue Form dieses Leinengewandes könnte dabei theoretisch von der zeitgleichen Oberbekleidung aus Wolle abweichen. Nur selten tritt uns ein Mensch der Urzeit mit seiner Kleidung so unmittelbar und direkt gegenüber wie jener Mann aus dem Eis (vulgo „Ötzi“), der 1991 in den Ötztaler Alpen an der österreichisch italienischen Grenze gefunden wurde463 (Abb. 10). Es handelt sich um einen verunglückten Menschen der Kupferzeit um 3.300 v. Chr., der mit seiner Kleidung und seiner persönlichen Habe im Eis überdauert hat. Da er sozusagen „aus dem Leben gerissen“ wurde, stellt sein Gewand ein wichtiges Beispiel der damals bei einer Hochgebirgsüberquerung verwendeten „Alpinausrüstung“ dar. Ein Gegenstück zur steinzeitlichen Hochgebirgsausrüstung des Mannes aus dem Eis bildet das Ensemble, das nur ein Jahr später am Rande eines schmelzenden Schneefeldes in 2.850 m Höhe am Rieserfernergletscher ebenfalls in den Südtiroler Alpen entdeckt wurde464. Es handelt sich um zwei Paar Leggings – warme 294 462 Van der Sanden 1996, 20. 463 Spindler 1993. – Spindler, Rastbichler-Zissernig, Wiling, zur Nedden & Nothdurfter 1995. Wissenschaftliche Bezeichnung: Jungneolithische Mumie aus dem Gletscher vom Hauslabjoch, Gemeinde Schnals, Autonome Provinz Bozen, Südtirol, Italien. 464 Bazzanella et al. 2005. Beinlinge aus Wolle sowie Socken und Reste von Lederschuhen. Wie bei den steinzeitlichen Kleidungsstücken des „Ötzi“ ist dies eine wärmende Funktionskleidung, hier jedoch aus der Eisenzeit zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert v. Chr. Diese sehr konkrete Bekleidung des Mannes aus dem Eis, die von einem prähistorischen Menschen zu Lebzeiten unter einer bestimmten, befundmäßig erfassten Rahmenbedingung getragen wurde, ist allerdings ein Einzelfall. Ein großer Teil der vollständigen Kleidungsstücke oder von Trachtbestandteilen mit Kleidungsresten stammen von Bestattungen, wozu einige kritische methodische Anmerkungen nötig sind. Wie steht es nun mit den Moorleichen465? Vor allem in Nordeuropa, besonders in Norddeutschland, Dänemark bis nach Irland, wurden beim historischen Torfabbau Menschen entdeckt, die aus unterschiedlichen geschichtlichen Perioden stammen. Diese sind unter den verschiedensten Umständen ins Moor gelangt: Sie sind entweder einfach auf ihrem Weg über den unsicheren Untergrund verunglückt oder sie wurden etwa im Moor bestattet. Bei einem guten Teil der Moorleichen geht man jedoch davon aus, dass die Personen im Zuge von Strafmaßnahmen (zum Tode Verurteilte) und­oder als Menschenopfer im Moor landeten. Nicht einmal die Hälfte der Moorleichen ist mit Kleidungsstücken ausgestattet, was aber teils an den selektiven Erhaltungsbedingungen (Seite 38 ff.) oder auch an unvollständiger Bergung liegen kann. Wurden bei einer Moorleiche Kleidungsstücke gefunden, so hat das Gewand die jeweilige Person nicht immer korrekt bekleidet. Manche Kleidungsstücke wurden auch nur um den Körper gewickelt gefunden, ein anderes Mal lag etwa die Kleidung einfach unter dem Kopf. Das Gewand der Moorleichen könnte prinzipiell die zu Lebenszeiten getragene Kleidung darstellen. Bei jenen Menschen, die durch bestimmte Rituale ins Moor gelangten, etwa als Opfer oder als Bestrafungsmaßnahme – könnte die Kleidung theoretisch auch speziell ausgewählt worden sein. Dies geschah dann eventuell, um eben jenen Status (des Opfers, des Verbrechers...) auszudrücken – 465 Zusammenfassend zu den Moorleichen: van der Sanden 1996. Zur Kleidung: 120–134. Zur Haarbehandlung: 164. Zu den Todesumständen: 154–165. Zur Interpretation der Moorleichenfunde: 166–181. 295 Rechts: Abb. 146: Uplamör südlich Reutlingen (Baden Württemberg), 14. Jahrhundert v. Chr. Rekonstruktion der Bestattung mit überlangen Nadeln und Beinbergen die mit Kettengliedern verbunden sind. ebenso wie der in einigen Fällen teilweise bis vollständig geschorene Kopf. Beispiele für teilweise geschorene Kopfhaare sind etwa das „Mädchen von Windeby“, das nach neueren DNAUntersuchungen eindeutig männlichen Geschlechts ist oder das Mädchen von Yde, beide um Christi Geburt. Vollständige Kleidungsteile sind auch von Opfergaben ohne zugehörigem Menschenopfer bekannt. So wurden zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum beginnenden 5. Jahrhundert n. Chr. im Thorsberger Moor, Deutschland466 von Angehörigen des westgermanischen Stammes der Angeln verschiedene Gegenstände geopfert. Die Opfergaben bestanden aus Waffen, Schilden, Zaumzeug, Kleidung, Holzgegenständen, Werkzeug und Trachtschmuck. Zu den herausragenden Funden gehören eine römische (Reiter-)Gesichtsmaske, römische Helme und Münzen sowie runenbeschriftete Gegenstände. Auch etliche Kleidungsstücke sind unter den deponierten Opfergaben, so fünf Prachtmäntel, ein Kittel, zwei Hosen und zwei Paar Wadenwickel sowie weitere Gewebereste. Diese Stücke geben ebenfalls Anhaltspunkte für das Aussehen von Kleidungsstücken der Menschen der späten vorrömischen und römischen Eisenzeit. Textilfunde in Gräbern Obwohl die Erhaltungsbedingungen für Organisches im feuchten mitteleuropäischen Klima sehr ungünstig sind, inden sich manchmal Textilreste in Gräbern, etwa duch Metallkorrosion (siehe Seite 32 ff.). Dies ist zumeist sehr kleinlächig, teils ist nur noch die Oberlächenstruktur als Abdruck in der Korrosionsschicht erhalten. Dennoch handelt es sich um einen wichtigen Quell der Information über prähistorische Textilien. Bei diesen Geweberesten ist durch exakte Befundbeobachtung zu bewerten, ob sie zu Kleidungsstücken zu zählen sind oder etwa andere Zwecke im Grab erfüllten, beispielsweise als Leichentuch oder als Verhüllung eines Gegenstandes etc. (siehe vorigen Abschnitt Seite 267 ff.). 466 296 Schlabow 1976, 23. Mäntel und Kittel S. 61–70, Abb. 109–130; Hosen S. 76–77, Abb. 162– 174; Wickelbinden S. 89–90, Abb. 226–231. – Dazu auch Möller-Wiering (in Druck). – Siehe auch: Möller-Wiering & Subbert (in Druck). Es gilt auch zu entscheiden, ob die Kleidungsstücke in einem Grab das zu Lebzeiten getragene Gewand repräsentieren oder eine spezielle Totentracht, die nur für das Begräbnis angefertigt wurde. Im Falle der mittelbronzezeitlichen Frauenbestattungen in Mitteleuropa stellte der Prähistoriker Bert Wiegel467 bei einer Studie an den Schmuckstücken fest, dass der Ringschmuck starke Abnutzungserscheinungen aufwies. Daher ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine dauerhaft tradierte „Lebendtracht“ handelt. Das heißt, dass die Bestattete jene zu Lebzeiten verwendeten Schmuckstücke aus ihrem Eigentum auch im Grab getragen hat. Andere Befunde mit Schmuck- und Trachtelementen aus derselben Zeit sprechen nach Ulrike Wels-Weyrauch468 dafür, dass diese zumindest teilweise rein als Totentracht anzusehen sind (Abb. 146). So argumentiert sie, dass jene breiten, an den Beinen getragenen Beinbergen (Ringe oder Manschetten mit Spiralenden), die mittels Kettengliedern verbunden sind, wohl kaum zu Lebzeiten getragen worden sein können, da sie in dieser Tragweise das Gehen unmöglich machen. Auch die überlangen Nadeln erscheinen ihr im Alltag als nicht zweckmäßig. Letztendlich ist auch nicht belegt, ob es sich bei den Gegenständen in einem Grab um den persönlichen Besitz des oder der Toten gehandelt hat, der auch zeitlebens verwendet wurde oder ob (auch) Gaben von Angehörigen­Freunden etc. in den Gräbern 467 Wiegel 1994, 165. 468 Wels-Weyrauch 1994, 59, vgl. Abb. 55–56C. 297 vorhanden sind469. Dies könnte sowohl eine Beigabe wie ein Tongefäß sein, als auch Kleider und Schmuck. Fest steht jedoch, dass die Grabausstattung und somit die Kleidung der Toten ein Spiegelbild dessen ist, was eine bestimmte Gemeinschaft über das Geschlecht, eventuell das Alter und den Status einer Person ausdrücken wollte. Doch wie steht es um unser Wissen über die Kleidungsstoffe der Lebenden? Die Textilreste aus den neolithischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen oder die Textilfunde aus den Salzbergwerken Hallstatt und Dürrnberg könnten (neben anderen Funktionen, siehe vorigen Abschnitt Seite 267 ff.) Reste der zu Lebzeiten getragenen Kleidung darstellen. Den einzigen direkten Beleg dafür, dass ein solches Stück wirklich ehemals zur Kleidung gehörte, haben wir durch einen Schädling der unliebsamen Art aus dem Salzbergwerk Hallstatt. In einem Fall ist die Zuweisung zu Gewändern dadurch belegt, indem sich auf dem Textil Nissen der Kleiderlaus fanden470. Die Kleiderlaus ist ein an den Menschen angepasster Parasit, der sich am wohlsten bei menschlicher Körpertemperatur fühlt und bevorzugt zwischen den Haaren oder in der Bekleidung wohnt: Die Kleiderlaus ist daher nur bei Stoffen zu inden, die als Gewandstücke direkten Kontakt zum menschlichen Körper hatten. Man geht nun davon aus, dass also die Textilien aus den eisenzeitlichen Bereichen des Salzbergwerkes Hallstatt zumindest teilweise in ihrer primären Verwendung als Kleidung dienten, ob als „alltägliche“ oder „Fest“-Tracht, ist nicht zu beantworten. Dennoch hat man dadurch einen Anhaltspunkt über das Material der Kleiderstoffe, die Strukturen, die Gewebequalitäten, die Musterungen und auch die Farben. Vergleicht man nun diese Daten mit den Textilien aus den zeit- und kulturgleichen Gräberfeldern etwa des Osthallstattkreises, so wird sichtbar, dass dieselbe Bandbreite an Gewebebindungen und Feinheiten hier wie dort vorkommt. An Musterungen sind durch die speziellen Erhaltungsbedingungen mittels Metallkorrosion (keine Farbigkeit 298 469 Methodische Überlegungen beispielsweise bei Kurz 1997, 125 ff. Kleidung wird jedoch im Allgemeinen als persönliches Eigentum im realen Leben betrachtet. 470 Hundt 1960, Taf. 22. Gewebe Nr. 32 (Inv.Nr. 73.348). – Zu den Läusen siehe Ryder 2003: Human Body Lice indicate Historical Age of Clothing. Arch. Textiles Newsletter 37, Autumn 2003, 15–16. erhalten) in den Gräbern nur die Spinnrichtungsmuster zu beobachten. Diese Übereinstimmungen könnten ein Beleg dafür sein, dass ähnliche Gewebe für die zu Lebzeiten getragene Kleidung verwendet wurden, wie für jene, die der­die Bestattete trug. Einschränkend muss dabei jedoch betont werden, dass die in Hallstatt ansässige Bevölkerung durch den Salzabbau und -handel sehr wohlhabend war, was unter anderem an den reichen Beigaben des Hallstätter Gräberfeldes ablesbar ist. Andererseits repräsentieren die konservierten Gewebefunde in den Gräbern ebenfalls eher begüterte Personen. Es bleiben allgemein unter herkömmlichen Bedingungen Textilien – wenn überhaupt – nur in jenen Gräbern erhalten, in denen ausreichend Metallgegenstände vorhanden sind, sodass Teile des Gewebes zufällig daran ankorrodieren können. Wir haben auch hier nicht die ärmsten Bevölkerungsschichten vor uns. Trachtbestandteile und Schmuck aus Gräbern Kleidung wurde auch in den Zeiten vor der Erindung von Druckknöpfen, Reiß- und Klettverschlüssen auf unterschiedlichste Arten verschlossen und so am Körper festgehalten. Diese Hilfsmittel werden in der Archäologie als Trachtbestandteile (Trachtzubehör, Kleidungszubehör) bezeichnet. Dazu zählen Gürtelschnallen, angenähte Knöpfe, Fibeln oder Nadeln etc. Diese Trachtbestandteile sind stets nach zeittypischem „Design“ gestaltet und erfüllen neben ihrer praktischen Funktion – wie Schmuck – einen dekorativen Zweck, sind aber auch häuig Träger von symbolischem Inhalt471. Die Symbolik kann durch das Material, die Form, die Motivik des Dekors oder auch durch die Positionierung des Objektes am Körper verdeutlicht werden. Die archäologische Trachtforschung beschäftigt sich – wegen der Seltenheit textiler Funde in den Gräbern – oft nur mit der Auswertung des Kleidungszubehörs aus Metall und der 471 Besonders gut erforscht ist das in der Völkerkunde. Feest & Janata 1989, 161 ff. 299 Abb. 147: Gräberfeld Hallstatt, Ältere Eisenzeit: Aquarell der Grabbefunde aus den Protokollen von Johann Georg Ramsauer aus dem 19. Jahrhundert. 300 Schmucktracht472. Hierbei wird von der Lage des Trachtzubehörs auf die Kleidung geschlossen, besonders wenn sich die Objekte in funktionaler Lage am Körper beinden. Trachtlagen von metallenen Elementen wie Gürtel, Nadeln und Fibeln zeigen zwar auch bei Gräbern ohne Textilerhaltung, an welcher Körperpartie die Kleidung des Bestatteten gegürtet, bzw. mit Nadeln oder Fibeln zusammengehalten wurde (Abb. 147), das Aussehen des entsprechenden Kleidungsteiles (Kittel, Mantel, Kleid o.a....) muss jedoch erst wieder durch Abbildungen oder Originalkostüme erschlossen werden. Diese werden dann oft von geograisch oder chronologisch weit entfernt liegenden Analogien entlehnt, was natürlich problematisch ist. So dienten etwa mangels vollständiger neolithischer und bronzezeitlicher Gewänder aus Mitteleuropa meist die nordischen Kostüme als Referenz, obwohl sie einem völlig anderen Kulturkreis angehören. Bei der Interpretation der Trachtlagen gibt es noch weitere Probleme. So kann es vorkommen, dass vor allem in reichen Gräbern beispielsweise mehr Fibeln als zum Kleidungsverschluss nötig beigegeben werden. Diese liegen teils an der „richtigen“ Stelle, teils an anderen Positionen, ohne eine funktionale Bedeutung als Gewandverschluss zu haben (Abb. 201)473. Dies kann zu verwirrenden „Trachtrekonstruktionen“ führen474. Es muss wohl in jedem Einzelfall durch genaue Beobachtung der Stücke im Grab entschieden werden, welche Trachtbestandteile die (Toten-)Kleidung verschlossen und welche rein als Beigabe dienten oder etwa Leichentücher zusammenhielten. Bildquellen Bildliche Darstellungen von Menschen gibt es in der Urgeschichte in zahlreichen Varianten – hier nur ein schneller Überblick, detaillierte Ausführungen inden sich in den Kapiteln zu den einzelnen Zeitabschnitten. So sind verschiedene Arten von 472 z. B: Pabst-Dörrer 2000. – Wiegel 1994. 473 Beispielsweise im Gräberfeld von Münsingen, Schweiz, wo in mehreren Gräbern überzählige Fibeln zu inden sind. Hodson 1968, 56–63, Grab 122, 132, 140, 149, 157, 161, 168 oder 184. 474 z. B. Negroni Catacchio 2007: La vesti sontuose e gli ornamenti. In: Ble i et al. (Hrsg.): Scripta Prehistorica in Honorem Biba Teržan. Situla 44, Ljubljana 2007, 533–556, bes. Fig. 8–10. 301 Idolen, Statuetten, Statuen und Stelen aus Ton, Stein, Knochen, Elfenbein oder Metall zu nennen. Menschendarstellungen reichen bis weit in die Altsteinzeit zurück und haben etwa mit der Venus von Willendorf (Abb. 148)475 einen der berühmtesten Vertreter in so früher Zeit. Abb. 148: Venus von Willendorf, Österreich. Alter ca. 25.000 Jahre. Für das Neolithikum476 sind es besonders Statuetten aus Ton, die in Mitteleuropa angefertigt wurden sowie jene berühmten Steinstelen aus dem norditalienisch-westschweizerisch-französischen Raum. Während wir in der mitteleuropäischen Bronzezeit nur wenige Darstellungen des Menschen kennen477, kommen sie in der Eisenzeit, besonders in der Hallstattzeit, öfter vor, vor allem als Metalligurinen aber auch als Steinplastik, wie die Figur vom Glauberg478. Figürliche Fibeln der Eisenzeit runden das Bild ab. Anthropomorphe (menschengestaltige) Abbildungen auf Keramik inden sich in der Stein- und Eisenzeit, ausgeführt in der jeweils zeittypischen 302 475 Ca. 25.000 Jahre alte Frauenigur, gefunden in Willendorf in der Wachau. Zuletzt: Antl-Weiser 2008. 476 z. B: Hansen 2007. – Müller-Karpe 1974, Taf. 602–603. – Wininger 1995, Abb. 7–9. 477 Bronzezeitliche Figurinen mit Kleidungsdarstellung sind neben wenigen Stücken aus der Nordischen Bronzezeit (Broholm und Hald 1940, Abb. 192–193) nur aus Ungarn, Rumänien und Jugoslawien vorhanden (Müller-Karpe 1980, Taf. 326–327). 478 Ausstellungskatalog Glauberg 2002, Abb. 70–71. Verzierungstechnik als Ritzung, Halbplastik, Bemalung oder in Eindruckstechnik. Auch eisenzeitliche Bronzeblecharbeiten wurden mit Menschendarstellungen geschmückt, sowohl mittels Ritzung als auch in Treibarbeit. Besonders bekannt unter diesen sind die Werke der Situlenkunst. Die prähistorischen Menschendarstellungen sind teils sehr unmittelbar und anschaulich. Sie führen aber auch leicht in die Irre, da sie oft nicht das tägliche Leben abbilden, sondern ebenso traditionelle ikonograische Motive, Religiöses oder Außergewöhnliches. Und selbst wenn sie Alltägliches abbilden, sind sie nur Momentaufnahmen und sagen eher etwas über die Sprache der Bilder aus als über die Kleidersprache im Alltag479. Auch die Detailtreue, mit der Kleidungselemente und Schmuck dargestellt sind, variiert je nach Intention, die mit dem Bildwerk verfolgt wurde. Ausschlaggebend für die Interpretation der Darstellungen sind auch die zeittypische Abstraktionsebene, das individuelle Können des Schaffenden und die darstellerischen Grenzen des Trägermaterials der Abbildung. Als Beispiel für die Interpretationsmöglichkeiten von Menschendarstellungen dienen die bereits erwähnten Situlen (das lateinische Wort situla steht für Eimer), Weinmischgefäße großteils aus dem 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr. zwischen dem Fluss Po in Oberitalien und der Donau480. Sie tragen detailreiche Bilderfriese: Festumzüge und Musikanten, Wagenfahrer und Wettkämpfer, Reiter und Krieger, Jagd- und Opferszenen. Es sind nicht nur Situlen mit jenen Bildszenen und Motiven nach mediterranen Vorbildern verziert, sondern auch andere Gefäßtypen: Zisten (zylindrische Bronzeeimer), Schalen und Deckel sowie Gürtelbleche, Gürtelschließen oder Helme. Die Detailfülle auch der Kleidungsdarstellung dieser sogenannten Situlenkunst verleitet dazu, in diesen Abbildungen das typische Gewand der späten Hallstattzeit zu sehen. Insgesamt sind in der Situlenkunst etruskische Vorbilder zu bemerken, wenn auch lokale Züge stark ausgeprägt sind. 479 Überlegungen dazu etwa bei Schierer 1996, 6 ff. 480 Frey 2005, 529 ff. – Lucke & Frey 1962. – Turk 2005. 303 Abb. 149: Situla von Kuffarn in Niederösterreich und Umzeichnung der von Pater Lambert Karner geschilderten „Wirtshausszene“. Wie sind aber diese Bilder zu interpretieren? Als im Jahre 1891 in Kuffarn in Niederösterreich in einem Grab eine Situla (Abb. 149) gefunden wurde, deutete Pater Lambert Karner aus dem nahegelegenen Stift Göttweig die Bilder bei einem Vortrag vor der Anthropologischen Gesellschaft in Wien folgendermaßen: „... die ganze Scenerie ist, nach meiner Ansicht, eine lustige Wirtshausgeschichte. Der behäbige Wirth schwingt zwei leere Situlen, er geht in den Keller, um sie wieder zu füllen. Im Gegensatz zu dem dicken Wirthe schänkt der dünne Kellner mit lachendem Gesichte dem Zecher ein, und das Büblein, das da emporschaut, wartet auf den Augenblick, in welchem ihm der Hut vom Kopfe fällt. ...“ 481 Heute interpretiert man die Szene als fürstliche Hofhaltung, dargestellt in der Person eines thronenden Angehörigen dieser Elite. Der Situlenspezialist Otto-Hermann Frey482 sieht allgemein in den Situlenabbildungen die Aktivitäten des gehobenen Lebensstils der früheisenzeitlichen Adelsschicht. Nach der Interpretation von Christoph Huth483 hingegen sollten die Darstellungen gar nicht eine (alltägliche oder festliche) Realität widerspiegeln, sondern seiner Meinung nach handelt es sich um kosmologische Vorstellungen und dienten der Gloriizierung des Toten sowie einer religiösen Legitimation von Herrschaftsansprüchen. Ob nun mythologische Verklärung oder Darstellung der „high society“, die Inhalte geben also nicht alltägliche Szenen der breiten Bevölkerung wieder, sondern festliche Aktivitäten. Somit ist die gezeigte Kleidung 304 481 Sitzungsberichte, Monatsversammlung der Anthropologischen Gesellschaft in Wien am 15. Dezember 1891. Vortrag von Pater Lambert Karner. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien XXI, 1891, [68]-[71] 482 Lucke & Frey 1962. 483 Huth 2005. als Festtracht (der Oberschicht?) zu interpretieren, in die wahrscheinlich auch stark symbolische Elemente einlossen. Schriftquellen Aus der mitteleuropäischen Urgeschichte sind bis auf einige wenige in etruskischen Alphabeten abgefassten Weiheinschriften484 der Räter und Veneter im Südalpenbereich keinerlei autochthone Schriftquellen erhalten. In der späten Eisenzeit gab es jedoch immer wieder Kontakte zwischen den Griechen (später Römern) und den nördlich lebenden „Barbaren“ – also Leuten, die des Griechischen nicht mächtig sind und in den Ohren des gebildeten Griechen nur stammeln. So inden sich Berichte über die Barbaren in den Werken antiker Ethnographen und Geschichtsschreiber wie Poseidonios (135-51 v. Chr.) oder Diodorus Siculus, der 54 n. Chr. eine „Universalgeschichte“ verfasste. Die Kontakte zwischen der antiken Welt und den nördlichen Völkern konnten aber auch Handelsbeziehungen sein, kriegerische Auseinandersetzungen oder – in römischer Zeit – die Unterwerfung eben dieser barbarischen Gebiete. So schrieb etwa der römische Feldherr Iulius Caesar Berichte zu den von ihm unternommenen Feldzügen 58-51­50 v. Chr. in die gallischen (heute französischen) Gebiete, die berühmten Comentarii de bello gallico, die auch heute noch im Lateinunterricht humanistischer Gymnasien gelesen werden. An der Schwelle zur Schriftgeschichte, in der die Berichte antiker Autoren teilweise auf die Kleidung der nördlich lebenden Völker eingehen485, ist der Rückgriff auf eben jene Schriftquellen zur Kleidung und Lebensweise der späteisenzeitlichen Bevölkerung Mitteleuropas sehr verlockend. Dazu sind folgende Überlegungen wesentlich: Was war die Intention des Berichtverfassers486? War man wirklich darauf aus, eine möglichst reale Beschreibung etwa der Kelten zu geben? Wurden einzelne Kleidungsteile eventuell 484 Urban 2000, 323–325. 485 Zusammenstellung bei Kurzynski 1996, 68–71. 486 Zum kritischen Umgang mit Schriftquellen allgemein siehe etwa Brunner 2004. 305 als schablonenhafte Kennzeichnung einer Gruppe erwähnt, als Zuordnungsmöglichkeit unabhängig davon, was im täglichen Leben getragen wird? So wie man heute in klischeehafter Beschreibung für eine Inderin den Sari und für eine Frau aus Bayern das Dirndl nennt. Bei den römischen Autoren ist es vor allem die Nennung der Hose, die die Völker im Norden „gens braccata“ von den togatragenden Römern „gens togata“ unterscheidet. Bediente man sich etwa gewisser Gemeinplätze (topoi), um der Leserschaft ein Bild des „Fremden“, „Barbarischen“ oder „Primitiven“ zu vermitteln? Julius Cäsar nutzte seine comentarii, in denen auch Beschreibungen der Völker und der geographischen Gegebenheiten enthalten sind, für politische Zwecke. Er wollte die Bedeutung seines Feldzuges und die Leistungen bei der Niederwerfung dieser Völker unterstreichen. Die Betonung der Wildheit, Fremdheit und Unzivilisiertheit sollte dabei die um vieles bessere römische Herrschaft rechtfertigen. Kleidung durch die Zeiten Es kann also nach obigen Ausführungen sicher kein vollständiger Überblick über die Kleidungsgeschichte vor den Römern gegeben werden – die Alltagskleidung der breiten prähistorischen Bevölkerung ist nicht rekonstruierbar. Es können jedoch streilichtartig Beispiele für Gewänder aus bestimmten Regionen, Kulturen und sozialen Schichten aufgezeigt werden. Der Fokus liegt auf den archäologischen Bodenfunden Mitteleuropas487 ab der Jungsteinzeit sowie auf den unschätzbaren Quellen der kompletten Gewänder Nordeuropas. Trachtlagen in Gräbern können nur beispielhaft vorgestellt werden, um den vorgesehenen Rahmen nicht zu sprengen. Obwohl nach den obigen Ausführungen Vorsicht geboten ist, soll nun eine kostümkundliche Interpretation des vorhandenen Quellenmaterials versucht werden. Es sei betont, dass dabei nur schemenhafte Grundzüge skizziert werden können. Die 487 306 Hier v. A. Österreich und seine Nachbarländer: Italien, Schweiz, Deutschland, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Kroatien. vorliegende Arbeit versteht sich keinesfalls als gültiger Bestimmungsschlüssel für prähistorische Kleidung, da die derzeitige Quellenlage keine endgültigen Schlüsse zulässt. Aufgrund der fehlenden Schriftlichkeit, die großteils einen Einblick in die damalige Benennung einzelner Kleidungsstücke verweigert, werden in diesem Zusammenhang die gängigen, in der deutschsprachigen Literatur eingeführten modernen Begriffe wie Kittel­Tunika, Mantel, Hose und Bluse verwendet. Man darf sich dabei aber nicht moderne Formen vorstellen. Eine bronzezeitliche „Bluse“ hat keine Knopleiste, sondern es handelt sich um ein T-förmig geschnittenes Oberteil zum Hineinschlüpfen. Ebenso hat ein „Mantel“ in der Urgeschichte keine Armröhren, sondern es werden mit diesem Begriff in der archäologischen Textilforschung deckenartige Umhänge und Überwürfe bezeichnet. Jungsteinzeit Beginnen wir nun unsere Betrachtungen mit der Jungsteinzeit ab dem 6. Jahrtausend v. Chr. Es ist die Zeit, in der die Menschen in unseren Breiten erstmals sesshaft werden, Landwirtschaft und Viehzucht betreiben sowie feste Ansiedlungen (Dörfer) gründen – eine Lebensweise, die uns im Prinzip bis heute begleitet. In diesen ersten bäuerlichen Kulturen existieren aufgrund von Spinnwirteln und Webgewichtslagen die ersten Hinweise auf Spinnen und Weberei im mitteleuropäischen Raum. Hier ist die Quellenlage zur Kleidung mehr als spärlich. Obwohl wir mit dem Mann aus dem Eis ein vollständiges Gewandensemble besitzen, sind Kleidungsüberreste und auch Textilfragmente eher dünn gesät. Bildliche Darstellungen erhellen unsere Kenntnis zum Aussehen der Kleidungsstücke – zumindest zu jenen Gewändern, die die steinzeitlichen Menschen auf den kultischen Statuetten und den menschengestaltigen Menhiren für darstellenswert empfunden haben. An diesem Abschnitt der menschlichen Geschichte wird allgemein noch kein oder nur wenig Metall verwendet. Es können aber auch die beinernen 307 Abb. 150: Gräber aus dem Früh- und Mittelneolithikum mit Trachtbestandteilen. Links: Aiterhofen-Ödmühle in Bayern, rechts Haid in Oberösterreich Abb. 151: Statuette von Falkenstein in Niederösterreich aus dem Mittelneolithikum. 308 Trachtbestandteile in den Gräbern zum Verständnis der Kleidung herangezogen werden. Die ersten Bauernkulturen im Früh- und Mittelneolithikum In den ersten Bauernkulturen der Jungsteinzeit in Mitteleuropa sind kleine, stark stilisierte Menschendarstellungen in Form von Tonigürchen bekannt488. Die Figürchen der Linearbandkeramik (Abb. 152) zwischen 5.500 und 4.900 v. Chr. werden meist in den Siedlungen aufgefunden und sind dabei oft stark fragmentiert. Sie sind teils sehr manieristisch verziert, mit Winkel, Mäandern oder Dreiecken. Dieses Ritzdekor ist auch auf Tongefäßen derselben Zeit zu inden, es war also den Töpfern gut geläuig. Es ist schwierig, Kleidungselemente zu identiizieren; manches kann eventuell als Oberteil mit V-Ausschnitt, anderes als eine Art Beinlinge gedeutet werden. Stehende Winkel sind ein häuig vorkommendes Zierelement am Rücken der Figuren, es wird meist als Trachtelement oder als die Darstellung der Rippen interpretiert. Einen bekannten Vertreter dieses Typus kennen wir aus dem ungarischen Bicske (Abb. 152­3). Die Schöpfer der kleinen Statuetten bewiesen viel Liebe zum Detail. So zeigen die bandkeramischen Figürchen teils interessante Frisuren (Abb. 152­4-5), z. B. der „Löckchenkopf“ der Frauenigur von Eilsleben, Deutschland. Beim Köpfchen von Ostheim, ebenfalls aus Deutschland, könnten die Ritzlinien Zöpfe darstellen, die zu einer exquisiten Frisur am Ober- und Hinterkopf festgesteckt wurden489. Doch was sagen andere Quellen zu dieser Kreativität am Kopf? Aus zeitgleichen Gräberfeldern etwa in Bayern490 (Abb. 150 links) sind im Kopfbereich teils Haarkämme und Muscheln zu inden. Diese könnten in kunstvolle Frisuren 488 Hansen 2007, Taf. 498–509. – Kalicz 1998, Abb. 5. – Lüning 2005, bes. 213–268 mit zahlreichen Abbildungen. Die sehr abstrakten Darstellungen wurden bei Lüning als realitätsnahe und direkte Wiedergabe von Kleidung und aufgenähten Zierelementen interpretiert, was umstritten ist. 489 Engelbrecht, Kühltrunk & Ramminger 2003, 317–323. 490 Nieszery 1995, Beispiele mit Trachtbestandteile an Kopf und Becken: Taf. 13, 26, 50, 52 Aiterhofen-Ödmühle Grab 32, 68 und 139, 143. 309 eingearbeitet gewesen sein. Eventuell hat man die kleinen Muscheln auch an einem Haarnetz oder als Haubenbesatz getragen. Unter den Ritzverzierungen auf Tongefäßen491 inden sich in der Bandkeramik nur wenige menschliche Darstellungen. Eines der seltenen Beispiele aus Sondershausen in Deutschland (Abb. 152­1) ist eine aus zwei gegenständigen Dreiecken zusammengesetzte abstrakte Menschengestalt. Dieser Darstellungstypus ist beim sogenannten „Becher von Murr“ in Deutschland (Abb. 152­14) aus der Münchshöfener Kultur um 4.000 v. Chr. deutlicher ausgeführt. Wiederum sieht man zwei Dreiecke, jedoch mit deutlichem Kopf, Armen und Beinen. Dies ist als ein einfaches gegürtetes Gewand deutbar, das im Taillenbereich gerafft wurde, wie die deutlichen Gewandfalten zeigen. Dieses Gewand könnte vom Habitus her durchaus als alltägliche Kleidung dieser Zeit gedient haben. Zu einem derartigen Gewandtypus würden die Befunde aus den bandkeramischen Gräbern Bayerns und Oberösterreichs passen, bei denen der manchmal im Beckenbereich gefundene Muschelverschluss ebenfalls ein gegürtetes Gewand anzeigt. In Aiterhofen-Ödmühle, Deutschland, inden sich in Männergräbern Gürtelverschlüsse aus Spondylusmuscheln (Stachelauster) mit V-förmigem Winkel. Die Frauen haben hingegen runde Gürtelplatten aus Muscheln (Abb. 150 links). Auch die erhaltenen beinernen Trachtbestandteile des Mittelneolithikums zeigen eine Betonung der Taille, etwa der mit 50 Steckknöpfen verzierte Gürtel im Grab einer erwachsenen Frau aus Haid in Oberösterreich492 (Abb. 150 rechts). Aus der mittleren Jungsteinzeit, zwischen 4.900 und 4.300 v. Chr., gibt es vor allem in Österreich, Ungarn und Mähren in der sogenannten Lengyelkultur bzw. Bemaltkeramik zahlreiche Frauenstatuetten (Idole). Diese Figuren sind jedoch – bedauerlich für die Kleidungsforschung – durchwegs unbekleidet. Die Statuetten wurden großteils im Bereich der kultischen Kreisgrabenanlagen entdeckt, meist lagen sie in den Gräben, was einen Hinweis auf ihre sakrale Verwendung gibt. Die Figuren könnten etwa Ahnen, Priesterinnen oder gottähnliche Gestalten 310 491 Beispiele aus Sondershausen und Murr in Neumaier 1999, Abb. 26 und Taf. XVI. 492 Haid, Grab 75. Kloiber et al. 1971, Abb. 6. – Lenneis, Neugebauer & Ruttkay 1995, 96, Abb. 44. Abb. 152: Jungsteinzeitliche Menschendarstellungen mit Kleidungsstücken: 1 Keramikritzung Sondershausen, Dt. – 2 Statuette aus Nerkewitz, Dt. – 3 Statuette Bicske, Ungarn. 4 Ostheim, Dt. – 5 Eilsleben, Dt. – 6 Falkenstein, Ö. – 7-10 Figürchen aus Sé, Ungarn. 11-13 Statuetten aus Vin a, Serbien. – 14 Keramikritzung aus Murr, Dt. – 15 Steinstele aus Arco, I. 16-18 Steinstelen aus Südfrankreich. – 19 Tonigur Laibacher Moor, Slo. 20-23 Steinstelen Sion,Schweiz. Verschiedene Maßstäbe. 311 darstellen, möglicherweise dienten sie auch als Votiviguren für verschiedene Zeremonien oder Riten. Interessanterweise sind sie meist (absichtlich oder zufällig?) zerbrochen493. Unter den wenigen mit weiteren Details (Haare, Schmuck und Kleidung) versehenen Figuren ist vor allem das Ensemble aus der Kreisgrabenanlage von Sé, Ungarn494 (Abb. 152­7-10), interessant, wo die Forscher mehr als 130 großteils fragmentierte Statuetten entdeckt haben. Hier inden sich solche mit Darstellungen von Lendentüchern, Schürzchen und auch mit Gürteln. Ein Frisurentypus, der an den Lengyelstatuetten (Abb. 152­10) relativ häuig vorkommt, ist das aus dem Gesicht nach hinten gekämmte Haar (mit ausgeprägten „Geheimratsecken“, die als drei ineinandergreifende Bogenlinien am Haaransatz wiedergegeben sind). Die als parallele Zickzacklinien angeordneten Striche am Kopf und hinten am Hals deuten wohl offen getragenes, welliges oder lockiges Haar an, möglich sind auch Zopffrisuren. Soweit es der Fragmentierungsgrad zulässt, scheint es sich dabei – erkennbar an den angedeuteten Brüsten der Figuren – um eine Frauenfrisur zu handeln495. Besonders hervorzuheben ist die interessant bemalte Statuette von Falkenstein in Niederösterreich496 (Abb. 151 und 152­6). Die schwarz gemalte Frisur und der rot dargestellte (kupferne ?) Halsschmuck mit eingedrehten Enden sind gut erkennbar. Die rote Linie um die Taille ist klar als Gürtel zu identiizieren. Es sind zur schwarzen Ornamentierung im Beinbereich verschiedene Interpretationen möglich: so könnte es sich dabei um die Darstellung von Körperbemalung oder sogar Tätowierung handeln; eventuell ist aber auch ein bemaltes Gewand (etwa ein Lendenschurz oder ein im Beinbereich bemaltes Kleid) abgebildet. Das „Formschaffen“ der Lengyelkultur ist geprägt von Farbe. Davon zeugen nicht zuletzt die prächtig in Weiß, Gelb, Rot 312 493 Zur Interpretation siehe etwa Kalicz 1998 oder Hansen 2007, 319 f. 494 Kalicz 1998, Abb. 30–37. 495 Beispielsweise die Statuetten aus Strelice/CZ, Unterpullendorf/A und Sé/HU (Hansen 2007, Taf. 512–514). 496 Lenneis, Neugebauer-Maresch & Ruttkay 1995, Falkenstein: 100. und Schwarz bemalten Gefäße (Abb. 104), die in der Feinheit der Ausgestaltung ihresgleichen suchen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Wände der Häuser bemalt wurden (es wurden Farbreste auf Lehmverputzstücken identiiziert). Es ist also durchaus denkbar, dass auch Kleidung – ob aus Leder oder textilen Flächen hergestellt – mit Farbe geschmückt wurde. In Fall der Figur von Falkenstein müsste es sich jedoch um ein gegürtetes, sehr eng anliegendes Gewand gehandelt haben, da die Körperkonturen klar erkennbar sind. Ob nun auf der Figur von Falkenstein ein bemaltes Kleidungsstück oder Körperbemalung dargestellt wurde – es ist auf jeden Fall ein interessanter gestalterischer Hinweis, der aber im symbolischen Bereich dieser rituellen Statuetten (Votiviguren, Ahnendarstellungen…) interpretiert werden muss und wahrscheinlich nicht als Darstellung von Alltagskleidung oder -schmuck verstanden werden darf. Spätneolithikum — Kupferzeit Im Mittel- und Spätneolithikum ist im 5. Jahrtausend v. Chr. in Serbien, West-Rumänien, Süd-Ungarn und im östlichen Bosnien die Vinča-Kultur verbreitet497. Bekannt sind die Toniguren großteils aus einer Zeit um 4.500 bis 4.300 v. Chr. Es sind meist stehende Frauen mit großen und vortretenden Augen und einem dreieckigen Gesicht (Abb. 152­11-13), welches von manchen Forschern als Maske gedeutet wird. Im jüngeren Vinča kommen auch sitzende Figuren vor. Ohne diese teils sehr reich ornamentierten Statuetten überinterpretieren zu wollen, ist doch auffällig, dass sie als Grundzüge der Silhouette meist ein eng anliegendes Oberteil und einen Rock bzw. ein gegürtetes Kleid mit körpernahem Oberteil zeigen. Dieses Oberteil hat oft einen VAusschnitt und verschiedene senkrechte Linien. Diese könnten einerseits, wenn mittig, die vordere Öffnung eines kaftanartigen Gewandes darstellen oder auch Teilungsnähte. Möglicherweise handelt es sich aber auch um reines Dekor. Falls diese Linien tatsächlich als funktionale Elemente der Kleidung interpretiert werden können – als Gewandöffnungen und verschiedene zusammengesetzte Teile, so hätten wir hier jenen 497 Hansen 2007, Taf. 246–249. Chronologie Abb. 200–202. – Müller-Karpe 1974, Taf. 449. 313 Abb. 153: Figur aus dem Laibacher Moor, Slowenien und glockenbecherzeitliche Knöpfe aus Giengen, Dt. Verschiedene Maßstäbe. 498 314 Grundtypus des vorne offenen Oberteiles vor uns, den wir auch vom zusammengesetzten Gewand des Mannes aus dem Eis um 3.300 v. Chr. kennen (Abb. 156). Noch prägnanter ist dies bei einer Tonigur vom Ende des Neolithikums aus dem Laibacher Moor (Abb. 153 rechts) 498. Hier handelt es sich um ein langes, vorne offenes Gewand mit langen Ärmeln. Entlang der Vorderöffnung inden sich als Ornamente große Quadrate mit Kreuz- und Punktfüllung. Diese Darstellung könnte – falls ein zeitgenössisches Gewand abgebildet ist – durchaus als verziertes Festkleid zu interpretieren sein. Andererseits sind gerade ebensolche Knöpfe – quadratische Beinknöpfe mit eingeritzter Kreuz- und Punktzier in der Glockenbecherkultur Korošek 1969, beschäftigte sich mit der Chronologie und Typologie der Funde aus dem Laibacher Moor. Sie stellt die Idoliguren (Taf. 1) in die Stufe Ig I (Laibach-Vu edol-Kultur, 1. H. 3. Jt. v. Chr.). Nach der Verzierung und den Funden von glockenbecherzeitlichen Knöpfen desselben Musters wie auf der Figur ist aber auch eine Datierung in die Stufe Ig II von Korošek denkbar, die glockenbecherzeitlich (um 2.400–2.200 v. Chr.) ist. Mitteleuropas bekannt, wie ein schöner Fund aus Giengen in Deutschland zeigt499 (Abb. 153 links). Könnte nun die Laibacher Figur ein Gewand abbilden, das vorne offen war und mit derartigen Knöpfen in „tassel“500-artiger Manier mittels Schnüren geschlossen wurde? Auf der Figur wäre dieses Prinzip überhöht dargestellt mit vergrößerten Knöpfen. Abb. 154: Der Mann aus dem Eis „Ötzi“: Rekonstruktion der Kleidung. Der Mann aus dem Eis In Mitteleuropa ist mit der Kleidung des Mannes aus dem Eis, der in den Ötztaler Alpen in Südtirol501 in 3210 m Seehöhe gefunden wurde, das einzige vollständige Ensemble eines steinzeitlichen Gewandes erhalten. Ötzi war zum Todeszeitpunkt vollständig bekleidet und lag bäuchlings auf einem großen Steinblock. Als das Eis, das ihn über fünf Jahrtausende hindurch bedeckt hatte, schmolz, wurden Kopf und Rücken als erstes sichtbar und für Wind und Witterung angreifbar. So blieben die Kleidungsstücke nur im Brust- und Bauchbereich sowie an den Beinen besser erhalten. Bei der Bergung der Eisleiche im Jahre 1991 trug diese noch Teile 499 Seidel 1995, Abb. S. 34. 500 Tasseln sind knopfartige Mantelschließen, die vorn an den Schultern angebracht waren und an denen die Mantelschnur befestigt war. Tasselmäntel waren im Mittelalter zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert modern. 501 Fleckinger 2003, 23–27. – Spindler 1993, zur Kleidung siehe vor allem 153–170. – Wininger 1995. 315 der Beinlinge und Schuhe an den Beinen. Die übrigen Kleidungsstücke wurden teils zerrissen und teils verstreut an der Fundstelle geborgen. Sie wurden im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz in mühevoller Kleinarbeit restauriert und gemeinsam mit den anderen Gegenständen und der Mumie selbst von einem internationalen Expertenteam untersucht. Die Bärenfellmütze konnte erst ein Jahr später bei der Nachgrabung an der Fundstelle entdeckt werden. Die Kleidung des Eismannes stellte sich wie folgt dar (Abb. 154): Die Beine steckten in Beinlingen aus Ziegenfell, deren Teilstücke mit Tiersehnen in feinen Stichen zusammengenäht waren. Es handelt sich bei den Beinlingen im Prinzip um zwei einzelne Hosenbeine, die mit einer Höhe von rund 65 cm bis zum Oberschenkel hinaufreichten und mit doppelten Riemen an einem Gürtel aus Kalbsleder gehalten wurden. Im Bereich des Fußrückens waren an die Beinröhren Laschen aus Hirschfell angenäht, die das Hochrutschen beim Gehen verhinderten, da sie durch die Schuhe festgehalten wurden. Zu dieser Beinbekleidung trug der Mann aus dem Eis einen Lendenschurz aus Ziegenleder. Dieser wurde beim Ankleiden zwischen den Beinen und unter einem Gürtel durchgezogen und hing dann über den Gürtel frei bis zur Kniehöhe herunter. Eine derartige Bekleidung des Unterkörpers mittels Beinlingen und Lendenschurz ist auch dem heutigen Menschen noch von den nordamerikanischen Indianern wohl bekannt. Ötzis Lendenschurz wurde aus länglichen schmalen Ziegenlederstreifen in Überwendlingstichtechnik mit Tiersehnen zusammengenäht, er ist ca. 33 cm breit und war ursprünglich um die 1 m lang. Der ursprünglich 2 m lange und 4 bis 4,8 cm breite Gürtel, der sowohl Beinlinge als auch Lendenschurz hielt, wurde zweimal um den Körper geschlungen getragen. Interessanterweise ist auf einem Gürtelstück ein Täschchen aufgenäht, in dem der Eismann verschiedene Werkzeuge, eine Ahle, einen Klingenkratzer, andere Feuersteinstücke und einen Zunderschwamm sicher und trocken aufbewahren konnte. Allein diese Finesse unterstreicht die geniale und in ihren Details gut durchdachte Konstruktion von Ötzis Kleidung. 316 Die Schuhe verdienen besondere Aufmerksamkeit, da ihnen ein ausgeklügelter dreilagiger Aufbau mit Außen-, Innenschuh und Polsterung zugrunde liegt (Abb. 155). Die ovale Sohle wurde aus Braunbärenfell (mit der Haarseite nach innen) gefertigt, das Oberteil besteht aus Rothirschfell. Innen, direkt am Fuß, liegt ein Netzgelecht aus Lindenbastschnüren auf, das mit zwei breiten Lederriemen an der Sohle befestigt ist. Da das Oberleder durch dieselben Schlitze, aber versetzt, an der Sohle befestigt ist, entsteht ein ca. 1,5 cm breiter Zwischenraum zwischen dem Netz und dem Oberleder. In diesem Zwischenraum wurde eine Heuschicht eingefügt, die als Wärmedämmung und Polsterung diente. Sowohl das Innennetz als auch das Oberleder sind mit Lederriemen an der Sohle befestigt. Der Schaft um das Fußgelenk wurde mit Bastschnüren umwickelt, um es nach oben hin abzuschließen und das Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern. Besonders eindrucksvoll kann die Konstruktion der Schuhe durch die Rekonstruktionen von Anne Reichert nachvollzogen werden, die dann auch praktisch erprobt wurden.502 Tatsächlich zeigte sich, dass die Schuhe sehr funktional, bequem und warm sind, bei Regenwetter dringt jedoch Wasser ein. Der Lederriemen, der quer über die Sohle verläuft, verhindert als eine Art „Proil“ das Ausrutschen auf steinigem Gelände. 502 Abb. 155: Rekonstruktionen der Schuhe des Mannes aus dem Eis von Anne Reichert. Links Innenkonstruktion mit Netzgelechten. Reichert 2000, 69–76. 317 Abb. 156: Der Mann aus dem Eis: Oberteil aus Ziegenfell, ca. 3.300 v. Chr. Den Oberkörper des Eismannes bedeckte schließlich ein jackenoder kaftanartiges Oberteil aus Ziegenfell (Abb. 156), das mit der behaarten Seite nach außen getragen wurde. Bei der Herstellung des Kleidungsstückes wurden in gefälliger Weise helle und dunkle Fellstreifen zusammengesetzt. Es ist jetzt stark fragmentiert, vor allem von der Rücken- und Schulterpartie ist nicht viel erhalten, sodass nicht klar ist, wie die Ärmel beschaffen waren. Da an dem Kleidungsstück eine Verschlussvorrichtung fehlt, wurde es wohl vorne offen getragen, eventuell wurde es mit einem Gürtel zusammengehalten. Als Kopfbedeckung diente eine halbkugelige Mütze aus Bärenfell, mit der Fellseite nach außen. Auch sie war aus mehreren Fellstücken zusammengenäht worden, zwei Lederbänder dienten als Kinnriemen. Neben der Fellkleidung sind auch Kleidungsbestandteile aus planzlichen Materialien vorhanden. Es wurden Teile eines zwirnbindigen Gelechts aus alpinem Gras entdeckt, die als Fragmente eines Grasumhanges (Abb. 157), einer Liegematte oder eines wie ein Zelt über dem Kopf getragenen Regenschutzes gedeutet wurden (Abb. 158). 318 Abb. 157: Grasumhang des Mannes aus dem Eis in der Ausstellung im Südtiroler Archäologiemuseum Bozen. Die Beinkleider zeigen starke Gebrauchs- und Abnutzungsspuren. Auch das Felloberteil wurde lange Zeit verwendet, wie die starken Verschmutzungen an der Innenseite und Schweißabsonderungen deutlich machen. Die Kleidungsstücke waren ursprünglich mit Tiersehnen in sehr feiner Stichführung zusammengenäht worden, sie zeigen jedoch mehrfache Reparaturstellen, bei denen für notdürftige Flickungen auch Grashalme und Bastschnüre verwendet wurden. Alles in allem stellt die Kleidung des Mannes aus dem Eis ein sehr funktionales Ensemble dar, das belegt, wie gut man sich in dieser Zeit bereits für den Aufenthalt im Hochgebirge ausgerüstet hatte. 319 Ein weiterer Fund aus dem alpinen Gebiet bestätigt diese Art der jungsteinzeitlichen Kleidung. Erst 2003 wurden unter einem schmelzenden Eisfeld in den Berner Alpen beim Schnidejoch503 in einer Höhe von 2756 m weitere Teile von Beinbekleidungen entdeckt. Es handelt sich um Beinlinge von ähnlichem Typ wie jene des Eismannes, die aus mit Lindenbast feinsäuberlich zusammengenähten Lederteilen bestehen. Außerdem wurden Reste von Bundschuhen entdeckt. Pfahlbaufunde Unser Wissen zu den Kleidungsstücken der späten Jungsteinzeit wird durch die Feuchtbodenerhaltung bei den Pfahlbauten Norditaliens, Süddeutschlands und der Schweiz mit den Funden aus planzlichen Materialien wesentlich erweitert504. Generell kamen aus den jungsteinzeitlichen Seeufersiedlungen verschiedenste textile Handwerkserzeugnisse zum Vorschein: wulstförmig aufgebaute und gelochtene Körbe, Siebe, Reusen in Zwirnbindung, verschiedene geknüpfte Netze und vor allem mattenartige Gelechte von grober bis feiner Spielart. Diese Funde zeigen deutlich, wie sehr textile Produkte aus planzlichen Materialien in allen Bereichen des täglichen Lebens präsent waren. Unter den zuordenbaren Kleidungsstükken505 sind aus dem Spätneolithikum Mitteleuropas Schuhe aus planzlichem Material bekannt (Abb. 159). Aus der Siedlung Allensbach am Bodensee in Deutschland stammen Gelechte aus 320 503 Suter et al. 2006, 499–522. 504 Für die Schweiz beispielsweise Rast-Eicher 1997. 505 Feldtkellner & Schlichtherle 1987. v. A. Hüte Abb. 2–3; Schuhe Abb. 5–8. Lindenbast, die Überreste verschiedener Sandalen darstellen. Auch in Sipplingen am Bodensee sowie am Zürichsee und Neuenburgersee, Schweiz, wurden Fragmente von Bastsandalen gefunden. Von besonderem Interesse für die Kleidungsforschung sind jene kegelförmigen Gelechte mit wasserabweisendem Flor aus Eichen- und Lindenbast, die in Hornstaad und Wangen am Bodensee gefunden wurden und zwischen 4.000 und 3.200 v. Chr. datieren. Sie haben – wenn sie auch zumeist unvollständig sind – das Aussehen von kegelförmigen Hüten (Abb. 160). Auch aus späteren Perioden sind immer wieder Hüte dieser Form bekannt. Beispiele sind der aus Zweigen gelochtene Hut aus der bronzezeitlichen Pfahlbausiedlung von Fiavé in Oberitalien506 sowie der spitzkegelige Hut aus Birkenrinde des „Keltenfürsten von Hochdorf“507. Einige weitere großlächigere Gelechte der Schweizer Pfahlbauten mit derartigem Florbesatz könnten auch durchaus zu Umhängen (in Funktion als Regenschutz etc..) gehört haben. Insgesamt sind die aus Planzenfasern in Zwirnbindungstechniken hergestellten „Stoffe“ teils sehr fein, sodass sie 506 Bazzanella et al. 2003, 146–147. 507 Biel 1985, S 44 f. Links: Abb. 158: Zeichnerische Rekonstruktion der Kleidung des Mannes aus dem Eis von Katja Reichert mit der als Regenschutz getragenen Grasmatte. Abb. 159: Verschiedene Schuhe der Jungsteinzeit. Rekonstruktionen von Anne Reichert. 321 Abb. 160: Jungsteinzeitliche Hüte von Seekirch und Wangen. Model: Moriz Mautendorfer. Rekonstruktionen von Anne Reichert. ebenfalls neben den gewobenen Stoffen zur Kleidungsherstellung gedient haben könnten. Spätneolithische Steinstelen Die jungsteinzeitliche darstellende Kunst hat auch Monumentaleres zu bieten als kleine Figürchen und Ritzungen auf Tongefäßen. Aus der Kupferzeit sind steinerne Großplastiken508 bekannt, die Menschen abbilden (vgl. Abb. 152). Besonders interessant ist die Steinstele von Arco IV, Südtirol, aus der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. Sie zeigt eindeutig eine Frau mit kunstvoll um Kopf, Schultern und Oberkörper drapiertem Schleier (Abb. 152­15). Dieser Schleier ist am Saum mit rundlichen Dekorelementen ausgestattet und wird mit einem breiten Stirnband gehalten, das im Bereich der Ohren zusätzlich mit Spiralen geschmückt ist. Kupferne Spiralen sind bereits ab dem Beginn der Kupferzeit im archäologischen Fundgut 508 322 zur Großplastik siehe Müller-Karpe 1974, Taf. 602–603. – Pedrotti 1995. – Wininger 1995, 124 ff. bekannt, etwa aus Stollhof in Österreich, datierend in die erste Hälfte des 4. Jahrtausends v. Chr.509. Weitere Figuren aus Südtirol, von den Fundorten Arco und Latsch, zeigen eine Bedeckung des Rückens, die aus langrechteckigen Streifen zusammengesetzt ist – das könnte analog zur Kleidung des Mannes aus dem Eis als zusammengesetztes Felloberteil oder Fellmantel gesehen werden. Interessanterweise sind manchmal in der Hüftregion sowohl Gürtel als auch eine Bekleidung der Beine sichtbar, die mit breiten Streifen gegliedert ist. Zu den bekanntesten, plastisch in Stein gehauenen Darstellungen von Menschen zählen jene Steinstelen aus Südfrankreich (Abb. 152­16-18), die ebenfalls in die erste Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. etwas nach der Zeit „Ötzis“ zu stellen sind. Identiizierbar durch die Darstellung von Brüsten und „männlichen“ Attributen wie Pfeilbögen und Streitäxten können hierbei Männer und Frauen unterschieden werden. Diese Stelen stellen wahrscheinlich hochrangige Persönlichkeiten oder auch Ahnen dar. Interpretierbare Kleidungsbestandteile bei den männlichen Figuren sind vor allem der Gürtel mit auffälliger Schließe und ein über der rechten Schulter liegender Riemen, der ein Wehrgehänge bildet. Die Darstellung des Unterleibes ist nur sehr schematisch, wobei die Beine und Zehen durch senkrechte Striche angedeutet sind. Neben den Beinen sowie an der Rückseite der Stelen inden sich unterhalb des Gürtels Andeutungen des Beinkleides. Die Gürtel sind teilweise mit einem ischgrätartigen Muster verziert, was auf einen textilen Ursprung hindeuten könnte. Bei den Frauen fällt ein breiter Halsschmuck auf sowie ein gestreift dargestellter Umhang (Abb. 152­16). Dies sollte wohl eher einen schweren Faltenwurf andeuten als die Tatsache, dass die Kleidungsstücke aus Streifen zusammengesetzt sind. Wiederum inden sich Abbildungen von Gürteln und auch jackenartigen Oberteilen. Striche neben den Beinen deuten hier eine wie auch immer geartete Bekleidung des Unterleibes an. Andere Steinstelen sind in Bezug auf Kleidung noch schwieriger zu interpretieren (Abb. 152­20-23). Es sind dies in SionPetit Chasseur im Wallis, Schweiz, ausgegrabene Dolmengräber mit Stelen aus der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr., die ab509 Urban 2000, 102 f. 323 strakte Menschenabbildungen zeigen. Bei den Stelen von Sion fehlt eine direkte Andeutung des Geschlechts, wie etwa weibliche Brüste. Die Geschlechtszuweisung erfolgt über die erkennbaren Gegenstände und Attribute. So werden jene Exemplare, die mit Dolchen, Streitäxten oder Pfeilbögen versehen sind, als Männergestalten interpretiert. Die menschengestaltigen Stelen mit Halsketten, Endschlaufengürteln und Gürteltaschen werden als weibliche Darstellungen angesehen. Die abstrakte Gestaltung der Stelen lässt kaum Aussagen zum Kleidungsschnitt zu. Erkennbar sind vor allem Gürtel. Die Figuren zeigen jedoch lächig reiche ornamentale Muster an den Stellen, die offenbar von Kleidung bedeckt sein sollen (vor allem Bekleidung des Oberkörpers). Diese Muster entsprechen wiederum zum Teil den Zierschemata der zeitgleichen Keramik der Glockenbecherkultur. Es wurde versucht, die Darstellungen auf den Stelen auch mit Mustern auf Textilien in Verbindung zu bringen510. Dafür wurden vor allem die gemusterten Gewebe der Frühbronzezeit Norditaliens herangezogen, besonders jenes 2 m lange Leinenband aus Molina di Ledro, das an den Enden eingewebte Rhombenverzierung aufweist. Über die Kleidungsverschlüsse der Jungsteinzeit wissen wir nicht allzu viel. Es inden sich ab der Bandkeramik bis in die Glockenbecherkultur immer wieder verschiedene Gürtelverschlüsse, im Spätneolithikum kommen auch hin und wieder verschiedengestaltige Knöpfe aus Ton oder Bein vor. Der Schweizer Textilforscherin Antoinette Rast-Eicher gelang es sogar, an einem Gewebefragment aus der Schweiz ein Knoploch511 oder ein Loch für eine Gürtelschlaufe nachzuweisen. Schlussfolgerung zur jungsteinzeitlichen Kleidung Aus welchem Material bestand nun die jungsteinzeitliche Kleidung? Gewebte Stoffe (Details siehe Kapitel „Handwerkstechniken“) kennen wir bereits aus der Bandkeramik, jedoch nur als Abdrücke von leinwandbindigen Textilien. Obwohl die großlächigeren erhaltenen Gewebe aus dem Neolithikum (etwa 324 510 Rast-Eicher 2005, 125 f., Abb. 19. 511 Rast-Eicher 2005, Abb. 17. aus den spätneolithischen Pfahlbausiedlungen der Schweiz) meist höchstens ca. 15 cm breite Bänder sind512, kann man doch aufgrund von Webgewichtslagen davon ausgehen, dass auch größere Stoffbreiten erreicht wurden. Diese würden sich zur Herstellung gewobener Kleidung eignen. Allgemein bleibt festzuhalten, dass im Neolithikum das Textilhandwerk großteils auf die Verarbeitung von Planzenfasern ausgerichtet war513. Erst im Laufe der Bronzezeit gewinnt in Mitteleuropa die Fertigung von Kleidung aus Wollstoffen die Oberhand. Aufgrund der verschiedenen textilen Nachweise des Neolithikums, vor allem auch durch die Funde von Spinnwirteln und Webgewichten in diesen frühbäuerlichen Kulturen, war man noch bis in die 1990er Jahre der Meinung, in dieser Zeit ein Vorherrschen gewobener Kleidung annehmen zu können. So hat dann der Fund des Mannes aus dem Eis „Ötzi“ im Jahre 1991 doch allgemein sehr überrascht! Hier ist nun ein vollständiges Gewandensemble einer Person aus der Jungsteinzeit – jedoch ohne ein einziges gewebtes Kleidungsstück. Die Eisleiche auf dem Similaungletscher trug lediglich gegerbte Felle, Leder sowie Gras- und Bastgelechte. Vielleicht liegt es daran, dass er mit Hochgebirgsausrüstung unterwegs war. Wie auch heute müssen wir für unterschiedliche klimatische Gegebenheiten sowie für die verschiedenen Jahreszeiten im jungsteinzeitlichen Europa ebenfalls verschiedene Kleidungsformen voraussetzen. Die offensichtlichen Unterschiede etwa zwischen dem Schuhwerk des Mannes aus dem Eis und den leichten Bastsandalen aus den Pfahlbauten lehren uns eben dieses. Man kann also ein Nebeneinander von Kleidungsstücken aus Leder, Fell und Planzenfasern verschiedener Art annehmen. Letztere wurden, durch zahlreiche Nachweise vor allem aus den Pfahlbausiedlungen im Raum um die Alpen belegt, in verschiedenen Techniken verarbeitet (Zwirnbindungen und Flechtereien teils in sehr feiner Ausführung). Die Weberei spielte also bei der Gestaltung von Kleidungsstücken noch nicht zwangsläuig die absolute Hauptrolle. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass in der Jungsteinzeit die wesentlichen technischen Grund- 512 Funde bei Wininger 1995, 181–182, Abb. 51. 513 Rast-Eicher 2005. 325 lagen für die Herstellung von gewebter Kleidung entwickelt wurden (siehe Kapitel „Handwerkstechniken“). Es sei darauf hingewiesen, dass gerade bei allen neolithischen Darstellungen – seien es Ritzungen auf Gefäßen, Tonstatuetten oder steinerne Großplastik – neben einem starken Symbolismus ein sehr hoher Grad der Abstraktion berücksichtigt werden muss, der meist nicht 1:1 in Kleidung umgesetzt werden kann514. Bronzezeit Ab der Bronzezeit bietet sich durch die immer häuigere Verwendung von Metall – vor allem Bronze – ein weites Feld, auch die Kleidung mit diesem auszustatten. Es ist jene Zeit zwischen 2.300­2.200 und 800 v. Chr., in der sich durch die Bronze ein immer differenzierteres Gesellschaftssystem ausbildet. Neue Handwerkstechniken entwickeln sich, auch im Textilhandwerk ist es eine Zeit vieler Innovationen (vgl. Kapitel „Handwerkstechniken und „Das textile Handwerk in der Urgeschichte“). In der Bronzezeit inden wir Hinweise zur Kleidung in verschiedenen Regionen Europas, wobei natürlich beachtet werden muss, dass diese aus unterschiedlichsten Kulturkreisen stammen. Die Quellengattungen – vollständige Gewänder aus den Gräbern des Nordischen Raumes in Skandinavien und Norddeutschland, Trachtbestandteile in den Gräbern Mitteleuropas und Figuren aus dem Balkan-Karpaten-Raum stellen außerdem verschiedenartige Interpretationsmöglichkeiten dar. Gewänder der Nordischen Bronzezeit Gerade für den Nordischen Kreis sind anhand der vollständigen Gewänder aus den Baumsarggräbern Dänemarks und Nord- 514 326 Als Negativ-Beispiel sind die Kleidungsrekonstruktionen bei Milicevic genannt, die jedes Detail an den Figuren naturalistisch interpretieren: M. Milicevic 1984: Reconstruction of the Aeneolithic Women´s Wear between the Danube, the Drava and the Sava. Opuscula Arch. 9, Zagreb 1984, 1–22. deutschlands konkrete Unterschiede in der Kleidung von Frauen, Männern und Kindern auszumachen515. Die Bestattungsart und die Beigaben weisen darauf hin, dass wir es hier mit bedeutenden Mitgliedern der Gesellschaft zu tun haben. Die Baumsärge stammen – belegt durch die Datierung mittels der Baumringe der Eichen – aus dem Zeitraum zwischen 1.468 und 1.266 v. Chr.516. Die meisten liegen zwischen 1.340 und 1.390 v. Chr., sodass ein sehr eng begrenzter Zeitrahmen streilichtartig beleuchtet wird. Allgemein sind die bronzezeitlichen Gewänder aus gröberen Wollstoffen in Leinwandbindung gearbeitet. Obwohl die einzelnen Kleidungsstücke auch durch die Lagerung im Boden relativ eintönig braun erscheinen, sind dekorative Textilelemente wie Schnurstickerei oder das Einarbeiten von Metallelementen zur optischen Aufwertung der Textilien verwendet worden. Die Kleidungsstücke zeigten teilweise starke Verwendungsspuren, sodass davon ausgegangen wird, dass sie auch zu Lebzeiten getragen wurden – ob als Alltags- oder Festtracht ist nicht zu entscheiden. Frauenkleidung aus den Baumsärgen Die Frauengräber enthalten meist ein Ensemble bestehend aus einer Bluse und einem knöchellangen Rock. Dieser hat eine rechteckige Grundform und wird im Hüftbereich mit einem gewebten Gürtel zusammengerafft und gehalten. Dabei wird der obere Teil des Rockes teilweise umgeschlagen und verdeckt so den Gürtel. Der Rock ist lange und schleift über den Boden. Manche der fein gewebten Gürtel aus nordeuropäischen Grabfunden sind an den Enden mit Zierquasten ausgestattet. Lederschuhe oder Sandalen vervollständigen die Kleidung. Für die RockBluse-Kombination ist anscheinend das Tragen langer, aufwän- 515 Grundlegend zu den Gewändern der Nordischen Bronzezeit siehe Bergerbrand 2007. – Broholm & Hald 1940. – Ehlers 1998. – Hald 1980. – La Baume 1955. – Schlabow 1937. Alle Gewänder der Moor- und Baumsargfunde aus Dänemark werden derzeit (2005-2015) neu analysiert (Projektleitung: Ulla Mannering und Margarita Gleba, Centre for Textile Research, University Copenhagen). 516 Randsborg & Christensen 2006, Tab. S. 115–117. 327 dig frisierter Haare typisch, die von einem Haarnetz in Sprangtechnik517 bedeckt wurden. Ein spezielles Augenmerk verdient die bronzezeitliche Frauenbluse (Abb. 161). Sie wurde besonders funktional und efizient aus einem rechteckigen Stoffstück angefertigt, wobei wenige Schnitte durch das Gewebe und zwei Nähte an der Rückseite und unter den Armen ausreichend waren. Teilweise sind an der Hüfte als Verlängerung weitere Stoffstreifen angefügt. Der Halsausschnitt und auch die Schulterpartie sind bei den Blusen teilweise durch Ziernähte und Stickerei gestaltet, wie bei der Bluse von Skrydstrup in Dänemark. Abb. 161: Schnittschema der bronzezeitlichen Frauenbluse. Die Analysen von H. C. Broholm und Margarethe Hald haben ergeben, dass sich der Schnitt, die Maße und auch die Nähtechnik dieses Blusentyps aus der Leder- und Fellverarbeitungstechnik herleiten lassen. Ein besonders interessantes Ensemble ist durch das sogenannte „Mädchengrab“ von Egtved in Dänemark bekannt geworden (Abb. 162). Im Grab einer 16- bis 18-jährigen Frau, die 1.370 v. Chr. bestattet worden war, fanden sich eine Frauenbluse, ein Schnurröckchen sowie ein gewebter Gürtel mit Quasten und eine große spiralverzierte Bronzeplatte. An den Füßen trug die junge Frau Wollschuhe. Der Schnurrock ist ein Kleidungsstück, 517 328 Sprang ist eine textile Handarbeitstechnik zur Herstellung netzartig gewirkter Gelechte (Kettenstoffverfahren mit aktiver Kette) aus parallel gespannten Fäden. Diese Gelechte sind dehnbar und können z. B. als Haarnetz, Beutel oder Gürtel verwendet werden. Vgl. SeilerBaldinger 1991, 60–65. das in Herstellungsart und Aussehen für heutige Betrachter höchst extravagant wirkt. Es wurde dabei ein fester Bund mittels Ripsbindung hergestellt, von dem aus an einer Seite in dichter Folge Schnüre von 38 cm Länge herabhängen, die am unteren Ende mit weiteren Schnüren zusammengehalten wurden. Dieser Rock hat eine Weite, die es zulässt, ihn zweimal um die Taille zu wickeln, sodass doch ein relativ dichtes Kleidungsstück entsteht, das bis zu den Knien reichte. Aus weiteren 30 Gräbern in Dänemark und Schleswig-Holstein wurden Überreste derartiger Schnurröcke gefunden. Bei einigen, darunter bei der Bestattung von Ølby in Dänemark, waren die Schnüre auch durch Bronzeblechhülsen geschmückt worden. Zeitgenössische bildliche Darstellungen dieses Kleidungsstückes inden sich in Itzehoe (Beringstedt), Grevensvænge und Fårdal518, wobei es sich im ersteren Fall um einen igürlichen Messergriff handelt, bei den anderen um Bronzeigurinen. Besonders die Schnurröckchen haben stark zu Interpretationen über Funktion, Herkunft und Symbolismus angeregt519. Elizabeth Barber greift sogar bis in die Altsteinzeit zurück, um nach der Tradition dieser Kleidungsstücke etwa bei Venusiguren wie jener von Gagarino in Russland zu suchen. Inga Hägg sieht in einigen Bastgelechten aus den neolithischen Seeufersiedlungen die Vorläufer der Schnurröckchen. Zu nennen sind auch die Darstellungen von Zierschurzen auf Statuetten der neolithischen Lengyel- und Vinča-Kultur (z. B. Abb. 147/8). Abb. 162: Mädchengrab von Egtved um 1.370 v. Chr. Bluse und Schnurröckchen. In den Frauengräbern der Nordischen Bronzezeit in Dänemark inden sich keine Nadeln an den Schultern. Die Verwendung einer geschneiderten Bluse, die gut am Körper hält, macht eine zusätzliche Befestigung auch unnötig. Mäntel scheinen in Frauengräbern nach den Baumsargfunden der frühen Nordischen 518 Siehe Broholm & Hald 1940, Abb. 192–193. 519 Siehe dazu: Barber 1991, 256 f., Abb. 11/5. – Hägg 2006, 111. 329 Abb. 163: Bronzezeitliche Männerkleidung aus Nordeuropa. Bronzezeit nicht üblich zu sein. Erst in späterer Zeit indet sich manchmal eine Fibel, die belegt, dass zur Tracht ein Mantel wie bei den Männergräbern hinzugefügt wurde. Ansonsten vervollständigten diverse Accessoires wie große Gürtelscheiben sowie am Gürtel getragene Kämme das Erscheinungsbild der Frauen. Weiters liebten es die Bronzezeitfrauen, sich mit Halsringen, Arm- und Fingerringen zu schmücken. Männerkleidung aus den Baumsärgen Bei der Männerkleidung des Nordischen Kreises (Abb. 163) sind zwei verschiedene Kleidungsformen bekannt, wobei stets ein Mantel­Umhang und eine Kappe getragen wurde. Als Kleidungslage unter dem Mantel diente entweder ein Lendenschurz um die Hüfte, wie aus Borum Eshøj bekannt oder der Männerkittel. Ein besonderes Kleidungsstück der Nordischen Bronzezeit ist der wie ein Mini-Wickelkleid getragene Männerkittel, gefunden als vollständige Kleidungsstücke in Trindhøj und Muldbjerg, Dänemark. Das Gewand wurde unter den Armen um den Oberkörper gewickelt und mit einer schräg über eine Schulter und den Rücken geführten Riemenkonstruktion an den beiden oberen Stoffecken am Körper gehalten und gegürtet. Durch die geringe Länge des Kittels bedeckt dieses Kleidungsstück nur Oberkörper, Hüfte und Oberschenkel bis etwas oberhalb des 330 Knies. Das Gewand wurde als annähernd rechteckige textile Fläche gestaltet, die aus mehreren Gewebestücken zusammengesetzt war. Experimentalarchäologische Nacharbeiten dieses Kleidungsstückes machten ersichtlich, dass durch die Anordnung der verschiedenen Gewebestücke und deren körpergerechter Dehnbarkeit ein hoher Tragekomfort erreicht wurde. Über dem Kittel verwendete man einen ovalen Mantel, der selbsttragend über die Schultern gelegt wurde. Bei einem Mantelfund aus Trindhøj hatten die bronzezeitlichen Hersteller dicken verilzten Wollstoff verwendet, in den zusätzlich ca. 10.000 Wolllocken (Krimmerbesatz) eingearbeitet wurden, wodurch dieser ein pelzartiges Aussehen erhielt. Fußbekleidung in Form von Fußlappen und Bundschuhen sowie diverse Kappenformen runden das Ensemble ab. Beispielsweise ist die Mütze mit Krimmerbesatz vom Harrislee-Typ zu nennen. Diese Mütze hat eine halbkugelige Form und besteht aus drei Lagen verilzten und vernähten Gewebes, an dessen Außenseite als Besatz Hunderte von Fäden eingeknotet wurden. Es fand sich auch eine annähernd zylindrische, aus stark verilzten Stoffen zusammengenähte Mütze. In Männergräbern sind teilweise Nadeln vorhanden, immer jeweils eine, die wahrscheinlich den Mantel/Umhang ixiert. Die Gürtung wird durch Gürtelhaken angezeigt, die beim Becken gefunden werden. Weitere Elemente in Männergräbern der Nordischen Bronzezeit sind Toilettgeräte, die der Körper- und Haarplege (Rasiermesser und Pinzetten) dienen und die den Wert des geplegten Äußeren unterstreichen. Das Erscheinungsbild der Männer wird durch die Waffenausstattung in unterschiedlicher Zusammensetzung vervollständigt, dazu gehören Schwerter, Dolche, Beile oder auch Lanzen. Als Standes- oder Rangabzeichen dürfen die seltener in Männergräbern vorkommenden Schmuckstücke zu verstehen sein, wie einzeln getragene Armringe oder ein bis zwei im Haar getragene Golddrahtspiralen. 331 Rechts: Abb. 164: Statuetten der Mittelbronzezeit aus Ungarn, ehem. Jugoslawien und Rumänien. Quellen zur bronzezeitlichen Bekleidung in Mitteleuropa In Mitteleuropa müssen wir komplette Gewänder aus der Zeit zwischen 2.300 und 800 v. Chr. vollständig entbehren. Die vorhandenen Gewebefragmente vor allem aus den norditalienischen Pfahlbausiedlungen oder dem bronzezeitlichen Salzbergbau von Hallstatt geben uns ein ungefähres Bild von den Stoffqualitäten in dieser Region (siehe Kapitel „Handwerkstechniken“). Bei diesen gibt es hauptsächlich einfache grobe oder auch feinere Leinwandbindung in Flachs oder Wolle, selten sind verzierte Exemplare. Bildliche Darstellungen von Menschen sind aus dieser Zeit fast nicht vorhanden. Lediglich in Südosteuropa, in Ungarn, in Jugoslawien und Rumänien inden sich aus der Mittelbronzezeit kleine Tonstatuetten (Abb. 164)520. Diese ähneln in ihrer Ausdruckskraft, dem überbordenden Dekor und der Abstraktionsebene den Figuren, die bereits in der Jungsteinzeit vom Karpaten- und Balkanraum bekannt sind. Vor allem die rumänischen Statuetten sind daher nur bedingt als realitätsnah einzustufen und haben wahrscheinlich einen kultischen bzw. rituellen Bezug. Im Gräberfeld von Cîrna in Rumänien inden sich die Figuren in Urnen – wenn Bestimmungen des Leichenbrandes vorliegen – oft in Kindergräbern. Da die Statuetten mit ausgeprägten Hüften aber eher Erwachsene darstellen, sind sicher nicht die verstorbenen Personen abgebildet. Es scheint sich bei diesen Bildern aber auch nicht um Spielzeug, sondern eher um Idole­ Götterbilder (?) zu handeln521. Generelle Beobachtungen zu der dargestellten Bekleidung können jedoch gemacht werden – unabhängig davon, ob die Stücke als kultisch oder profan zu interpretieren sind. Die allgemeine Silhouette dieser weiblichen Figürchen der Mittelbronzezeit legt ein im Oberkörperbereich enges „Kleid“ nahe, bzw. zumindest einen langen „Rock“. Auffallend sind sowohl bei den ungarischen, jugoslawischen wie auch rumänischen Statuetten die Muster im Brustbereich, die sich unschwer als zeittypische 332 520 Kovács 1977, S. 58–59. – Müller-Karpe 1980, Taf. 326, 327. 521 Müller-Karpe 1980, 689 ff. 333 Schmuckelemente identiizieren lassen (Abb. 169). Die herzförmigen Anhänger inden sich auch in den Gräberfeldern dieser Region. Wie steht es nun mit dem üppigen Dekor vor allem auf dem „Rock“ der rumänischen Statuetten aus Cîrna? Es spiegeln sich hier wohl wiederum zeittypische Motivsysteme wider, die auch auf Keramik- und Bronzeobjekten derselben Region vorkommen522. Wie vor allem die Textilfunde aus den norditalienischen Pfahlbauten am Lago di Ledro oder das „Prachtgewebe“ von Irgenhausen (mittels Radiokarbonmethode datiert um 1.685-1.493 v. Chr.) belegen, sind mehr oder minder üppig dekorierte Stoffe, gefärbte Gewebe oder solche in Köperbindung durchaus möglich523, wenn auch der Großteil der bronzezeitlichen Textilien in einfacher Leinwandbindung gestaltet ist. Eine reichhaltige Quellenlage zur bronzezeitlichen Tracht in Mitteleuropa bieten die früh- bis mittelbronzezeitlichen Nekropolen, bei denen etliche metallene Kleidungsbestandteile in die Gräber gelangten. Da es sich bei diesen – im Gegensatz zur darauf folgenden Urnenfelderkultur – um Körperbestattungen handelt, kann die exakte Lage im Grab Hinweise auf die bei der Grablegung verwendete Kleidung geben. Wie eingangs erwähnt, ist es nicht klar, ob diese eine Alltags-, Fest- oder Totentracht, Sommer- oder Winterbekleidung darstellt. Zudem ist zu beachten, dass jeweils reichere und ärmere Ausstattungen vorkommen – zu dieser Zeit ist bereits eine gewisse Aufgliederung der Gesellschaft zu bemerken. Dass dieser Status nicht nur durch eigene Verdienste erworben, sondern auch bereits vererbt wurde, ist daran zu erkennen, dass auch manche Kinderbestattungen einen gewissen Reichtum aufweisen. Es kann in diesem Rahmen aus Platzmangel nicht auf die Feinchronologie, Feintypologie und räumliche Gliederung der einzelnen Schmuck- und Trachtbestandteilstypen eingegangen werden. Diese sind in vielen wissenschaftlichen Abhandlungen hinlänglich aufgearbeitet und zweifellos gibt es zahlreiche re- 334 522 Müller-Karpe 1980, Taf. 317–320, 324–325. Schmuck, Metallobjekte und Keramik mit Dekor vergleichbar den Statuetten. 523 Bazzanella et al. 2003. – Vogt 1937. gionale Besonderheiten. Können dennoch bestimmte Grundschemata in der mitteleuropäischen Bronzezeit erkannt werden, etwa sich regelhaft wiederholende Schmuckzonen am Körper sowie Kombinationen einzelner Trachtelemente? Sind diese dann auch mit bestimmten Gewandformen verbunden? Frühbronzezeit In der Frühbronzezeit Mitteleuropas zwischen 2.200 und 1.600 v. Chr.524 fällt bei den Frauen vor allem der durch metallene Trachtbestandteile betonte Kopf- und Hals-Brust-Bereich auf. Reicher Trachtschmuck im Hüftbereich ist in Bayern bekannt, wobei Tutuli, Hütchen, Spiralen oder Röllchen aus Bronze verwendet wurden, um einen Gürtel oder auch das Gewand zu schmücken. Die Trachtbestandteile bei den Männergräbern der Bronzezeit sind zurückhaltender. Als Beispiel aus dem Donauraum sei das große frühbronzezeitliche Gräberfeld von Franzhausen I in Niederösterreich525 genannt, dessen 714 Körpergräber gute Rückschlüsse auf die Bevölkerung, die sozialen Abstufungen und natürlich auf die verwendeten Kleidungsbestandteile und den Schmuck zulassen. Sowohl Männer als auch Frauen trugen Halsreife, Schmucknadeln, Armreife und Fingerringe. Während jedoch die Männer jeweils nur eine Nadel an der Brust haben, sind Frauen mit je zwei Schmucknadeln und Armreifen ausgestattet. Kinder erhielten dieselben Schmuckstücke wie die Erwachsenen, nur in kleinerer Ausführung526. Den Männern blieben Waffen wie Bronze- und Steinbeile vorbehalten, Knaben der Oberschicht hatten auch Dolche. Es ist eine gesellschaftlich sehr interessante Aussage, dass selbst Kinder mit den repräsentativen Artefakten der Erwachsenen ausgestattet wurden. Dadurch wird kenntlich, dass Reichtum und Status nicht nur persönlich erworben wurde, sondern dass sich dieser auch auf die Familie auswirkte 524 vgl. Neugebauer 1994. – Seidel 1995. 525 vgl. Neugebauer 1994, 80–89, Abb. 36–41. – Neugebauer & Neugebauer 1997. 526 Kinder wurden in historischen Zeiten üblicherweise dazu angehalten, möglichst schnell Funktionen in der Erwachsenenwelt zu übernehmen. – Grömer 2010. 335 Abb. 165: Franzhausen, Niederösterreich: Grabfund (Grab 747) mit Bronzebestandteilen und Rekonstruktion im Museum Nußdorf ob der Traisen in Niederösterreich. und vererbt wurde. Diese Kinder waren also für höhere Aufgaben innerhalb der Gemeinschaft vorgesehen. Besonders auffallend ist der Kopfschmuck der Frauen in Form von Stirnbändern oder Lederkappen, von denen noch die verzierten Bronzeblechstreifen erhalten sind. Dekorierte Bleche säumten teilweise auch die Halsausschnitte des (Ober-)Kleides. In einigen Fällen waren offensichtlich auf das Gewand viele kleine Schneckenhäuser aufgenäht. Noppenringe wurden für die aufwändigen Frisuren der Frauen und Mädchen verwendet. Als Schmuck waren weiters verschiedene Ketten mit Bronze-, Bein- und Bernsteinperlen beliebt. Die metallene Ausstattung der Frauen von gehobenem Status kann gut anhand zweier Gräber aus Franzhausen dokumentiert werden. Die Frau aus Grab 747 (Abb. 165) trug eine Lederkappe, die mit Spiralanhängern besetzt war. Wie bei anderen 336 Abb. 166: Franzhausen, NÖ: Frühbronzezeitliches Grab 110 mit prunkvollem Kopfschmuck. 337 Frauenbestattungen wurden die Haare mit Noppenringen zusammengehalten. Das Gewand war am Halsausschnitt mit verzierten Blechen geschmückt, weiters trug sie einen Ösenhalsreif um den Hals sowie massive Arm- und Fingerspiralen. An den Schultern fanden sich zwei große Scheibenkopfnadeln, die wohl einen Umhang festhielten. Abb. 167: Mittelbronzezeitliches Schmuckensemble aus einem Grab von Winklarn in Niederösterreich. Ähnliche Schmuck- und Trachtbestandteilausstattung hatte auch die reiche Frau aus Grab 110, wobei diese aber durch einen noch prunkvolleren Kopfschmuck glänzte (Abb. 166). Es handelt sich um eine bronzene Hut- oder Kapuzenzierde mit Buckeldekor. Sie bestand aus abgewinkelten Blechstreifen, die mit U-förmig gebogenen Bronzeteilen zusammengehalten wurden. In diesem repräsentativen Bronzekopfschmuck fanden sich Reste eines mit Streifen verzierten Leinenstoffes (Abb. 84), der wohl zur Kapuze oder zu einer anderen daran befestigten textilen Kopfbedeckung gehörte. Mittelbronzezeit Der Archäologe Bert Wiegel527 hat sich in einer eingehenden Analyse mit dem Schmuck und dem metallenen Kleidungszubehör in der mittelbronzezeitlichen Hügelgräberkultur Mitteleuropas zwischen Ungarn, Böhmen, Österreich und Süd527 338 Wiegel 1994, bes. 165–218. deutschland beschäftigt. So haben die Frauen als überregionales Ausstattungsmuster regelhaft zwei große Nadeln im Schulter­ Brustbereich. Sehr selten ist in Frauengräbern nur eine Nadel anzutreffen. Es ist die Frage, ob sich darin eine andere Art von Kleidung (anderer Schnitt, andere Kleidungssilhouette) widerspiegelt oder ob ein gleichartiges Gewand einfach nur anders zusammengesteckt wurde. In einigen reichen mittelbronzezeitlichen Frauengräbern fallen massive Beinbergen auf. Dabei handelt es sich um einen mehrfach gewundenen oder plattig gearbeiteten, sehr breiten Beinschmuck, der den halben Unterschenkel bedeckte. Andererseits sind auch in den Gräbern Armringe an Unter- aber auch Oberarmen nachgewiesen. Die manchmal im Beckenbereich aufgefundenen kleinen und größeren gelochten Bronzebesatzstücke (Tutuli), sind nur bei weiblichen Bestattungen anzutreffen. Da sich teilweise Lederreste auf deren Rückseite inden, könnten sie als Gürtelbesatz interpretiert werden. Bei den Frauen fällt auch regelmäßig reicher Hals- und Brustschmuck auf (Radanhänger oder Stachelscheiben Abb. 167, Herzanhänger Abb. 169), wie bei einem Grab aus Winklarn in Niederösterreich. Außerdem konnte bei den mittelbronzezeitlichen Frauenbestattungen anhand der Metallbestandteile vereinzelt ein besonderer Kopfputz festgestellt werden. Teils inden sich einzelne kleine Stoffreste, die auf einen Schleier hindeuten, der dann mit kleineren Nadeln festgesteckt wurde, teils wird auch eine Haube oder Kappe angenommen. Repräsentativen Kopfputz indet man in einer der größten mittelbronzezeitlichen Nekropolen Mitteleuropas, in Pitten, Niederösterreich528. Die an Bronze reichsten Gräber sind Frauenbestattungen, von denen man wohl eine herausragende Stellung innerhalb der Gesellschaft annehmen kann. An der Spitze stehen dabei zwei Gräber von 30- bis 35-jährigen Frauen, die jeweils ein prächtiges Diadem mit Nackenschutz tragen. Die Ornamentik auf diesem hochstehenden Kopfschmuck mit Bo528 Urban 2000, 180–184, mit Abbildungen. 339 gen- und Spiralzier ist eine Reminiszenz altmykenischer Kunst, die das Kunsthandwerk Europas in der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. prägte. Bei den mittelbronzezeitlichen Männergräbern529 besteht das Kleidungszubehör üblicherweise nur aus einem Gürtelhaken sowie einer einzelnen Nadel. Diese kann eine Länge bis zu 35 cm aufweisen und liegt über der Brust. Es ist also das Schema eines gegürteten Gewandes sowie eines mit einer größeren Nadel über der Brust geschlossenen Kleidungsstückes – nach der Wuchtigkeit der Nadel ist eher wieder auf einen Umhang­Mantel aus gröberem Stoff zu schließen. Spätbronzezeit/Urnenfelderzeit Bei der spätbronzezeitlichen Urnenfelderkultur setzte sich die Sitte durch, die Verstorbenen nicht mehr unversehrt in Erdgräbern beizusetzen. Die Verstorbenen werden nun vielmehr verbrannt und in Tonurnen bestattet. Welche veränderten Glaubensvorstellungen dahinter stehen, ist nicht ganz klar. Für die Kleiderforschung bringt die neue Sitte der Brandbestattung das Problem mit sich, dass nunmehr die Lage der Kleiderverschlüsse am Körper nicht mehr analysiert werden kann. Keine andere Periode der Urzeit erschwert kleidungsgeschichtliche Erkenntnisse derart wie gerade die Urnenfelderzeit. Die Lage der Schmuckstücke im Grab ermöglicht keinerlei Aussage zur ursprünglichen Trageweise. Entweder wurden die Leichen in ihrem Alltagsgewand oder, für uns besser nachvollziehbar, in einer speziellen Totentracht bestattet. Dann sind die Kleidungsbestandteile mitverbrannt und inden sich in mehr oder weniger verschmolzener Form im Leichenbrand. Es wurden aber auch unverbrannte Kleidungsteile bzw. Schmuckteile ins Grab mitgegeben. Entweder in die Urne selbst oder neben den Beigefäßen im Grabraum. Es wurde von Clemens Eibner530 für Süddeutschland und Österreich versucht, charakteristische Schmucksätze herauszuarbei- 340 529 Wiegel 1994, 179 f. 530 Eibner 1966, bes. Abb. 20–21. – Siehe auch Lochner in Neugebauer 1994, ab S. 195 ff. ten, aus denen sich bestimmte Kleidungssitten andeuten lassen. So inden sich nach wie vor Gürtel (Gürtelhaken) sowie paarige Nadeln bei Frauen in den Stufen BzD und HaA1, die wie in der Früh- und Mittelbronzezeit sowie der nachfolgenden Hallstattzeit wahrscheinlich an den Schultern getragen wurden. In der jüngeren Urnenfelderkultur sind auch Frauenbestattungen mit nur einer Nadel bekannt. Bei den Männern ist neben den verschiedenen Gürtelbestandteilen je nur eine Fibel vorhanden, die in Analogie zu den vorangegangenen und nachfolgenden Zeiten im Brustbereich den Halsausschnitt des Obergewandes oder einen Mantel verschlossen haben könnte. Kostümkundliche Deutung des bronzezeitlichen Quellenmaterials Allgemein sind für den bronzezeitlichen Fundbestand in Mitteleuropa sicher differenzierte Schmuck- und Trachtbestandteile zu beobachten, an denen die Archäologen regionale und auch zeitliche Unterschiede festmachen können. So wechseln die Formen, aber auch die Kombinationen bestimmter Trachtbestandteile und Schmuckelemente. In der Zeit zwischen 2.200 und 1.600 v. Chr. werden etwa im Donauraum Niederösterreichs anderer Schmuck und Kleidungsverschlüsse getragen als in Böhmen oder Ungarn. Ebenso ändert sich Form und Dekor der Schmuckstücke in jeder Region von der Früh- zur Spätbronzezeit. Doch es lassen sich die oben angegebenen Ausstattungsmuster herausarbeiten. Die Grundzüge sind: Kopf- und Brust(Schulter-)bereich dienten als Schmuckzone, dazu gab es eventuell verschiedene Gürtungen. Diese Merkmale gleichen einander in den verschiedenen Regionen Mitteleuropas. Kann man dann davon ausgehen, dass eben diese Metallelemente an Kleidung von ähnlichem Grundtypus getragen wurden? Bedeutet dies, dass die grundsätzliche Gestaltung der Gewandung in Design und Schnitt ähnlich war und nur die (metallenen) Accessoires jenen modischen Änderungen unterworfen waren, die es uns heute erlauben, spezielle Typen einer bestimmten Zeit oder Region zuzuordnen? Wie hat nun das Frauengewand ausgesehen, das durch diese regelhaften Grundausstattungen aus den bronzezeitlichen Grä341 Abb. 168: Beschädigungen an Geweben verschiedener in der Bronzezeit bereits nachgewiesenen Qualitäten durch einen dicken Nadelschaft, Rekonstruktion der Scheibenkopfibel nach einem frühbronzezeitlichen Fund aus Franzhausen in Niederösterreich. bern im Donauraum fassbar ist? Indirekt kann versucht werden, die Länge der Kleidung durch die Trachtbestandteile an den Armen und Beinen rück zu erschließen. Es ist etwa anzunehmen, dass der repräsentative mittelbronzezeitliche Beinschmuck nicht komplett von einem Rock überdeckt war – sollte er gesehen werden. Der Rock oder das Kleid war also vermutlich nicht bodenlang. Die Armringe an Unter- und Oberarmen deuten eventuell darauf hin, dass zumindest teilweise kurzärmelige Kleidung getragen wurde oder wurden diese Oberarmringe einfach über längere Ärmel geschoben? Eine Beobachtung von Bert Wiegel531 an den Grabfunden im Donauraum zeigt, dass die Schäfte der Nadeln teils verschieden gebogen waren, also von den Trägern an die individuellen Bedürfnisse angepasst wurden. Interessanterweise liegen die Nadeln in den Gräbern teilweise mit der Spitze nach oben, Richtung Kopf. Spiegelt dies die Verwendung auch zu Lebzeiten wider? Welches Gewand könnten diese früh- und mittelbronzezeitlichen Nadeln verschlossen haben? Die Schäfte dieser Nadeln sind teils sehr dick, durchschnittlich 5-7 mm. Ein feineres Gewebe würde wohl bei vielmaligem Gebrauch durch das Durch- 531 342 Wiegel 1994. bohren mit derart dicken Nadeln beeinträchtigt und frühzeitig zerschlissen worden sein (Abb. 168). So ist es durchaus denkbar, dass gröbere Stoffe, etwa von Umhängen­Mänteln, damit festgesteckt wurden. Ist das Aussehen der Gewänder in jenen langen gegürteten Kleidern (teilweise mit „Schürzchen“) zu suchen, die von den wenigen kultischen Statuetten im Balkanraum angedeutet werden? Die Schmuckstücke, wie die verschiedenen um den Hals getragenen Anhänger würden zu den Darstellungen passen (Abb. 169) – ebenso die teils in der Beckenregion gefundenen Besatzstücke, die zu einem Schürzchen gehören könnten. Es würden bei den Darstellungen auf den Figürchen aber wichtige Teile fehlen – jene großen Nadeln, mit denen ein Umhang (?) festgesteckt wurde. Diese an den Schultern getragenen Trachtbestandteile sind in den Gräbern ein wichtiges und immer wiederkehrendes Element, das an keinem Figürchen zu beobachten ist. Abb. 169: Tönernes Idol aus Babska in Ungarn, im Vergleich dazu herzförmige Anhänger aus der Mittelbronzezeit aus Asparn an der Zaya, Niederösterreich. Nach den bisherigen Überlegungen passen also die bronzezeitlichen Darstellungen und die Funde in den Gräbern nicht so recht zusammen. Findet sich etwa in den Gräbern eine Totenoder Festtracht, während auf der anderen Seite mit den Figürchen eine andere Kleidungsform, etwa aus kultisch-rituellem Zusammenhang dargestellt ist? Könnte die für die Früh- und Mittelbronzezeit bei der Frauentracht typische Kleidung etwa jene aus dem nordischen Bereich bekannte Bluse-Rock-Mantel-Kombination sein? In der früheren Forschung wurden etwa frühbronzezeitliche Trachtensembles wie jenes aus Franzhausen in Österreich oft mit den aus den Baumsärgen der Nordischen Bronzezeit bekannten 343 Gewandformen kombiniert532 (vgl. Abb. 165). Die zwei Nadeln wurden dabei so interpretiert, dass mit ihnen der Mantel an der Bluse festgesteckt wurde. Dazu sei bemerkt, dass der Mantel im Nordischen Raum nicht mit paarigen Nadeln an den Schultern ixiert wird, zudem wird er nach den Grabensembles mit vollständigen Gewändern meist nicht von Frauen getragen. Oder haben wir bei der in Mitteleuropa spätestens ab 2.000 v. Chr. fassbaren Sitte, ein Kleidungsstück mittels zweier Nadeln an den Schultern zu schließen, eine neue Art von Kostüm vor uns – ein um den Körper drapiertes Gewand, vergleichbar dem sogenannten Peplos (siehe unter Eisenzeit)? Wichtige Funde für die so schwierige Interpretation der Kleidungsformen sind aus Schwarza in Südthüringen bekannt533. Dort haben sich in den mittelbronzezeitlichen Hügelgräbern nicht nur der Metallschmuck, sondern auch Textilreste der Kleidung erhalten. Wiederum sind hier in den Frauengräbern Nadelpaare an den Schultern aufgefunden worden. In diesem Fall wurde durch die Analyse bestätigt, dass die paarigen Nadeln einen groben Stoff zusammenhielten, ob nun von einem PeplosUmhang oder einem Mantel ist unklar. Darunter wurde jedoch offenbar ein Untergewand getragen (eine Frauenbluse wie jene, die aus der Nordischen Bronzezeit bekannt sind?). Somit hätten wir durch die Bluse eine Verbindung zwischen den „Nordischen“ Kleidungselementen und den Funden aus dem Donauraum mit den groben Geweben, die durch paarige Nadeln an der Schulter geschlossen wurden (ob das nun ein mantelartiger Umhang war oder ein über einer Bluse getragener Peplos, sei dahingestellt). Wie ist es nun mit den Männern? Das in den mitteleuropäischen Gräbern feststellbare Ensemble von Gürtung, dazu teils eine Nadel an der Brust, passt weitaus besser zu dem Bild, das uns auch die Männertracht der Nordischen Bronzezeit gibt. 344 532 Siehe etwa die Rekonstruktion bei Neugebauer 1994, Abb. 41. 533 Feustel 1958. Einige der Gewebereste, wie sie in den bronzezeitlichen Bereichen des Salzbergwerkes Hallstatt534 in Oberösterreich gefunden wurden, ähneln in ihrer Gestaltung jenen aus den Nordischen Baumsärgen – selbst in den bogigen Säumen der Männerkittel und den Umnähungen mit Knoplochstich. Möglicherweise waren die Gewandformen der Nordischen Männertracht auch in Mitteleuropa üblich. Kopfbedeckungen und Schuhe Betrachtet man nun die bronzezeitliche Kleidung in Mitteleuropa von Kopf bis Fuß, so sind davon nur spärliche Informationen überliefert. Aus dem Salzbergwerk Hallstatt besitzen wir den unschätzbaren Fund einer bronzezeitlichen Kopfbedeckung535. Im Grünerwerk der bronzezeitlichen „Nordgruppe“ wurde eine kegelförmige Mütze entdeckt (Abb. 170), die aus mehreren Teilen mit sorgfältigen Stichen zusammengenäht wurde. Den oberen Abschluss bildet eine quastenartige Verzierung aus Lederstreifen. Die Mütze wurde mit der Haarseite nach innen getragen. Dieses Stück ist ein Teil der Kleidung der bronzezeitlichen Bergleute. Eine ebenfalls kegelförmige Kopfbedeckung, jedoch aus Zweigen gelochten, kennen wir aus der bronzezeitlichen Pfahlbausiedlung Fiavè in Oberitalien536. Dieses Stück hat auch eine schmale Krempe, die nun eine Haube typologisch zum Hut werden lässt. Abb. 170: Kegelförmige Haube aus dem Salzbergwerk Hallstatt, Bronzezeit. Aus Unterhautzenthal in Niederösterreich537 ist ein als Schuh gefertigtes spätbronzezeitliches Gefäß bekannt, das uns Einblick 534 Bronzezeit in Hallstatt allgemein: Kern, Kowarik, Rausch & Reschreiter 2008. – Zu den Textilien siehe Beitrag Grömer & Mautendorfer S. 106–111. – Grömer 2007. Die Gewebe aus den bronzezeitlichen Teilen des Salzbergwerkes Hallstatt werden teils als Überreste von Kleidung interpretiert, teils auch als wollene Fördersäcke. 535 Barth & Lobisser 2002, 15. – Kern, Kowarik, Rausch & Reschreiter 2008, 102. 536 Bazzanella et al. 2003, 146–147. 537 Lauermann 1991, Abb. 2. 345 in die Fußbekleidung geben kann. Es hat die Gestalt eines bis über die Knöchel reichenden Stiefels (Abb. 171). Im Bereich der Zehen und des Ristes ist durch Striche die Faltung des Leders bzw. die Schnürung angedeutet, wie sie eigentlich für die aus einem Stück Leder hergestellten Bundschuhe charakteristisch ist. Abb. 171: Unterhautzenthal, Niederösterreich: spätbronzezeitliches Stiefelgefäß. Ein Fund eines Lederschuhes ist viel weiter im Norden, aus einem Moor in Holland zu vermelden. Der Bundschuh stammt aus Buinerveen538 und wird aufgrund von Radiokarbondatierungen in die Zeit um 1.500 bis 1.300 v. Chr. gestellt. Er ist als ovales Lederstück zugeschnitten, ein nahe der Schnittkante geführter Lederriemen raffte das Leder über dem Fußrist rundherum zusammen. Es ist dies der Typus eines Schuhs, die ohne Unterscheidung am rechten oder linken Fuß getragen werden konnten. Der Schuh war nach Experimenten von Anne Reichert mit einem breiten Riemen umwickelt, wobei dieser auch quer über die Sohle geführt wurde und so den Schuh von unten her am Fuß festhielt. Eisenzeit Die Eisenzeit zwischen 800-15 v. Chr. steht an der Schwelle und parallel zur schriftlichen Geschichte der Römer. Diese Epoche ist charakterisiert durch das Eisen als damals modernsten und fortschrittlichsten Werkstoff, dazu ein sehr komplexes und differenziertes Sozialsystem mit teils stark spezialisiertem Handwerk. Das Textilhandwerk in der Eisenzeit Mitteleuropas zeichnet sich durch eine Vielfalt an Techniken, Mustern und Formen aus. Die Innovationen der Bronzezeit werden in der Hallstattzeit (Ältere Eisenzeit, 800-400 v. Chr.) zu einer ersten Blüte geführt, bevor sich ab der Latènezeit (Jüngere Eisenzeit, 400-15 v. Chr.) im nord- und nordostalpinen Raum einfachere, in Masse zu pro538 346 Groenman-van Waateringe 1974. duzierende Gewebetypen durchsetzen – ein Vorbote der römischen seriellen Produktion (siehe Kapitel „Das textile Handwerk in der Urgeschichte“). Die Quellen zur Kleidung ließen nun in den verschiedenen Teilen Europas reichlicher als in den vorangegangenen Epochen. Wiederum ist der Vorbehalt zu betonen, dass es sich hierbei um unterschiedliche kulturelle Gruppen handelt und dass die unterschiedlichen Quellengattungen verschiedene Interpretationen zulassen. Im Gegensatz zur Bronzezeit mehren sich nun zeitgenössische bildliche Darstellungen vor allem auf dem Gebiet der östlichen Hallstattkultur. Der direkte Zugang zu den Menschen selbst ist wiederum durch die Gräber gegeben, nach den Brandbestattungen der Urnenfelderkultur setzt sich nun in der Hallstattzeit wieder die Sitte der Körperbestattung neben den Brandgräbern mehr und mehr durch. Erst am Ende der Eisenzeit geben uns die Berichte antiker Autoren Hinweise zur Kleidung etwa der Kelten. Es gibt nur wenige singuläre Funde von vollständigen Kleidungsstücken in Mitteleuropa. Es zeigt vor allem der Blick Richtung Norden in die Moore Norddeutschlands und Dänemarks konkrete Beispiele eisenzeitlicher Gewänder auf. Vollständige eisenzeitliche Gewänder aus Nordeuropa Die kompletten Kleidungsstücke und Ensembles der vorrömischen und römischen Eisenzeit aus Nordeuropa stellen einen besonderen Schatz der europäischen Urgeschichtsforschung dar. Durch die umfangreichen Veröffentlichungen von Margarethe Hald und Karl Schlabow im 20. Jahrhundert bekannt gemacht539, bieten sie nun einen greifbaren Einblick in die Gewänder der vormals als „primitiv“ gedachten vorrömischen Völker und jener am Rand des Imperium Romanum. Ihre Qualität, ihr Formenreichtum, aber auch ihre Musterungen über- 539 Die folgenden Fundbeschreibungen sind vor allem der nachfolgenden Literatur entnommen: Dänische Funde: Hald 1980. – Funde aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen: Schlabow 1976. – Allgemeines bei van der Sanden 1996. 347 raschten. Die Fundumstände – meist wurden die Stücke beim Torfstechen im Moor entdeckt – brachten eine meist etwas unsichere Datierung mit sich, sie wurden in den ersten Publikationen allgemein als „eisenzeitlich“ bezeichnet. Einige der Stücke, die zuerst in die vorrömische Eisenzeit gestellt wurden, mussten nun in das Frühmittelalter korrigiert werden540, etwa der Kittel von Bermuthsfeld. Dass auch derart bekannte Funde immer noch Überraschungen bieten, beweisen die Forscherinnen am Centre for Textile Research in Kopenhagen, die derzeit die dänischen Moorfunde neu analysieren und bewerten541. Es wurden auch Radiocarbondatierungen542 und Farbstoffanalysen an den Stücken vorgenommen, sodass wir nun ein klareres Bild über das Alter und ursprüngliche Aussehen der Kleidungsstücke haben. Viele der bekannten Funde wie jene aus Huldremose, Borremose, Elling oder Tollund konnten von den Forschern in ihrer Datierung zwischen dem 4. und 1. Jahrhundert v. Chr. bestätigt werden. Auch die Funde von Thorsberg sind derzeit Gegenstand eines Forschungsprojektes543. Beim Opferplatz von Thorsberg wurden neben dem singulären Fund einer langen engen Hose mit angesetzten Füßlingen auch fünf Prachtmäntel, ein Kittel und zwei Paar Wadenwickel entdeckt. Kittel und Mäntel Häuig sind hemdartige Kittel544, ärmellose oder mit angesetzten langen Ärmeln. Die Konstruktion der Kittel wie jener aus Oberaltendorf in Deutschland ist meist sehr einfach: Rechtekkige Tuchstücke wurden zusammengefügt, an den Schultern und an den Seiten vernäht. Der Kittel wurde mit einem Gürtel um die Taille gehalten. Einen sehr gut erhaltenen Kittel kennen wir aus dem Thorsberger Moor (Abb. 172). Er wurde aus einer 348 540 Neue Datierungen von Moorfunden in van der Sanden 1996, 76–77. 541 Mannering & Gleba (in Druck). 542 Mannering, Possnert, Heinemeier & Gleba 2010, 261–268. 543 Möller-Wiering (in Druck). – Möller-Wiering & Subbert (in Druck). 544 vgl. Schlabow 1976. 58 cm breiten Stoffbahn aus feinem Wollstoff in Rautenköper mit festen Seitenkanten gefertigt, wobei zwei größere Stücke mit 95 cm Länge für Vorder- und Hinterteil benutzt wurden. Der Kittel wurde an den Schultern zusammengenäht, mit leicht gerundetem, sorgfältig versäubertem Halsausschnitt versehen und es wurden 58 cm lange Ärmel eingesetzt. Interessanterweise ist dieser Kittel an den Seiten von der Achsel abwärts nicht zusammengenäht, sondern konnte durch eingesetzte Schnüre (Abstände ca. 5 cm) nach Belieben verschlossen werden. Abb. 172: Kittel und Hose aus dem Thorsberger Moor. Als Mäntel dienten in der vorrömischen und römischen Eisenzeit quadratische bis rechteckige Tücher mit sorgfältigen Randabschlüssen, wie dies auch durch Bildquellen von besiegten Germanen auf römischen Siegessäulen zu sehen ist545. Der Mantel wurde nach diesen Abbildungen über die Schultern gelegt und an der rechten Schulter mit einer Fibel verschlossen. Die Randabschlüsse der Mäntel sind teils sehr prunkvoll als bis zu 18 cm breite Brettchengewebe gearbeitet. Dies ist etwa durch die prominentesten Vertreter, die „Prachtmäntel“ von Thorsberg und vom Vehnemoor aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. belegt. Wie uns sowohl die Originalfunde als auch die römischen 545 Siehe etwa bei Schlabow 1976, 48 f. 349 Bildquellen lehren, waren die Überwürfe auch mit Fransen geschmückt. Die Mäntel haben teils eine überraschende Größe mit bis zu 3 m Länge und ca. 1,80 m Breite. Einer der beiden vollständigen Mäntel, die um die Moorleichen von Hunteburg (datiert um 300 n. Chr.) geschlagen waren, hatten diese Größe. Bei einer derartigen Länge wurde der Mantel umgeschlagen, also doppelt genommen. So bot er noch besseren Schutz gegen Regen, Wind und Schnee, er konnte für viele verschiedene Zwecke, beispielsweise auch zusätzlich als Schlafdecke verwendet werden. Der Mantel aus Dätgen ist kleiner mit Ausmaßen von 1,62x1,46 m. Beinbekleidung Für die vorrömische und römische Eisenzeit in Nordeuropa sind unterschiedliche Hosenformen nachgewiesen. So inden sich lange enge Hosen in Damendorf. Kurze weite Hosen gibt es aus Marx-Etzel und Dätgen. Die Hose aus Marx-Etzel wurde aus einem Stück Diamantköper gefertigt, das eingeschnitten und vernäht wurde (Abb. 112). Sie ist die Hose mit dem einfachsten Schnitt. Die anderen Hosen sind aus mehreren verschiedenen zugeschnittenen Einzelteilen gefertigt. Die Form hat mit dem heutzutage in der westlichen Mode üblichen Zuschnitt einer Männerhose wenig gemein. Jedes Bein wird von einem Stoffstück umschlungen, die Naht liegt an der Beininnenseite. Für die nötige Weite am Gesäß sorgt ein (eingesetztes) viereckiges Teil. Bei der Konstruktion eisenzeitlicher Hosen wurden auch teils eingesetzte Keile verwendet oder angesetzte Bündchen. Die bekannte Hose von Thorsberg (Abb. 172) ist sogar mit Gürtelschlaufen versehen. Es handelt sich bei diesem singulären Kleidungsstück um eine lange enge Hose mit angesetzten Füßlingen. Kittel, Hosen und Mäntel werden der Männerkleidung zugeschrieben, selbst wenn nicht alle bei männlichen Moorleichen gefunden werden. So sind die Funde aus Thorsberg etwa als Opfergabe im Moor niedergelegte Kleidungsstücke. Weiters gibt es Wickelbinden, die um die Waden geschlungen wurden, um vor Kälte und Nässe zu schützen. Bei der Moorleiche von Damendorf aus den Jahrhunderten nach der Zeitenwende wurden zwei 1,05 m lange und 10 cm breite wollene Bän350 der in Gleichgratköper gefunden. Der Tote war zum Aufindungszeitpunkt entkleidet und nur mit einem Mantel bedeckt. Die anderen Kleidungsstücke, die Hose, die Wickelgamaschen und die Schuhe lagen verschnürt zu seinen Füßen. Wir wissen also nicht, wie die Wickelbinden genau getragen wurden. Anders bei den Wickelgamaschen aus Søgårds Mose in Dänemark aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Hier wurden die Beine einer Moorleiche entdeckt, wobei die Schienbeine in Wickelbinden aus Gleichgratköper (36x27-31 cm) gehüllt waren, welche mit jeweils zwei Wollschnüren festgebunden waren. Als Fußbekleidung dienten in der Eisenzeit in Nordeuropa verschiedene Bundschuhe aus Rindsleder546, die ebenfalls in den Mooren nachgewiesen sind. Rock, Schlauchkleid „Peplos“ und verschiedene Umhänge Als Mädchenkleidung kann der Fund aus dem Ruchmoor bei Damendorf in Deutschland angesprochen werden, er wurde bei der Moorleiche eines 14-jährigen Mädchens entdeckt: es handelt sich um einen Wollrock mit nur 30 cm Länge. Er ist bei einem Umfang von 1,65 m schlauchförmig 546 Abb. 173: Moorfunde aus Huldremose (II): Schlauchkleid, sogenannter Peplos, um 220 v. Chr. vgl. Groenman van Waateringe 1974. – van der Sanden 1996. 351 gearbeitet und war an der Taille so stark gerafft, sodass er ab der Hüfte extrem abstand und so der Trägerin eine kecke Silhouette verlieh. Zu diesem Rock fand sich bei der Leiche auch ein Pelzumhang aus Rehfellen. Diese Kleidungsstücke aus dem Ruchmoor datieren nach dem Moorfundspezialisten Wijnand van der Sanden in das 9. Jahrhundert v. Chr547. Abb. 174: Moorfunde aus Huldremose (I): Rock und Fellumhang, 5. Jahrhundert v. Chr. 547 352 Van der Sanden 1996, 167. Frauenkleidung ist vor allem aus den dänischen Mooren gut bekannt. Dazu gehören Schals und capeartige Fellumhänge, die mit der Fellseite nach innen getragen wurden. Besonders interessant sind schlauchförmige Gewandstücke, die je nach Länge als knöchellanger Rock oder Kleid „Peplos“ angesprochen werden. Diese Kleidungsstücke bestehen entweder aus einem viereckigen Tuch, das an zwei gegenüberliegenden Seiten zusammengenäht war oder das Werkstück wurde auf einem Rundwebstuhl schlauchförmig gewoben. Das berühmteste Beispiel für ein derartiges schlauchförmiges Gewand ist der sogenannte „Peplos von Huldremose“ (Abb. 173), der in einem dänischen Moor entdeckt wurde – leider nicht in korrekter Fundlage an einem Frauenkörper. Die Trageweise dieses Kleidungsstückes und seine Drapierung wurde von der Erstbearbeiterin Margarethe Hald in Analogie zu den griechischen Peplos-Gewändern folgendermaßen interpretiert: Das schlauchförmige Kleidungsstück wurde umgeschlagen, an den Schultern geibelt und gegürtet. Wir wissen jedoch vom Befund her nicht, wie das Stück getragen wurde. Es sind also andere Trageweisen ebenso denkbar. Aus Huldremose gibt es nicht nur dieses berühmte Kleid (Huldremose II) um 220 v. Chr.548, sondern auch ein zweihundert Jahre älteres komplettes Gewandensemble (Huldremose I), bestehend aus einem an der Taille gezogenen karierten Wollrock von 81 cm Länge, einem Schal und einem Fellcape (Abb. 174). Diverse Haarnetze als Teile weiblicher Kleidung sind aus den dänischen Mooren ebenso bekannt. Quellen zur hallstattzeitlichen Bekleidung in Mitteleuropa Nun wenden wir uns nach diesem Ausblick auf den nordeuropäischen Raum mit den Gewändern aus den Jahrhunderten um die Zeitenwende retour nach Mitteleuropa am Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. Vollständige Gewänder Wie sieht es in der mitteleuropäischen Eisenzeit mit Funden vollständiger Gewänder aus? Im Jahre 1734 wurde bei der Begehung eines Laugwerkes im Hallstätter Salzberg eine bekleidete prähistorische Salzleiche entdeckt. Ein Chronist schreibt dazu: „...einen nadierlichen Cörber von ainem Toten menschen gesehen, welcher muedtmaslich und deme ansechen nach, vor mehr als 400 Jahren mueß verschidtet sein worden, massen Selbiger in das Gebirg föllig verwachssen, doch sicht man noch von seinem rockh etlich löckh, wie auch die S.V. Schuech an denen füeßen...“549 Dieser „Mann im Salz“, ein wahrscheinlich aus der 548 Freundlicher Hinweis Ulla Mannering, Centre for Textile Research Copenhagen. Mannering, Possnert, Heinemeier und Gleba 2010. 549 Aus den Werkerfaszikel des Salzbergbaus Hallstatt. Wochenbericht 1734, 13. Woche, 1. Viertel – Oberösterreichisches Landesarchiv, Hofschreiberamt Hallstatt Hs 106. Zitiert nach Barth 1989, 9. 353 Älteren Eisenzeit stammender Bergmann, wurde nach seiner Bergung am Friedhof in Hallstatt bestattet – welch Verlust für die Forschung! Ebenso sind die in den Jahren 1577 und 1616 in den Salinen am Dürrnberg entdeckten prähistorischen Salzmumien nicht mehr erhalten. Aus Österreich können wir daher für die Eisenzeit nicht (mehr) mit vollständig erhaltenen Gewandensembles in funktionaler Lage am Körper eines Menschen aufwarten. Abb. 175: Rieserfernergletscher in Südtirol, Italien: Eisenzeitliche Beinlinge „Unterleggings“. 354 Wenige Einzelstücke von Kleidungsteilen sind jedoch auch für Mitteleuropa belegt. Aus den beiden Salzbergwerken stammen Teile der Arbeitskleidung, verschiedene Hauben und Schuhe550 (siehe Seite 367 ff. und Seite 384 ff.). Vom bereits erwähnten Rieserfernergletscher551 kennen wir zwei Paar Beinlinge („Leggings“) aus Ziegenwolle, dazu ein Paar genähter Wollsocken und Schuhreste aus Leder. Das Ensemble datiert in den Zeitraum vom 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. Es wurde am Rand eines Schneefeldes hoch in den Südtiroler Alpen gefunden, wo sie vor über 2500 Jahren von einem eisenzeitlichen Menschen zurückgelassen wurden. Diese so wichtigen Stücke zur mitteleuropäischen Kostümgeschichte sind wie die Funde zum jungsteinzeitlichen Mann aus dem Eis im Südtiroler Archäologiemuseum Bozen ausgestellt. 550 vgl. Barth 1992. – Stöllner 2002, Katalog. 551 Bazzanella et al. 2005 mit zahlreichen Detailbildern. Die Beinlinge (Abb. 175) haben eine gemeinsame Grundkonstruktion, wenn auch kleine Details abweichen. Sie bestehen jeweils aus Röhren in Wollstoff mit einer Naht an der Seite. Am unteren Ende ist eine Lasche eingearbeitet, die über den Fußrist zieht und selbst beim Tragen von Bundschuhen diesen Teil des Fußes vor Kälte schützt. Die Kanten des unteren Teiles mit der schützenden und wärmenden Lasche sind jeweils verstärkt, bei den Unterleggings wurden die Kanten mit einem Köperband eingesäumt. Im Bereich über der Ferse ist jeweils eine Kordel erhalten, die zur sicheren Befestigung des Beinlinges am Fuß diente. Die „Oberleggings“ bestehen aus dichtem, dickem Wollstoff in Fischgrätköper, sie sind 55 cm hoch und haben eine Breite von 16 cm. Auf der Höhe des Knies hat der linke Legging einen sorgfältig aufgenähten Flicken aus dünnem Wolltuch. Die „Unterleggings“ sind 62 cm hoch und ebenfalls 16 cm breit bei leicht konischer Form. Sie sind in Leinwandbindung gestaltet. Der rechte Unterlegging hat eine einfache Seitennaht, während beim linken ein 1,5 cm breites Band in Diagonallechterei eingearbeitet ist. Dieses besteht aus zwei aneinandergenähten Teilen unterschiedlicher Farbe, der untere Teil in Grau, der obere in Braun. Durch die schrägelastische Konstruktion dieses Bandes wird der sehr engen Beinröhre aus Leinwandbindung eine gewisse Elastizität verliehen. So ist eine gute Passform genauso gewährleistet wie ein problemloses Durchschlüpfen. Abb. 176: Rieserfernergletscher in Südtirol, Italien: Aus Wollstoff genähte Socken, ca. 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. Die Socken (Abb. 176) wurden aus Köperstoff in beigebrauner bis beigegrauer Wolle hergestellt, der Stoff ist an der Innen- und Außenseite verilzt. Das Gewebe ist etwas feiner als bei den „Oberleggings“. Es ist an einer sehr gut erhaltenen Socke zu erkennen, dass sie inklusive Sohle aus zehn verschiedenen Teilen zusammengesetzt war. Die Sohle ist durch zusätzliche, an der Innenseite angenähte Stoffstücke verstärkt, an der Außenseite sind im Zehen- und Fersenbereich ebenfalls Flicken aus dunkel355 braunem Wollköperstoff angebracht. An der Einschlupföffnung kann die Socke mit einer seitlichen Lasche, an die ein Band angenäht ist, verschlossen werden, indem Lasche und Band um das Knöchelgelenk gewickelt werden. Aus der voretruskischen Villanovakultur (1.000 bis 700 v. Chr.) gibt es aus Verucchio, Italien, ebenfalls etliche eisenzeitliche Mäntel und Umhänge, die verschiedene Formen aufweisen552. Einer davon, die sogenannte tebenna, wird durch seine halbrunde Gestalt als Urform der römischen Toga angesehen. Gestaltung hallstattzeitlicher Stoffe In der Hallstattzeit sind wir in Mitteleuropa über das Aussehen der Stoffe (vgl. Kapitel „Handwerkstechniken“), die ja die materielle Grundlage der Kleidung bilden, allgemein sehr gut informiert. Wir kennen zahlreiche Textilien aus Gräbern. Eine besondere Rolle spielt dabei das Fürstengrab von Hochdorf, Deutschland553, aus der späten Hallstattzeit. Durch die Analyse von Johanna Banck-Burgess wurde festgestellt, dass eigens für die Grablege des frühkeltischen Fürsten verschiedene Prachttücher als Beigabe hergestellt wurden. Diese sind vor allem in Rot und Blau gehalten, wobei man auch importierte Farbstoffe wie das Rot der Schildlaus (Kermes vermilio) verwendete. Es wurde von den indigen Textilkünstlern nicht nur Schafwolle oder Flachs verarbeitet, sondern auch Dachshaar und Hanfbast. Die Stoffe aus dem Fürstengrab zeichnen sich durch hohe Qualität aus, wurden mit verschiedenen Karomustern, Bindungen wie Diamantköper und Brettchenwebereien dekorativ gestaltet. Die prachtvollen Muster wie Swastika oder Mäander lassen auch eine Verbindung zu den südalpinen Hochkulturen erkennen, wenngleich die Herstellung wahrscheinlich lokal erfolgte. Nicht zuletzt sind die salzkonservierten Textilfunde von Hallstatt, Österreich, zu nennen, die nach Benützung in verschiedenen Funktionen (vgl. Seite 267 ff.) im Berg zurückgelassen 356 552 Annemarie Stauffer in von Eles 2002,196 ff. Mantel 1 Abb. 64–65, Mantel 2 Abb. 72–73, Umhang Abb. 77–78. 553 Banck-Burgess 1999. wurden554. Es inden sich neben leinwand- und panamabindigen bevorzugt köperbindige Textilien, die gefärbt und verziert wurden. Streifen- und Karomuster sind zwar charakteristisch für diese Zeit, es sind jedoch bei weitem nicht alle Stoffe damit versehen. Weitaus häuiger sind Spinnrichtungsmuster, die eine sehr exquisite Art des Ton-in-Ton Dekors bilden. Auch bunte Brettchenwebbänder und Ripsborten sind charakteristisch für diese Zeit. Es ist zu betonen, dass durch Färbung auch gerne kräftige dunkle, blaue bis schwarzblaue Farbtöne erreicht wurden. Der im polierten Zustand hell glänzende Bronzeschmuck muss dazu einen schönen Farbkontrast abgegeben haben. Interessant ist auch, dass es gerade in Hallstatt viele Hinweise auf Schneiderei gibt (siehe Kapitel „Handwerkstechniken“). So wurden aus Stoffbahnen Teile zugeschnitten und dann zusammengenäht. Auf die sorgfältige Säumung der Schnittkanten wurde dabei besonderer Wert gelegt, nicht zuletzt auch aus praktischen Gründen, um die Lebensdauer der Kleidungsstücke zu erhöhen. Grabfunde Wie auch für die mitteleuropäische Bronzezeit bieten uns die Gräber eine wichtige Quelle, wenn es darum geht, zumindest die Kleidungsstücke, die der Bestattete bei seinem letzten Weg getragen hat, zu interpretieren. Dazu werden nur die Trachtelemente und Schmuckstücke in „Trachtlage“ herangezogen. In der Hallstattzeit sind sowohl Brand- als auch Körperbestattungen bekannt. Oft sind, wie im Gräberfeld Hallstatt, die reicher ausgestatteten Gräber (v. A. jene mit Bronzeblechgefäßen) Brandbestattungen555. Besonders eindrucksvoll ist der Befund aus dem Fürstengrabhügel X von Mitterkirchen im oberösterreichischen Machland556, eine der frühesten Prunkwagenbestattungen aus dem östlichen Randbereich des frühhallstättischen Westkreises. In diesem mächtigen Grabhügel aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. (Stufe HaC) befanden sich zwei Grabkammern und eine Bestattung 554 Grömer 2005a und 2007. – Hundt 1987. – von Kurzynski 1996. 555 vgl. Kern, Kowarik, Rausch, Reschreiter 2008. – Kromer 1959. 556 Pertlwieser 1987, 55–70. 357 Abb. 177: Mitterkirchen: Skizze des Grabbefundes Grab X, Kammer 2 und Rekonstruktion des Mantels. 358 in einer Grube. Kammer 1 enthielt neben dem üblichen Speiseund Trinkservice einen reich geschmückten Wagen, auf dem der Körper einer Frau gebettet war. Diese Bestattungsart mit einem Wagen war in der Hallstattzeit nur der Elite vorbehalten. In Kammer 2 wurde die Doppelbestattung einer 30-jährigen Frau und eines 18-jährigen Mannes entdeckt. Hier stellte sich den ausgrabenden Archäologen eine eindrucksvolle Fundsituation dar (Abb. 177): beim Frauenskelett, nach der Ausstattung sicher die dominante Person in diesem Grab, lagen im Oberkörper- und Beinbereich tausende Bronzeknöpfchen. Diese waren zwischen Knien und Fußspitzen von einer doppelreihig geführten Zick-Zack-Borte aus winzigen Bronzeringlein gesäumt. Es fanden sich im Bereich dieses Metallbesatzes Lederreste, an den Randzonen des Knöpfchenbesatzes oxydgetränkte Tierhaare, die darauf schließen lassen, dass es sich hier um einen repräsentativen Ledermantel gehandelt hat, Teile waren eventuell aus Fell gearbeitet. Daneben trug diese reiche Frau eine Spiralkopfnadel, fünf Paar Schaukelringe über dem Fußgelenk, Bernsteinketten und mehrreihige Blechknöpfchen und Bernsteinperlen, die wohl einst zu einem prachtvollen Haubenbesatz gehörten. Verlässt man die Ebene der reichsten Bestattungen, so sieht man sich einer großen Zahl von durchaus ansehnlich mit Schmuck ausgestatteten Gräbern gegenüber. Obwohl es gerade in der Hallstattzeit zahlreiche Varianten von Schmuckelementen und Trachtbestandteilen in den Gräbern gibt, soll doch versucht werden, allgemeine Muster zu erfassen: Bei den Männern sind es vor allem eine längere Nadel im Brust-Schulterbereich sowie ein Gürtelelement (Gürtelhaken, Gürtelbleche), die die „zivile“ Tracht kenntlich machen557. Diese kommen auch gemeinsam mit kriegerischen Elementen wie Lanzenspitzen vor oder – bei reicheren Ausstattungen – mit Dolch oder Schwert. Auch die Schutzwaffen eines Kriegers, wie Helme, können in den Gräbern mitgegeben worden sein. Das wichtigste metallene Verschlusselement der Kleidung ist ab der Eisenzeit die Fibel558. Dies ist eine Gewandspange nach dem Prinzip einer Sicherheitsnadel. Die Fibeln dienten neben ihrem praktischen Zweck als Kleidungsverschluss zugleich auch immer der Repräsentation und waren auffällige Schmuckstücke. Wie schon die Nadeln in der Bronzezeit sind die Fibeln starken modischen Veränderungen unterworfen. Es können anhand ihrer Gestalt und Verzierung auch Kulturverbindungen studiert werden. Hier soll nicht im Einzelnen auf die Fibelformen und ihre räumliche und zeitliche Verteilung eingegangen werden. Wiederum 557 z. B. Kromer 1959. 558 Umfassender Überblick zu den Fibeln in verschiedenen Zeiten und Kulturen siehe Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (gegr. Hoops), Band VIII, Berlin-New York 1994. Stichwort Fibel und Fibeltracht S. 411–607. 359 Abb. 178: Frauengrab aus Hallstatt mit Gürtelblech und Brillenspiralibel. Aquarell aus den Protokollen von Johann Georg Ramsauer. 360 interessiert uns hier, in welcher Lage diese Kleidungsverschlüsse in den Gräbern auftauchen. Die Gräber von weiblichen Personen sind in ihrem Ausstattungsreichtum oft nur schwer miteinander zu vergleichen. Es gibt aus der Fülle des Materials kein allgemein gültiges Schema, nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Bei den hallstattzeitlichen Frauengräbern Mitteleuropas treffen wir als Gemeinsamkeit oft auf paarige Fibeln oder Nadeln im Oberkörper­Schulterbereich. Meist sind die Kleidungsverschlüsse symmetrisch rechts und links an den Schultern angeordnet. Teilweise liegen die beiden Fibeln auch parallel nebeneinander auf der rechten Schulter. Weiterer Schmuck wie Arm- oder Fußreife, Haarnadeln sowie diverser Halsschmuck vervollständigte das Ensemble. Gürtel in Form von Gürtelverschlüssen oder Gürtelblechen559 betonten die Taille. Die Form der verwendeten Fibeln ist regional sehr unterschiedlich. Im Gräberfeld Hallstatt560 (Abb. 178) sind oftmals Brillenspiralibeln oder Klapperblechibeln belegt, dazu wird von den Wohlhabenden ein Blechgürtel kombiniert. Zahlreiche Funde aus den reichen Gräbern geben uns ein beredtes Bild dieser Pracht, ebenso wie die bei der Ausgrabung im 19. Jahrhundert angefertigten detailreichen Aquarelle der Fundpositionen. Die Fibeln können, wenn in einem Grab in Mehrzahl vorhanden, prinzipiell auch zu mehreren Gewändern gehört haben. Auch die Formen und Größen der innerhalb eines Grabes gefundenen Fibeln können variieren, was eventuell auf Ober- und Unterkleider, möglicherweise aus verschieden dicken Stoffen hindeutet. So kommt in der Späthallstattzeit561 in Nordwürttemberg bei der Frauentracht die Sitte auf, drei Fibeln zu tragen. Zusätzlich zum symmetrischen Schulteribelpaar indet sich ein drittes Exemplar in Brustmitte. Dieses verschloss wahrscheinlich den Halsausschnitt eines Unter- oder Obergewandes. 559 Pabst-Dörrer 2000, Tab. 3, 4. – Aus Hallstatt etwa: Kromer 1959, Tafelteil. 560 Kromer 1959. – Kern, Kowarik, Rausch, Reschreiter 2008. 561 Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (gegr. Hoops), Band VIII, Berlin-New York 1994, Stichwort Fibeln S. 441. 361 Neben den Fibeln und Gürteln gibt es weitere Kleidungsverschlüsse. Wir kennen aus der Hallstattzeit einige Beispiele von Knöpfen aus Ton oder Hirschgeweih. Diese sind meist gezackt oder sternförmig und kommen vor allem im südmährisch-niederösterreichisch-slowakischen Raum vor. Österreichische Fundorte von derartigen Knöpfen sind Horn, Leopoldsberg bei Wien oder Unterparschenbrunn (Abb. 179). Im Vergleich zu den Fibeln sind Knöpfe nicht häuig. Der Knopf als Verschlussprinzip von Kleidung hat sich also – obwohl er seit der Steinzeit immer wieder auftaucht – anscheinend bis ins Mittelalter nicht durchgesetzt. Solange wir keinen Befund aus Gräbern haben, ist nicht klar, was mit den Knöpfen verschlossen wurde. Die Knöpfe wurden bei archäologischen Ausgrabungen nur in Siedlungen entdeckt, wo sie von ihren Trägern verloren wurden. Abb. 179: Hallstattzeitliche Knöpfe aus Ton und Hirschgeweih von österreichischen Fundorten: 1 Leopoldsberg bei Wien, 2 Unterparschenbrunn, 3 Horn. 562 362 Insgesamt kann bemerkt werden, dass es bei den Fibeln eine Tendenz zu immer kleineren Formen gibt, ebenso inden sich immer feinere Textilien. Sind die Brillenspiralibeln der frühen Hallstattzeit teils noch sehr grob und schwer mit dicken Nadelschäften (mit diesen lassen sich eher gröbere Stoffe feststecken), so gibt es in der Späthallstattzeit und vor allem in der Latènezeit sehr fein ausgestaltete kleine leichte Fibeln mit zierlichen Schäften. Diese eignen sich gut für feine Gewebe, da dickere Nadelschäfte diese nur beschädigen würden (vgl. Abb. 168). brunn562 Die „Tracht“ mit geibelten Kleidungsstücken, die aus den Gräbern überliefert ist, kann bedauerlicherweise nicht direkt mit den zeitgleichen bildlichen Darstellungen in Beziehung gesetzt werden, da keine Abbildungen eines Kleidungsstückes mit Fibeln aus der Älteren Eisenzeit in Mitteleuropa identiizierbar sind. Auch Knöpfe in Position als Verschluss eines Gewandteiles sind auf den Bildern nicht zu erkennen. Wie die Gewänder ausgesehen haben könnten, die durch die Trachtlagen der Kleidungsbestandteile in den Gräbern repräsentiert sind, wird später diskutiert. Zitat nach M. Griebl 1996, 95–114. Mit weiteren slowakischen Beispielen. Abbildungen von Kleidung Figürliche Kunst563 ist in der Hallstattkultur generell nicht sehr naturalistisch. Aus dem Westhallstattkreis sind Darstellungen bekleideter Menschen überhaupt selten, während hingegen im Osthallstattkreis verschiedene Abbildungen bekannt sind. Als Beispiele für Kleinplastik dienen die igürlichen Aufsätze auf Kegelhalsgefäßen (Abb. 180) von Gemeinlebarn in Niederösterreich. Diese Gefäße wurden als repräsentatives Trinkgeschirr in Grabhügel mitgegeben. Die diversen Menschen- und Tieriguren schmückten die Schulterpartie der Gefäße, wobei sie als Reiter, Tänzer und Gefäßträger eine heute nicht mehr nachvollziehbare Geschichte erzählten. Die Menscheniguren sind brettchenartig lach. Es sind vor allem bei den durch Brüste gekennzeichneten Frauen „Kleider“ mit weit ausschwingendem Rocksaum zu sehen, der allerdings nur bis zu den Knien reicht. Andere Zeugnisse der Kleinplastik, die aus zahlreichen Fundorten in Mitteleuropa vorliegen, stellen vor allem unbekleidete Menschen dar. 563 Abb. 180: Hallstattzeitliche Figur von Gemeinlebarn in Niederösterreich und rekonstruiertes Kegelhalsgefäß. vgl. die Zusammenfassungen bei Huth 2003. – Reichenberger 2000. 363 Abb. 181: SopronBurgstall,Ungarn: Kegelhalsgefäß mit menschlichen Figuren in Ritzdekor. Weitere igürliche Darstellungen kennen wir aus dem Bereich des Osthallstattkreises, vor allem in der Kalenderbergkultur am nordöstlichen Rand der Alpen (Niederösterreich, Burgenland, Ungarn, Slowakei). Besonders im 7. Jahrhundert v. Chr. war es hier Sitte, auf Tongefäßen als Dekor nicht nur geometrische Muster anzubringen, sondern auch Menschen abzubilden564 (Abb. 181). Bei diesen Bildern sind die Personen sehr schematisiert und abstrahiert gezeichnet. Man beschränkte sich auf das bloße Kennbarmachen des darzustellenden Objektes. So reicht ein einfaches Dreieck mit Kreis oder Punkt als Kopf, Strichen als Arme und Beine aus, um einen Menschen darzustellen. Es inden sich regelrechte Szenen mit Wagenumfahrten, Jagden, Musikund Tanzdarstellungen. Die Kleidung bleibt dabei meist auf verschieden gestaltete und dekorierte Dreiecke reduziert. Die Bilder sind zwar weit davon entfernt, als Abbilder bestimmter Kleidungsstücke wahrgenommen werden zu können, doch inden sich diverse Unterschiede (Abb. 182). So gibt es bei den „Frauen“ sowohl solche, die offensichtlich einen abgesetzten Rock und Oberteil haben, während andere mit durchgängigem 564 364 Dobiat 1982. – Reichenberger 2000. Abb. 182: Menschendarstellungen auf früheisenzeitlicher Keramik und auf Situlen. Fundstellen: Keramik: 1-6, 11-15 Sopron; 7-8 Nové Košariská; 9 Kleinklein; 10 Dietldorf. Situlenkunst: 16 Hallstatt; 17, 20, 37 Va e; 18-19, 21-25, 31 Certosa; 26 Providence; 28, 32-33, 35 Welzelach; 27, 29 Magdalenska Gora; 30 Moritzing; 34 Carceri bei Este. 365 Dreieck vom Kopf bis zu den Beinen eher als „Kleid“ interpretiert werden könnten. Auch der an der engen Taille ansetzende Rock hat unterschiedliche Ausgestaltung, meist ist er dreieckig dargestellt. Im Falle von Sopron-Burgstall, Tumulus 28 (nach Eibner 1980), ist es sogar ein glockenförmiger Rock, der in seinen Dimensionen Assoziationen mit den Krinolinenröcken des Rokoko hervorruft. In diesem Fall ist aber mit der weit ausschwingenden Form wahrscheinlich eine drehende Bewegung – ein Tanz – angedeutet. „Männer“ sind meist als Strichmännchen gezeichnet, es gibt aber auch eindeutige Darstellungen von Hosen. Teilweise werden Personen mit schmalen Dreiecken ebenfalls als Mann gedeutet. Bei der berühmten Darstellung mit den als breite Dreiecke geritzten spinnenden, webenden und tanzenden Frauen auf dem Kegelhalsgefäß von Sopron, Tumulus 27, wird die schmal dreieckige Person mit Leier als Mann interpretiert. Es gibt wohl späthallstatt-frühlatènezeitliche Großplastik565, etwa Grabstelen wie aus Hirschlanden in Deutschland. Die Steinstatuen beschränken sich aber auf den Westhallstattkreis und gehen auf mediterrane Vorbilder zurück. In ihrer Symbolik sind sie stark mit der Darstellung eines Herrschaftsanspruches verknüpft. Unter den üblicherweise nackten (nur mit Spitzhut und Torques „bekleideten“) Darstellungen sticht der „Fürst vom Glauberg“ hervor, der einen mit Zinnenmäandermuster verzierten Kompositpanzer trägt. Auch bei ihm ist der Kopfbereich als Schmuckzone wichtig, dargestellt ist eine Blattkrone. Interessanterweise wurde im Glauberger Hügelgrab ein zu einem derartigen Kopfputz gehörendes Drahtgestell nachgewiesen; so kann die Darstellung als durchaus realistisch gesehen werden. Ansonsten ist die sogenannte „keltische Großplastik“ nicht für Fragen zur Kleidung zu verwerten. 565 366 Frey 2000. Abb. 183: Figürlich verzierte Schwertscheide von Hallstatt, Grab 994, Frühlatènezeit. Mit aquarellierter Grabzeichnung. Kleidung auf der Situlenkunst Am detailliertesten ist die Kleidung an der späthallstatt­ frühlatènezeitlichen Situlenkunst566 zu erfassen. Die Situlendenkmäler waren in einem Zeitraum zwischen dem 6. und 4. vorchristlichen Jahrhundert im Alpen- und Südostalpenraum zwischen Donau und Po, auf dem Gebiet der Osthallstattkultur und der Este-Kultur verbreitet. Die Darstellungen auf der frühlatènezeitlichen Schwertscheide von Hallstatt, Grab 994 (Abb. 183), sind in anderer Technik gestaltet. Sie zeigen aber 566 Frey 2005. – Lucke & Frey 1962. – Turk 2005. 367 stilistisch eine ähnliche Bilderwelt, besonders in der Darstellungsweise der Menschen und ihrer Kleidung, weshalb dieser besondere Fund hier mitbehandelt wird. Wie bei den Darstellungen auf Keramik, die großteils aus reichen Gräbern stammen, ist auch bei der Situlenkunst klar ein Konnex zur Oberschicht gegeben, die sich auf diesem Medium präsentierte. Mögen auch der Kunststil und die dargestellten Themen dieser frühen Bildererzählungen südliche Einlüsse zeigen, so ist sicher, dass sich die Künstler bei den Einzelheiten der Bewaffnung und Geräte an heimische Vorbilder gehalten haben: Die abgebildeten Gegenstände sind aus den Gräbern des Ostalpenraumes gut bekannt. So wird angenommen, dass auch die dargestellten Gegenstände aus organischem Material, allen voran die Kleidung, den damaligen Gegebenheiten entsprechen. Die Kleidung der Situlenkunst hat wahrscheinlich teilweise – wie andere Darstellungsinhalte (z. B. halb verschlungene Tiere, diverse Helmformen...) Anklänge an etruskische Vorlagen567. Wie bereits in der Einleitung zum Kapitel Kleidung erwähnt, sind in der Situlenkunst wahrscheinlich symbolische Inhalte ebenso dargestellt wie die Vorstellungen, die Lebenswelt und die festlichen Aktivitäten der Oberschicht. Die Frauen auf den Abbildungen tragen meist lange, bis zu den Waden reichende Kleider mit halblangen Ärmeln. Diese Gewänder können einen geraden oder einen bogigen bzw. gezipfelten Saum aufweisen, der teilweise mit Borten geschmückt ist. Das Kleid wird teilweise mit einem Gürtel um die Taille gerafft. Dazu wird stets ein Schleier oder ein Kopftuch in verschiedenen Längen kombiniert. Manchmal ist der Schleier länger, und reicht etwa bis zu den Knien oder zur Wade. Diese langen Überwürfe sind auch geschlitzt dargestellt, sodass ein Teil nach vorne über die Brust, der andere hinten über den Rücken fällt, während sich die Arme frei bewegen können. Bei den überlangen „Schleiern“ könnte es sich auch um über den Kopf gezogene Mäntel handeln. Besonders interessant ist die Frauendarstellung auf der im Situlenstil verzierten Gürtelschließe von Carceri bei Este (Abb. 567 368 Bonfante 2003, beispielsweise Abb. 2–18, 72–75. 182­34). Bei dieser Szene lagert ein Mann auf einer Kline und eine Frau reicht ihm eine doppelhenkelige Schale, in der anderen Hand hält sie eine Schnabelkanne. Diese Frau trägt nicht das lange Kleid wie andere Frauen auf den Objekten der Situlenkunst, sondern sie ist in eine Kombination aus Rock und Bluse gekleidet. Das kurzärmelige Oberteil ist kariert, während der von einem Gürtel gehaltene Rock radiale Streifen sowie eine Borte am Saum aufweist. Es ist nicht zu klären, ob die Streifen die Andeutung einer Verzierung oder des Faltenwurfes darstellen sollen. Ein bis zum Gesäß reichender Schleier rundet das Ensemble in der bekannten Weise ab. Dazu kommt jedoch etwas Ungewöhnliches: An den Beinen ist durch eine Verdickung angedeutet, dass die dargestellte Dame offensichtlich Beinlinge oder eine Hose trägt. Die Männerkleidung auf den Situlendarstellungen (Abb. 182) ist großteils ein kittel- oder hemdartiges Gewand mit halblangen Ärmeln oder ärmellos. Das Gewand fällt vom Hals meist ungegürtet glatt herab und reicht bis zur Wade oder bis zum Knöchel. Die Kleidung ist teils kariert oder gestreift dargestellt; der Saum ist oft mit einer Borte geschmückt. Das Gewand verhüllt den Körper so vollständig, dass etwaige Unterkleidung nicht feststellbar ist. Zuweilen wird über dem Gewand ein Umhang getragen. Krieger (Fußtruppen und Berittene), wie etwa auf der Schwertscheide von Hallstatt (Abb. 183), tragen verschieden ausgestaltete Helme und ein langärmeliges, kürzeres Gewand, darüber einen ärmellosen Panzer, der mit Streifen oder Karos verziert ist. Es könnte sich dabei um einen aus Leder oder Leinen gefertigten Kompositpanzer handeln, wie er auch auf der Steinstele vom Glauberg abgebildet ist. Körperlich Tätige, wie die „Kellner­Mundschenk“ auf der Situla von Kuffarn (Abb. 149), die der thronenden Person Wein reichen, haben eine nur bis zu den Knien reichende Kleidung – der eine trägt überhaupt nur einen Lendenschurz. Ebenso hat der „Jäger“ auf der Situla von Welzelach (Abb. 182­35) einen Lendenschurz, den er bei nacktem Oberkörper trägt. Faustkämpfe werden völlig nackt ausgefochten. 369 Darstellungen von Beinbekleidung, wahrscheinlich Hosen, inden sich auf der frühlatènezeitlichen Schwertscheide von Hallstatt und auf dem Gürtelblech von Molnik in Slowenien568 aus dem Ende des 6. bzw. Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. Bei diesem trägt die auffällige Gestalt des „Bogenschützen“ eine weite Hose mit schwach sichtbarem eingeritzten Stoffmuster, dazu ein langärmeliges Oberteil und eine Zipfelmütze. Einen anderen Hosentyp haben die „Radträger“ auf der Schwertscheide von Hallstatt. Es sind eng anliegende Hosen mit reicher Musterung (eventuell auch Schnürungen­Wicklungen), die bis zur Hüfte hoch reichen. Da keine Genitalien eingezeichnet sind, die bei dieser Schrittstellung eigentlich sichtbar sein müssten, kann man davon ausgehen, dass die Hose im Schritt zusammengenäht war. Diese Darstellungen gehören zu den ältesten sicheren Nachweisen für Hosen in Mitteleuropa – datiert in die Mitte des 1. vorchristlichen Jahrtausends. Heutzutage ist dieses Kleidungsstück und auch seine Konstruktionsweise so geläuig, dass eher ungläubiges Kopfschütteln darüber besteht, wie man ohne dieses Beinkleid auskommen konnte. Abb. 184: DürrnbergEislfeld, Grab 135: Figurenibel. 370 Im Fall der Schwertscheide von Hallstatt ist die enge gemusterte Hose mit einem Leibrock mit zurückgeschlagenen Schößen kombiniert. Das Obergewand hat also einen verlängerten Rückenteil, während vorne die Beine in voller Länge bis zu den Hüften unbedeckt bleiben. Dieses seltsame Gewand indet sich auf weiteren Darstellungen der Frühlatènezeit. So wird es von den Wagenfahrern auf der Situla von Kuffarn getragen sowie von der Figur auf der frühlatènezeitlichen Fibel vom Dürrnberg-Eislfeld, Grab 135569 (Abb. 184), bei der dieser „Wams mit Frackschoß“ zudem mit einer weiten, faltenreichen Hose kombiniert ist. 568 Turk 2005, Abb. 87. 569 Zeller 1980, 126, Abb. 17. Die bekannte Szene mit den vier behosten Männern auf der Schwertscheide von Hallstatt hat die Wissenschaft zu vielerlei Deutungen inspiriert: Sie wurde zunächst in Bezug auf den Bergbau interpretiert. Das Rad, das je zwei von ihnen halten, wurde bergbauspeziisch als Arbeitsgerät (Haspel) erklärt. Demnach wären die dargestellten Personen Bergleute und die ungewöhnlichen, zipfelartig vom Oberteil herabhängenden Teile sogenannte „Arschleder“570, die den Hosenboden des Bergmannes vor dem Durchscheuern schützen sollten. Nach einer Neuinterpretation durch den Hallstattspezialisten Fritz-Eckart Barth571 handelt es sich bei der Bilderzählung auf der Schwertscheide aber nicht um eine „Bergwerksgeschichte“, sondern um die Schilderung der drei Waffengattungen, die für die frühen Kelten wichtig waren: Kavallerie, Infanterie und Streitwagen mit Fahrern. So sollten die Personen, die zwischen sich ein Rad halten, die Streitwägen symbolisieren (diese sind vergleichsweise auf der Situla von Kuffarn in voller Fahrt abgebildet). Das Gewand mit dem bis in Kniehöhe herabhängenden Rückenteil ist nach dieser Deutung die Schutzkleidung eines Streitwagenfahrers. Hält man sich eine derartige Kampfszenerie bildhaft vor Augen, so wird der Sinn dieser Kleidung deutlich. Nach Barth war „der Rücken der Streitwagenfahrer nach Durchbrechen der Schlachtreihe schutzlos jeder Art von Fernwaffe preisgegeben. Ohne die Beinfreiheit – für Streitwagenfahrer sicher von existenzieller Bedeutung – zu behindern, konnte ein lose herunterhängender Schoß wirksamen Schutz gewährleisten, auch wenn er nur aus vergleichsweise dünnem Material bestand.“ Kopfbedeckungen Sehr differenziert sind auf den Werken der Situlenkunst die Kopfbedeckungen abgebildet (Abb. 182), wenn die Personen nicht per se barhäuptig und/oder glatzköpig dargestellt sind. So gibt es etwa auf der Situla von Kuffarn einen lachen, breitkrempigen Hut, der wahrscheinlich einer sozial hochgestellten Persönlichkeit zuzuordnen ist. Der Großteil der dargestellten Männer hat eine Kappe oder ein Barett. Im Ostalpenraum tritt auch teilweise die sogenannte „phrygische Mütze“, eine Art 570 z. B. Egg et al. 2006, 194. 571 Barth & Urban 2007. 371 Abb. 185: Ältereisenzeitliche Kopfbedeckungen aus dem Salzbergwerk Hallstatt: links die „phrygische Mütze“, rechts das Barett. Zipfelmütze, auf. Daneben sind bei den Kriegern verschiedene Darstellungen von Helmen zu inden. Gerade bei den Kopfbedeckungen ist es sehr interessant, dass wir aus dem Salzbergwerk Hallstatt zeitgenössische Funde haben, die allesamt aus Leder bzw. Fell gefertigt sind572. Bisher sind sowohl die kalottenförmige Mütze, das Barett (Abb. 185 rechts) und die phrygische Mütze (Abb. 185 links) bekannt. Diese weiche Zipfelmütze aus Fell wurde mit der Haarseite nach innen getragen. Die barettförmigen Mützen wurden aus Schaffell gefertigt, indem man ein kreisrund zugeschnittenes Stück mit einem Lederriemen zusammenzog. Hier wurde die Haarseite außen getragen. Quellen zur latènezeitlichen Bekleidung in Mitteleuropa Bei den Kelten gab es keine einheitliche Tracht. Die verschiedenen keltischen Stämme lebten in weiter Verbreitung in ganz Europa, sie hatten auch unterschiedliche Berührungspunkte mit verschiedenen Kulturkreisen. Daher sind hier verschiedene Klei- 572 372 Barth und Lobisser 2002, 23. – Gabriela Popa in Kern, Kowarik, Rausch und Reschreiter 2008, 102–105. dungsgewohnheiten anzunehmen. Das archäologische Quellenmaterial ist ebenso gestreut wie schon in der Hallstattzeit. Eine Novität sind die Schriftquellen, die nun erstmals auch konkrete Namen und Begriffe zu den archäologischen Daten liefern. Gestaltung latènezeitlicher Stoffe Über das Aussehen der Stoffe in der Latènezeit sind wir durch archäologische Funde gut informiert. Für die Frühlatènezeit bieten die über 600 Textilreste aus dem Salzbergwerk von Dürrnberg bei Hallein573 in Österreich das farbenprächtigste Bild dessen, was in dieser Zeit am textilen Sektor üblich war. Nach wie vor sind feine Gewebe vorhanden, nun ist aber Leinwandbindung vorherrschend, Köper indet sich in den einfacheren Varianten. Bei den Analysen wurden als Rohmaterialien sowohl Wolle als auch Leinen festgestellt, ebenso wurden Stoffe gefärbt, wie wir es bereits aus der Hallstattzeit kennen. Streifen werden bevorzugt, Karos und Spinnrichtungsmuster, die das Textilschaffen etwa in der Hallstattzeit auszeichnen, sind selten. Herausragend sind jene Einzelstücke, bei denen Schachbrettmuster, Rauten- und Mäandermotive in verschiedenen Techniken mit lottierenden Fadensystemen hergestellt wurden. In den latènezeitlichen Gräbern in Österreich, Tschechien und der Slowakei sind Textilien erhalten, die ebenfalls grossteils als einfache Leinwandbindung gefertigt sind. Auch hier sticht das prachtvoll bestickte Gewebe aus Nové Zamky hervor. Es ist jedoch zu beachten, dass die in den latènezeitlichen Gräbern Mitteleuropas aufgefundenen Textilien oft keinen direkten Kontext zur Kleidung haben, sondern andere Funktionen erfüllten. So etwa gibt es viele Stoffreste in sekundärer Verwendung als Füllung keltischer Hohlreife (vgl. Seite 278 ff.) oder als Umwicklung von Gegenständen. Die Gewebe geben jedoch wieder, welche Arten von Textilqualitäten zu dieser Zeit in Gebrauch waren. An Geweben aus latènezeitlichen Gräbern in der Schweiz konnte die Textilforscherin Antoinette Rast-Eicher574 feststellen, dass in 573 Stöllner 2005. Katalog von Katharina von Kurzynski in Stöllner 2002. – von Kurzynski 1996. 574 Rast-Eicher 2008, 177–188, 191. 373 der Früh- und Mittellatènezeit die Frauen ein gegürtetes leinenes Gewand (Kleid) trugen, in der Spätlatènezeit ein grobes bis mittleres Tuch, das an den Schultern geibelt wurde und wohl ähnlich wie das Gewand auf dem Grabstein der Menimane zu interpretieren ist575. Grabfunde Auch in der Latènezeit ist der Blick in die Gräber derjenige, der am unmittelbarsten die Kleidung der Menschen, zumindest der Bestatteten, wiedergibt. Abb. 186: Fibeltrachten am Beispiel des latènezeitlichen Gräberfeldes von Pottenbrunn in Niederösterreich. 374 Als metallene Trachtbestandteile, die Kleidungsstücke am Körper ixieren, sind in den Gräbern der Früh- und Mittellatènezeit im 5. bis Mitte des 2. Jahrhundert v. Chr. wiederum vor allem die Fibeln wichtig. Man kann in verschiedenen Regionen nicht nur verschieden geformte und dekorierte Gewandspangen feststellen, sondern auch die Sitte ihrer Trageweise unterscheidet sich. Nach den Analysen der Archäologin Margot Maute576 ist als Grundtendenz etwa in Baden-Württemberg bei den Männern eine meist 6 cm lange Eisenibel festzustellen, die im Grab 575 vgl. Böhme-Schönberger 1997. 576 Lorenz 1978. – Maute 1994, 458–467. an der linken Schulter zu liegen kommt. Bei den Frauen sind es meist zwei Fibeln symmetrisch an beiden Schultern. In Südbayern und der Schweiz sind Fibeln so beliebt, dass Männer meist zwei Fibeln ins Grab mitbekommen, Frauen bis zu sieben Exemplare. Am häuigsten sind zwei oder drei Stücke. Sie liegen dabei im Schulter-Brust-Bereich, verteilt entweder auf beide Schultern, oder sie häufen sich an der rechten Schulter. Die Einzelibel ist 5 cm lang oder größer. Werden mehrere Exemplare in einem Grab entdeckt, so sind stets eine große und mehrere kleine Fibeln vorhanden. Eine ähnliche Fibeltracht lässt sich für die latènezeitlichen Frauenbestattungen aus Österreich feststellen (Abb. 186). Es gibt aber neben den paarig an beiden Schultern getragenen Fibeln auch die Fälle, in denen zwei Fibeln eng zusammen an einer Schulter zu inden sind. Der Mann hat üblicherweise nur eine Fibel im Grab, getragen meist an der rechten Schulter. In Tschechien und der Slowakei tragen die Männer meist eine ca. 6 cm lange Fibel an der rechten Schulter, die Frauen haben ebenfalls meist nur eine oder zwei Fibeln im Schulter-Brust-Bereich, selten mehrere. Zwei Fibeln liegen dabei vorwiegend nahe zusammen an einer Schulter. Dass die Kleidungsstücke auch gegürtet wurden, zeigt weiteres Kleidungszubehör, die in den Gräbern vorkommenden Gürtelelemente577. Bei Männern und Frauen inden sich im Frühlatène verschiedene, aufwändig gestaltete Gürtelhaken, Abb. 187: Trageweise latènezeitlicher Gürtelketten. Trachtenrekonstruktion mit Stoffen nach Funden aus Hallstatt und Nové Zanky, einfache „Kleid“-Silouette. 577 Müller 1999, 159–166. 375 die wahrscheinlich Ledergürtel verschlossen haben. In der Mittellatènezeit werden bei den Frauen Gürtelketten modern, die in dekorativer Weise um den Körper geschlungen werden. Die Ketten waren in der Regel länger als der Taillenumfang der Frau, sie wurden durch Einhängen eines Hakenendes in ein Kettenglied abgepasst. Das andere Kettenende hing nicht frei herab, sondern wurde mit einem zweiten Haken nochmals nach oben genommen, sodass sich über dem Schoß ein Bogen bildete (Abb. 187). Die Männer bevorzugten in der Mittellatènezeit neben einfachen Ledergürteln mit Metallhaken die Schwertgurtketten. Der Gürtel hatte mehrere Funktionen. Einerseits hielt er die Stofffülle der Gewänder im Taillenbereich zusammen; er war aber auch noch wichtig als Befestigungsmöglichkeit für diverse Gegenstände. Typisch für die Frauentracht scheinen an der rechten Seite getragene Beutel zu sein, deren metallener Inhalt als charakteristische Anhäufung in den Gräbern zu entdecken ist. Bekannt ist die Vorliebe der Kelten für Schmuck. Schon die antiken Schriftquellen berichten ausführlich darüber und auch die Gräber sind hier aufschlussreich. Fast zum Symbol des Keltentums geworden ist dabei der Torques (Abb. 188), ein vorne offener Halsreif, dessen pufferähnliche Enden oft kunstvoll verziert wurden. Er fehlt auf praktisch keiner Darstellung eines Kelten in der Antike578, wobei der meist von Kriegern getragen wird. In den Gräbern taucht er allerdings vor allem bei Frauenbestattungen der Mittellatènezeit auf579. Bei den Frauen kommen vereinzelt Nadeln im Brust- oder Kopfbereich vor. Diese dienten wohl zur Fixierung einer Kopfbedekkung, etwa eines Schleiers (Abb. 189). Zusätzlich inden sich in den Gräbern viele Schmuckelemente, vor allem Ketten aus Glasperlen, Fingerringe, Arm-, Fuß- und Halsreife580. Der Ringschmuck hat in den Frauengräbern eine gewisse Regelhaftigkeit, in der festgelegt war, an welchen Körperstellen, etwa Hals, Oberarm, Unterarm oder Bein, eine be- 376 578 Thiel 2000, 73 ff. 579 Bujna 2005, z. B. Abb. 3, dt. Zusammenfassung S. 173–194. 580 Lorenz 1978. stimmte Zahl von Ringen getragen wurde. Der Ringschmuck kann in den einzelnen Regionen verschieden sein, er kann aber auch Aussagen zur sozialen Stellung der Trägerin beinhalten – so wie heutzutage ein Ring am Ringinger als Verlobungs- oder Ehering aussagekräftig ist. So könnten nach der Interpretation des Archäologen Herbert Lorenz diese Ringtrachten die Aufgabe gehabt haben, heranwachsende und verheiratete Frauen einerseits sowie Mütter und Witwen andererseits zu kennzeichnen. Abb. 188: Goldener Torques aus Oploty, Tschechien (Rekonstruktion), sowie Armreife, Latènezeit. In der Späthallstattzeit und im Frühlatène inden sich gelegentlich kleine Knöpfchen oder keulenförmige Anhänger mit Ösen bei den Männern und Frauen im Fußbereich. Das kann eventuell mit Schuhen in Verbindung gebracht werden (Abb. 189). Dass man großen Wert auf Körperhygiene und ein geplegtes Äußeres gelegt hat, ist durch verschiedene Toilettegegenstände 377 Abb. 189: Grab 119 von Dürrnberg-Eislfeld, Österreich: Späthallstattzeitliches Frauengrab mit Trachtbestandteilen (Auswahl). 378 belegt. In den verschiedenen Grabgruppen auf dem Dürrnberg in Österreich beispielsweise inden sich in Männergräbern immer wieder Rasiermesser, die zugehörigen Schleifsteine zum Schärfen des Bartplegeinstruments, Pinzetten und verschiedene Geräte zur Plege der Nägel. So kennen wir aus Grab 44 ein bronzenes zweiteiliges Toilettebesteck, bestehend aus Pinzette und einem Kratzer, der mit einem wenige Millimeter großen Kopf eines bärtigen Mannes verziert ist581. Abb. 190: Statuette von Idria pri Bajci in Slowenien. Ein mit einem Kittel bekleideter Mann. Zur Trachtlage in der Spätlatènezeit sind die Quellen spärlich, da nun Brandbestattung vorherrscht. Diese hier vorgestellten Beobachtungen zu latènezeitlichen Grabinventaren sind Grundtendenzen, die innerhalb dieser Regionen noch zeitlich und auch hinsichtlich der verschiedenen sozialen Stufen aufgeschlüsselt werden könnten. Das ist Thema vieler archäologischer Abhandlungen und würde den vorgegebenen Rahmen sprengen. Abbildungen von Kleidung Späthallstatt- und frühlatènezeitliche Abbildungen von Frauenund Männerkleidung gibt es vor allem auf den zahlreichen Werken der Situlenkunst (siehe oben). Eine geritzte szenische Darstellung mit Anklängen an den Situlenstil indet sich auf der frühlaténezeitlichen Schwertscheide aus Hallstatt, sie wurde dort mitbehandelt. Kleine Statuetten582 sind etwa aus Idria in Slowenien (Abb. 190) oder von der Partinspitze bei Imst in Tirol (Abb. 191a) bekannt. Beide stammen aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. und zeigen Männer, die mit kurzärmeligen knielangen Kitteln bekleidet sind. In der Frühlatènezeit sind igürliche Darstellungen583 sonst fast nur auf 581 Penninger 1972, S. 78, Taf. 42 A/3. 582 Idria pri Bajci. M. Gustin 1980: Ante tubam. Situla 20/21, 1980 (Festschr. Gabrovec), 251 ff. – Imst: Katalog „Kult der Vorzeit in den Alpen“. Innsbruck 1997. Foto auf dem Cover. 583 Allgemein zu igürlichen Darstellungen in der Latènezeit Frey 1993, 153–168. 379 Objekten des Kunsthandwerks zu inden, etwa als Verzierung von Gefäßen oder auch integriert in Armringe, Gürtelhaken oder Fibeln. Meist sind es nur Menschenköpfe, besonders detailreich ist etwa die bereits beschriebene frühlatènezeitliche Fibel vom Dürrnberg (Abb. 184). Bei den Goldhalsringen aus dem Schatzfund von Erstfeld in der Schweiz584 sind ebenfalls Menschengestalten und Mischwesen zu erkennen. An identiizierbaren Kleidungsstücken tragen sie gemusterte Hosen. Die frühlatènezeitlichen Darstellungen wirken außerordentlich lebendig. Kein Stück gleicht dem andern, es sind meist individuelle Schöpfungen, die in Guß in verlorener Form hergestellt wurden. Der keltische Handwerker hat dazu das Objekt als Modell in Wachs geformt und mit Ton ummantelt. Beim Brennen der Tonform wurde das Wachs lüssig und loss aus der Form, sodass ein Hohlraum in Gestalt des gewünschten Objektes zurückblieb. Nach Einbringen des Metalles musste die Form zerschlagen werden. Es war dem Bronzegießer mit dieser Methode also nur möglich, einmalige Stücke zu schaffen, keine Serienproduktion. Am Ende der Frühlatènezeit (Stufe LtB) entdeckten die keltischen Künstler eine neue Ausdrucksform für sich, indem sie Gesichter und Ornamente miteinander zu ausdrucksstarken Symbolen verschmolzen. Diese sind meist sehr abstrakt und daher für kostümkundliche Deutungen nicht gut verwendbar. Aus der Mittellatènezeit (LtC) ist die Darstellung eines Mannes aus Leipzig-Connewitz bekannt. Der bronzene Gürtelhaken zeigt einen breitbeinig stehenden Mann mit Hose oder Beinwickel. Die sich kreuzenden Linien an den Beinen bis zu den Oberschenkeln geben eine Wicklung am Unterschenkel wieder. Die Darstellung stammt zwar aus dem germanischen Bereich, hat aber keltische Stileinlüsse. Aus den Oppida, den großen stadtartigen Ansiedlungen der Mittel- bis Spätlatènezeit, gibt es schließlich zahlreiche igürlich gestaltete Bronzen. So werden etwa Schwertknäufe als 584 380 Wyss 1975. Abb. 191: Auswahl von Menschendarstellungen aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. bis 1. Jahrhundert n. Chr: a) Rätische Votivigur aus Imst, 5. Jahrhundert v. Chr b) Frühlatènezeitliche igürliche Fibel von Dürrnberg /Hallein. c) Gallorömische Votivgabe aus der Seinequelle, Saint-Germain-Source-Seine, 1. Jahrhundert v. Chr d) Spätlatènezeitliche Reiterdarstellung vom Magdalensberg. e) Mädchen in norischer Tracht, Grabstein Klagenfurt, 1. Jahrhundert n. Chr. Verschiedene Maßstäbe. 381 Menscheniguren gestaltet, Achsnägel werden mit Menschenköpfen geschmückt. Die Götterbilder auf dem berühmten Bronzekessel von Gundestrup in Dänemark585 nehmen einen besonderen Platz unter den eisenzeitlichen Darstellungen ein. Dieser Kessel wurde Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. wahrscheinlich im unteren Donauraum (dem heutigen Bulgarien und Rumänien) gefertigt und vereinigt keltische sowie thrakische Elemente. Die auffälligsten Kleidungsstücke sind die engen Hosen und „Overalls“, in deren Musterung Bindungsarten wie Spitzköper zu erkennen sein dürften. Aus der Zeit um Christi Geburt586, dem Ende der Latènezeit und der Römerzeit stammen die Bronzestatuette aus Neuvyen Sullias in Frankreich, ein Tänzer mit karierten Hosen sowie die Reiterdarstellung vom Magdalensberg in Österreich (Abb. 191d). Es ist ein Kelte mit Schwert und Schild abgebildet, der bei nacktem Oberkörper eine weite Hose trägt. In dieser Zeit wurden Großiguren aus Holz und Stein geschaffen, die als Götter interpretiert werden können. Beispiele sind aus Etremont zu nennen oder das Steinrelief der Göttin Epona aus dem Rheinland und hölzerne gallorömische Votivgaben, vor allem aus Frankreich. Diese Darstellungen entstanden aber bereits unter römischem Einluss. Auf einer Holzigur aus den Seine-Quellen in Frankreich ist ein Kapuzenmantel zu sehen (Abb. 191c). Selbst in römischer Zeit bieten die Grabsteine Einheimischer aus den Provinzen an der Donau und Rhein einen Einblick in Kleidungsformen, die klar ihre Wurzeln in der Eisenzeit haben. Diese Exemplare des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. zeigen alte, nichtrömische Elemente, allen voran die Verwendung von zwei Fibeln, paarig an den Schultern getragen587. Zu nennen sind etwa der Grabstein des Blussus und der Menimane aus Mainz oder die sogenannte „norische Mädchentracht“ mit dem berühmten Grabstein aus Klagenfurt (Abb. 191e). 382 585 Kaul 1999, 195–211. 586 Cunliffe 1980, 26 f., 100 f. 587 Böhme-Schönberger 1997, Blussus und Menimane Abb. 18. – Norisch-pannonische Tracht: Garbsch 1965. Schriftquellen Ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. erhellen Schriftquellen, die Berichte antiker Autoren, unser Wissen zu keltischer Kleidung. Dieser Blick von „außen“ auf die Kleidung der Kelten und Germanen (die Begriffe werden teilweise vertauscht oder gleichgesetzt) ist durch griechische Geschichtsschreiber genauso gegeben wie durch römische Autoren588, wenn auch manche Aussagen ideologisch gefärbt sind, oder teils Allgemeinplätze zum Besten gegeben werden. So wird als äußeres Erscheinungsbild stets der große Wuchs, die Hellhäutig- und Hellhaarigkeit betont, wie beim römischen Historiker Tacitus (Tac. Germ. 4) „... drohende blaue Augen, rotblondes Haar und große Körper…“. Die Wildheit der Kelten ist ebenfalls ein Thema, was sich unter anderem auch in dürftiger Kleidung äußern solle. So schreibt Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts Sallust, ein römischer Geschichtsschreiber und Zeitgenosse Cäsars, in seinen Historiae (Sall., hist. 3, 104-105): „Die Germanen (=Kelten) bedecken den unbekleideten Körper nur mit Fellen.“ Diodorus Siculus, ein griechischer Geschichtsschreiber aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., verfasste aus diversen Vorlagen eine Universalgeschichte in 40 Büchern, mit der er belehren und unterhalten wollte. Auch er erwähnt die wilde Nacktheit der Kelten, vor allem im Kampf (Diod. 5,29,2): „einige von ihnen verachten den Tod so sehr, dass sie nackt bis auf einen Gürtel in den Kampf ziehen“. Doch bereits bei Polybios kann man in seinem Hauptwerk Historíai (2,28,7-8) aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. den Hinweis nachlesen: „bekleidet mit Hosen und leichten Kriegsmänteln, traten Insuberer und Boier zum Kampf an.“ Die keltischen Stämme der Boier und Insuberer waren im Ostalpenraum ansässig, siedelten sich im 2. Jahrhundert v. Chr. auch in Oberitalien an. Bei Diodor lossen aber auch präzisere Schilderungen stammestypischer Kleidung mit ein. Über die Kelten (Gallier) schreibt er Folgendes (Diod. 5,30,1). „Sie tragen auffällige Kleidungsstücke: Hemden in verschiedenen Farben mit Blumenmustern und lange Hosen, die sie βράκαι (braccae) nennen. Darüber hängen sie sich gestreifte Mäntel (σάγος, sagum) mit einer Schulteribel, im Winter lauschige, 588 Überblick auch bei Von Kurzynski 1996. 383 im Sommer glatte, die mit einem dichten und bunten Würfelmuster verziert sind. ... [es folgen eine Beschreibung der Schilde, Helme, Trompeten, Kettenpanzer und Schwerter] .. Einige haben ihr Gewand mit gold- oder silberbeschlagenen Gürteln umgürtet“. Der Geschichtsschreiber und Geograph Strabon, der um Christi Geburt in einer Zeit intensiver Kontakte der Römer mit den Kelten und Germanen gewirkt hat, berichtet Ähnliches vom Stamm der Belger – wie er betont – den tapfersten unter den Kelten (Strab. 4,4,3, p.196): „Sie tragen Pelerinen (i.e. sagum), lassen ihr Haar lang wachsen und ziehen sich beinumhüllende Hosen an; statt des Unterkleides tragen sie ein an der Seite offenes Hemd mit Ärmeln, das bis zur Scham und den Hinterbacken reicht. Ihre Wolle ist zwar rau, aber langlockig; aus ihr weben sie die zottigen Pelerinen (i.e. sagumMäntel), die man laenae nennt.“ Zu den Vornehmen heißt es später (Strab. 4,4,5, p. 197) „Zu der Offenheit und Reizbarkeit gesellt sich ein hohes Maß an Unüberlegtheit und Prahlerei sowie Schmuckliebe: tragen sie doch Goldschmuck – um den Hals Ketten und um die Oberarme und Handgelenke Armbänder – und die Kleider von Leuten in hoher Stellung sind gefärbt und golddurchwirkt.“ Diese kleine Auswahl an antiken Quellen zeigt ein klares Bild: Sie beschreiben großteils jene Elemente, die die Andersartigkeit der Kleidung „nördlicher Barbaren“ im Unterschied zu der zivilisierten (= römischen) Welt betonen. Als auffälligste Kleidungsstücke, deren Bezeichnung somit auch überliefert ist, sind die Hosen „braccae“ und der von einer Fibel gehaltene Mantel „sagum“ genannt. Beides sind Elemente, die später von den Römern (vor allem vom Militär) aber nur allzu gerne übernommen wurden, als die weite Ausdehnung des römischen Reiches nach Norden eine dem dortigen Klima angepasste Kleidung verlangte. Eisenzeitliche Schuhe Erst die Schuhe komplettieren die Kleidung. In der mitteleuropäischen Eisenzeit sind viele verschiedene Schuhformen belegt. Es ist hier nicht der Rahmen, einen detaillierten Überblick zu 384 eisenzeitlichen Schuhen zu bieten589, lediglich die wichtigsten Beobachtungen ließen hier ein. Neben den bekannten Schuhfunden aus den Mooren Nordeuropas sind auch aus den Salzbergwerken Hallstatt und Dürrnberg verschiedene Bundschuhe erhalten590. Fritz-Eckart Barth konnte drei unterschiedliche Typen bestimmen (Abb. 192). Es handelt sich meist um Bundschuhe, also solche, deren Sohle und Oberleder aus einem einzigen Lederstück bestehen. Es sind einerseits Bundschuhe aus roher (kaum oder nicht gegerbter) Tierhaut mit ausgeschnittenem oder gelochtem Rand. Die Stücke haben eine Fersennaht. Die Formgebung des Schuhs erfolgt mit Hilfe von Binderiemen oder Schnüren. Diese sehr urtümliche Art von Schuhen wurde von den Römern carbatinae591 genannt. Daneben fanden sich Bundschuhe aus Leder mit eingeschlagener Zunge aus dem Hallstätter Kilbwerk (8. bis 3. Jahrhundert v. Chr.). Sie 589 Allgemeiner Überblick bei Groenman-van Waateringe 1974, 111–120. 590 Barth 1992. 591 vgl. Knötzele 2007, carbatinae S. 61–64, Abb. 58–59. Abb. 192: Eisenzeitliche Schuhfunde aus den österreichischen Salzbergwerken. 385 Abb. 193: Schuhibel von Leopoldau, Latènezeit. sind nur an der Ferse genäht und lappenartig über den Zehen zusammengeschlagen. Der Lederschuh mit Sohlennaht aus der Hallstätter Westgruppe (Plentznerwerk, um Christi Geburt) ist singulär. Es ist der Vorderteil eines rechten Schuhs aus Rindsleder, bei dem Oberteil und Sohle wendegenäht miteinander verbunden sind. Schnitt und die Verwendung einer Sattlernaht weisen diesen Schuh als Produkt eines Professionisten, eines Schusters, aus. Diese Schuhe wurden im Bergbau gefunden, wir dürfen in ihnen wohl gängige Typen von Arbeits- und Alltagsschuhen der Eisenzeit sehen. Interessanterweise inden sich unter den Schuhen aus den Salzbergwerken auch sehr kleine Exemplare mit heutigen Schuhgrößen von 31 bis 35. Sie dürften Kindern und Frauen gehört haben. Ein anderer Schuhtyp wird von diversen schuhförmigen Tongefäßen repräsentiert. Es ist dies die wahrscheinlich einheimische Schuhform mit abfallendem Rist und lach zulaufender Spitze. In Abbildungen wie auf der Situlenkunst begegnen uns Schnabelschuhe, die wohl zur Kleidung eines sozial gehobenen Personenkreises zählen dürften. Die goldenen Schuhbeschläge aus dem Fürstengrab Hochdorf deuten ebenso auf diese Schuhform hin wie verschiedene Fibeln. Berühmte Beispiele inden sich etwa auf dem Dürrnberg. Schnabelschuhe gelten allgemein als 386 Abb. 194: Schuhgefäß von Mannersdorf, Latènezeit. etruskischer Einluss, der in der späten Hallstattzeit in den gesamten Bereich der Hallstattkultur aufgenommen wurde. Nach den Forschungen von Ludwig Pauli592 indet sich dann die etruskische Schnabelschuhmode vor allem im östlichen Frühlatènebereich, nachgewiesen durch Schuhdarstellungen wie Schuhibeln (Abb. 193) oder Tongefäße in Schuhform. Das Schuhgefäß aus dem Kindergrab 4 von Mannersdorf593 in Niederösterreich (Abb. 194) zeigt den Schnabelschuh eines Kindes mit Ristschnürung. Dass auch einheimische Lederhandwerker die Fertigkeit besaßen, Schnabelschuhe herzustellen, ist durch Handwerksgeräte belegt. Es sind dies tönerne Schuhleisten aus Sommerein in Niederösterreich594 (Abb. 195). Sie entsprechen der heutigen Schuhgröße 37. Aus der Eisenzeit sind auch Gräber mit metallenen Schuhbestandteilen an den Beinen bekannt: metallene Knöpfe oder kleine Bronzeringlein im Bereich der Fußknochen595. Als Beispiel möge 592 Pauli 1978, Schuhwerk S. 217; Abb. 11 Schuhdarstellungen; Liste 3, Schuhdarstellungen S. 630–631; Karte Abb. 52. 593 Ramsl (in Druck). 594 Neugebauer 1980. 595 Schönfelder 1999, mit einem reichhaltigen Katalog bisheriger Funde. 387 Abb. 195: Latènezeitliche Schuhleisten aus Sommerein im Museum Mannersdorf, Niederösterreich mit Rekonstruktion eines Schnabelschuhs. 596 388 ein latènezeitliches Grab vom Dürrnberg gelten596, das Grab 119 von Dürrnberg-Eislfeld (Abb. 189). Es handelt sich um eine reichere Bestattung einer älteren, ca. 60-jährigen Frau aus der späten Hallstattzeit. Ein stabförmiger Anhänger fand sich dicht neben dem rechten Unterschenkel, an den Füßen je ein größerer und ein kleinerer Ring. Das genaue Aussehen der Schuhe kann nicht eindeutig rekonstruiert werden. Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass die Knöpfe und Ringlein beim Fußskelett zu Schuhen gehört haben, die über dem Rist (geknöpft) verschlossen wurden. Gerade aber bei Schuhibeln wie jenem aus WienLeopoldau (Abb. 193) sind solche runden Zier- (und Funktions-) elemente dargestellt. Pauli 1978, 532 f. Kostümkundliche Deutung des eisenzeitlichen Quellenmaterials Welches Bild wir hier auch durch die Zusammenschau von Grabfunden, Abbildungen, Schriftquellen und Originalfunden zur Kleidung in der Jüngeren Eisenzeit entwerfen, es ist hier sicher nicht die Gesamtheit der Kleidung der jüngereisenzeitlichen Bevölkerung repräsentiert. Allgemein war die Kleidung in der Eisenzeit sehr farbenfroh, was einerseits durch Originalfunde belegt ist und andererseits auch seinen Widerhall in der antiken Geschichtsschreibung fand. Männerkleidung Die Abbildungen von Männerkleidung in der Jüngeren Eisenzeit sind teils sehr detailliert und können auch mit Originalfunden von Gewändern in einen Kontext gesetzt werden. Den Oberkörper bedeckte ein lang- oder kurzärmeliger Kittel bzw. eine Tunika. Diese reichte teils bis zu den Knien und wurde auch gegürtet, wie die Statuetten von Imst oder Idria und die Funde von Gürteln in den Gräbern verraten. Die Gürtel sind ein wichtiges Requisit, da ihre Verwendung den Körper optisch klar in Ober- und Unterkörper gliedert und so starken Einluss auf die Silhouette hat. Jackenartige Oberteile, also solche, die vorne zu öffnen sind, zeigen die frühlatènezeitlichen Darstellungen auf der Schwertscheide von Hallstatt und die Fibel vom Dürrnberg. Lange Männerkittel inden sich auf den Werken der Situlenkunst. Als Überbekleidung gibt es verschiedene Formen des Mantels. Von der schriftlichen Überlieferung ist uns die Bezeichnung sagum bekannt. Wie uns römische Darstellungen und Originale aus den Moorfunden Nordeuropas lehren, ist der an einer Schulter geibelte Rechteckmantel sehr beliebt. Bei den Männergräbern deutet die einzelne größere Fibel an der rechten oder linken Schulter darauf hin, dass sie wahrscheinlich zum Zusammenhalten eines gröberen Stoffes gedient hat. Das sagum wurde später von den Römern als Soldatenmantel übernommen. 389 Daneben gibt es ab dem Spätlatène vorne geschlossene Kapuzenmäntel (cucullus), dargestellt etwa auf einer Holzigur aus den Seine-Quellen in Frankreich. Diese Mäntel werden bis in römische Zeit getragen und auf Grabsteinen als einheimische Tracht dargestellt, wie auf dem bekannten Relief des Schiffers (nauta) Blussus und seiner Gattin Menimane aus Mainz-Weisenau597. Die frühesten Hinweise auf Hosen (oder Beinlinge) sind auf dem hallstattzeitlichen Gürtelblech von Molnik und dem Kegelhalsgefäß von Sopron-Burgstall, Tumulus 127, dargestellt (Abb. 182). Enge, lange und gemusterte Hosen haben die „Radträger“ auf der Schwertscheide von Hallstatt an, weite Hosen trägt der Jäger auf dem Gürtelblech von Molnik. Das Beinkleid der Figur auf der Dürrnberger Fibel hat großzügige Falten, wie die Hose des reitenden Kelten auf der Tonscherbe vom Magdalensberg – eine weitaus spätere Darstellung. Auf den Abbildungen sind die Beinkleider zur Befestigung oft abgebunden. Bronzeanhänger wie wir sie aus dem Beinbereich frühlatènezeitlicher Bestattungen kennen, könnten auf diesen Bändern gehangen sein. Hallstattzeitliche Beinlinge wurden zusammen mit Socken auf dem Rieserferner Gletscher in Südtirol gefunden. Originalfunde zu Hosen und Beinwickeln kommen aus den nordischen Mooren (Thorsberg, Damendorf, Søgårds Mose). Sie werden meist in die römische Eisenzeit, also nach Christi Geburt datiert. Erst durch die Schriftquellen ist auch der Name von Kleidungsstücken bekannt: Diodorus Siculus verdanken wir die Bezeichnung braccae. Die Hose wird nach den Schriftquellen von den Griechen und Römern so klar als fremdes Element erkannt, dass sie gleichsam als Sinnbild für barbarische nördliche Völker gilt. Dennoch ist die Herkunft dieses Kleidungsstückes bisher nicht völlig geklärt. Die aus zwei Beinlingen bestehende, in der Mitte zusammengenähte Hose wurde wahrscheinlich an verschiedenen Orten gleichzeitig entwickelt598. Vor allem die antiken Reitervölker, so die Kimmerier und Skythen, hatten bereits Hosen, belegt etwa durch Edelmetallarbeiten aus Kurganen des 390 597 Böhme-Schönberger 1997. 598 Von Kurzynski 2000, 131–139, mit weiteren Quellen und Literatur. 4. Jahrhunderts v. Chr. Gerade beim Reiten erweist sich dieses Kleidungsstück auch als durchdachte Funktionskleidung, die den Beinen an Außen- und Innenseite idealen Schutz bietet. Bei Herodot ist im 5. Jahrhundert nachzulesen, dass die Meder, Perser, Saker und Skythen Hosen hatten599. In der griechischen Kunst tauchen Hosen vor allem als Kennzeichnung von Skythen auf600. Auf römischen Bildquellen wie auf der Markus- oder Trajansäule inden wir ebenfalls immer wieder „Barbaren“ in Hosen. So konnte der togatragende Römer „gens togata“ sich visuell gut von den hosentragenden Barbaren „gens braccata“ unterscheiden. Obwohl die Römer die Hosen für den Inbegriff alles Barbarischen hielten, wurde sie dann doch als praktisches Kleidungsstück beim Militär übernommen. Lederne Kniehosen (feminalia) inden sich etwa bei der römischen Reiterei ab dem späten 1. Jahrhundert n. Chr.601 Frauenkleidung Die Kleidung eisenzeitlicher Frauen ist schwerer zu fassen. Auf den Situlen sind Frauen stets mit einem langen Gewand abgebildet, das mit Schleier kombiniert und teilweise gegürtet getragen wird. Die Körpersilhouette der dargestellten Frauen war die einer verhüllten Gestalt mit geraden, strengen Formen und Betonung der Senkrechte. Es ist auf jeden Fall nicht jenes Bild der drapierten Faltenfülle, wie sie etwa die Peplos tragenden Frauen auf griechischen Darstellungen haben. Körperform und ließende Bewegung darzustellen, war bei den Frauengestalten der Situlenkunst offensichtlich kein Anliegen – die Figuren wirken statisch, trotz Szenerien mit Bewegungsabläufen. Abgesehen von den Situlendarstellungen gibt es in der Latènezeit nur wenige Abbildungen mit Frauen, es sei denn, spätlatènezeitliche Darstellungen der Göttin Epona, die ebenfalls ein knielanges Gewand trägt. 599 Hdt. 7, 61,62,64. 600 Gleba 2008b, 13–28. 601 Böhme-Schönberger 1997, 26. 391 Abb. 196: Varianten von Fibeltracht und Kleidungsstücken der Eisenzeit: Trachtlage oben frei nach Dürrnberg, Grab 119, unten nach Pottenbrunn, Grab 1003. Kleidungsstücke: Schlauchkleid „Peplos“ aus kariertem Wollstoff, grüner Mantel mit Ziernaht und Brettchenwebgürtel: Stoffe und Muster nach Funden aus Hallstatt. Einfaches Leinenkleid mit Stickerei nach dem Fund von Nové Zamky. Rekonstruktionen: Karina Grömer und Sabine Kastlunger, Model: Anna Palme. 392 In den Gräbern tritt uns die „Keltin“ folgendermaßen entgegen: Bei den Frauen dienten die kleineren Fibeln im Brustbereich wahrscheinlich ebenfalls zum Verschließen der Halsöffnung eines (Unter-?) Gewandes. Die symmetrisch an beiden Schultern getragenen Fibeln werden zumeist mit einem Überkleid, dem Peplos (siehe unten), in Verbindung gebracht. Diese Fibeln könnten aber ebenso einen Mantel halten, wie auch die teilweise vorkommenden einzelnen oder dicht nebeneinander liegenden Fibeln an einer Schulter (vgl. Abb. 196). Das Tragen von Ringen am Oberarm bei Frauen ist auch kostümkundlich interessant, da es möglicherweise darauf hindeutet, dass kurzärmelige Kleidung getragen wurde, also der Oberarm entblösst war. Andererseits könnte es auch ein Hinweis auf enge Ärmel sein, die es zuließen, dass die Ringe über diesen geschoben wurden. Auch die am Knöchel getragenen Fußringe könnten dahingehend gedeutet werden, dass die Kleidung nicht bodenlang war – sollten diese Schmuckstücke auch gesehen werden. Von den vollständigen eisenzeitlichen Gewändern Nordeuropas sind als Frauenkleidung vor allem Röcke und Schulterumhänge aus Fell erhalten sowie diverse Sprangnetze für das Haar. Besonders bekannt ist ein schlauchförmiges Kleidungsstück aus einem Moor von Huldremose, das in Anlehnung an die griechischen Gewänder von der dänischen Textilforscherin Margarethe Hald als Peplos gedeutet wurde. Dieser Peplos und seine Trageweise werden uns im Folgenden noch näher beschäftigen, da er in der einschlägigen Fachliteratur stets als charakteristisches eisenzeitliches Frauengewand gilt. Es handelt sich dabei um ein Kleidungsstück aus einem viereckigen Tuch. Dieses wird um den Körper genommen und waagrecht gefaltet, sodass ein Überschlag entsteht. An dieser Linie wird das Kleidungsstück an jeder Schulter mit je einer Fibel­Nadel etc. geschlossen (Abb. 197). Eine Gürtung, die je nach Länge des Überschlages über oder unter diesem liegen kann, verleiht dem Peplos zusätzlichen Halt. Bei der griechischen Kleidung602 unterscheidet man verschiedene Varianten des Peplos, je nachdem ob er seitlich 602 Pekridou-Gorecki 1989, 77–82. 393 zugenäht (dorischer Peplos) oder offen (ionischer oder lakonischer Peplos) ist. Die Textilforscherin Inga Hägg hat sich sehr intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wo der Peplos herkommt und wie er sich verbreitet hat603. Laut antiker Tradition soll die Peplostracht in Griechenland mit der Einwanderung der Dorer ca. 1.200 bis 1.000 v. Chr. von Norden her eingeführt worden sein, wobei diese Wanderungen vor allem in der Verbreitung der dorischen Sprachgruppen fassbar sind. Der Peplos ist ab dem Späthelladikum III B-C (also ca. 1.200 v. Chr.) mittels großdimensionierter Nadelpaare an den Schultern der Toten erstmals fassbar und taucht in Folge auch in der darstellenden Kunst Griechenlands auf. Nun ist für Mitteleuropa feststellbar, dass offenbar von der Frühbronzezeit (ab 2.200 v. Chr.) an über die Hallstatt- bis zur Latènezeit immer wieder in den Frauengräbern ein Gewand vorkommt, das mit paarigen Metallverschlüssen an den Schultern zusammengehalten wird. Es ändern sich dabei lediglich die Formen des Verschlusses von unterschiedlich gestalteten Nadeln in der Bronzezeit zu diversen Fibelformen in der Eisenzeit. Oftmals sind dazu auch metallene Elemente eines Gürtels erhalten, ob nun als Gürtelbleche, Gürtelhaken, Gürtelketten etc. Haben wir nun mit dem Peplos ein altes zentraleuropäisches Gewand vor uns, das in dieser Region – fassbar an den charakteristischen Trachtlagen in den frühbronzezeitlichen Gräbern Mitteleuropas – zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. entstand und sich von dort aus nach Griechenland verbreitete und in der Eisenzeit auch den Norden Europas erreichte? Ist aber dieses aus den Gräbern in Mitteleuropa bekannte, an den Schultern geschlossene und gegürtete Gewand in jedem Fall ein Peplos mit Überschlag604 oder verbergen sich hier weitere Bekleidungsformen (Abb. 196)? Interessanterweise ist sowohl bei den wenigen bronzezeitlichen wie auch bei den etwas zahlreicheren 394 603 Hägg 1996, 136 ff. 604 Auch die neuesten Forschungen von Antoinette Rast-Eicher (2008) am schweizerischen Textilmaterial der Eisenzeit erbrachten Zweifel, dass der Peplos mit Überschlag in der eisenzeitlichen Schweiz verwendet wurde. Durch den Nachweis von Webkanten an den Schulteribeln schließt sie das sogar aus. z. B. Bern-Enge Gr. 15 und 39; Abb. 41. eisenzeitlichen Abbildungen mit Frauengestalten kein Peplos erkennbar. Dieser würde doch mit seinem Überschlag und den an den Schultern zusammengesteckten Stoffteilen ein sehr charakteristisches Kleidungsstück mit dementsprechender Silhouette abgeben. Vielmehr inden sich etwa in der Situlenkunst eher Kleider, gegürtet und ungegürtet, kombiniert mit langen und kurzen Schleiern und Mänteln. Die drapierte Stofffülle eines Peplos ist dabei nicht zu erkennen. Erst die antiken Germanendarstellungen, etwa auf der Trajan- und Markussäule in Rom (2. Jahrhundert n. Chr.) stellen germanische Frauen in einem faltenreichen peplosartigen Gewand dar605, das aber keinen Überschlag hat. Auch die einheimische Tracht in den römischen Donauprovinzen der Kaiserzeit, etwa der norischen Frauen, zeichnet sich durch ein schlauchförmiges Übergewand ohne Überschlag aus. Dieses wird kombiniert mit einheimischen Formen wie großen Flügelibeln an den Schultern, diversen Hüten und Schleiern. Vor allem die bei den Römern unübliche Verwendung von paarigen Fibeln an den Schultern deutet an, dass es sich bei dieser Tracht um eine vorrömische Reminiszenz handelt. Abb. 197: Schema zur Drapierung eines dorischen Peplos. Die Frage, wann und wo jene aus einem rechteckigen Stoffstück oder aus einem Stoffschlauch drapierten Gewänder wie der Peplos verwendet wurden, ist auch eine textiltechnologische Angelegenheit. In der nordeuropäischen Forschung ist durch die gute Erhaltung vollständiger Gewänder ein sehr klares Bild fassbar606. So sind in der Bronzezeit Gewänder üblich wie die Frauenbluse, der Männerkittel oder auch der Männermantel, die sich dadurch auszeichnen, dass sie „geschneidert“ wurden. Das heißt, die gewobenen Stofflächen wurden zerschnitten, die Schnittkanten durch Säumen mit vielerlei Sticharten am Ausfransen gehindert und schließlich das Kleidungsstück nach Wunsch genäht. Diese Vorgehensweise – wie ein Kleidungsstück gestaltet wird – 605 Böhme-Schöneberger 1997, 45. – Zur Norischen Tracht: Garbsch 1965. 606 Siehe besonders bei Hald 1980. 395 ist klar aus der Ledernähtechnik ableitbar. Dies hat vor allem Margarethe Hald eindrucksvoll bewiesen. Die eisenzeitlichen Gewänder Nordeuropas erzählen hingegen von einem anderen Gestaltungsprinzip der Kleidung. Nun wird oft die rechteckige Fläche, die beim Weben auf dem Gewichtswebstuhl vorgegeben ist, verwendet. Dies erfolgte meist ohne weiteren Zuschnitt, vor allem Schnitte quer durch die Stofflächen werden nun vermieden. Diese Rechtecke konnten ohne weitere Naht einfach als Rechteckmantel, Schal, Schleier, Kopftuch oder Beinwickel um den Körper geschlungen werden, befestigt allein durch die Draperie oder mit Hilfsmitteln wie Gürtel, Nadeln oder Fibeln. Zusammengenäht ergeben diese nicht zugeschnittenen rechtekkigen Stoffelemente verschiedene Kittel, Tuniken oder eben den genähten Peplos. All diese Formen sind auch für die griechische und römische Kleidung typisch. Lediglich die Gestaltung von Hosen erforderte eine kompliziertere Schnitttechnik. Wenn man nun aber die Textilien aus dem mitteleuropäischen Textilbestand der Bronze- und Eisenzeit mit diesen Erkenntnissen vergleicht, so ist kein derart klares Bild erkennbar. Sowohl bei den bronzezeitlichen als auch den eisenzeitlichen Geweberesten aus Hallstatt inden sich viele geschneiderte Elemente (vgl. Seite 201 ff.). Es wurden oftmals kurvige Ränder geschnitten und mit Knoplochstich versäumt, Gewebe wurden quer zum Fadenlauf trapezförmig zurechtgeschnitten und zu einem Kleidungsstück zusammengesetzt. Auch die Beinlinge und Socken vom Rieserferner sind aus mehreren zugeschnittenen Teilen zusammengenäht. Wir haben hier also auch jene Schneiderkunst vor uns, die für den nordischen Bereich klar als Reminiszenz der älteren Kürschnerei gedeutet wird und die von der Verwendung rechteckiger Stoffbahnen in der Eisenzeit abgelöst wird. Nun stehen wir aber vor dem Problem, dass die Verwendung von Deckenkostümen à la Peplos nach den Trachtlagen in den Gräbern eventuell schon für die Frühbronzezeit in Mitteleuropa fassbar ist – eine Trachtlage, die sich wie bereits erwähnt, bis in die Eisenzeit in diesem Raum durchzieht. Wir haben es also in der Eisenzeit Mitteleuropas mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Gestaltungsformen für Kleidung zu tun, auch mit verschiedenen technologischen Herangehensweisen. 396 Zur Bedeutung von Kleidung und Schmuck Zunächst einige allgemeine Gedanken zur Kleidung, da diese in der Geschichte verschiedenen Zwecken diente und dient (Abb. 198)607. Eine grundlegende Funktion ist sicher der Schutz vor klimatischen Einlüssen wie Nässe, Kälte oder Hitze. Doch die Hauptbedeutung von Kleidung liegt nicht nur in spröder Zweckmäßigkeit. Ein wesentlicher Aspekt der Kleidung ist auch die Repräsentation und die Dekoration des Trägers. Klima, handwerkstechnisches Niveau, Sitte, Brauchtum und soziale Stellung führen zu unterschiedlichen Kleidungsformen. Dabei dient die Kleidung auch als wichtiges Kommunikationsmittel, das Aussagen über Identität608, Alter, Geschlecht, Gruppenzugehörigkeiten (auch ethnische Zugehörigkeit, Religionszugehörigkeit), sozialen Status etc. (Berufsbekleidung, Kleidung mit Hinweis auf den Familienstand) macht. Das Gewand, die Kleidungsbestandteile und der Schmuck haben für die Gruppe, aber auch für den Einzelnen identitätsstiftende Funktion. Kleidung gibt ebenso Aufschluss darüber, wie viel öffentlicher und privater Raum in einer Gemeinschaft besteht und wie die Geschlechter zueinander stehen. So drücken etwa optisch gleiche Gewänder für Mann und Frau ein anderes Selbstverständnis einer Gesellschaft aus als eine starke Betonung der Geschlechtsunterschiede durch verschiedene Kleidung. Die Bekleidung dient auch dazu, den Körper zu verändern, seine Silhouette, seine Oberläche umzugestalten. Ebenso beeinlusst das Gewand die Haltung des Menschen, der sie trägt, seine Körpersprache und seine Bewegungsmöglichkeiten. Um es plakativ auszudrücken: Die römische Toga, die aufgrund ihrer Stofffülle und Drapierung eher wohlüberlegte und getragene Bewegungen zulässt, vermittelt dem Träger sicher ein anderes 607 vgl. dazu die Überlegungen bei Schierer 1996, 10–29, 42. 608 Derzeit untersucht das Forschungsprojekt „DressID – Clothing and Identity“ unter der Leitung der Curt-Engelhorn-Stiftung Mannheim 2007–2012 die identitätsstiftende Funktion der Kleidung. Bei diesem Projekt werden – ausgehend vom römischen Reich mit seinen archäologischen, bildnerischen und literarischen Quellen – kulturelle Identitäten und ihre Widerspiegelung in den Textilien und Trachten erforscht. 397 Abb. 198: Funktion von Kleidung. Körpergefühl, als es der spätlatènezeitliche Kelte in Hose und Kittel mit deutlich mehr Bewegungsfreiheit hatte. Schutz und Scham Die Menschen machten sich bereits früh darüber Gedanken, warum man sich kleidet. Bereits frühzeitig behaupteten Moralisten, Kleidung sei dazu erfunden worden, intime Körperstellen zu bedecken. Uns geläuig ist dazu vor allem die Geschichte vom Sündenfall im Alten Testament der Bibel „.... und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten sich Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz.“609 Die Texte der Bücher Mose wurden aus verschiedenen Überlieferungen ab 1.000 v. Chr. aufgezeichnet und geben uns einen Einblick in die Moralvorstellungen im Vorderen Orient dieser Zeit. Das sind Moralvorstellungen, die das christliche Abendland bis weit ins 20. Jahrhundert prägten. 609 398 Bibel, Altes Testament, Bücher Mose. Genesis: Gen. 3,7. Die Schamthese610, besonders vertreten durch Moralisten des 19. Jahrhunderts, meint also, dass Kleidung entwickelt wurde, weil die Menschen sich ihrer Blösse schämen. Das ist aber nur für jene menschlichen Gemeinschaften zutreffend, bei denen Kleidung üblich ist. Wenn Nacktheit alltäglich ist, wird Scham anders ausgedrückt. Scham ist also ein Kulturprodukt und hängt von den jeweiligen Normen ab. Welche Teile des Körpers sichtbar sein dürfen und welche bedeckt sein müssen, ändert sich immer wieder und belügelt nicht zuletzt auch die erotische Phantasie. Im Laufe der Evolution des Menschen wurde Kleidung also nicht aus Schamgefühl heraus „erfunden“. Die Scham und ihre Verkehrung – der erotische Reiz – sind jedoch wesentliche Faktoren in der Ausprägung bestimmter Kleidungssitten. Forschungen zu diesem Thema sind etwa bei den Römern dank reicher schriftlicher Überlieferung sehr fruchtbar611. Moralisierende Worte über Kleidung sind Thema bei Kleidervorschriften, in Satiren etc... Für die Urgeschichte ist die Frage nach den Empindungen Scham und Reiz nur wenig erschließbar, selbst wenn gegen Ende der Eisenzeit Schriftquellen vorliegen. Wenn etwa Iulius Caesar in seinen Kommentaren zum Gallischen Krieg über die Sueben schreibt: „...keine Kleidung außer Fellen zu haben, wegen deren Kleinheit ein großer Teil des Körpers unbedeckt ist“612, so sagt das mehr über den Autor und seine Leserschaft aus als über die Beindlichkeit der so beschriebenen Menschen. Es gibt in der modernen Forschung nur wenige Beispiele prähistorischer Kleidung, bei denen das Gegensatzpaar Scham und Reiz in Betracht gezogen wird. Das berühmteste ist das bronzezeitliche „Schnurröckchen von Egtved“, das etwa von Elizabeth Wayland Barber613 in symbolisch-erotisierender Funktion gedeutet wird. Sie zieht dazu Schriftquellen aus dem antiken Griechenland heran, eine Passage aus dem 14. Gesang der Ilias von Homer. So bekommt Aphrodite von Hera angeblich einen „Gurt mit hundert Fransen“, um Zeus zu verführen. So ist der 610 Dazu bei Schierer 1996, 10–29. 611 Siehe etwa: Métraux 2008, 271–293. 612 Caes. b.g. 4,1,10. 613 Barber 1991, 256 f. – Hom. Il. 14,214–221. 399 Zierschurz zu Homers Zeiten (8. Jahrhundert v. Chr.) ein „Artefakt aus der legendarischen Bronzezeit“ mit symbolisch-ritueller, aber auch erotischer Bedeutung. Der griechische Schriftsteller Plutarch betont in seiner Klimatheorie die Wichtigkeit von Kleidung als Schutz des Körpers: „....Dasselbe Gewand wärmt in der Winterskälte, kühlt aber in der Sonne... So gebrauchen die Germanen Kleidung nur als Schutz vor Kälte, die Äthiopier [d.h. Afrikaner] als Schutz vor Hitze, wir aber als Schutz vor beidem.“ 614 Die Erwähnung von Kleidung dient hier dazu, den Herrschaftsanspruch der Römer dadurch zu legitimieren, da sie im ausgewogensten Teil der Welt leben. Die Funktion von Kleidung als schützende Bedeckung vor Witterungseinlüssen hat Aktualität, ob man sich nun in kälteren Regionen vor Wärmeverlust oder in extrem heißen Regionen vor Überhitzung schützt. Daneben gibt es auch Extremfälle, bei denen Menschen trotz unwirtlichen Klimas nur wenig Kleidung tragen. So berichtet uns der bekannte britische Naturforscher Charles Darwin, der Begründer der Evolutionstheorie, dass die an der Südspitze Südamerikas ansässigen Feuerländer in der Tundrasteppe der Südpolargebiete nur Körperbemalung und ein paar Fetzen Fell am Leibe tragen615. In Mitteleuropa ist es der Wechsel der Jahreszeiten, der den Körper starken Temperaturschwankungen aussetzt, die man auch in prähistorischer Zeit mit entsprechender Kleidung auszugleichen vermochte616. Es ist bei der Quellenlage zur Urgeschichte Mitteleuropas allgemein schwer, spezielle Sommer- und Winterkleidung auszumachen. Als besonders eindringliches Beispiel sei jedoch auf die steinzeitliche „Alpinausrüstung“ des Mannes aus dem Eis verwiesen oder auf die eisenzeitlichen Beinlinge vom Rieserfernergletscher. In diesen dürfen wir wohl wärmende Funktionskleidung sehen. 400 614 Zu Plutarchs Klimatheorie: Plut. mor. 691d. 615 Darwin 1839, The Voyage of the Beagle, London: Chap. 11: Strait of Magellan – Climate of the Southern Coasts. 616 vgl. dazu Wininger 1995, 121–131. Für die Jüngere Eisenzeit gibt eine Schriftquelle von Diodor darüber Auskunft, dass die Gallier jahreszeitlich unterschiedliche Kleidungsstücke verwendeten: „... gestreifte Mäntel mit einer Schulteribel, im Winter lauschige, im Sommer glatte...“617 Ein weiterer Aspekt, den Kleidungsbestandteile auch vermögen, ist der Schutz bestimmter Körperteile bei manueller Tätigkeit. Dazu zählt etwa die Schürze eines Schmieds, wie sie in römischen Darstellungen zitiert wird. Die Hauben und Schuhe, die in den eisenzeitlichen Salzbergwerken Hallstatt und Dürrnberg entdeckt wurden, gehören ebenfalls klar zur Arbeitskleidung der Bergmänner unter Tage. Haben sich diese Kleidungsstücke jedoch überhaupt von der Alltagskleidung unterschieden? Gab es eine Trennung zwischen Alltagsgewand und spezialisierter Arbeitskleidung in der Eisenzeit? Wir wissen es nicht; dagegen scheint plausibel, dass es eine gesonderte Festtracht gab (v.A. für begüterte Bevölkerungsschichten). Untersuchungen der Anthropologin Doris Pany618 an Skelettresten aus dem Gräberfeld von Hallstatt in Oberösterreich zeigen uns dazu Interessantes: Aufgrund der Beigaben, der zahlreichen Bronzegefäße, der Importe und auch des Reichtums in der Schmuckausstattung ist der Friedhof im Salzbergtal sehr reich. Es kann auch die breite Bevölkerung, die hier ihr Leben verbrachte und arbeitete, als wohlhabend angesehen werden. Die Skelette der Verstorbenen zeigen aber, dass dieser Reichtum auch durch körperliche Tätigkeit erarbeitet wurde. Insgesamt gesehen waren die eisenzeitlichen Hallstätter sehr kräftig gebaut. Es sind auch Spuren starker Arbeitsbelastung an den Knochen zu erkennen. Diese sogenannten Muskelmarken sprechen dafür, dass Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer in den Salzabbauprozess eingebunden waren. Es konnte sogar Arbeitsteilung festgestellt werden, da sich Unterschiede in den beanspruchten Muskelgruppen von Männern und Frauen nachweisen lassen. Männer waren für den Salzabbau (Schlagbewegung mit Bronzepickel) zuständig, Frauen wurden für Transporte (Hebe-, Zieh- und Tragebewegungen) eingesetzt. Auch Personen mit wohlhabender Ausstattung – mit Schmuckstücken – weisen derartige Veränderungen am Skelett auf. Nun zurück zur Kleidung: Es 617 Diod. 5,30,1. 618 Pany in Kern, Kowarik, Rausch & Reschreiter 2008, 136–141, mit weiterführender Literatur. 401 scheint unwahrscheinlich, dass die in den Gräbern gefundenen Nadeln, Brillenspiralibeln, Klapperblechibeln oder Blechgürtel während der Arbeit im Bergwerk getragen wurden – wie auch da Fehlen derartiger Funde im Bergwerk selbst zeigt. Sie wären eher hinderlich, würden verschmutzen oder könnten beschädigt werden. Waren nun auch die Gewänder anders beschaffen – hier Festkleidung aus feinen Stoffen mit reichem Schmuck – dort funktionale, strapazierbare Kleidung für die Arbeit im Berg (eventuell mit anderem Gewandschnitt?). Oder wurden die Schmuckstücke an Festtagen einfach nur an der gesäuberten (Arbeits-) Alltagskleidung angebracht? Ohne entsprechende Bild- und Schriftquellen wird es zu diesen interessanten Überlegungen keine endgültige Antwort geben. Kleidung für Mann und Frau Über die Zeiten hindurch bis ins 20. Jahrhundert hinein erschien es etwa in Europa völlig „selbstverständlich“, Mann und Frau anhand ihrer unterschiedlichen Kleidung zu identiizieren619. Die Kleidung bestimmte das Geschlecht so sehr, dass eine Frau in Männerkleidern unerkannt viele Jahre lang als Mann leben konnte. So wird etwa von einer Frau in Südholland aus dem 18. Jahrhundert berichtet: „... am 23. Februar 1769 verurteilte das Gericht von Gouda eine Frau wegen „sehr grober und schwerwiegender Verfehlungen“ und „Verspottens der göttlichen und menschlichen Gesetze“. Ihr Verbrechen bestand darin, dass sie acht Jahre zuvor Männerkleidung angezogen hatte, einen Männernamen angenommen hatte und Soldat geworden war ...“620 Dieses Thema der gegengeschlechtlichen Verkleidung mit Männer- oder Frauengewändern wird auch in Belletristik und Film immer wieder gerne aufgegriffen. So erzählt etwa der Film Yentl mit Barbra Streisand die Geschichte eines jüdischen Mädchens, dem es in einem osteuropäischen Dorf des Jahres 1904 nur durch Verkleidung als Mann gelingt, an einer Talmudschule studieren zu dürfen621. 402 619 vgl. Reich 2005, 42 f. 620 Nach Dekker & Van de Pol 1990: Frauen in Männerkleidern. Berlin, S. 11. 621 Yentl: Spielilm USA 1983, Produktion und Regie: Barbra Streisand. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird in der westlichen Welt die strikte optische Geschlechterzuweisung mittels Kleidung mehr und mehr aufgeweicht. Dennoch sind selbst wir aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts von stereotypen Zuschreibungen wie „Rock, Kleid = Frau“; „Anzug, Krawatte und Hose = Mann“ geprägt. Doch – wie war es in der Urgeschichte? War auch bei den frühen Ackerbauern oder den Kelten in vorrömischer Zeit das Geschlecht einer Person in seiner Kleidung sichtbar und festgelegt? Für das Neolithikum ist die Quellenlage noch sehr dünn. Die vollständigen Gewänder der Nordischen Bronzezeit haben klar unterschiedliche Formen und Schnitte der Kleidung für Mann und Frau. Auch in der Bronzezeit Mitteleuropas sind die Schmuckstücke und Trachtbestandteile von Männern und Frauen meist verschieden, in ihrer Form und Ausgestaltung oder aber in der Lage im Grab oder auch in ihrer verwendeten Anzahl. Wahrscheinlich sind diese Metallobjekte in den Gräbern dann auch Zeugen verschiedener Kleidungsstücke. In der Eisenzeit sind die szenischen Bildererzählungen der Situlenkunst am deutlichsten zur Frage nach Unterschieden in der Darstellung von Frauen- und Männertracht heranzuziehen, da hier beide Geschlechter gemeinsam auf einem Medium abgebildet sind. Dargestellt sind großteils Personen der Oberschicht bei festlichen, wenn nicht symbolisch-rituellen Tätigkeiten bzw. mythologische Inhalte. In der grundlegenden Silhouette und der Gewandgrundform sind auf den ersten Blick die beiden Geschlechter relativ ähnlich (ausgenommen die Krieger). Das häuigste Kleidungsstück ist das lange Gewand (Kittel, Kleid), das gegürtet oder ungegürtet getragen wird. Dazu wird teils ein Mantel kombiniert. Der augenfälligste Unterschied zwischen Mann und Frau wird bei diesen verhüllten Gestalten durch die Kopfbedeckung dargestellt – nicht durch die Betonung klar erkennbarer (sekundärer) Geschlechtsmerkmale wie etwa die weibliche Oberweite oder Bärte der Männer. Frauen bedecken den Kopf mit einem Kopftuch oder Schleier, der über die Schultern bis zur Wade reichen kann. Männer (immer bartlos) haben diverse Haubenformen – wenn sie nicht überhaupt barhäuptig dargestellt sind. Sie tragen teilweise verschiedene Helme, 403 (Leder-?) Panzerung und Waffen, was sie dann als Krieger auszeichnet. Es inden sich neben den verhüllenden Kleidungsformen des langen Gewandes der Zivilisten auch solche, die den Körper nachmodellieren. Trägt „Mann“ Hose und Kittel- oder jenes frackartige Gewand wie auf der Fibel von Dürrnberg, so ist der Körper klar gegliedert in Kopfregion, Ober- und Unterkörper. Es ist dies eine völlig andere Körpersilhouette als jene, die uns mit den langen, ließenden, oft ungegürteten Gewändern der Situlenkunst gegenübertritt. Bei den eisenzeitlichen Gewandfunden aus den Mooren Nordeuropas sind ebenfalls Kleidungsstücke von Frauen und Männern unterscheidbar, wenngleich die Gewänder nicht immer mit einem Leichnam gefunden wurden: So gibt es Hose, Kittel und Mantel für den Mann, Rock, Umhang oder den Peplos für die Frau. Es kann also wohl davon ausgegangen werden, dass es in der Urgeschichte allgemein, im Besonderen in der Eisenzeit, für Männer und Frauen verschiedene Kleidung gab. Bestimmte aber diese Kleidung durch ihre optische Wirkung so strikt das Geschlecht und somit die Rolle in der Gesellschaft, dass diese nicht überschritten werden durfte? Das kann für eine schriftlose Zeit nicht genau gesagt werden. Für römische Zeit sind Kleidervorschriften belegt, da bei ihnen angemessene Kleidung als Schlüssel der gesellschaftlichen Ordnung wichtig war622. So ist etwa das Tragen der Toga, das Staats- und Ehrenkleid des römischen Bürgers, für eine ehrbare Frau undenkbar. Sie trägt in der Öffentlichkeit die Stola, ohne die sie nicht aus dem Haus geht. Soziale Funktion der Kleidung Kostümgeschichte ist auch immer ein Spiegelbild der Sozialgeschichte. Spätestens ab der Römerzeit, noch mehr in Mittelalter und Neuzeit, lassen sich soziale Rangstufen und der Stand des Trägers anhand Schnitt, Material, Verzierungen und Farbe der Kleidung ablesen. Kleidung ist gemeinsam mit Sprache, Gestik und Mimik auch ein starkes Mittel zur Identitätsbildung 622 404 vgl. etwa Böhme-Schönberger 1997. und Selbstdarstellung. Bereits in der römischen Antike und im Mittelalter wird ferner die gesellschaftliche Ordnung durch die Kleidung widergespiegelt. Dies wird nicht zuletzt durch diverse Kleiderordnungen623 sichtbar. Wir haben aufgrund fehlender Schriftlichkeit keinen direkten Zugang zur symbolischen Bedeutung, die Schmuck, einzelne Kleidungsstücke, Farben etc. in der europäischen Urgeschichte hatten. Der Blick in die Geschichte, etwa ins Mittelalter624 lehrt uns, dass gewisse Farben bestimmten Bevölkerungsgruppen vorbehalten waren. Interessant sind auch Denkmodelle aus der Völkerkunde625. So können bei außereuropäischen Völkern innerhalb einer Kultur verschiedene Stoffarten und -qualitäten wie auch die Menge des verwendeten Materials ein wichtiges Mittel zur Unterscheidung von sozialem Status sein, selbst wenn der Schnitt in groben Zügen der gleiche bleibt. In Indien sind etwa nur den hohen Kasten und den Adeligen Seidenstoffe erlaubt, während sich die unteren Bevölkerungsschichten nur in Baumwoll- und Wollstoffe hüllen durften. Auch die Farbe der Kleidung in vorindustriellen Gesellschaften ist meist nicht willkürlich, sondern kann zur Unterscheidung von Altersklassen, Geschlechtern, sozialem Status oder Berufsständen dienen. Ebenso werden Gefühle – beispielsweise Trauer oder Freude – durch die Farbe der Kleidung oder durch bestimmte Accessoires ausgedrückt und damit der Umgebung mitgeteilt. Schmuck ist in der Völkerkunde integraler Bestandteil der Kleidung, als Zeichen von Gruppenzugehörigkeit, Status und Prestige. Schmuck dient auch als Zeichen für politische und wirtschaftliche Beziehungen. Auch die verschiedenen Lebensabschnitte (Geburt, Erreichen des Erwachsenenalters, Hochzeit, Ehestatus, Trauer etc.) werden von besonderer Kleidung und speziellem Schmuck begleitet, der so höchste magische und symbolische Bedeutung bekommt. Kleidung und Schmuck sind neben den Normen einer Gesellschaft auch Ausdruck individueller Vorlieben und Kreativität. 623 für das Mittelalter etwa bei Reich 2005. – für die Spätantike bis Frühmittelalter: Schierer 1996. 624 siehe dazu Reich 2005. 625 vgl. Feest & Janata 1989, 161–163 sowie 225–226. 405 Können wir – mit der gebotenen Vorsicht – derartige kleidungsund trachtkundliche Überlegungen aus Geschichte und Völkerkunde in die Urgeschichte übertragen? Inwieweit verweist das Gewand bereits in der Urgeschichte auf die gesellschaftliche Positionierung der Person? Bei der Statuszuweisung von Kleidung in der Eisenzeit können wir unter Anwendung obiger ethnologischer Analogien möglicherweise annehmen, dass aufwändig hergestellte Stoffe eher reichen Gesellschaftsschichten zur Verfügung standen. Dazu zählen neben gefärbten Textilien auch sehr zeit- und arbeitsaufwändige Gewebefeinheiten und Bindungen mit komplexen Web- und Ziertechniken oder spezielle Muster. Besonders die mit „teuren“ Materialien versehenen Gewänder (wie importierte Farbstoffe oder Goldfäden etc.) sind wohl den höheren sozialen Schichten zuzuschreiben. Beispiele stammen aus den eisenzeitlichen Fürstengräbern von Hochdorf und Hohmichele626. Eine soziale Zuweisung bestimmter Farbschattierungen ist für die Urgeschichte ein mehr als schwieriges Thema. Die meisten bildlichen Darstellungen etwa der Eisenzeit geben keine Farbe wieder. Selbst wenn Textilien in Gräbern vorhanden sind, so ist durch die Mineralisierung die ursprüngliche Farbe meist nicht mehr erhalten. In seltenen Fällen, beim Fürstengrab von Hochdorf, konnte festgestellt werden, dass die in diesem reichen Grab verwendeten und beigegebenen Stoffe meist in blau und rot gehalten waren. Besonders der rote Farbstoff ist in manchen Fällen sehr teuer, vor allem wenn er von einem Färbeinsekt stammte und nur durch kostspieligen Import erhältlich war. Er fügt sich in seinem Luxus gut in das Ambiente einer Bestattung der sozialen Oberschicht ein. War es jedoch rein ein Vorrecht der Oberschicht, diese rote Farbe zu verwenden oder standen rote Stoffe, gefärbt mit einfacher erhältlichen, einheimischen Planzenfarben wie Krapp auch der breiten Bevölkerung zur Verfügung? Ohne entsprechende Schriftquellen wie Gesetzestexte, Verordnungen etc. sind diese Fragen nicht zu klären. Diese stehen dann erst ab der Römerzeit zur Verfügung. Purpur ist dann etwa klar den Herrschenden vorbehalten. 626 406 Banck-Burgess 1999, mit Referenz zu weiteren Funden. – Hundt 1962. Schmuck und Trachtbestandteile dienen spätestens ab der Bronzezeit der Sichtbarmachung von Reichtum und Wohlstand, also der sozialen Differenzierung. Für die Archäologen bildet die Untersuchung von „Ausstattungsmustern“ in Gräberfeldern sowohl bei Brand- als auch Körperbestattungen eine der grundlegenden und vielgenutzten Methoden, um den hierarchischen Aufbau von prähistorischen Gesellschaften zu erforschen – nach dem Motto die „Gräber sprechen wo die Geschichte schweigt“.627 Trachtbestandteile und Schmuckelemente geben nicht nur durch ihre Anzahl sondern auch durch ihren Materialwert (Bronze, Eisen, Silber oder Gold) Aufschluss über die Vermögensverhältnisse und die soziale Position des Besitzers. Das Tragen von Schmuck, der Glanz des Metalles in kontrastierender Weise zum naturfarbenen oder gefärbten Gewebe, ist eine Angelegenheit der Repräsentation und Selbstdarstellung. Auch die Geräusche, die ein Mensch bei seinen Bewegungen macht, die Haptik, wie er sich anfühlt, ändern sich je nachdem, ob viele oder wenige Metallelemente verwendet werden628: etwa der weiche, warme, nachgiebige Wollstoff in Kontrast zum harten, glänzenden, kalten Metall. Es haben allgemein in der Bronze- und Eisenzeit Mitteleuropas Frauen mehr Metallobjekte (Schmuck und Trachtbestandteile) in ihren Gräbern als Männer, reiche mehr als weniger begüterte. Es hat also der individuelle Wohlstand einen direkten Einluss auf die physische Erfahrung bei einer Berührung – wenn man in voller Tracht auftritt, wie sie in den Gräbern auftaucht. Auch die „Lautstärke“, mit der einem ein Mensch entgegentritt, hängt von den mitgetragenen Metallobjekten ab. Ein besonders drastisches Beispiel sind die Klapperblechibeln (Abb. 199), die in reichen hallstattzeitlichen Frauengräbern aufgefunden werden, etwa die beiden Halbmondibeln aus Bronze mit verzierten Klapperblechen und Tierdarstellungen aus Grab 551629, des Gräberfeldes Hallstatt in Oberösterreich. Oft werden dazu auch noch Halsketten mit scheppernden 627 Ist der Titel eines Buches von Ernst Lauermann: Gräber sprechen wo die Geschichte schweigt – Grabbrauchtum im Weinviertel Niederösterreichs von der Urzeit bis ins Frühmittelalter. Ausstellungskatalog Asparn an der Zaya 1994. 628 Überlegungen dazu auch bei Bergerbrant 2007, 62–65, 139 f. 629 Kromer 1959, 124, Taf. 105/5. 407 Abb. 199: Klapperblechibel aus dem ältereisenzeitlichen Gräberfeld Hallstatt in Oberösterreich. Anhängern getragen. Hier möchte der Mensch, der diese trägt, nicht nur optisch auffallen, sondern auch akustisch. Hinter manchen Artefakten steht eine weitere interessante kommunikative Botschaft, die gemeinsam mit der Körpersprache innerhalb der Gemeinschaft verstanden wurde. So inden sich etwa in reichen Frauengräbern der österreichischen Mittelbronzezeit Stachelscheiben auf der Brust liegend630 (Abb. 200), während sich „ärmere“ Frauen nur mit einfachen Spiralringen am Oberkörper schmückten. Das Tragen der Stachelscheiben symbolisiert nicht nur Wohlhabenheit aufgrund der Verzierung und der Menge des verwendeten Metalls, es ist auch klar als Annäherungshindernis zu verstehen – als eine physische Abgrenzung eines Mitgliedes der Oberschicht. Inwieweit neben den in den Gräbern greifbaren Schmuckstücken auch die Kleidungsstücke selbst eine Zuordnung zu einer bestimmten Gesellschaftsgruppe anzeigten, ist aufgrund 630 408 z. B.: Pithen in Niederösterr. Urban 2000, 180-184. des geringen Quellenbestandes nicht einfach fassbar. In der Früh- und Mittelbronzezeit631 kennen wir beispielsweise eine regelhafte Ausstattung mit Nadeln. Wenn wir für die begüterten Frauen (jene mit Bronzen im Grab) davon ausgehen, dass diese offenbar zumindest zur Grablege ein Gewand hatten, das mit zwei Nadeln im Schulterbereich festgesteckt wurde – was haben dann jene getragen, die keine Bronzen mitbekamen? Wurde das metallene Kleidungszubehör lediglich durch organische Materialien wie etwa zwei hölzerne Dorne etc. oder durch Bänder ersetzt, die dann in gleicher Funktion das in ähnlicher Weise gestaltete Gewand verschlossen? Oder war die Kleidung der „ärmeren“ Bevölkerungssschichten anders geschnitten – etwa als einfache Kittel, die keiner weiteren Befestigungsmöglichkeit bedurften? Zu derart difizilen Fragen inden wir erst in der Eisenzeit brauchbare Fakten: Bei der bereits öfter zitierten Situlenkunst ist festzustellen, dass verschiedene Gruppen von männlichen Personen unterschiedliche Kleidung aufweisen. So tragen die Krieger auf der Situla von Certosa oder der Schwertscheide von Hallstatt sämtlich den kurzen Leibrock, die „Zivilisten“ etwa auf der Situla von Certosa hingegen ein bis zu den Waden reichendes, langes Gewand mit körperumhüllender Silhouette. Jene, die mit „dienender“ Tätigkeit dargestellt sind, etwa die „Kellner“ auf der Kuffarner Situla, sind in einen kürzeren Kittel gekleidet oder tragen nur einen Lendenschurz bei nacktem Oberkörper. Auch der Jäger auf der Situla von Welzelach ist dergestalt gewandet. Faustkämpfer haben lediglich einen schmalen Gürtel, der aber auch fehlen kann – sie kämpfen also nackt. Man kann demnach durchaus eine soziale Differenzierung in der Kleidung erkennen. Es ist aber nicht geklärt, ob diese Bildergeschichten die Lebenswirklichkeit der breiten Bevölkerung in der Hallstattzeit (im Ostalpenraum) wiedergeben. Vom Wert der Kleidung Die Anfertigung von Textilien ist sehr arbeits- und zeitaufwändig (siehe Kapitel „Handwerkstechniken“). Je komplexer 631 Beispielsweise bei Wiegel 1994, 173 ff. 409 410 das Gewebe und die verwendete Technik, je feiner die Gewebequalität, desto mehr Zeit benötigte man zur Herstellung. Die Frage nach dem Wert der Kleidung bringt uns zu Überlegungen nach dem Wert von Arbeitszeit und Arbeitskraft – damit zusammenhängend nach den Personen, die Textilien herstellen. Für die Eisenzeit ist es wahrscheinlich, dass besonders Frauen im Haushandwerk, als Spezialistinnen oder in Werkstättenproduktion für Spinn- und Webarbeit zuständig waren (vgl. Kapitel „Das textile Handwerk in der Urgeschichte“). Ohne entsprechende Schriftquellen ist der Wert ihrer Arbeitszeit schlicht nicht feststellbar. Erst in der Römerzeit sind durch Preisedikte, Verordnungen oder auch durch beschriftete Bleietiketten Preise und Löhne fassbar632. Für die mitteleuropäische Eisenzeit kann nur festgehalten werden, dass zum Teil wertvolle Materialien verwendet wurden, seien es importierte Farbstoffe (Hallstatt, Hochdorf) oder selbst Goldfäden (Hohmichele). Links: Abb. 200: Pitten in Niederösterreich, Grab 2 des mittelbronzezeitlichen Gräberfeldes: Stachelscheiben in Fundlage auf der Brust, dazu zwei lange Nadeln auf den Armen. Weiters ist zu betonen, dass man mit Kleidungsstücken, mit Textilien allgemein, sorgsam umzugehen wusste. Aus dem Salzbergwerk Hallstatt kennen wir etwa Gewebe mit verschiedenen Flick- und Stopfstellen (vgl. Seite 201 ff.). Diese sind teils sehr sorgfältig ausgeführt. Zudem wurde Kleidung auch umgearbeitet oder sekundär für andere Zwecke gebraucht (vgl. Kapitel „Von Kleidung bis Heimtextil“) – etwa als in Streifen gerissenes Bindematerial. All dies belegt, dass die „Ressource Textil“, in deren Herstellung viel Arbeitszeit lag, auch geschätzt wurde. Aus den antiken Kulturen Griechenlands, die zahlreiche Schriftquellen hinterlassen haben, ist der Wert von Kleidung gut belegt633. In den homerischen Epen Ilias und Odyssee stellen Textilien einen bedeutenden Teil des Gesamtvermögens dar. Gewänder für Hochzeit und Tod, Familienkleidung und Wäsche gehörten zum häuslichen Besitz, den die Frau zu verwalten hatte. Kleidungsstücke dienten sowohl als Repräsentationsgut in den begüterten Häusern, als wertvolles Geschenk oder als Weihegabe an die Götter. Kleiderbesitz ist – wie Schmuckbesitz – durchaus eine Wertanlage, kein Verbrauchsgut, das nach kurzer 632 vgl. Martijnse 1993. – Zum Preisedikt des Diokletian unter Lauffer 1971. 633 besonders ausführlich beschrieben in Wagner-Hasel 2000. 411 Zeit ersetzt wurde. Auch noch im Mittelalter634 stellen Kleidungsstücke in Testamenten und Inventaren dauerhafte Wertgegenstände dar, die oft über Generationen vererbt wurden. Gibt es Hinweise, wie viele Kleidungsstücke man in der Urgeschichte besaß? Die Antwort hierauf ist schwierig, selbst ob es spezielle Sommer- oder Winterkleidung gegeben hat, ist nicht gesichert, jedoch wohl wahrscheinlich. Ebenso stellt sich die Frage, wie breit der Bereich der willkürlichen Auswahl von Kleidungsstücken war. Abb. 201: Münsingen, Schweiz: Latènezeitliche Frauenbestattung Grab 184 mit 26 Fibeln. 412 Indirekte Hinweise auf die Anzahl von Kleidungsstücken im Besitz einzelner Personen könnten sich wieder aus den Grablagen, vor allem der reichen Bevölkerungsschichten ergeben. Aus der Jüngeren Eisenzeit liegen dazu Befunde vor, so ist in den Frauengräbern der Latènezeit teilweise die Anzahl der Fibeln sehr groß. Es liegen nicht nur die zum Zusammenstecken des Gewandes benötigten Exemplare im Schulter­Brustbereich, sondern es wurden weitaus mehr Stücke ins Grab mitgegeben. So inden sich Bestattungen mit zehn bis sechzehn Fibeln an der Brust635. Die Fibeln liegen in manchen Fällen nahe beieinander, sodass man denken könnte, sie wurden etwa in einem Beutelchen als Beigabe ins Grab mitgegeben. Der „Rekordhalter“ ist eine Frau aus dem Gräberfeld von Münsingen in der Schweiz, die 26 Fibeln im Grab hatte (Abb. 201) sowie eine bronzene Gürtelkette, goldene und silberne Fingerringe. Ob man nun von der Anzahl der Fibeln, die eine Frau laut ihrer Grabausstattung „besaß“ auch auf die in ihrem Besitz beindlichen Kleidungsstücke zurückschließen kann, ist fraglich, aber nicht ausgeschlossen. Nimmt man nun etwa an, dass für das Verschließen eines „Peplos“-artigen Gewandes zwei Fibeln nötig sind, so wäre rein rechnerisch ein Kleiderbesitz der oben erwähnten reichen Frau aus Münsingen, Grab 184, von zumindest 13 Peplosgewändern anzunehmen. Ein derartiger Kleiderbesitz diente sicher auch zur Repräsentation. 634 Reich 2005, 51 ff., 182. 635 Allgemein bei Müller & Lüscher 2004, 108 f. – Münsingen: Wiedner-Stern 1908 und Hodson 1968, 63. Schlussbetrachtungen zur vorrömischen Kleidungsgeschichte Wildes, zottiges Haar, primitive Gewänder aus groben Stoffen, ein Fell über die Schulter gehängt – das sind die Assoziationen, die landläuig auftauchen, wenn man die Frage nach der Kleidung prähistorischer Menschen stellt. Dem gegenüber steht das Bild der hehren, weiß gewandeten Gestalten der griechischen und römischen Antike – in fein drapierte Stoffe gehüllt. Doch die Kleidung der europäischen Urgeschichte war bunt und vielgestaltig, wie dies nach dem obigen kurzen Streifzug versucht wurde aufzuzeichnen. Es kann eine große Anzahl unterschiedlicher Kleidungsstücke identiiziert werden. Einige dieser Verschiedenheiten sind bedingt durch unterschiedliche Klimata, in denen sie verwendet und Jahrtausende später von den Archäologen aufgefunden wurden. Viele Änderungen in der Kleidung lassen sich auch an den technischen Möglichkeiten der einzelnen Zeitalter festmachen. Besonders augenfällig ist dies beim Schmuck und beim (metallenen) Kleidungszubehör, die Zeugnis verschiedener „Modeströmungen“ sind. Kleidung und Tracht sind auch materieller Ausdruck des sozialen Status einer Person, ihres Platzes in der Gesellschaft. Die neolithischen Darstellungen von bekleideten Menschen auf Figuren, Stelen und Ritzungen zeigen teils kleidungstechnisch interpretierbare Abbildungen. Sind nun jene auf den (Kult)Statuetten des Früh- und Mittelneolithikums deutbaren Lendenschurze und Schürzen nur im rituellen Bereich anzusiedeln oder fanden sie auch im Alltagsleben Gebrauch? Ob aber das in der Jungsteinzeit gebräuchliche Gewand auf eine einfache gegürtete „Kleid“-Silhouette reduziert werden darf, ist fraglich. Deinitiv indet sich auf den Darstellungen auch ein vorne offenes Obergewand, dessen Grundtypus uns vom Oberteil des Mannes aus dem Eis geläuig ist. Das „Bauschema“ dieses Gewandtyps entstammt klar der Ledernähtechnik. Diverse Hüte und Schuhformen aus planzlichen Materialien lehren uns ebenso wie die gesamte Ausstattung des Mannes aus dem Eis mit seinen Leggings, Durchziehschurz, der Bärenfellmütze und den mehrteilig zusammengesetzten Schuhen, die Kleidung der Jungsteinzeit als sehr vielfältig wahrzunehmen. Eine gewisse 413 Zweckoptimierung kann für diese Zeit ebenfalls schon angenommen werden. In der Bronzezeit wirkt sich das Fehlen bildlicher Darstellungen in Mitteleuropa drastisch auf unsere Kenntnis der Kleidungsformen aus. Aus Nordeuropa hingegen sind vollständige Gewänder bekannt: Für die Frau Bluse und Rock bzw. Schnurröckchen; für den Mann ein Lendentuch bzw. Wickelkittel und ovaler Mantel. Die in Mitteleuropa in den Gräbern auftauchenden Kleidungselemente wie Nadeln oder Kleiderbesätze kommen in dieser Form in Nordeuropa nicht vor. Wir wissen also nicht mit Bestimmtheit, zu welchen Kleidungsteilen sie gehört haben und wie diese gestaltet waren. Die Eisenzeit hingegen beglückt uns mit zahlreichen Quellen. Sowohl die archäologischen Bodenfunde, die Funde in den Gräbern, als auch bildliche Darstellungen in Mitteleuropa deuten eine Vielzahl an unterschiedlichen Kleidungsstücken an. Ergänzt wird das Bild durch die nordeuropäischen Originalfunde von Gewändern aus den Jahrhunderten um die Zeitenwende: Kittel, Rechteckmäntel, Röcke, Oberteile und Kleider. In der Eisenzeit taucht in Europa auch erstmals in der Geschichte die Hose auf – ein Kleidungsstück, das seitdem, wie der hemdartige Kittel, wesentlich für die Entwicklung der europäischen Modegeschichte geblieben ist636. Besonders interessant sind die schriftlichen Nachrichten antiker Autoren, denen wir Beschreibungen und vor allem die Bezeichnungen verschiedener Kleidungsstücke verdanken: „braccae“ für Hosen und „sagum“ für den geibelten rechteckigen Mantel. Zum ersten Mal in der mitteleuropäischen Kleidungsgeschichte können wir also die Dinge beim Namen nennen. Bei der eisenzeitlichen Frauenkleidung in Mitteleuropa scheinen hemdartige (genähte) Kleider sowie Schleier und Mäntel als gesichert, ebenso Kombinationen von Röcken und Oberteilen. Der „Peplos“ mit Überschlag ist hingegen vorrömisch nicht durch Abbildungen bezeugt. Die Trachtlage von paarigen Fibeln an den Schultern, die stets als Beweis für den Peplos gesehen werden, können auch auf verschiedene andere Arten gedeutet 636 414 vgl. dazu Bönsch 2001. werden. Die Vielfärbigkeit eisenzeitlicher Gewänder ist sowohl bei den Schriftquellen ein Thema, dies ist auch durch die mitteleuropäischen Textilfunde belegt – allen voran jenen aus den österreichischen Salzbergwerken. Verschiedene Kopfbedeckungen und Schuhformen runden unser Bild der eisenzeitlichen Kleidung ab. Es bleibt festzuhalten, dass es bei der hier dargestellten, über 5.000 Jahre umspannenden mitteleuropäischen Kleidungsgeschichte vom Beginn des Neolithikums bis zum Ende der Eisenzeit keinesfalls eine kontinuierliche Entwicklung vom Einfachen zum Komplizieren gibt. Es ist auch in der Urgeschichte mit situationsangepasster Keidung für Sommer und Winter sowie für verschiedene klimatische Umgebungen zu rechnen. Für die Kleidung des Menschen spielten die verschiedensten Materialien eine Rolle – Leder, Felle, diverse planzliche Materialien und nicht zuletzt gewobene Stoffe. Josef Wininger stellte richtig fest „daß Textilkleider solche aus Tierhäuten nur ersetzen konnten aufgrund einer rationalisierten Stoffproduktion und dass eine solche nur mechanisch zu erreichen war als Erindung der Weberei im Laufe des Neolithikums“637. Bei der gewobenen Kleidung spielen vor allem auch die Entwicklungen im Textilhandwerk eine große Rolle. Veränderungen, Einlüsse und Innovationen wie etwa in Web- und Musterungstechnik beeinlussen direkt die Gestaltung der Kleidung und sind vom Neolithikum bis zur Römerzeit gut zu beobachten. Dennoch hat die Kürschnerei bis mindestens in die Bronzezeit einen bedeutenden Einluss auf die Gestaltung der textilen Kleidung – wie durch den Schnitt der bronzezeitlichen Blusen belegt. Auch in der mitteleuropäischen Eisenzeit scheint es noch viele geschneiderte Kleidungsstücke gegeben zu haben, wie die genähten Stoffreste aus Hallstatt belegen. Auf den zeitgenössischen Kunstwerken etwa auf Situlen, sind keine drapierten Gewandformen wie etwa jene im zeitgleichen antiken Griechenland zu inden. Eine der Körperform angepasste Kleidung ergab einen besseren Schutz vor Kälte als die drapierten Wickelgewänder des mediterranen Südens. So spielten Schnitt 637 Wininger 1995, 121. 415 und Naht in Mittel- und Nordeuropa eine wichtige Rolle. Das kältere Klima machte auch eine größere Anzahl verschiedener Kleidungsstücke nötig. Dennoch scheinen sich ab der Eisenzeit immer mehr neue Prinzipien der Gestaltung von Kleidung durchzusetzen, die auf der rechteckigen Stoffbahn beruhen. Sie prägen Anlege- und Trageweise, Aussehen und Form einzelner Kleidungsstücke sowie das gesamte Erscheinungsbild inklusive der Körpersilhouette. Mäntel, Schals, Überwürfe, Kopftücher oder auch Beinwickel bestanden lediglich aus rechteckigen Stoffstücken, wie man sie vom Webstuhl abnimmt – ohne weitere Naht oder Zuschnitt. Abb. 202: Statuette eines Togatus aus Carnuntum. 638 416 Auf die Spitze getrieben wurde die um den Körper drapierte Kleidung von den mediterranen Hochkulturen. Als eindringlichstes Beispiel sei die Toga (Abb. 202), das Staats- und Ehrengewand des römischen Bürgers, genannt. So beschreibt Tertullian um 200 n. Chr. in seiner Schrift „de pallio“ die Toga und ihre Drapierung: „Vorerst, was sein bloßes Anlegen betrifft, so ist es frei von Unannehmlichkeiten. Denn man bedarf dazu keines Künstlers, der es am Tage vorher von oben an in kleine Falten legt, diese bis zu den großen Längsfalten herunterführt und dann das ganze künstliche Gebilde des eingezogenen Ellbogens mittels zusammenhaltender Spangen zurechtlegt. Am ändern Morgen wird dann die Tunika durch den Gürtel aufgeschürzt - die man hätte doch lieber gleich knapper anfertigen sollen der Ellbogenbausch wird noch einmal gemustert und, wenn er etwas aus der Lage gekommen, wieder zurecht gerückt. Einen Teil läßt er für die linke Seite übrig, den Außenteil aber, woraus der Busen gebildet wird, wo schon keine Längsfalten mehr sind, zieht er von den Schultern zurück und häuft ihn mit Ausschluß der rechten über die linke, verleiht nun auch dem Rücken der Länge nach ein anderes Ähnliches Faltenwerk und legt auf diese Weise dem Menschen in seiner Kleidung eine förmliche Last an. Ich will Dich schließlich einmal aufs Gewissen fragen, wofür Du Dich, wenn Du in der Toga steckst, eher zu halten geneigt bist, ob für einen bekleideten oder für einen bepackten Menschen? Für einen geputzten Mann oder einen Lastträger?“.638 Tert. de pallio 5. Zusammenfassung Die kulturhistorische Bedeutung der Textiltechniken, besonders des Spinnens und Webens, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Mit diesem Handwerk wurden nicht nur wesentliche Güter des täglichen Bedarfs – allen voran Kleidung – hergestellt, sondern auch Gebrauchswaren sowie repräsentative Objekte bis hin zu Luxusartikeln. Der zeitliche und geograische Rahmen dieser Untersuchung konzentriert sich auf die Urgeschichte in Mitteleuropa, der Zeit vor der Einführung der Schrift, in Mitteleuropa, also vor der Okkupation durch die Römer. Besonders österreichische Funde und Fundstellen sowie solche aus den angrenzenden Nachbarländern stehen im Fokus. Die Erindung der wesentlichsten Techniken des textilen Handwerkes, die wir zum großen Teil noch in heutiger Zeit anwenden, reicht zurück bis in die Steinzeit. Ein wichtiges Anliegen dieses Buches ist es, ein differenziertes Bild des prähistorischen Textilhandwerkes zu zeichnen. Dieses besteht aus zahlreichen einzelnen Arbeitsschritten – nicht nur Spinnen und Weben – die in ihrer Gesamtheit dargestellt werden. Die geschichtliche Tiefe wird durch die verschiedenen archäologischen Quellen deutlich – vom Werkzeug über Textilfunde bis hin zu Schriftquellen in der späten Eisenzeit. Ab der Jungsteinzeit, ab den ersten frühen Bauerngesellschaften, entwickelte der Mensch in seinem Einfallsreichtum viele Web- und Nähtechniken, Bindungs- und Musterungsarten, die uns zum größten Teil bis heute begleiten. Ab der Bronzezeit, im 2. Jahrtausend v. Chr., kommt es regelrecht zu einem „Innovationsschub“, indem etwa die erste Köperbindung auftaucht sowie Färbung oder Spinnrichtungsmuster. Die Verfeinerung der Textiltechnik, sichtbar an den im Vergleich zur Bronzezeit feineren und vielfältigeren Wollstoffen der Eisenzeit, erreicht in der Hallstattzeit ihren ersten Höhepunkt. Die hallstattzeitlichen Stoffe sind von hoher Qualität und durch Bindungsart, Farben, Muster und Borten sehr dekorativ gestaltet. Möglicherweise wurde diese Entwicklung durch die Herausbildung differenzierter Gesellschaftsstrukturen am Beginn der Eisenzeit begünstigt. 417 Dem Haupttitel dieses Buches, der prähistorischen Textilkunst, widmet sich besonders das Kapitel über die Ziertechniken an Stoffen, da hier nicht jene landläuig gedachte primitive Einfachheit vorherrschte. Schon allein die verwendete Gewebebindung ist ein wesentliches gestalterisches Element – komplexe Köpervarianten ab der Bronzezeit heben sich schon durch ihr strukturiertes Aussehen von einfacheren Leinwandbindungen ab. Wenn man dann zusätzlich verschiedene Farben für Kette und Schuss verwendete, so trat der Musterungseffekt einer Köperbindung mit der typischen Gratbildung noch prägnanter hervor. In der Urgeschichte Mitteleuropas wurden meist Musterungstechniken verwendet, die während des Webens gestaltet wurden. Das Design der Muster geht Hand in Hand mit ihrer Herstellungstechnik. So ist beim Weben durch das System der Kettund Schussfäden eine starke Betonung der senk- und waagrechten vorgegeben. Organisch entstehen so Streifen verschiedener Art und auch Karos, durch verschiedenfarbig aufgespannte Kettfäden und durch Wiederholen bunter Einträge im Schuss. Spinnrichtungsmuster gehören ebenfalls zu diesen während des Webvorganges geschaffenen Mustern, die in der mitteleuropäischen Eisenzeit sehr beliebt waren. Wollte man Bogiges, Kurviges gestalten, so musste man auf andere Techniken zurückgreifen. Hier bieten sich vor allem verschiedene musterbildende Einträge im Schuss an oder lottierende Elemente über einem Grundgewebe. Das Einarbeiten verschiedener Elemente verschaffte dem kreativen Menschen ab der Jungsteinzeit ebenfalls ein weites Betätigungsfeld. Stickerei, die kleine Schwester der Nähtechnik, ist in Mitteleuropa bisher selten nachgewiesen, dennoch lässt sie sich ab der Bronzezeit durch die Zeiten verfolgen. Auch die Brettchenweberei – mit einer Hochblüte in Mitteleuropa in der Eisenzeit – bietet durch die Art ihrer Ausführung ein reiches Feld für schöpferische Arbeit im Musterdesign. Bei dieser Technik sind der Fantasie kaum noch Grenzen gesetzt, wie archäologische und historische Textilfunde eindrucksvoll bezeugen. Es wird in diesem Buch auch der Versuch unternommen, die meist eher primitivistische Sichtweise auf das prähistorische Textilhandwerk etwas zu relativieren. Es werden Fragen gestellt 418 zur Produktionsorganisation, zu Arbeitsteilung und zu den im Handwerk tätigen Personen. Die Textilien und die Gerätschaften können uns sogar erste Hinweise auf das Produktionsniveau geben. Wurden die Textilien wirklich nur im Haushandwerk geschaffen oder können wir besonders in der Eisenzeit bereits so etwas wie Spezialisten oder Massenproduktion fassen? Die Textilien wurden nicht nur für Kleidung produziert, sondern erfüllten – wie auch heute noch – viele andere Aufgaben im täglichen Leben. Auch im prähistorischen Europa gibt es schon Hinweise auf Wandbehänge, Kissen und Matratzen. Gewebe wurden als Transportsäcke in einem Salzbergwerk eingesetzt oder auch als Polsterung für Schwertscheiden. Selbst nach Verschleiß ging man mit der „Ressource Textil“, in deren Herstellung so viel Zeit und Mühe lag, bedachtsam um. Mehr als einmal können wir regelrechtes „Recycling“ von Textilien beobachten. Ausgediente Stoffe wurden als behelfsmäßiges Bindematerial verwendet, als Verpackungsmaterial, ja sogar als Verbandsmaterial. Ein ausgedehntes Kapitel über die Kleidung in der mitteleuropäischen Urgeschichte rundet diesen Band ab. Es wurden verschiedene archäologische Quellen zusammengetragen, textile Funde, Schmuckstücke in Gräbern, zeitgenössische Bildquellen und – am Ende der Urgeschiche – auch Schriftquellen. Längst sind nicht alle Fragen geklärt und wir sind weit davon entfernt, ein Bild der Kleidung der gesamten Bevölkerung der einzelnen prähistorischen Epochen entwerfen zu können. Doch erste Schlaglichter auf einzelne Gewandformen, auf Schuhe und Kopfbedeckungen sind bereits möglich. Im Sinne des Forschungsprojektes „DressID – Clothing and Identities. New Perspectives on Textiles in the Roman Empire (2007-2012)“ ist es auch ein Anliegen, die Bedeutung von Kleidung und Schmuck in der Urgeschichte zu beleuchten. Nicht nur der Schutz vor klimatischen Einlüssen wie Nässe, Hitze und Kälte hat den Menschen der Steinbis Eisenzeit dazu bewogen, sich zu bekleiden. Nicht zu unterschätzen ist die soziale Funktion von Kleidung als Anzeiger von Macht und Status. Wie auch heute diente Kleidung als wichtiges nonverbales Kommunikationsmittel, es sagt vieles aus über seinen Träger, über den sozialen Status, über Alter und Geschlecht und auch über Gruppenzugehörigkeiten. 419 Heute wie damals hatte Kleidung eine identitätsstiftende Funktion für den Einzelnen wie für die Gruppe. Die Textilien und die Kunstfertigkeit, mit der sie geschaffen wurden, tragen viel zu dieser optischen Wirkung bei. So schließt sich nun der Kreis zwischen der prähistorischen Textilkunst, der Geschichte des Handwerks und der Kleidungsgeschichte – Themen, die es hier kunstvoll zu verweben galt. Summary The roots of our history as well as the history of the textile craft reach back to the „dark ages” without written sources, the millennia before the ancient civilisations. Textiles, textile production and clothing were essentials of living in prehistory, locked into the system of society at every level – social, economic and even religious. In the Roman Period, written sources allow us to draw a colourful picture of textiles and their producers – about their work and identity. For prehistory, the multifaceted evidence from archaeological excavations has to be puzzled together. It is a delightful challenge, to develop a hypothesis about „the people behind”, about textile producers and about the history of clothing. This book is dedicated to historians, costume designers, archaeologists und all persons, who are interested in handcraft and artisanship. It deals with the prehistory in Central Europe, with a special focus on Austrian sites and inds and the neighbouring countries. Our knowledge of textile production in pre-Roman Europe comes from various sources such as surviving textiles, grave inds, textile tools, archaeological evidence from settlements and depictions of craftspeople and their products. From the last centuries before Christ, at the end of Iron Age, we alse have sparse written sources. The title of this book „Prehistoric Textile Art” was chosen to emphasize the skill of prehistoric people in the use of different patterning techniques. Commonly, prehistoric textiles from Europe before the ancient civilisations are thought to be simple and primitive. 420 The aim of this book is to demonstrate the variety of working processes and techniques. It is a fact, that the most important techniques in textile handicraft and art, which we still use in the 21th century, have their roots in prehistoric times. They even reach back to Stone and Bronze Age. During these remote times, human beings developed the most important weaving and sewing techniques, weave and pattern types. The Bronze Age innovations, such as weaving twill, dyeing textiles or special pattern systems are surprising. There is a further development of textile techniques towards Iron Age. The qualities of Hallstatt Period textiles are iner and more diverse than in the preceding periods. They are rich in colour, as well as in different weave types, patterns and decorations. There are also different styles of band weaves. Usually, decorative techniques used in prehistoric times were introduced during weaving. Therefore, typical designs of the patterns are connected with the warp and weft system of the weave. For example, stripes or checked patterns are woven with warp and­or weft threads of different colours. For curving and circular designs there are different techniques to be used. For Central European prehistory, we know of different brocade techniques with loating thread systems. Inserting or attaching different elements into a weave, such as beads or even metal strips is known. Embroidery, the „small art” beside sewing, was used to create decorative patterns. Tablet weaving is a special weaving technique utilising four-holed tablets, which permits to create complex and igurative designs. This technique reached its irst zenith during the Hallstatt Period. This irst overview allows us to draw a picture of the development of textile production, starting from household production level in the Stone and Bronze Age and culminating in a more industrial level workshop production in Roman times. It is important to emphasize that, from the Hallstatt Period onwards, we know a highly developed textile art and that there is evidence of a well organised textile production – on household level and possibly specialised craft and the irst mass production in workshops. The textiles and tools show clearly, that there is a continuous development from the beginning of the Iron Age to the Roman era. For the topic „work and identity” the craftsmen – the 421 textile producers – are in the focus as well as the organisation of the production. We can ind their traces in every settlement, where they lived and worked. Spindle whorls, loom weights and needles found in graves may indicate that their owners were textile workers, but also may demonstrate their special status. The function of the woven fabrics in prehistory can be interpreted in various ways and different primary and secondary uses can be distinguished. Textiles were produced with special characteristics for a particular use. The primary use of textiles was as clothing or objects of daily use such as carrying-bags. In the centuries before Christ we even know of wall-hangings, pillows and mattresses. Secondary use is re-use after wear and tear, i.e. subsequent to primary use as „recycling”. Thus, textiles were used as provisional binders, as wrapping for goods, even as dressing material. The book concludes with a comprehensive chapter about clothing in prehistory. Different archaeological sources can be consulted: textile objects, rare inds of complete garments, jewellery in graves and iconographic evidence. Greek and Roman written sources sometimes give attention to the „barbaric” tribes in Central Europe – so we know the names of some garments used in the Late Iron Age. Although this study cannot give a picture of the clothes of the the population from Stone to Iron Age, we have some examples of garments, shoes and hats and how they were worn. The social meaning of clothing, clothing as an important media to communicate identity is a prominent part of this chapter. 422 Anhang Glossar Quellen Literatur Register 423 Glossar zu archäologischen und textilkundlichen Begriffen* Beizenfärberei Lösliche Farbstoffe werden durch vegetabile Beizmittel (Gerbstoffe) oder aluminium-, eisen- oder kupferhaltige Beizmittel chemisch mit der Textilfaser verbunden. Es entstehen nur schwer zu zerstörende Farblacke. Bindungen Ein bestimmtes System der Verkreuzung von Schuss- und Kettfäden bei Geweben. Die in der Urgeschichte vorkommenden Grundbindungsarten sind → Leinwandbindung, → Panamabindung und → Köperbindung mit verschiedenen Varianten. Brettchenweberei Bronzezeit Broschierung Dendrochronologie Drehrichtung Drehwinkel  424 Webtechnik mittels (meist viereckigen) an den Ecken gelochten Brettchen, durch die Kettfäden gezogen sind. Die Fachbildung erfolgt durch das Drehen der Brettchen. Charakteristischerweise ist der Schussfaden im Gewebe nur randlich und an den sogenannten „Umkehrstellen“ zu sehen. Brettchenweben dient zur Herstellung von schmalen Bändern sowie Gewebekanten. Zeitepoche der Urgeschichte, benannt nach dem vorwiegenden Gebrauch des Metalles Bronze; in Mitteleuropa etwa zwischen 2300 und 800 v. Chr. Musterung mit Zierschuss, der beim Eintrag nur die Breite des Musters einnimmt. Datierungsmethode für Holz, wobei man sich die unterschiedliche, vom jeweiligen Jahresklima abhängige Dicke der Jahresringe von Bäumen zunutze macht. Bei → Garnen und → Zwirnen wird die Drehrichtung mit den Buchstaben S oder Z bezeichnet, je nachdem, ob bei senkrecht gehaltenem Faden die Fasern in Richtung des Schrägstriches des Buchstabens S oder Z verlaufen. Zur besseren Differenzierung werden bei Garnen Kleinbuchstaben verwendet, bei Zwirnen Großbuchstaben. Zeigt an, wie stark oder schwach ein Faden gedreht ist. Quellen: Banck-Burgess 1999. – Eberle et al. 1991. – Ehlers 1998. – Schierer 1987. Eisenzeit Fadenrichtung (Fadensystem) Färber-Waid Farbmittel (Synonym: Färbemittel) Fliegender Faden Flottierung Garn Gelechte Gewebe Gewebeanfangskante Gewebedichte Gewichtswebstuhl Zeitepoche der Urgeschichte, benannt nach dem vorwiegenden Gebrauch des Metalles Eisen; in Mitteleuropa etwa zwischen 800 und 15 v. Chr. Ist bei einem Gewebe durch das Fehlen von Gewebekanten nicht bestimmbar, ob es sich um Kette oder Schuss handelt, wird nur von Fadensystem 1und 2 gesprochen. Für die Textilfärberei einst sehr bedeutende Indigoplanze mit Substanzen in ihren grünen Teilen, aus denen mit verschiedenen Techniken das blaue Pigment Indigotin (Synonym: Indigo) gewonnen werden kann. Ist die Sammelbezeichnung für alle farbgebende (= färbende) Stoffe. Dazu zählen die in Lösungs- und­oder Bindemitteln unlöslichen Pigmente wie verschiedenfarbige Ockersorten und die in Lösungs- und­ oder Bindemitteln löslichen Farbstoffe, wie Alizarin aus Krapp und Luteolin und Apigenin aus Färber-Wau. Musterungsart mit Fäden, die während des Webens eingetragen werden. Beim Weben jene Fadenstücke, die über größere Strecken nicht durch Bindungspunkte im Gewebe gehalten werden. Werden für Mustereffekte eingesetzt. Gesponnene Einzelfäden. Möglich sind zwei Drehrichtungen, die mit zoder z-Drehung bezeichnet werden. Mindestens drei Fäden werden durch diagonales Verkreuzen zu einer Fläche zusammengefügt. Entstehen durch rechtwinkelige Verkreuzung mindestens zweier → Fadensysteme (→ Kette und → Schuss). Beginn eines Gewebes am → Gewichtswebstuhl. Es wird mit Bandwebtechniken ein Ripsband, bzw. mit Brettchenweberei ein Band gefertigt und die Schussfadenschlaufen an einer Seite länger belassen. Diese bilden dann im Hauptgewebe die Kettfäden. Anzahl der Fäden pro cm in einem → Gewebe. Gezählt wird in beiden Fadensystemen (Kette und Schuss). Webgerät für großlächige Gewebe, bei dem die Kettfäden mittels Gewichten gespannt werden. Er kann ein- oder mehrschäftig ausgeführt sein, je nach gewünschtem Gewebe (→ Leinwandbindung oder → Köperbindung). Beim einschäftigen Webstuhl zum Weben von Leinwandbindung laufen alle geradzahligen Fäden über einen Trennstab, 425 die ungeradzahligen sind an einem Litzenstab angebunden. Beim natürlichen Fach haben die Kettfäden die von der Schwerkraft vorgegebene Stellung, beim künstlichen Fach werden die am Litzenstab befestigten Kettfäden nach vorne geholt. Hallstattzeit Heidengebirge Kammgarn Ältere Phase der → Eisenzeit; in Mitteleuropa etwa von 800 bis 450 v. Chr.; benannt nach den berühmten Funden aus dem Gräberfeld von Hallstatt. Im österreichischen Salzbergbau jede Form von Spuren prähistorischen Bergbaues. Garn aus gekämmter Wolle. Kettbaum (Warenbaum) Oberes Querholz beim senkrechten → Gewichtswebstuhl. Es kann auch beweglich sein, um das Gewebe bei fortschreitender Arbeit aufzurollen. Kette Die Gesamtheit der Fäden (Kettfäden), die bei der Herstellung eines Gewebes in Längsrichtung verlaufen. Jene, die beim → Gewichtswebstuhl am → Kettbaum angehängt sind und durch die Webgewichte beschwert werden. Köperbindung Bindungsart eines Gewebes, bei der die Zahl der jeweils überbrückten Fäden variiert wird. Hergestellt werden sie am Gewichtswebstuhl mit mehreren Litzenstäben. Als Varianten sind in der Urgeschichte Fischgrät-, Spitzgrat-, Diamanten- und Rautenköper belegt. Küpenfärberei Färbemethode mit blauen organischen Pigmenten aus Indigoplanzen und purpurroten aus marinen Purpurschnecken: Das unlösliche Pigment wird in der Küpe zu einer löslichen grünlichgelben Leuco-Verbindung reduziert. Das Textil wird eine gewisse Zeit in die Küpe gegeben und dann herausgenommen. Der Sauerstoff der Luft oxidiert die Leuco-Verbindung zum Pigment, das dann zwischen den feinen Faserstrukturen ixiert ist. Latènezeit Leinwandbindung Litzenstab (=Schaft) 426 Jüngere Phase der → Eisenzeit; in Mitteleuropa etwa von 450 bis 15 v. Chr.; benannt nach den berühmten Funden aus La Tène am Neuenburger See in der Schweiz. Einfachste Bindungsart eines Gewebes, bei der die Fäden einander in gleichbleibendem Rhythmus kreuzen. Jeder Kettfaden liegt abwechselnd über bzw. unter einem Schussfaden. Vorrichtung zum Heben und Senken der Kettfäden, um ein → Webfach zu bilden (mechanische Fachbildung). Von Schäften spricht man hauptsächlich bei Trittwebstühlen: Beim Gewichtswebstuhl ist dies der Stab, an dem die Kettfäden mittels eines Hilfsfadens (Litze) befestigt sind. Für → Leinwandbindung ist beim Gewichtswebstuhl ein einzelner Litzenstab nötig, für → Köperbindung mindestens drei. Panamabindung Peplos Gewebebindung ähnlich der →Leinwandbindung, doch kreuzen sich jeweils zwei Fäden, wodurch sich ein würfelartiges Aussehen ergibt. Griechisches Frauengewand aus einem schlauchförmigen Stoff, der umgeklappt und an den Schultern mit Fibeln oder Nadeln zusammengehalten wird. Prähistorie Urgeschichte oder Vorgeschichte; schriftloser Abschnitt der Menschheitsgeschichte, unterteilt in Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Radiokohlenstoffdatierung 14 (C Datierung) Naturwissenschaftliche Methode zur Altersbestimmung organischer Materialien, die Kohlenstoff enthalten. Man nutzt dabei die Tatsache, dass der Anteil an radioakivem Kohlenstoff (C14) durch radioaktiven Zerfall mit zunehmendem Alter immer geringer wird. Rapport Mustersatz bis zur Wiederholung der Reihenfolge der Schafthebungen beim Webstuhl. Rautenköper Bindungsart, Köper-Variante, die schrägen Grate des Köpers bilden eine Raute. Rips Abwandlung der Leinwandbindung, bei der in einem Fadensystem mindestens doppelt so viele Fäden verwendet werden wie im anderen. Dadurch sind im Gewebe Rippen zu sehen. Rips wird oft bei → Gewebeanfangskanten verwendet. Rückenwebgerät (=Hüftwebgerät) Webgerät, bei dem die Kette zwischen Rundhölzern gespannt ist, das Gerät wird an einem Kettende an einem Pfosten oder Ähnlichem festgemacht, am anderen Ende am Körper des Webenden (mittels Rückengurt etc.). Schärbock Hilfsmittel zum Abzählen, gleichmäßigen Abmessen und Ordnen der Kettfäden, bevor diese an das Webgerät befestigt werden. Schären der Kette Eine bestimmte Anzahl von Kettfäden wird zu einer Webkette mit bestimmter Breite und Fadendichte abgewickelt. Schuss Situlenkunst Der Eintrag beim Weben, die Gesamtheit der Fäden die bei der Herstellung in Querrichtung von einer Seitenkante zur anderen liegen. Figürliche Darstellungen des 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr. auf Bronzeblech. Von der Rückseite getrieben und die Konturen von der 427 Vorderseite mit schmalen Meisseln punziert. Dadurch entsteht eine Art laches Halbrelief. Spinnrichtungsmuster Spitzgratköper Trennstab Vlies → Köpervariante, bei der der Grat eine Zickzacklinie bildet. Beim → Gewichtswebstuhl ein Stab im unteren Bereich des Rahmengestells, der die Kettfäden der vorderen und hinteren Fadenreihe (bei Leinwandbindung) voneinander trennt. Schafpelz ohne Haut. Walken Gewolltes Verilzen von Wollartikeln. Die Fasern verhaken sich mit ihren Schuppen durch den Einluss von Wärme, Feuchtigkeit, Mechanische Belastung und Walkmittel. Webfach Abstand zwischen den Kettfäden, in den die Schussfäden eingelegt werden. Zur Fachbildung wird mit diversen Hilfsmitteln ein Teil der Fäden angehoben und gesenkt. Weben Beim Weben werden zwei rechtwinkelig zueinander liegende → Fadensysteme miteinander verkreuzt. Das Charakteristikum des entwickelten Webvorganges ist die mechanische Fachbildung mittels → Litzenstäben (Schäften). Webgewichte Tönerne oder steinerne Gewichte zum Spannen der Kettfäden bei einem → Gewichtswebstuhl. Webgitter Webkamm 428 Muster mit abwechselnder Verwendung von verschieden gedrehten (s- und z-) → Garnen. Gerät zur Fachbildung, auch verwendbar bei einem Bandwebgerät. Vorrichtung zum Anschlagen (Verdichten) der Schussfäden. Webpatrone Technische Zeichnung der Herstellung einer Gewebebindung = Musteranweisung. Webschwert Gerät aus Holz, Knochen oder Eisen zum Anschlagen der Schussfäden. Wollfeinheitsmessungen Es werden die Durchmesser von 100 Fasern (Idealfall) eines Fadens gemessen, um Rückschlüsse auf die Qualität der Wolle zu erhalten. Zwirn Zwei oder mehrere zusammengedrehte Garne, je nach Drehrichtung Soder Z-Zwirn. Abbildungsnachweise Abb. 1: Graik: Karina Grömer, Andreas Kroh und Michaela Maurer Abb. 2: © NHM Wien, Zeichnung: Dominic Groebner Abb. 3: © Oberösterreichisches Landesmuseum Abb. 4: Foto: Olivia Chrstos, Institut für Ur- und Frühgeschichte Wien Abb. 5: © Oberösterreichisches Landesmuseum Abb. 6: Foto: Wolfgang Lobisser, VIAS Abb. 7: Nach Moosleitner 1992 Abb. 8: © NHM Wien Abb. 9: © Amt für Archäologie Thurgau, www.archaeologie.tg.ch Abb. 10: © Südtiroler Archäologiemuseum – www.iceman.it Abb. 11: Foto: Karina Grömer Abb. 12: Graik: Karina Grömer und Peter Grömer-Mrazek Abb. 13: Fotos: Sylvia Mitschke, rem Mannheim und Robert Schwab, CEZA Mannheim Abb. 14: © NHM Wien, Botanische Abteilung Abb. 15: Botanische Bibliothek NHM Wien Abb. 16: Bilder: Sylvia Mitschke, rem Mannheim Abb. 17: Foto: Anne Reichert Abb. 18: Foto: Sylvia Mitschke, rem Mannheim Abb. 19: Bilder: Sylvia Mitschke, rem Mannheim Abb. 20: © NHM Wien, Graik: Karina Grömer Abb. 21: Foto: Karina Grömer, © Heimathaus Gallneukirchen Abb. 22: Fotos: Karina Grömer Abb. 23: © NHM Wien, Fotos und REM-Aufnahmen: Carine Gengler, Rudolf Erlacher, ARCH Abb. 24: Foto: Andreas Rausch Abb. 25: © NHM Wien, Graik: Karina Grömer Abb. 26: © NHM Wien Abb. 27: © NHM Wien und nach Belavoná und Grömer 2009 Abb. 28: Graik: Karina Grömer Abb. 29: Fotos: Karina Grömer Abb. 30: Fotos: Karina Grömer, © Heimathaus Gallneukirchen Abb. 31: Fotos: Karina und Peter Grömer Abb. 32: © Verein ASINOE und Bundesdenkmalamt BDA Abb. 33: © Amt für Archäologie Thurgau, www.archaeologie.tg.ch Abb. 34: Graik: Karina Grömer Abb. 35: © NHM Wien, Foto: Alice Schumacher Abb. 36: Graik: Karina Grömer Abb. 37: Graik: Karina und Peter Grömer Abb. 38: © NHM Wien Abb. 39: Nach Wieser 1999. Abb. 40: Fotos: Karina Grömer 429 Abb. 41: Nach Schierer 1987, Abb. 135 und 136 Abb. 42: Fotos: Karina Grömer Abb. 43: Nach Bazzanella und Mayr 2009, Abb. 15 und 16, Foto: G. Šebesta Abb. 44: © NHM Wien, Graik: Karina Grömer Abb. 45: © Ingrid Schierer Abb. 46: Fotos: Karina Grömer Abb. 47: 1 nach Grote 1994, Taf. 101. – 2 nach Hundt 1968, Abb. 5 Abb. 48: Fotos: Karina Grömer Abb. 49: Graik: Karina Grömer Abb. 50: Kohlestiftabreibung der Felsvertiefungen von Alfred Jockenhövel Abb. 51: Fotos: Links Franz Pieler, ASINOE; rechts Karina Grömer Abb. 52: © NHM Wien Abb. 53: © Susanne Stegmann-Rajtár Abb. 54: Graik: Karina Grömer Abb. 55: Graik: Karina Grömer Abb. 56: Nach Čambal and Gregor 2005, 37, freundl. Genehmigung Archäologisches Museum Bratislava Abb. 57: © NHM Wien Abb. 58: Foto Amt für Archäologie Thurgau, www.archaeologie.tg.ch Abb. 59: Fotos: Helga Rösel-Mautendorfer und Karina Grömer Abb. 60: Graik: Karina Grömer nach Hundt 1959, 1960 Abb. 61: © Bergbaumuseum Bochum, nach Stöllner 2002, Taf. 309 Abb. 62: © NHM Wien, Graik: Karina Grömer Abb. 63: © NHM Wien Abb. 64: Graik: Karina Grömer Abb. 65: Nach Schierer 1987 Abb. 66: Nach Schierer 1987 Abb. 67: © NHM Wien Abb. 68: © NHM Wien Abb. 69: Nach Franz 1927, Abb. 1 Abb. 70: Nach Goldmann 1990, Abb. 3. Abb. 71: Foto: Regina Hofmann-de Keijzer, ARCH Abb. 72: Fotos: Regina Hofmann-de Keijzer, ARCH Abb. 73: Fotos: Regina Hofmann-de Keijzer, ARCH Abb. 74: Tabelle Regina Hofmann-de Keijzer, ARCH Abb. 75: © NHM Wien Abb. 76: Foto: Harald Böhmer Abb. 77: Foto: Karina Grömer Abb. 78: Fotos: Karina Grömer Abb. 79: Mikroskopfoto: Regina Hofmann-de Keijzer, ARCH Abb. 80: © NHM Wien, Mikroskopfoto: Regina Hofmann-de Keijzer, ARCH Abb. 81: © NHM Wien Abb. 82: © NHM Wien 430 Abb. 83: © NHM Wien, Graiken nach Hundt 1959 Abb. 84: © Bundesdenkmalamt, Foto: Karina Grömer Abb. 85: © NHM Wien und Bergbaumuseum Bochum Abb. 86: © NHM Wien Abb. 87: © NHM Wien, Rekonstruktionen Karina Grömer Abb. 88: Fotos: Karina Grömer Abb. 89: Graik: Karina Grömer Abb. 90: Nach Banck-Burgess 1999 Abb. 91: Schema nach Vogt 1937 Abb. 92: Graik: Karina Grömer, nach Klose 1926, Hundt 1959 Abb. 93: Fotos: Karina Grömer Abb. 94: Nach Banck-Burgess 1999 Abb. 95: © NHM Wien, Prähistorische Abteilung Abb. 96: Nach Talaa 1991 Abb. 97: Nach Hrubý 1959 Abb. 98: Fotos: Schweizerisches Nationalmuseum, Foto Nr. DIG 8880-8881 Abb. 99: © NHM Wien, Foto: Alice Schumacher Abb. 100: Foto: Schweizerisches Nationalmuseum, Foto Nr. DIG 7222 Abb. 101: Nach Tereza Belanová-Štolcová 2005, Archäologisches Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften Abb. 102: © Bergbaumuseum Bochum Abb. 103: © NHM Wien, Graik: Karina Grömer Abb. 104: © Bundesdenkmalamt, Foto: F. Meyer Abb. 105: © NHM Wien Abb. 106: Bild im Heimathaus Gallneukirchen Abb. 107: © NHM Wien Abb. 108: Zeichnungen Helga Rösel-Mautendorfer, Fotos © NHM Wien Abb. 109: Zeichnungen: Helga Rösel-Mautendorfer, Fotos © NHM Wien und nach Stöllner 2002 Abb. 110: © NHM Wien Abb. 111: Foto: Katrin Kania, nach Kania 2007 Abb. 112: Skizze: Helga Rösel-Mautendorfer, Georg Rösel, nach Schlabow 1976 Abb. 113: Nach Schlabow 1976, Abb. 157 und 158. Abb. 114: Foto: © NHM Wien, Zeichnungen: nach Eibner 1980, Tafel 29 und Dobiat 1982, Abb. 12 Abb. 115: Zeichnung: nach Eibner 1997, Abb. 49, Foto: © Oberösterreichisches Landesmuseum Abb. 116: Foto © NHM Wien, Zeichnungen: nach Dobiat 1982 und Hundt 1960 Abb. 117: © NHM Wien Abb. 118: Graik: Karina und Peter Grömer Abb. 119: Übersetzung und Ergänzung sowie Graik: Karina und Peter Grömer, nach Andersson 2003a, Abb. 1 431 Abb. 120: © Bundesdenkmalamt, Foto: A. Krenn-Leeb, Inst. Ur- und Frühgeschichte Univ.Wien Abb. 121: © NHM Wien Abb. 122: Fotos: © Institut für Ur- und Frühgeschichte Universität Wien Abb. 123: © NHM Wien, Foto: Alice Schumacher Abb. 124: Graik: Karina Grömer, Einzelbilder nach Eibner 1986 Abb. 125: Nach Rebay 2006, Zusammenstellung Karina Grömer Abb. 126: Nach Rebay 2006, Zusammenstellung Karina Grömer Abb. 127: Foto: © Bundesdenkmalamt Abb. 128: Graik: Karina Grömer nach Martijnse 1993 Abb. 129: Fotos: Wolfgang Lobisser Abb. 130: Zusammenstellung Karina Grömer, nach Griebl 2004 Abb. 131: Foto: Tereza Belanová-Štolcová, © Westslovakisches Museum in Trnava Abb. 132: Graik: 7reasons Abb. 133: © NHM Wien Abb. 134: Nach Banck-Burgess 1999 Abb. 135: Graik: Karina Grömer, nach Lucke und Frey 1962 Abb. 136: Graik: Karina Grömer, nach Müller-Karpe 1974, Taf. 499 Abb. 137: © NHM Wien, Graik: Dominic Groebner Abb. 138: © NHM Wien Abb. 139: © Keltenmuseum Hallein, nach Kyrle 1918, Abb. 60 Abb. 140: © NHM Wien Abb. 141: Nach Stöllner 2002, Taf. 200 Abb. 142: Nach Müllauer und Ramsl 2007, Abb. 4 und 7, Zeichnung: Maria Imam Abb. 143: Fotos und Graik: Karina Grömer Abb. 144: Nach Haffner 1976, Abb. 62 Abb. 145: Graik: Karina Grömer Abb. 146: Nach Wels-Weyrauch 1994, Abb. 55 Abb. 147: © NHM Wien Abb. 148: © NHM Wien, Foto: Alice Schumacher Abb. 149: © NHM Wien, Foto: Alice Schumacher Abb. 150: Graik: Karina Grömer, nach Nieszery 1995 und Kloiber et al. 1971 Abb. 151: © Bundesdenkmalamt, Foto: L. Neustifter Abb. 152: Graik: Michaela Maurer, Referenzen zu den einzelnen Funorten im Haupttext Abb. 153: Graik: Karina Grömer, nach Seidel 1995 und Müller-Karpe 1974 Abb. 154: © Südtiroler Archäologiemuseum – www.iceman.it Abb. 155: © Anne Reichert Abb. 156: © Südtiroler Archäologiemuseum – www.iceman.it Abb. 157: © Südtiroler Archäologiemuseum – www.iceman.it. Abb. 158: © Katja Reichert Abb. 159: © Anne Reichert 432 Abb. 160: © Anne Reichert Abb. 161: Graik: Michaela Maurer, nach La Baume 1955, Abb. 89 Abb. 162: © National Museum of Denmark, Kopenhagen, Foto: Roberto Fortuna Abb. 163: Graik: Michaela Maurer, nach Schlabow 1937 Abb. 164: Graik: Karina Grömer, nach Müller-Karpe 1980 und Kovacs 1977 Abb. 165: Graik: Michaela Maurer, nach Neugebauer und Neugebauer 1997 Abb. 166: © Bundesdenkmalamt Abb. 167: © NHM Wien Abb. 168: Graik: Karina Grömer Abb. 169: Graik: Karina Grömer, Figur nach Kovács 1977, Anhänger © NHM Wien Abb. 170: © Museum Hallstatt, Foto: Andreas Rausch Abb. 171: © Niederösterreichisches Landesmuseum, Museum für Urgeschichte Asparn an der Zaya Abb. 172: Nach Engelhardt 1863 Abb. 173: © National Museum of Denmark, Kopenhagen, Foto: Lennart Larsen Abb. 174: © National Museum of Denmark, Kopenhagen, Foto: Lennart Larsen Abb. 175: © Südtiroler Archäologiemuseum – www.iceman.it Abb. 176: © Südtiroler Archäologiemuseum – www.iceman.it Abb. 177: © Oberösterreichisches Landesmuseum, Skizze: Manfred Pertlwieser Abb. 178: © NHM Wien Abb. 179: Inst. f. Ur- und Frühgeschichte Wien, Museum Asparn an der Zaya. Graik Karina Grömer Abb. 180: © NHM Wien Abb. 181: © NHM Wien, Foto: Alice Schumacher Abb. 182: Zusammenstellung: Karina Grömer, No. 1-15 nach Dobiat 1982, No. 16-37 nach Lucke and Frey 1962, Situla Kuffarn © NHM Wien. Abb. 183: © NHM Wien, Graik: J. Ribbeck, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz; Aquarell © Bundesdenkmalamt Abb. 184: © Keltenmuseum Hallein Abb. 185: © NHM Wien Abb. 186: Graik Karina Grömer, nach Ramsl 2002 Abb. 187: Rekonstruktion und Foto: Karina Grömer Abb. 188: © NHM Wien, Foto: Alice Schumacher Abb. 189: Graik: Karina Grömer, zusammengestellt nach Pauli 1978, Taf. 223 und 230 Abb. 190: © NHM Wien, Foto: Alice Schumacher Abb. 191: Graik und Umzeichnungen: Michaela Maurer, Nachweise siehe Text Abb. 192: Nach Barth 1992 433 Abb. 193: © NHM Wien, Foto: Alice Schumacher Abb. 194: © Museum Mannersdorf, Foto: Andreas Rausch Abb. 195: © Museum Mannersdorf, Foto: Alexandra Krenn-Leeb Abb. 196: Fotos: Richard Thoma Abb. 197: Graik: Michaela Maurer Abb. 198: Graik: Karina Grömer Abb. 199: © NHM Wien Abb. 200: © Niederösterreichisches Landesmuseum, Museum für Urgeschichte Asparn an der Zaya Abb. 201: Nach Wiedner-Stern 1908 Abb. 202: © Land Niederösterreich – Archäologischer Park Carnuntum, Bad Deutsch-Altenburg, Foto: Nicolas Gail Cover hinten: Graik: Karina Grömer 434 Quellen Caes. b.g. 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Este, I Carnuntum, A Castelvetro di Modena, I Çatal Hüyük, TR Certosa, I Chavéria, F Cîrna, RO Clairvaux-les-Lacs, CH Damendorf, D Dätgen, D Dejbjerg, DK Dietldorf, D Dragonby, GB Dürrnberg, A Egolzwil, CH Egtved, DK Eilsleben, D El Cigarralejo, E Elling, DK Eschenz-Insel Werd, CH Etremont, F Falkenstein, A Fårdal, DK Feldmeilen-Vorderfeld, CH Fiavé, I Flavia Solva, A Franzhausen, A Freundorf, A Frög, A Gachnang, CH Gagarino RUS Gars-Thunau, A Gemeinlebarn, A Giengen, D Ginderup, DK Glauberg, D Gomadingen-Steingebronn, D Göttlesbrunn, A Grafenbühl, D Greifensee-Böschen, CH Grevensvænge, Dk Grub-Kranawetberg, A Gründberg, A Gundestrup, DK Hafnerbach, A Haid, A Hallstatt, A Hessenrode, D Heuneburg, D Hirschlanden, D Hochdorf, D Hohmichele, D Horath, D Horn, A Hornstaad, D Huldremose, DK Idria, SLO Igler Säule, D Imst, A Irgenhausen, CH Itzehoe, DK Jetzelsdorf, A Kamegg, A Klagenfurt, A Kleinklein, A Kreienkopp, D Krems-Hundssteig, A Kuffern, A Kundl, A Lago di Ledro, I Laibacher Moor, SLO Latdorf, D Latsch, I Lattes, CH Lattringen, CH Leipzig-Connewitz, D Leonding, A Leopoldau, A Leopoldsberg bei Wien, A Leuna-Göhlitzsch, D Liptovska Mara, SLO Lucone di Polpenazze, I Luleč in Mähren, CZ Magdalensberg, A Magdalenska Gora, SLO Maiersch, A Malanser, FL 465 Manching, D Mannersdorf, A Marx-Etzel, D Mautern, A Meidling­Kleiner Anzingerberg, A Michelstetten, A Mitterberg, A Mitterkirchen, A Mohenjo-daro, IND Mold, A Molina di Ledro, I Molnik, SLO Molpír, SK Mörigen, CH Moritzing, A Muldbjerg, DK Münsingen, CH Murr, D Murten, CH Naquane, I Nerkewitz, D Neubau bei Traun, A Neuenburgersee, CH Neuvy-en Sullias, F Norikum Nové Košariská, SK Nové Zamky, SK Ølby, DK Oseberg, N Ostheim, D Ötztaler Alpen, A, I Perschling in Niederösterreich, A Petersfels im Hegau, D Pettenhofen, D Pitten, A Pompeji, I Pottenbrunn, A Prag-Záběhlice, CZ Pustopolje, SLO Rabensburg, A Reepsholt, D Reichersdorf, A Rieserfernergletscher, I Rom, I 466 Roseldorf, A Ruchmoor, D Saint-Colombe Saint-GermainSource-Seine, F Saint-Révérien, F Sasso di Furbara, I Schnidejoch, CH Schwarza, D Sé, H Seekirch, CH Sens, F Sion, CH Sipbachzell, A Sipplingen, CH Skrydstrup, DK Smolenice Molpír, SK Søgårds Mose, Dk Sommerein, A Sondershausen, D Sopron, H Statzendorf, A Stehelčeves, F Stiefels, D Stillfried an der March, A Stollhof, A Sublaines, F Sungir, RUS Tarkhan, ET Tegle, N Thorsberg, D Tollund, DK Trindhøj, DK Twann, CH Unterhautzenthal, A Unterparschenbrunn, A Unterradlberg, A Unterteutschenthal, D Uplamör, D Uttendorf, A Vače, SLO Valcarmonica, I Valle delle Paiole, I Vehnemoor, D Verucchio, I Vinča, SRB Vinelz am Bielersee, CH Voldtofte, DK Vösendorf, A Waldalgesheim, D Welzelach, A Wetzikon-Robenhausen, CH Wiepenkathen, D Willendorf, A Windeby, D Winklarn, A Yde, NL Zug-Sumpf, CH Zürich-Mozartstrasse, CH Zürich-Mythenquai, CH Zürichsee, CH Sachregister Abdichtungsmaterial Alaun Alpinausrüstung Arbeitsleistung Arbeitsschritte Arbeitsteilung Archäobotanik archäobotanische Archäozoologie Asbest Aufrauhen Ausrüsten Bänder Barett Bastfaser Baumbaste Baumsarg Befestigungsanlage Beinbekleidung Beinlinge Beizenfärberei Beizmitteln Beutel Bibel Bildliche Darstellungen Bildquellen Bindematerial Bindungen Blechgürtel Bleichen Bluse Bodenbelag braccae Brennessel Brettchengewebe Brettchenweberei Bronzeguss Bronzeschmuck Broschiermuster Broschierung Bundschuhe Bundschuhen Cannabis sativa Cochenille cucullus Dachshaar Dachshaargewebe Dendrochronologie Design Diagonallechterei Diagonalgelecht Diamantköper Direktfärberei Drehrichtung Drehwinkel DressID Einarbeiten von Metallelementen Eis Eisen-Gallus-Färbungen Entwicklungsgeschichte Epinetron Experimentelle Archäologie Fadenherstellung Fadenrichtung Färbedrogen Färbeinsekten Farben Färben Färber-Waid 467 Färber-Wau Farbmittel Farbstoffe Faseraufbereitung Fasern Fest-Tracht Festonstich Festtracht Feuchtbodensiedlung Feuchtbodensiedlungen Fibel Fibeln Flachs Flavonoide Flickungen Flottierung Fransen Frauengewand Frauenstatuetten Frauentracht Frisur Gelechte gens braccata gens togata Geräte Gerbstoffe Gewandensemble Gewebeanfangskanten Gewebedichte Gewichtswebstuhl Golddrähte Goldfäden Grasumhanges Gürtel Gürtelhaken Gürtelketten Gürtelverschlüsse Halsschmuck Handel Handelswaren Handspindel Handwerker Hanf Hanfgewebe Haushandwerk Hechelzinken 468 Heidengebirge Heimindustrie Heimtextil Helme Herbarbeleg Herstellungsprozesse Hochgebirgsausrüstung Höhensiedlungen Hose Hosen Idole Idolen Imperium Romanum Indigotin Indirubin Jackenartige Oberteile Jacquard-Webstuhl kaftanartiges Oberteil Kalenderbergkultur Kammgarn Kammzug Kappe Kappnähte Kapuzenmäntel Kardieren Karomuster kegelförmigen Hüten Kelimstechniken Kermes Kermesschildlaus Kettbaum Kirchenreinbach Kissen Kittel Klapperblechibeln Kleiderlaus Kleiderordnungen Kleidervorschriften Kleidungsbestandteile Kleidungsverschluss Kleidungszubehör Kniehosen (feminalia) Knöpfe Knoplochstich know how Kompositpanzer Konsumenten Köperbindung Kopfbedeckungen Kopftuch Körbe Korrosionsprodukte Kostümgeschichte kostümkundliche Interpretation Krapp Kreisgrabenanlage Krimmerbesatz Küpenfärberei Kupferzeit Labkrautarten Latènezeit Ledernähtechnik Lederschuhe Leichentuch Leichentüchern Lein Leinenkleidung Leinwandbindung Lendenschurz Lendentuch Linde Linear B-Texten Linum bienne Linum usitatissimum Litzenstab Litzenstäbe Litzenstabgerät Litzenstabwebgerät Lüneburger Bronzezeitkultur Männerkittel Männerkleidung Mantel Mäntel Massenproduktion Massenware Matratze Matratzen Matte Menschendarstellungen Messer Metallfäden Metallkorrosion Mikroskop Mikrostratigraphie Moor Moore Moorfunde Moorleiche Musterkette Mütze Nadel Nähen Nähfaden Nähnadel Nähnadeln Nähtechnik Netze norische Mädchentracht Oberteil organische Materialien Originalkostüme Orseille Panama Panamabindung Peplos Perlen Perlenstickerei Pferdehaar Planzenfasern Planzliche Fasern Pigment Platzbedarf Prachtmantel Produktionsform Produktionsformen Produktionsniveau Protovillanovakultur Purpur Rahmenwebstuhl Rasterelektronenmikroskop Rautenköper Rechteckmantel Recycling Reparaturen Ressourcen Rips Ripsband Ripsbänder 469 Ritzungen auf Tongefäßen Rock Rohmaterial Rohstoffe Römerzeit römischen Kaiserzeit Rückenwebgerät Rückstich Rundwebstuhl sagum Salzmumien Sandalen Sattlernaht Säume Saumstich Schaf Schafwolle Schals Schamthese Schärbock Schärbock Schere Scheren Schleier Schmuck Schmuckstücke Schnabelschuhe Schneiderei Schnittführung Schnurkeramik Schnurrock Schnurröcke Schnurstickerei Schriftquellen Schuhe Schuhleisten Schulterumhänge Schutzbedürfnis Seide Silhouette Situlenkunst soziale Schichtendifferenzierung Spezialistentum Spindel Spindeln 470 Spinnen Spinnrad Spinnrichtungsmuster Spinnrocken Spinnwirtel Spitzgratköper Spitzköper Sprangnetze Sprangtechnik Spulen Stachelscheiben Statuen Statuetten Steinstelen Stichtypen Stickerei Stielstich Stola Streichgarn Tauschhandel Teamwork Technik „Fliegender Faden“ Textilkunst Textilprodukte Textilszenen Tierhaare Toga Toilettgeräte Torques Totentracht Trachtbestandteile Trachtelemente Trachtforschung Trachtlagen Transportsack Trennstab Tunika Überkleid Überwindlingsstich Umwicklung von Grabbeigaben Vasenbildern verilzt verkohlte Textilien Villanovakultur Vlies Völkerkunde Volkskunde volkskundlich Vorstich Wadenwickel Waid Walken Wandbehängen Wangen Webbrettchen Webfach Webgerät Webgewichte Webgitter Webkamm Webschwert Webschwerter Webstuhl Webtechniken Werkzeug Werkzeuge Wirtel Witterungseinlüssen Wolle Wollfeinheitsmessungen Wollsäcke Wollvlies Wundverband Zeitaufwand Ziege Ziegenhaar Zipfelmütze Zweibaumwebstuhl Zwirnbindung Zwirntechniken 471 Danksagung Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinen Co-Autorinnen Regina Hofmann-de Keijzer und Helga Rösel-Mautendorfer, die, jede als Spezialistin auf diesem einschlägigen Gebiet, ihre neuesten Forschungen für dieses Buch zur Verfügung gestellt haben. Für zahlreiche fachliche Hilfestellungen, Anregungen und auch für die Druckerlaubnis von Bildmaterial danke ich Eva Andersson-Strand (Kopenhagen), Walpurga Antl-Weiser (Wien), Johanna Banck-Burgess (Esslingen), Marta Bazzanella (San Michele), Lise Bender Jørgensen (Trondheim), Sophie Bergerbrant (Stockholm), Ida Demant (Lejre), Kerstin Dross (Marburg), Alexandrine Eibner (Wien), Angelika Fleckinger (Bozen), Melitta Franceschini (Bozen), Margarita Gleba (Kopenhagen), Kordula Gostenčnik (Magdalensberg), Berit Hildebrandt (Hannover), Eva HölblingSteigberger (Wien), Franz Humer (Carnuntum), Albrecht Jockenhövel (Münster), Katrin Kania (Erlangen), Fleming Kaul (Kopenhagen), Anton Kern (Wien), Daniela Kern (Wien), Marianne Kohler-Schneider (Wien), Kerstin Kowarik (Wien), Andrea Kourgli (Wien), Alexandra Krenn-Leeb (Wien), Andreas Kroh (Wien), Ernst Lauerann (Asparn), Jutta Leskovar (Linz), Urs Leuzinger (Thurgau), Wolfgang Lobisser (Wien), Ulla Mannering (Kopenhagen), Bianca Mattl (Wien), Sylvia Mitschke (Mannheim), Susan Möller-Wiering (Schleswig), Fritz Moosleitner (Salzburg), Stefan Moser (Hallein), Marie-Luise Nosch (Kopenhagen), Gabriela Popa (Wien), Antoinette Rast-Eicher (Ennenda), Martina Reitberger (Linz), Peter Ramsl (Wien), Katharina Rebay (Cambridge), Anne Reichert (Ettlingen-Bruchhausen), Hans Reschreiter (Wien), Annette Schieck gen. Paetz (Mannheim), Ingrid Schierer (Wien), Susanne Stegmann-Rajtár (Nitra), Thomas Stöllner (Bochum), Tereza Štolcová-Belanová (Nitra), Claudia Theune-Vogt (Wien), Peter Trebsche (Asparn), Otto H. Urban (Wien), Ernst Vitek (Wien), John Peter Wild (Manchester). Ein besonderer Dank gilt Michaela Maurer und meiner Familie für ihre Mithilfe und Geduld. Dieses Buch entstand als Teil der Arbeiten zum Forschungsprojekt DressID - Kleidung und Identität. 472